Russische Nachrichtenagentur: Wie steht Deutschland zur Kündigung des INF-Vertrages durch die USA?

Ich stelle immer wieder fest, dass in Russland das Interesse an Deutschland sehr groß ist. Tass berichtet täglich über die deutsche Politik, wobei das keine russische Propaganda ist, sondern in der Regel aus deutschen Medien zitiert wird. In den großen Nachrichtensendungen beobachtet man die deutsche Politik sehr genau, auch die Innenpolitik. Aber es hat mich positiv überrascht, als eine russische Nachrichtenagentur sich bei mir gemeldet hat und von mir eine Einschätzung der deutschen Sicht auf ein bestimmtes Thema bekommen wollte.
 
Vor einigen Tagen wurde ich von der privaten russischen Nachrichtenagentur Inforos gebeten, einen Artikel über den angedrohten Ausstieg der USA aus dem INF-Abrüstungsvertrag zu schreiben. Dabei interessierte sich die Agentur vor allem dafür, wie die deutschen Politiker und Medien mit dem Thema umgehen.
 
Das Thema ist tatsächlich spannend, denn bei diesem Thema passen die öffentlichen Äußerungen der Politiker und ihr tatsächliches Handeln nicht zusammen, sie kritisieren den Schritt vorsichtig und sprechen sich öffentlich für den Erhalt des Vertrages aus, aber hinter den Kulissen sind sie aus unerfindlichen Gründen auf Seiten der USA und unterstützen die Kündigung des Vertrages. Und auch die deutsche Presse bleibt der Linie der USA im Großen und Ganzen treu, denn wenn Trump den für Europas Sicherheit wichtigsten Abrüstungsvertrag in Frage stellt, dann wird Trump zwar kritisiert, aber trotzdem versucht, den Eindruck zu erwecken, dass irgendwie doch die Russen Schuld sind.
 
 
Beginn des Artikels:
 
Deutschland: Informationskrieg um den INF-Vertrag
 
Die Kündigung des INF-Vertrages durch die USA macht auch im Westen Schlagzeilen und ist ein Thema in der Politik. Um zu verstehen, warum das so ist, muss man erst einmal verstehen, was der INF-Vertrag ist.
 
In den 1970er Jahren hat die Sowjetunion in der DDR ihre Raketen von Typ Pionier (Natobezeichnung SS-20)aufgestellt. Diese Raketen konnten ganz Westeuropa innerhalb von wenigen Minuten mit Atomsprengköpfen beschießen. Als Reaktion gab es den sogenannten Nato-Doppelbeschluss und die USA stationierten ihre Raketen vom Typ Pershing in Westdeutschland.
 
Das war brandgefährlich, weil nun eine Situation vorherrschte, in der sowohl West- als auch Osteuropa bis nach Moskau innerhalb von Minuten atomar vernichtet werden konnten und das mit einer Vorwarnzeit von wenigen Minuten. Daher wurde über die Vernichtung dieser Raketen verhandelt und als Ergebnis wurde 1987 der INF-Vertrag unterschrieben, der es den USA und der Sowjetunion (später damit auch Russland) verbot, bodengestützte atomar bestückbare Raketen mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometern zu besitzen oder zu testen.
 
Dieser Vertrag war also vor allem für Europa inklusive Russland wichtig, denn solche Raketen bedrohen jedes europäische Land. Für die USA sind sie jedoch keine Bedrohung, da die USA zu weit entfernt sind.
 
Präsident Trump hat nun angekündigt, diesen wichtigen Vertrag kündigen zu wollen.
Man kann diesen Vertrag durchaus kritisieren, denn er lässt einiges unbeachtet. Er gilt nämlich nur für die USA und Russland, das bedeutet, dass andere Länder wie zum Beispiel China, Frankreich oder Großbritannien weiterhin derartige Atomraketen entwickeln können. Für Westeuropa ist dies eine ideale Position: Kein Land in Reichweite darf solche Raketen besitzen, Russland hingegen wird theoretisch von britischen oder französischen Kurz- und Mittelstreckenraketen bedroht. Mit China ist Russland zwar heute eng befreundet, aber trotzdem hat auch China hier einen Vorteil. Und das ärgert auch die USA, denn China kann mit solchen Raketen die US-Basen in Japan oder Südkorea erreichen.
 
Ein anderer Nachteil des Vertrages ist, dass er nur bodengestützte Raketen verbietet. Die Tomahawks der USA, die von Schiffen oder Flugzeugen abgefeuert werden können, sind also erlaubt. Russland hat erst vor kurzem mit den neuen Kaliber-Raketen mit den USA gleichgezogen und den USA diesen strategischen Vorteil genommen.
 
Eigentlich hätte es im Interesse der USA sein müssen, nun auch Länder wie China zu überreden, dem INF-Vertrag beizutreten. Russland hätte dies wahrscheinlich sogar unterstützt, zumal wenn sich auch Frankreich und Großbritannien dem Vertrag angeschlossen hätten. Stattdessen drohen die USA nun mit der Kündigung des Vertrages.
 
