Deutsche Medien: Putin hält Frieden mit Kiew für ausgeschlossen, aber kein Wort über die Begründung

Heute kann man überall in den deutschen Medien lesen, dass Putin auf der abschließenden Pressekonferenz des G20-Gipfels erklärt habe, dass er einen Frieden mit Kiew für ausgeschlossen hält. Nur wird auch hier wieder alles etwas anders dargestellt, als es tatsächlich gewesen ist. Darauf möchte ich kurz eingehen, danach werde ich die entsprechenden Antworten Putins von der Pressekonferenz im Wortlaut wiedergeben.
 
Der Spiegel titelt auch damit, dass Putin einen Frieden mit Kiew für ausgeschlossen hält und tatsächlich gibt der Spiegel die Aussagen Putins kurz wieder, jedoch ohne Putins Argumente zu nennen: „Der russische Präsident Wladimir Putin hat der ukrainischen Führung vorgeworfen, nicht an einer friedlichen Lösung des Konfliktes interessiert zu sein. Das zeige sich an den Kämpfen im Donbass in der Ostukraine wie bei dem jüngsten Zwischenfall auf dem Schwarzen Meer, der eine Provokation gewesen sei.
 
Wie kommt Putin darauf, dass die ukrainische Führung nicht an einer friedlichen Lösung interessiert sei? Warum nennt Putin den Vorfall im Schwarzen Meer eine Provokation? Dazu kein Wort im Spiegel, der Leser kann das nicht nachvollziehen, weil er den Zusammenhang nicht kennt.
 
Auch ist die Formulierung in den Überschriften der deutschen Medien so gewählt, dass sie den Leser in die Irre führt: Wer einen Frieden ausschließt, der sagt damit indirekt, er sei im Krieg. Das hat Putin aber nie gesagt und wie wir sehen werden (und wie es dann auch entgegen der Überschrift im Spiegel-Artikel als „Vorwurf Putins“ steht), hat er auch keinen Frieden ausgeschlossen, sondern gesagt, dass die derzeitige ukrainische Regierung seiner Meinung nach an einer friedlichen Lösung nicht interessiert sei. Das ist ein kleiner aber wichtiger Unterschied.
 
Weiter schreibt der Spiegel zu dem Vorfall im Schwarzen Meer: „Die jüngste Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine hatte sich am Wochenende zuvor an der Straße von Kertsch ereignet. Die russische Küstenwache hatte dort drei ukrainische Marineschiffe beschossen und aufgebracht.
 
Der Spiegel berichtet nur, dass die bösen Russen ukrainische Schiffe „beschossen und aufgebracht“ haben, kein Wort mehr davon, dass die ukrainischen Schiffe vorher die Hoheitsgewässer Russlands verletzt und dabei stundenlang nicht auf Funksprüche reagiert haben. Erst danach haben die Russen die Schiffe, immer noch in russischen Gewässern, gestoppt, wobei auch Schüsse gefallen sind. Wenn man diese Vorgeschichte, die übrigens niemand bestreitet, weglässt, dann ist natürlich Russland der Bösewicht.
 
Zunächst hat Kiew noch behauptet, es habe eine Erlaubnis zur Passage rechtzeitig angefordert und erhalten, inzwischen behauptet auch das niemand mehr, zumal die Russen mittlerweile die schriftlichen Befehle der Schiffe veröffentlicht haben, aus denen hervorgeht, dass die Schiffe mit dem klaren Befehl ausgelaufen sind, die Grenze Russland „heimlich“ zu verletzen. Auch dies bestreitet niemand, die Echtheit der Befehle wird von Kiew nicht bestritten.
 
Nur der Spiegel lässt seine Leser über diese Fakten völlig Unklaren. Und zwar nicht nur heute, sondern bereits seit einer Woche.
 
Dafür kann man im Spiegel noch etwas über den Dauerbrenner lesen: „Im Donbass führt Russland seit 2014 einen verdeckten Krieg, indem es prorussische Separatisten mit Waffen, Munition und Kämpfern unterstützt.
 
Dass die OSZE dort seit fast fünf Jahren Beobachter hat, die diese Vorwürfe von Kiew nie bestätigt haben, ist für denn Spiegel anscheinend nebensächlich.
 
Nun aber zu den Fragen der Journalisten zu dem Thema bei besagter Pressekonferenz und Putins Antworten. Ich habe es im Wortlaut übersetzt, damit Sie sich selbst ein Bild machen können.
 
Beginn der Übersetzung:
Frage: Herr Präsident, Sie haben gestern sowohl Angela Merkel als auch Emmanuel Macron getroffen, und in den Gesprächen wurde wahrscheinlich auch das Problem des Vorfalls in der Straße von Kertsch angesprochen. Haben Sie es geschafft, Ihre Gesprächspartner davon zu überzeugen, dass dies eine Provokation war? Was war ihre Reaktion im Allgemeinen?
 
