Nun doch: Der alte Hut der Wahlmanipulation in Russland in einigen deutschen Medien

Nachdem ich mich gestern noch gewundert habe, warum die westlichen Medien so wenig über die annullierte Gouverneurs-Wahl im russischen Fernen Osten berichten, ist in der „Welt“ dann doch ein Artikel erschienen, der so ist, wie man es erwarten musste. Endlich wieder das Märchen von den gefälschten Wahlen in Russland.
 
Ich habe gestern bereits darüber geschrieben, dass es die „Wahlfälschungen“ in Russland vor allem bei den westlichen Medien gibt, die sich auf aus den USA finanzierte NGOs stützen. Es ist keine Verschwörungstheorie, dass die Organisationen von den USA finanziert werden, kann man in den Rechenschaftsberichten der US-Sponsoren nachlesen.
 
Wenn die USA jemanden finanzieren, dann gilt natürlich, dass auch im Interesse der USA „geliefert“ werden muss. Die Berichte der Wahlbeobachter der OSZE sprechen jedoch eine andere Sprache. Sicherlich wurde in der Vergangenheit einiges kritisiert, nur selbst deutsche Wahlen kommen nicht völlig ohne Kritik der OSZE aus. Die Lektüre dieser Berichte lohnt durchaus für jeden, der Englisch gut genug versteht.
 
Nun also hat sich die „Welt“ an den aktuellen Wahlen abgearbeitet.
 
Zur Erinnerung: Bei der Stichwahl zum Gouverneur standen sich ein Kandidat der pro-Putin Partei Einiges Russland und der Kommunisten gegenüber. Kurz vor Ende der Auszählung lag der Kommunist vorne, aber am Ende hat der andere Kandidat knapp gewonnen. Es gab Berichte über Unregelmäßigkeiten und die Wahlkommission hat die Wahl schließlich annulliert.
 
Die Annullierung einer Wahl ist selten, aber es kommt vor. Zuletzt wurde – Sie erinnern sich vielleicht – die Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten annulliert, weil es dort Unstimmigkeiten gegeben hatte. Manchmal ist die Annullierung und eine Wiederholung der bessere Weg, so auch in diesem Fall.
 
Was schreibt also die Welt? Zunächst muss man dem deutschen Leser, der sich in Russland nicht auskennt, erklären, dass in Russland manipuliert wird: „Denn die regionalen Medien stellen sich auf die Seite des Kreml-Kandidaten, zudem übt der Staat informell Druck beispielsweise auf Beamte und Studenten aus, damit sie den „Richtigen“ wählen.
 
Nun lebe ich in Russland und versuche mir vorzustellen, wie so etwas in der Praxis ablaufen soll. Selbst wenn wir einmal annehmen, dass diese Art von Druck aufgebaut wird, wie soll das kontrolliert werden? Im Wahllokal werden die Stimmzettel wie in Deutschland auch in einer Wahlkabine ausgefüllt und dann in die Urne geworfen. Da steht jetzt aber in der Praxis niemand daneben und fordert, den Stimmzettel zuerst vorzuzeigen. Das bedeutet, auch wenn es Druck geben sollte (wovon ich, der ich in Russland lebe, von Freunden nie gehört habe, aber nehmen wir es mal an), dann ist es trotzdem unmöglich, zu überprüfen, wie jemand gewählt hat.
 
Die „Welt“ fragt dann: „Wird aus der handzahmen Schein-Opposition plötzlich eine echte?
 
Nun muss man die politischen Parteien in Russland kennen. Tatsächlich sind sich die meisten in der Duma vertretenen Parteien in den meisten Punkten einig und diskutieren nur über Details, die einzigen, die gerne mal aus dieser Linie ausscheren, sind die Kommunisten. Das ist ganz ähnlich, wie in Deutschland, wo sich die Parteien im Bundestag auch in den meisten Punkten einig sind und nur über Details „streiten“. Und auch in Deutschland ist es in der Regel Die Linke, die gegen alle anderen Parteien stimmt. OK, jetzt ist auch die AfD im Bundestag, aber da muss man erst mal abwarten, wie sie sich bei Abstimmungen tatsächlich verhalten wird.
 
