INF- und ABM-Vertrag: Wie die USA die Säulen der globalen Sicherheit planmäßig zerstören

Die USA wollen Abrüstungsverträge kündigen und Medien und Politik sind zu Recht sauer auf Trump. Dabei ist Trump gar nicht das Problem, die USA haben schon unter Bush und Obama Abrüstungsverträge gekündigt bzw. gegen sie verstoßen, nur dass es damals keine mediale Aufregung gab. Die Medien vermeiden auch jetzt jeden Hinweis auf die lange Liste der amerikanischen Verstöße gegen diese Verträge und tun so, als würde es dies erst jetzt unter Trump geben.
 
Also der Reihe nach: Es gab drei wichtige Abrüstungsverträge, den ABM-, den START- und den INF-Vertrag, und auf die möchte ich kurz eingehen.
 
Der erste Vertrag war der ABM-Vertrag. Dieser Vertrag war ein wichtiges Element der nuklearen Abschreckung, denn er verbot es den Unterzeichnern, flächendeckende Raketenabwehrsysteme aufzubauen. Der Sinn ist folgender: In der Logik atomarer Rüstung ist es das Ziel, den Gegner im Falle eines Krieges durch einen Erstschlag zu entwaffnen, damit er nicht mit einem Gegenschlag reagieren kann. Nur so ließe sich ein Atomkrieg theoretisch gewinnen. Daher haben die Atommächte auch eine sogenannte „Zweitschlagskapazität“, das bedeutet, dass sie zum Beispiel in Atom-U-Booten Raketen mitführen, mit denen sie einen Gegner auch dann noch vernichten können, wenn das eigene Land bereits atomar vernichtet worden ist.
 
Und hier kommt die Raketenabwehr ins Spiel. Wenn ein Land eine Raketenabwehr hat, könnte es sich so sicher fühlen, dass es einen möglichen Gegenschlag des Gegners nicht mehr fürchtet. Das würde das Risiko eines Atomkrieges massiv erhöhen. Genau deshalb wurde 1972 der ABM-Vertrag geschlossen, der solche Abwehrsysteme verboten hat. Es sollte völlig klar sein, dass es bei einem Atomkrieg keinen Sieger geben kann.
 
Diesen Vertrag hat Bush 2002 einseitig gekündigt und die USA haben begonnen, ihr Raketenabwehrsystem zu entwickeln, dass sie nun in Alaska, Polen und Rumänien aufbauen. Russland hat dies immer wieder kritisiert und auf die Gefahr für die Welt hingewiesen, wenn die USA sich nun für unverwundbar halten sollten. Parallel hat Russland aus diesem Grund neue Atomraketen entwickelt und diese werden derzeit in der russischen Armee eingeführt. Diese Raketen sind aufgrund ihrer Flugfähigkeiten von dem Abwehrsystem der USA nicht zu erreichen. Dieses daher sonnlose Wettrüsten wäre vermeidbar gewesen, wenn die USA es nicht angestoßen hätten.
 
Aber Kritik an der einseitigen Kündigung dieses wichtigen Vertrages durch die USA und auch an der US-Raketenabwehr fand und findet sich in der westlichen Presse und Politik praktisch nicht.
 
Die START-Verträge, es sind insgesamt drei, regeln die beiderseitige Reduzierung von Atomsprengköpfen, allerdings haben sie jeweils immer noch über 2.000 Atombomben in ihren Beständen.
 
Der INF-Vertrag aus dem Jahr 1987 regelt das Verbot von landgestützten atomaren Kurz- und Mittelstreckenraketen. Der Hintergrund war die Stationierung der sowjetischen SS-20-Raketen in der DDR in den 1970er Jahren, mit denen sie ganz Westeuropa innerhalb von wenigen Minuten erreichen konnten. Die Nato reagierte mit dem Nato-Doppelbeschluss und der Stationierung der amerikanischen Pershing-Raketen. In Verhandlungen wurde dann erreicht, dass beide Seiten komplett auf derartige landgestützte Raketen verzichten und diese vernichtet wurden.
 