Putin: Sie haben ruhig reagiert. Ich weiß nicht, ob es gelungen ist, sie zu überzeugen oder nicht, das müssen Sie sie fragen, aber wir haben unsere Position dargelegt und nicht nur unsere Position, wir haben die Chronologie der Situation dargelegt. Es ist schwer, dagegen zu argumentieren. Welche Einwände können erhoben werden, wenn direkt im Schiffslogbuch vermerkt wird, dass diese Schiffe den Befehl hatten, heimlich unsere Hoheitsgewässer zu verletzen und die Straße von Kertsch heimlich zu passieren? Was ist das? Dies ist eine geplante Provokation. Das geht aus den Dokumenten und aus den Aussagen der Seeleute selbst hervor. Das ist alles. Was soll man dazu sagen? Alles ist eindeutig, wie soll man da widersprechen?
 
Ich weiß nicht, ob ich sie überzeugt habe oder nicht überzeugt habe – ich mache mir Sorgen um etwas anderes. Wissen Sie, was das ist? Schließlich möchte ich das noch einmal wiederholen: In der Vergangenheit gab es größere Ereignisse im Zusammenhang mit der Ukraine und niemand hat das Kriegsrecht eingeführt. Aber jetzt, am Vorabend der Wahlen, wird das getan. Wofür? Natürlich, um die Bürgerrechte und -freiheiten einzuschränken, sie schränken die politischen Aktivitäten im Land ein. Noch schlimmer ist jedoch, dass sie dieses Kriegsrecht in zehn Regionen eingeführt haben, und zwar ausgerechnet in denen, in denen der derzeitige Präsident keine besonders hohe Unterstützung genießt und seine Politik keine besondere Zustimmung erfährt. Und was heißt das? Bedenken Sie nur: Das bedeutet, dass die derzeitige Führung der Ukraine das Land mit ihren eigenen Händen in vertrauenswürdige und weniger vertrauenswürdige Gebiete unterteilt hat. Ich kann mir keinen schlimmeren Fehler vorstellen.
 
Aber das ist vielleicht auch nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist die Analyse insgesamt. Ja, und jetzt spricht man von Matrosen, die wegen Verletzungen unserer Staatsgrenze festgenommen wurden. Aber niemand erinnert sich an die Opfer, bei den Ereignissen im Gewerkschaftshaus in Odessa. Kann sich jemand daran erinnern? Sie verweisen auf die Ermittlungen der ukrainischen Behörden, es gibt jedoch keine Ermittlungen. Und damit ist Ruhe, niemand stellt Fragen.
 
(Anmerkung: Bei den Ereignissen in Odessa wurden 2014 Gegner des Maidan von einem Mob in das Gewerkschaftshaus getrieben, das Haus wurde mit Molotowcocktails in Brand gesteckt und Menschen, die daraus fliehen wollten, wurden beschossen und vom Mob teilweise tot geprügelt. Es gab fast fünfzig Tote, die westlichen Medien haben über den Fall kaum berichtet und es wurde in der Ukraine niemand deswegen zur Verantwortung gezogen. Die Kiewer Regierung versprach eine Untersuchung, die jedoch nie Ergebnisse brachte, wofür Kiew in diversen Berichten der UNO und des Europarates kritisiert wurde und wird, was jedoch in der westlichen Berichterstattung ebenfalls nicht erwähnt wird.)
 
Was mich besonders beunruhigt, ist, dass die Analyse der jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit diesem Vorfall oder dieser Provokation im Schwarzen Meer und dem, was wir im Donbass sehen, darauf schließen lässt, dass die derzeitige Führung der Ukraine kein Interesse daran hat, diese Situation überhaupt mit friedlichen Mitteln zu lösen. Das sind Kriegstreiber, und solange sie an der Macht sind, werden alle diese Tragödien fortgesetzt. Warum? Weil es unter den Bedingungen gewisser Kriegshandlungen und unter den Bedingungen von Provokationen wie der, mit der wir es jetzt im Schwarzen Meer zu tun haben, für die oligarchischen Machthaber immer leichter ist, eine Politik zu verfolgen, die darauf abzielt, die eigene Bevölkerung und den eigenen Staat zu plündern. Das ist der Fall, bei dem man sowohl in unserem Land als auch in der Ukraine sagt: „Der eine bekommt den Krieg und der andere die Heimat“. Das ist der wichtigste Grund, warum die derzeitige Regierung nicht an einer friedlichen Lösung interessiert ist.
 
Und zweitens: Mit einem Krieg ist es immer einfacher, die eigenen Misserfolge in der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu vertuschen. Sie sind trifft keine Schuld, der äußere Angreifer ist schuld. Und der äußere Angreifer ist für die Verarmung der Bevölkerung verantwortlich, und für die Tatsache, dass der Staatshaushalt zusammenbricht. Daher man muss immer beim IWF und anderen Sponsoren mit ausgestreckter Hand um Geld betteln und die Belastung wird auf zukünftigen Generationen verlagert. Es ist einfacher, alles auf eine äußere Aggression zurückzuführen.
 
