In Russland gewinnt die Opposition Wahlen – Wie geht das in der „Diktatur“ Russland?

Es wird für die westlichen Medien immer schwerer, Russland als böse Diktatur darzustellen. Wie schön war die Zeit, als Putin hochbeliebt war und alle Wahlen gewann und man daraus Verschwörungstheorien über Wahlbetrug spinnen konnte. Und heute? Oppositionskandidaten gewinnen Wahlen und Menschen demonstrieren ungestraft gegen die Rentenreform. Wie geht das in einer Diktatur?
 
Ich habe das Thema in der letzten Zeit ein paar Mal gehabt, weil es einfach zu unterhaltsam ist. Die deutschen Medien berichten über Großdemonstrationen gegen die Regierungspolitik in Russland nicht, weil ihnen die Veranstalter nicht gefallen. Wenn die Kommunisten zehntausende gegen die Rentenreform auf die Straße bringen und ungestört demonstrieren dürfen, ist das nicht sexy für die deutschen Medien. Kommunisten sind eh pfui und wenn bei einer Demo niemand kamerawirksam vor dem Kreml verhaftet wird, ist die Legende vom autoritär regierten Russland in Gefahr, das die Opposition unterdrückt.
 
Nun ist in Russland tatsächlich gerade etwas in Bewegung. Die objektiv nötige Rentenreform ist unglaublich unpopulär. Das Rentenalter von 55 Jahren für Frauen und 60 Jahren für Männer ist nicht zu halten, denn in Russland steigt die Lebenserwartung rasant und so soll das Rentenalter auf 60 bzw. 65 angehoben werden. Aber da die Russen, die dem Staat traditionell misstrauen, sind sie für Argumente über die demografische Entwicklung kaum zugänglich, stattdessen fürchten sie, einfach nur länger arbeiten zu müssen, ohne dafür die angekündigten Erhöhungen der viel zu niedrigen Renten zu bekommen.
 
Putins Beliebtheitswerte sind seit der Ankündigung der Rentenreform von 80% auf unter 50% abgestürzt. Und bei den aktuell stattfindenden Stichwahlen zu Gouverneurswahlen (vergleichbar den Ministerpräsidenten in Deutschland, nur dass die in Russland direkt gewählt werden) gewinnen nun reihenweise die Kandidaten der Opposition, die es nach Angaben der deutschen Medien in Russland doch eigentlich gar nicht gibt. Gestern waren mehrere Wahlen und überall gewann die Opposition. In Deutschland würde man von Protestwählern sprechen, aber so ist nun mal die Demokratie: Wenn den Menschen die Regierungspolitik nicht gefällt, protestieren sie dagegen – auch an der Wahlurne.
 
Vor einer Woche gab es bei einer anderen Stichwahl einen Skandal, als bei einer Wahl heftig von beiden Seiten geschummelt wurde, hat die Leiterin der Wahlkommission die Wahl kurzerhand annulliert, obwohl offiziell der pro-Putin Kandidat gewonnen hatte. Die Leiterin der Wahlkommission ist übrigens eine Kritikerin von Putin. Seit sie im Amt ist, haben selbst die von den USA finanzierten NGOs praktisch nicht mehr über Wahlbetrug in Russland berichtet. Sowohl die letzten Parlamentswahlen als auch die Präsidentschaftswahlen liefen ohne nenneswerte Beschwerden ab, das russische Wahlsystem ist transparent, wie nirgends auf der Welt: Beobachter überall, Webcams senden live aus allen Wahllokalen, die Auszählung ist transparent und kann online verfolgt werden. Da kamen die Schummeleien letzte Woche umso überraschender und im Fernsehen kann man seitdem fast täglich die Chefin der Wahlkommission sehen, die sichtlich stinksauer ist und wie gesehen kompromisslos durchgegriffen hat.
 
Aber für die westlichen Medien sind dies Katastrophenmeldungen. Wie soll man die Legende von der Diktatur in Russland, die die Opposition unterdrückt, aufrecht erhalten, wenn die Opposition die Wahlen gewinnt? Wie soll man von Diktatur in Russland sprechen, wenn die Opposition ungehindert demonstrieren darf?
 
Also wird wahlweise gar nicht berichtet, wie bei den Demonstrationen der Kommunisten, oder man holt die alten Hüte raus, wie Navalny oder Pussy Riot, auch wenn beide in Russland keine Rolle spielen. Aber wenigstens haben die westlichen Medien sie bekannt gemacht.
 
Pussy Riot berichtet davon, dass eines ihrer Mitglieder vergiftet wurde, natürlich von Putin. Er wurde – auf wessen Kosten? – im Privatjet nach Berlin geflogen, blöd nur, dass die Ärzte nicht feststellen konnten, was eigentlich mit ihm los ist. Aber er selbst ist wieder auf den Beinen. Dass Pussy Riot in Wirklichkeit Anarchisten sind, die die Freigabe aller Drogen fordern und keine einzige konstruktive politische Forderung haben, ist für die deutschen Medien nicht wichtig, die Mädels sehen einfach zu gut aus auf den Fotos in der Zeitung, als dass man sie nicht nutzen sollte. Und womit sich ein Mensch vergiftet haben könnte – außer mit Putins Gift -, der für die Freigabe aller Drogen eintritt, diese Frage wird in Deutschland besser nicht gestellt.
 
Auch Navalny wird heute wieder aus der Schublade geholt, schon wieder wurde der arme Kerl verhaftet. Der Spiegel berichtet selbst, dass Navalny die Vorwürfe, zu ungenehmigten Demonstrationen aufgerufen zu haben, gar nicht bestreitet: „Nawalny bestritt dies nicht, machte aber geltend, dass die Behörden seine Anträge für Kundgebungen grundsätzlich ablehnten.“
 
Was der Spiegel verschweigt ist, dass seine Anträge sehr wohl genehmigt werden, nur eben nicht da, wo er will: Vor dem Kreml. Er bekommt jedes Mal einen alternativen Ort genehmigt, in einem Park im Zentrum Moskaus, nur da möchte er nicht demonstrieren. Und würde er es tun, dann bekäme er gar keine Schlagzeilen mehr, weil dann niemand seine Demonstrationen auflösen würde. Also ruft er trotzdem zur Demo vor den Kreml auf und dort wird die Demo erwartungsgemäß und kamerawirksam aufgelöst. Und schon hat die Tagesschau auch wieder schöne Bilder aus dem bösen Russland.
 
Und dass man in Russland tatsächlich demonstrieren darf, steht in dem aktuelle Artikel auch ganz verschämt im letzten Satz: „Erst am Samstag waren in Moskau erneut 3000 Menschen aus Protest auf die Straße gegangen.
 
Man darf also sehr wohl in Russland gegen die Regierung demonstrieren, wenn man sich an die Auflagen der Behörden hält. Eigentlich ganz wie in Deutschland. Der Unterschied ist nur, dass ein Verstoß gegen das Versammlungsrecht in Deutschland eine Straftat ist und mit mehrjähriger Freiheitsstrafe geahndet wird. In Russland ist es ein Ordnungswidrigkeit, geahndet mit Geldstrafe und nur im Wiederholungsfalle mit bis zu 30 Tagen Ordnungshaft.
 
Ups, da ist das Demonstrationsrecht in der Diktatur Russland ja weniger streng, als in der Demokratie Deutschland. Schade, dass die deutsche Presse darüber noch nie nachgedacht hat…

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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