Allerdings ging es eben nur um landgestützte Raketen, weshalb zum Beispiel die Tomahawk-Raketen der USA nicht gegen den Vertrag verstoßen, jedoch hatten die Russen nichts vergleichbares. Übrigens wurden die Tomahawks ursprünglich für den Einsatz mit Atomwaffen entwickelt. Die Russen haben erst vor kurzem mit der „Kalibr“-Rakete eine vergleichbare Waffen in ihre Bestände aufgenommen, die genau wie die Tomahawk von Flugzeugen, Schiffen und U-Booten, aber nicht von Land aus abgeschossen werden können.
 
Der INF-Vertrag ist vor allem für Europa extrem wichtig, weil Kurz- und Mittelstreckenraketen keine Gefahr für die USA darstellen, die weit genug entfernt sind, wohl aber für die europäischen Länder, denn diese Raketen erreichen ihre Ziele innerhalb von Minuten und es gibt praktisch keine Vorwarnzeit.
 
Die Aufregung darüber, dass die USA diesen Vertrag nun einseitig kündigen wollen, ist also berechtigt. Aber die Kritik trifft nicht die USA, sondern Trump. Er ist als Präsident dafür auch der richtige Adressat, aber man fragt sich, warum die Kündigung des ABM-Vertrages nicht kritisiert wurde und vor allem fragt man sich, warum man in den Medien nichts darüber lesen kann, dass es auch unter Obama bereits Überlegungen gab, den INF-Vertrag zu kündigen. Und vor allem fragt man sich, warum man nichts darüber hört, dass Russland den USA schon seit über 10 Jahren vorwirft, gegen den INF-Vertrag verstoßen. Und die russichen Vorwürfe sind sehr konkret und begründet.
 
Russland wirft den USA vor, dass sie im Zuge der Entwicklung der Raketenabwehr auch Raketen entwickelt haben, die sie laut INF-Vertrag gar nicht besitzen durften. Die USA bestreiten das auch gar nicht, aber sie haben es damit gerechtfertigt, dass sie diese Raketen entwickeln mussten, um sie als Ziele für die Raketenabwehr zu Testzwecken zu benutzen. Was sie allerdings da genau entwickelt haben, ist nicht bekannt. Der Verstoß der USA gegen den INF-Vertrag ist aber unbestreitbar und fand übrigens statt lange, bevor Trump Präsident wurde. Aber: Haben Sie davon je gehört? Kein Wort dazu in den deutschen Medien.
 
Der nächste Verstoß, den die Russen den USA vorwerfen, betrifft das Raketenabwehrsystem selbst. Dort werden als Startrampen für die Abwehrraketen sogenannte MK41 benutzt, die nach Angaben der Russen auch für den Start von Tomahawks geeignet sind, sodass die USA mit dem „Abwehrsystem“ auch vertraglich verbotene Marschflugkörper von Land aus abfeuern können. Und auch diese Startrampen wurden lange vor Trumps Präsidentschaft entwickelt.
 
Und einen weiteren Verstoß gegen den Vertrag stellen ebenfalls bestimmte Drohnen dar, die Atomwaffen tragen können und damit als unbemannte Flugobjekte mit Atomwaffe und einer Reichweite von unter 5.500 Kilometern unter das Verbot fallen des INF-Vertrages fallen. Und auch diese Drohnen sind keine Erfindung von Trump.
 
Dass Medien und Politik nun also Trump für die Kündigung des INF-Vertrages beschimpfen, ist zwar korrekt, aber eben unvollständig, wenn man die Vorgeschichte mit all den Verstößen gegen den Vertrag unterschlägt, für die Obama und Bush verantwortlich waren. Trump setzt lediglich die Politik seiner Vorgänger fort.
 