Diese Analyse ist besonders besorgniserregend. Mal sehen, wie sich die Ereignisse in der Ukraine weiter entwickeln werden. Es ist wichtig für uns, weil es ein Land ist, das uns nahe steht.
 
(Später wurde dazu noch folgende Frage dazu gestellt:)
Frage: Wird über einen Austausch der 24 ukrainischen Matrosen gegen russische Staatsbürger, die sich derzeit in der Ukraine befinden und gegen die Strafverfahren eingeleitet wurden, diskutiert? Gibt es einen solchen Vorschlag von der ukrainischen Seite? Gibt es überhaupt noch Kontakte mit der ukrainischen Seite, vielleicht auf technischer Ebene? Poroschenko sagte kürzlich, dass er Sie nach der Provokation in der Straße von Kertsch angerufen hat und Sie sich geweigert haben, mit ihm zu sprechen. Es ist weit gekommen: Die Ukraine steigt aus dem Asow-Abkommen aus, bricht die diplomatischen Beziehungen ab. Wie geht es weiter?
 
Putin: Wir haben natürlich Kontakte auf Arbeitsebene. Ich hoffe es wird so bleiben.
 
Kontakte auf höchster Ebene lehne ich nicht ab. Ja, in der Tat fand das Gespräch nicht statt, aber das bedeutet nicht, dass wir jegliche Kommunikation einstellen. Es ist aber schwierig zu kommunizieren, da nicht klar ist, worüber man eigentlich noch sprechen soll. Es wird ja keine einzige Absprache umgesetzt.
 
Mal sehen, wie sich die Dinge weiter entwickeln werden. Wie auch immer, wir werden natürlich die Beziehungen zur Ukraine aufrechterhalten.
 
Nachfrage: Sie haben nichts über die Matrosen gesagt.
 
Putin: Zu den Matrosen: Nein, vorläufig gibt es keine Gespräche über einen Austausch, und die ukrainische Seite hat eine solche Frage auch nicht gestellt. Jetzt ist es noch zu früh, um darüber zu sprechen, jetzt laufen die staatsanwaltlichen Ermittlungen. Wir müssen den provokativen Charakter der Maßnahmen der ukrainischen Behörden ermitteln und dies in juristischen Dokumenten festhalten. Ich habe bereits über das Logbuch gesprochen, das meines Wissens bereits veröffentlicht wurde. Wir müssen die vollständigen Aussagen der Matrosen erhalten, das alles entsprechend einordnen und dann werden wir sehen.
 
Ende der Übersetzung
 
Bleibt noch hinzuzufügen, dass der Spiegel in einem anderem Artikel über das Treffen zwischen Merkel und Putin berichtete. Dort konnte man lesen: „Merkel setzte sich gegenüber Putin insbesondere für die Freiheit des Schiffsverkehrs ins Asowsche Meer ein. Sie wolle „ganz klar sagen, der freie Schiffsverkehr in das Asowsche Meer muss zu den ukrainischen Küsten und Städten gewährleistet sein“, so die Kanzlerin. Dazu gebe es eine vertragliche Grundlage, die von Russland respektiert werden müsse.
 
Nun ist aber das Problem, dass Russland den Schiffsverkehr gar nicht behindert. Nach dem Brückenbau zur Krim ist lediglich Lotsenpflicht zur Durchquerung der Meerenge nötig geworden. Das hat aber noch nie ein Problem dargestellt, es wurde kein Schiff abgewiesen und keine Passage dadurch verzögert, auch ukrainische Kriegsschiffe haben die Passage schon problemlos gemacht. Der von Merkel angemahnte freie Schiffsverkehr ist also gegeben.
 
Und was die vertragliche Grundlage angeht, so muss man festhalten, dass die Ukraine bei dem aktuellen Vorfall gegen den Asow-Vertrag verstoßen hat, indem sie ihre Schiffe ohne Ankündigung auf den Weg in die Meerenge geschickt hat. Merkel sollte also diese Themen eher bei dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko ansprechen und nicht bei Putin.
Wenn Sie sich für die russische Sicht auf die internationale Politik interessieren, sollten Sie sich mein Buch einmal ansehen, in dem ich Putin selbst mit langen Zitaten zu den aktuellen Fragen zu Wort kommen lasse. Dies Buch war aus meiner Sicht notwendig, weil in den westlichen Medien zwar viel über Putin berichtet wird, aber er selbst nie zu Wort kommt. Und wenn doch, werden seine Aussagen so aus dem Zusammenhang gerissen, dass sie einen völlig anderen Sinn bekommen.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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