In Russland gibt es in der Duma ungefähr genauso viel oder wenig Opposition gegen Putin, wie im Bundestag gegen Merkel. In der Außenpolitik ist man sich hier wie dort weitgehend einig, auch die Kommunisten unterstützen Putin in der Außenpolitik. Aber bei Fragen zu Gesundheit, Bildung, Rente, etc,, da ist man auch mal unterschiedlicher Meinung. Fast wie im Bundestag.
 
Man sollte also im Westen nicht zu viel Hoffnung in die Opposition in Russland setzen. Selbst wenn Putin morgen weg wäre, würde sich Russlands Haltung in der internationalen Politik kaum wesentlich ändern. So wie in Deutschland Nato- und EU-Mitgliedschaft von den etablierten Parteien nicht hinterfragt werden, so sind sich alle russischen Parteien in ihrer Ablehnung der westlichen Expansion einig.
 
Aktuell ist das innenpolitische Thema in Russland die Rentenreform. Und sicherlich hat die Regierung den Unmut in der Bevölkerung darüber unterschätzt. Aber objektiv gibt es tatsächlich keinen anderen Ausweg, denn Frauen dürfen heute mit 55 und Männer mit 60 in Rente gehen, bei einer schnell steigenden Lebenserwartung in Russland ist das irgendwann nicht mehr finanzierbar. Mit dem gleichen Argument wurde in Deutschland das Renteneintrittsalter von 67 Jahren beschlossen, in Russland geht es zukünftig um einen Renteneintritt mit 60 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer.
 
Um für die Reform Verständnis zu wecken, wurde außerdem eine Erhöhung der ohnehin viel zu niedrigen Renten beschlossen. Aber die Bevölkerung ist trotzdem mehr als skeptisch, denn in Russland ist man an zu niedrige Renten gewohnt, aber das Rentenalter wurde seit 100 Jahren nicht verändert. Da regt sich Widerstand. Und natürlich profitieren davon die Kommunisten, die sich als klare Gegner in Stellung gebracht haben und auch schon Großdemonstrationen dagegen organisiert haben. (Ja, man darf in Russland tatsächlich gegen die Regierung demonstrieren ohne verhaftet zu werden.)
 
Die Welt schreibt dazu: „Russische Politologen sind sich einig, dass die kontroverse Rentenreform des Kreml als Katalysator des Unmuts in der Provinz wirkte. Der Angriff auf die fast „sakrale“ Rente, wie Panejach es formuliert, könnte langfristige Folgen haben. In Wladiwostok hatte es sich der amtierende Gouverneur Andrej Tarasenko nicht nehmen lassen, als Zeichen der Loyalität zu Moskau die Reform ohne Umschweife zu unterstützen. Der Kommunist Ischenko hatte sich hingegen klar dagegen und gegen die Erhöhung des Rentenalters ausgesprochen und konnte damit offenbar die Protestwähler mobilisieren.
 
Zu den Wahlmanipulation schreibt die „Welt“ dann: „Die Stimmen aus mehreren Wahllokalen mit einer ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung von mehr als 90 Prozent sicherten Gouverneur Tarasenko von der Kreml-Partei Geeintes Russland den Sieg – für Ischenko ein klares Anzeichen von Wahlmanipulation.
 
Die „Welt“ vergisst allerdings zu berichten, dass es auch Wahllokale mit 100 Prozent für den Kommunisten gab. Und diese Manipulation, die durch beide Seiten stattfand, brachte die Wahlkommission dazu, die Wahl komplett zu annullieren. Es ließ sich schlicht nicht mehr nachvollziehen, was da im Fernen Osten abgelaufen war. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.
 
Und jetzt kommt in der „Welt“ das, was ich eingangs über die politischen Parteien in Russland geschrieben habe: So weit sind sie gar nicht voneinander entfernt. Die „Welt“ schreibt: „Das Verblüffende: Eigentlich hält Ischenko Putin für einen Gleichgesinnten. „Im Kreml sitzt ein roter Geheimdienstler, der Russlands Machtstrukturen unterwandert hat“, sagt Ischenko. Putin spiele nur mit Geeintes Russland, in Wirklichkeit sei er an seiner Seite. Die Manipulationen seien ohne Putins Kenntnis angeordnet worden, glaubt Ischenko.
 
