Die Sicht der Anderen: Das russische Fernsehen über die Idee einer europäischen Armee

In der Sendung „Nachrichten der Woche“ beschäftigte sich das russische Fernsehen mit der Idee von Macron, eine europäische Armee zu gründen, um Europa „vor China, Russland und den USA zu schützen“. Auch Merkel hat sich für die Idee ausgesprochen, wenn auch wohl aus anderen Gründen. Ich übersetze hier den Beitrag des russischen Fernsehens.
 
Beginn der Übersetzung:
 
Die Operationen der syrischen Regierungsarmee zur Befreiung des Landes von Terroristen steht kurz vor dem Abschluss, aber es gibt auch ein Hindernis. Amerikaner besetzen illegal eine Fläche von dutzenden Quadratkilometern im Südosten des Landes, wobei im Zentrum ihre Militärbasis Al-Tanf liegt.
 
Im diesem besetzten Gebiet liegt auch das Flüchtlingslager Rukban. Dort spielt sich eine humanitäre Katastrophe ab. 50.000 erschöpfte Menschen sterben langsam an Hunger, ohne sauberes Trinkwasser und ohne medizinische Versorgung. Darüber hinaus haben sich im Gebiet Al-Tanf die Amerika-freundlichen Kämpfer der Gruppe Magavir Al-Saura eingegraben, die die Flüchtlinge in echter Sklaverei halten und sie nicht aus dem Lager lassen.
 
„Die amerikanische Seite hat sich immer die Besetzung des Gebietes immer mit dem Kampf gegen die Gruppierungen des Islamischen Staates in der Region begründet. Den IS gibt es jedoch in Südsyrien gar nicht mehr. Wir fordern die Vereinigten Staaten auf, die illegale Besetzung der 55-Kilometer-Zone um Et-Tanf unverzüglich beenden.“ sagt Michail Mizinets, Leiter des Nationalen Zentrums für Verteidigungsmanagement der Russischen Föderation.
 
Das Verhalten der Amerikaner alarmiert die Europäer. Es geht so weit, dass die Gründung einer europäischen Armee besprochen wird. Noch weiß niemand, wie dieses Projekt mit der NATO zusammen passt, aber die Diskussion über die europäische Armee nimmt in der Alten Welt Fahrt auf.
 
Dass Europa eine gemeinsame Armee braucht, erklärte der französische Präsident am 6. November, also vor dem Gipfel der Regierungschefs in Paris anlässlich des 100. Jahrestages des Endes des Ersten Weltkrieges, aber dass das Thema kürzlich zu einem Top-Thema der politischen Diskussion wurde, verdankt es größtenteils den Tweets von Trump. Der Präsident der Vereinigten Staaten kam bereits gereizt in Paris an, aber er ertrug es, dass Macron ihm das Knie streichelte. Aber zurück zu Hause ließ er auf Macron einen Schwarm böser Tweets los.
 
„Emmanuel Macron schlug vor, eine eigene Armee zum Schutz Europas vor den USA, China und Russland zu schaffen. Aber Deutschland hat das bereits während des Ersten und Zweiten Weltkrieges getan. Wie endete das für Frankreich? In Paris haben sie Deutsch gelernt, bis die USA sich der Sache angenommen haben. Zahlen Sie an die NATO und an niemanden sonst!“ schrieb Donald Trump.
 
Es ist möglich, dass Macron genau das erreichen wollte. Die Idee, Trump als Verstärker zu verwenden, ist auf eine ganz eigene Art genial: Sie lässt die alte Idee, denn in der jüngeren Geschichte wurde schon über eine europäische Armee gesprochen, als etwas völlig Neues und Originelles erscheinen. Die Innovation von Macron besteht nur darin, dass er den wichtigsten Verbündeten in die Liste der potenziellen Bedrohungen für Europa aufgenommen hat.
 
Bei seinen Problemen mit den Beliebtheitswerten, sie liegen, wie Trump in einem seiner Tweets feststellte, bei weniger als einem Viertel der Wähler, kommt Macron eine Steigerung der Zahl seiner Zitate in den Medien gerade recht. Das pumpt sein politisches Profil auf und die Leute können selbst überlegen, ob das tatsächlich Realitäten oder nur Projektionen sind.
 
„Wir müssen verstehen, warum Vorschläge zur Gründung einer europäischen Armee gemacht werden. Ich denke, es gibt viele Gründe. Es gibt so viele europäische Probleme in der EU, dass wir nicht mehr wissen, was wir tun sollen. Die EU knirscht an allen Enden: Brexit, die Migrationskrise in Deutschland, die Situation in Osteuropa. Da wird dieser Vorschlag zum Vorwand für eine Reihe von Politikern, zu denen meiner Meinung nach auch Macron zählt, den Menschen ein neues „Spielzeug“ zu geben. Mit dieser Diskussion können sie die Menschen von den dringenden Problemen ablenken, und eine einzige europäische Armee ist dafür ein ideales Gesprächsthema.“ sagt Willy Wimmer, ehemaliger Staatssekretär des deutschen Verteidigungsministeriums.
 
Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU wäre die europäische Armee für Frankreich der Jackpot. Die Armee wird größtenteils mit französischen Waffen ausgerüstet sein, was für die französische Rüstungsindustrie fantastisch wäre und sie wäre auf die französischen Atomwaffen angewiesen: Und damit wäre Paris der Nabel Europas. Die Tatsache, dass Merkel, die neuerdings „Noch-Kanzlerin“ genannt wird, die Macron-Initiative unterstützt, ist auch mit Problemen in der Bundeswehr verbunden: In der Verwaltung ein Chaos, in den Spezialkräften sind Nazis. Andererseits glaubt Merkel selbst nicht an die Umsetzung dieser Pläne.
 
Um die Pläne umzusetzen, müssen die Europäer die wichtigste Frage beantworten: Warum auch noch für eine andere Armee bezahlen, wenn die NATO schon da ist und niemand für sie die 2% des BIP ausgeben möchte, die Trump fordert? Zurzeit hat das nordatlantische Bündnis in Europa, ohne Großbritannien gerechnet, ungefähr 1,7 Millionen Soldaten, ungefähr 150 Kriegsschiffe, 7 Dutzend U-Boote, darunter die französischen Atom-U-Boote, ungefähr 5.300 Panzer und ungefähr 2.700 Kampf- und Transportflugzeuge verschiedener Typen.
 
Es ist wahrscheinlich, dass die Schaffung einer europäischen Armee, die vom Bündnis autonom ist, zu einer Schwächung der Nato führen wird, weil die neue Struktur einen bedeutenden Teil der Streitkräfte und Budgets aus der Nato abziehen wird. Das wird die NATO kaum zulassen. Unterstützer des Projekts betonen die Notwendigkeit, ihre Sicherheit vor den Unsicherheiten des politischen Kurses der USA abzusichern. Was, wenn nach Trump jemand noch Schlimmeres kommt? Damit konnte man jedoch Holland und das neutrale Österreich nicht überzeugen. Und die Idee, aus der Vasallenabhängigkeit von den Vereinigten Staaten auszusteigen, wird in Osteuropa definitiv nicht funktionieren, wo sie sich über die USA einfach nur freuen und noch mehr davon bei sich haben wollen.
 
„Die baltischen Staaten und Polen leiden in den Beziehungen zu Moskau unter einem manisch-depressiven Syndrom. Sie sind bereit, uns in die Konfrontation ihrem östlichen Nachbarn zu ziehen, die nur in ihren Vorstellungen über den Nachbarn begründet liegt. Die Amerikaner planen einen neuen Eisernen Vorhang von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Eine solche Spaltung Europas gefällt den Polen und Balten, weil sie sich gegen Russland und Deutschland richtet. Wir müssen die Dinge nüchtern beurteilen “ sagt Willy Wimmer.
 
Diese Interessenkonflikte, wie sie von den gegenwärtigen Eliten gesehen werden, zerreißen die Europäische Union. Zum Beispiel weichen die Interessen der polnischen Nationalisten, die am 11. November ihre Macht demonstrierten, radikal von den Plänen Berlins ab. Und das Projekt der europäischen Armee ist ein Versuch des alten Europas, einen neuen Integrationsmechanismus als Gegengewicht zu den Euroskeptikern ins Leben zu rufen, die vielleicht die wichtigste Frage stellen: Wer soll eigentlich den Oberbefehl haben?
 
Und in welcher Sprache wollen sie Befehle geben, damit ihr Sinn absolut jeden Soldaten erreicht und auch von ihm verstanden wird: In diesem Fall ist das eine zentrale organisatorische Frage. Und Englisch ist in Zeiten des Brexit irgendwie nicht mehr geeignet, und jeder Staat hat in dieser Frage seinen eigenen Stolz.
 
Außerdem widersprechen die demokratischen Prinzipien der Europäischen Union, bei denen alles auf Rotationen, Konsultationen und Konsens beruht, dem Wesen einer Armee mit ihrer starren Befehlsvertikale. Sollte in Europa eine einheitliche Armee entstehen, wird sofort klar sein, wer in Europa tatsächlich das Sagen, in diesem Fall das Kommando, hat. Die Idee von Macron ist zu interessant, um nicht darüber zu sprechen, aber sie scheint zu kompliziert zu sein, um in absehbarer Zeit realisiert zu werden.
 
Ende der Übersetzung
 
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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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