Aber von all dem hört man in deutschen Medien wie gesagt nichts. Stattdessen kann man im Spiegel heute zu dem Thema lesen: „Bereits im Sommer habe es beim Nato-Gipfel „erhebliche Zweifel“ an der Vertragstreue der Russen gegeben. (…) Trumps Vorwurf, dass Russland das INF-Abkommen verletze, wies der Sprecher von Präsident Wladimir Putin zurück.
 
Es wäre nett vom Spiegel gewesen, hierauf etwas näher einzugehen, denn die angeblichen Vertragsbrüche Russlands, die in der Nato Thema sind, wurden nie präzisiert. Es gibt keine Informationen darüber, was man Russland eigentlich genau vorwirft und die Presse scheint sich für diese Frage auch nicht zu interessieren, sondern übernimmt kritiklos die Nato-Rhetorik. Dabei haben russische Offizielle den Westen mehrmals aufgefordert, seine Vorwürfe zu konkretisieren. Wenn Russland zum Beispiel verbotene Raketen entwickeln sollte, wie von der Nato behauptet wird, dann müsste man doch sagen können, wann und wo diese Testflüge durchgeführt wurden.
 
Dafür haben die USA und Russland Satelliten, die jeden Raketenstart erkennen können, diese Satelliten sollen vor einem Nuklearangriff des Gegners warnen, daher informieren sich beide Seiten auch im Voraus immer über geplante Raketentests, um gefährliche Missverständnisse zu vermeiden. Aber es gibt keine konkreten Vorwürfe vom Westen, nur allgemein gehaltene Verlautbarungen der Nato, die die westliche Presse unkritisch und nicht hinterfragt publiziert.
 
Den USA geht es bei dem INF-Vertrag im Zweifel aber auch gar nicht um Russland, das nur als Vorwand herhalten muss. Tatsächlich geht es um China, dass den Vertrag damals nicht unterzeichnet hat, weil es damals noch ein Entwicklungsland war und nun ungehindert landgestützte, atomwaffenfähige Kurz- und Mittelstreckenraketen entwickeln kann. Laut den USA arbeitet China an solchen Waffen. Und dem möchte die USA mit eigenen Raketen begegnen. Nun wäre es im Interesse der weltweiten Sicherheit aber sicher besser gewesen, mit China über einen Beitritt zu dem INF-Vertrag zu reden, anstatt ihn zu kündigen. Zumal der Vertrag ausdrücklich vorsieht, geändert werden zu können.
 
Nachtrag:
 
Am 23. Oktober, einige Stunden nachdem ich diesen Beitrag geschrieben habe, gab es Meldungen, die meine Einschätzungen bestätigen. In Russland wird nicht ausgeschlossen, dass Trump möglicherweise wieder nach seinem bekannten Schema verfährt: Erst mit einer harten Drohung alle schockieren, dann Verhandlungen, um für die USA ein besseres Ergebnis herauszuholen.
 
So könnte die angedrohte Kündigung des Vertrages ein Vorwand sein, um Druck auf Russland und die EU auszuüben, damit diese wiederum Druck auf China machen, damit es dem Vertrag beitritt. Allerdings weisen Experten in Russland darauf hin, dass man dann auch zum Beispiel Frankreich und Großbritannien in den Vertrag aufnehmen müsse, um ein Ungleichgewicht zu Gunsten der Nato zu verhindern.
 
Außerdem wird in russischen Medien darauf hingewiesen, dass diese Ankündigung auch noch innenpolitische Gründe haben könnte, denn sie kommt in der heißen Phase des US-Wahlkampfes und könnte ein Signal an seine Trumps Kritiker sein, dass er gegenüber Russland eine harte Linie verfolgt.
 
Außerdem hat sich die Bundesregierung auf der Bundespressekonferenz dazu geäußert und – wenig überraschend – Russland beschuldigt, an der möglichen Kündigung des INF-Vertrages durch die USA schuld zu sein. Allerdings kamen die Sprecher der Regierung bei dem Versuch, diese Konstruktion zu erklären, ganz schön ins Schwimmen, wie man auf diesem Video sehen kann.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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