Auch wenn es die „Welt“ verblüffen mag, tatsächlich sind die Parteien alle nicht weit voneinander entfernt. Auch Putin setzt sich sehr für Sozialleistungen ein und vieles, was auf diesem Gebiet in Russland getan wird, findet die volle Unterstützung der Kommunisten. Und dass Putin von den Manipulationen gewusst hätte – wir sehen es – unterstellen nicht einmal die Gegner von der Opposition. Es spricht niemand von einem System der Wahlmanipulation. Anscheinend sind bei dieser Wahl örtliche Unterstützer beider Seiten außer Kontrolle geraten, aber „von oben“ kam das offensichtlich nicht.
 
Und es lief dann, trotz aller Spekulationen der Kommunisten über Vertuschungen, folgendermaßen: „Dann, am Mittwoch, kam der Paukenschlag. Die Stichwahl des Gouverneurs in Primorje wurde für ungültig erklärt, zugleich erhob die Zentrale Wahlkommission schwere Vorwürfe gegen ihre Schwesterbehörde in der Region.
 
Wie ich gestern schon mitgeteilt habe, will der amtierende Gouverneur nicht noch einmal antreten, er hält die Wahl für so diskreditiert, dass er für eine Wahlwiederholung nicht zur Verfügung steht: „In drei Monaten soll die Wahl wiederholt werden, der amtierende Gouverneur tritt offenbar nicht mehr an. Und Ischenko will weiter protestieren, die Annullierung der Wahl findet er „absurd“. Er will auch juristisch gegen die Entscheidung der Wahlkommission in Moskau vorgehen.
 
Juristisch gegen die Annullierung vorzugehen, dürfte nichts bringen, denn wie soll ein Gericht ein Wahlergebnis anerkennen, wenn es massive Manipulationen gegeben hat und sich nicht mehr nachvollziehen lässt, wie die Menschen in den betroffenen Wahlbezirken abgestimmt haben? Am Ende käme es vielleicht zu einer Situation wie bei der ersten Wahl von George Bush, als am Ende die Richter bestimmten, wer Präsident wird und nicht die Wähler. Russland wird sich auf so ein Spiel nicht einlassen.
 
Und dann lässt sich die „Welt“ zu Spekulationen hinreißen: „Michail Komin, Politikwissenschaftler von der European University in Sankt-Petersburg, hält die Entscheidung der Wahlkommission auch nicht gerade für den Sieg der Demokratie: „Das ist ein Reset. Die Neuwahlen werden Mitte Dezember stattfinden, im vorweihnachtlichen Trubel, die Wahlbeteiligung wird sehr gering sein.“ Umso leichter wird es dem Kreml-Kandidaten fallen, mit den üblichen Methoden staatstreue Wähler zu mobilisieren.
 
Das würde ich genau anders herum sehen. Durch die unpopuläre Rentenreform ist die Stimmung aufgeheizt und das wird sich bis Dezember nicht geben. Das würde aber einen Vorteil für den Kommunisten bedeuten, denn die Protestwähler lassen sich in der Regel leichter mobilisieren. Wir werden sehen, was im Dezember passiert.
 
Und am Ende des Artikels vergisst die „Welt“ schon wieder, dass niemand von gezielter und systematischer Manipulation der Wahlen spricht, auch die Opposition nicht. Trotzdem tut die „Welt“ so, als ob es darum ginge: „In der Region Wladimir und der Republik Chakassien in Sibirien könnten Gegenkandidaten vorn liegen. Das wäre ein Problem für den Kreml. Denn umfassende Wahlmanipulationen können sich die Machthaber in Moskau nach der Blamage in Wladiwostok nicht erlauben.“
 
Dabei hat – wie gesehen – niemand dem Kreml Wahlmanipulationen vorgeworfen. Und auch ein Problem für den Kreml würde das kaum sein, in Russland ist die Partei Einiges Russland zwar mit Abstand der stärkste Partei, aber derzeit werden fast ein Viertel der Regionen von Gouverneuren der Opposition regiert ohne dass dies zu Problemen führt, sie arbeiten alle konstruktiv mit der Regierung zusammen, auch wenn sie in manchen Punkten anderer Meinung sind. Auch hier unterscheidet sich Russland nicht von Deutschland, wo zum Beispiel Die Linke Ministerpräsidenten stellt, die konstruktiv mit der Bundesregierung gearbeitet und heute auch arbeiten, ohne dass das etwas an der Politik der Bundesregierung ändert.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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