Die wirklichen Leidtragenden dabei sind jedoch die Staaten Westeuropas, denn für sie wird nun eine schon vergessene Gefahr wieder Realität. Wie gesagt ist Westeuropa derzeit am besten durch den Vertrag geschützt, da Russland derartige Raketen nicht besitzen darf und China weit entfernt ist. Es müsste also das höchste Interesse der westeuropäischen Staaten sein, diesen Vertrag zu erhalten.
 
Und so sieht es auf den ersten Blick auch aus. Die Medien und die Politiker fordern alle öffentlich, den Vertrag zu erhalten. Aber das ist nur Fassade, wie man sehen kann, wenn man sich die Dinge genauer anschaut.
 
Der Informationskrieg, der im Westen gegen Russland geführt wird, wird an diesem Beispiel sehr deutlich. In Deutschland fordern alle Medien, den Vertrag zu erhalten und für die Kündigung geben sie Trump die Schuld. Das ist auf den ersten Blick auch völlig korrekt, denn er ist derzeit der Präsident der USA. Aber was in den deutschen Medien nie berichtet wurde, ist dass das Thema nicht neu ist. Schon unter Präsident Obama wurde eine Kündigung des INF-Vertrages diskutiert und vorbereitet. Man kündigt so einen Vertrag nicht einfach, sondern tut es erst, wenn man auch unmittelbar bereit ist, die neuen Raketen zu entwickeln und das benötigt Vorbereitung zum Beispiel für die Bereitstellung der finanziellen Mittel. Im aktuellen US-Haushalt sind diese Mittel nun eingeplant, der Kündigung steht aus Sicht der USA nichts mehr im Wege.
 
In den westlichen Medien war jedoch früher von einer Kündigung des INF-Vertrages nie die Rede, nur Putin hat immer wieder in Interviews auf diese Gefahr hingewiesen. Darüber wurde jedoch in Deutschland nie berichtet. Wer also kein Russisch versteht – und das sind in Westeuropa fast alle Menschen -, für den kam das Thema völlig überraschend, als Trump nun die Kündigung des Vertrages ankündigte.
 
Für die deutschen Medien war dies eine schwierige Situation. Auf der einen Seite schreiben sie bei jeder Gelegenheit schlecht über Trump, aber nun mussten sie schlecht über Trump schreiben und gleichzeitig verhindern, dass die Öffentlichkeit Verständnis für die russische Position entwickelt. Die Artikel, die dabei veröffentlicht wurden, sind für jeden, der sich mit der Materie auskennt, fast schon Satire.
 
So schrieben die deutschen Medien, dass Russland und Putin sich über die Kündigung des Vertrages freuen würden, sogar, dass die Kündigung des Vertrages im Kreml gefeiert wird. Das ist natürlich absurd, denn Russland kann sich nicht darüber freuen, dass demnächst Atomraketen der USA an der Ostgrenze der Nato stehen, also direkt an der russischen Grenze. Für Russland ist das eine mindestens genauso große Gefahr, wie für die europäischen Staaten. Aber das wurde in den deutschen Medien nicht erwähnt. Stattdessen durften sogenannte „Experten“ diese verrückten These begründen.
Auch die deutschen Politiker kritisierten öffentlich die geplante Kündigung des Vertrages. Aber auch sie schoben die Kritik in Richtung Russland. Der deutsche Außenminister Maas schrieb zum Beispiel in einem Gastbeitrag im Spiegel: „Nur Verlässlichkeit und Transparenz schaffen Vertrauen, nur Vertrauen schafft Sicherheit. Zu dem Vertrauensverlust beigetragen hat die Weigerung Russlands, die schwerwiegenden Vorwürfe einer Verletzung des INF-Vertrags zu entkräften. Ich habe meinen russischen Kollegen aufgefordert, sich an den Vertrag zu halten und volle Transparenz herzustellen. Dies ist bislang nicht geschehen.
 
Was Maas nicht erwähnt hat ist, dass es die USA und der Westen sind, die Verlässlichkeit und Transparenz mit Füßen treten. Es war ja nicht Russland, das den ABM-Vertrag einseitig gekündigt hat oder den NEW START-Vertrag in Frage stellt, es war auch nicht Russland, das jetzt Nato-Truppen nach Osteuropa verlegt, obwohl dies gemäß der noch gültigen Nato-Russland-Akte verboten ist und so weiter und so weiter.
 
Und auch der Hinweis auf die angeblichen Vorwürfe gegen Russland, es würde den INF-Vertrag verletzen, sind Unsinn und Maas muss das wissen. Denn Maas weiß sehr genau, dass es keine konkreten Vorwürfe gibt und das Russland seit Jahren fragt, was genau der Westen Russland eigentlich vorwirft und auf welcher Grundlage. Die USA freilich haben darauf nie geantwortet, dafür wiederholt die westliche Presse die US-Vorwürfe beständig und auch ohne sie zu präzisieren. Angeblich verstoßen neue russische Raketen gegen den Vertrag, weil sie eine Reichweite von über 500 Kilometer haben. Russland sagt, die Reichweite wäre 480 Kilometer und fragt, wie die USA zu ihrer Zahl kommen.
 
Und dass die USA selbst schon früher gegen den Vertrag verstoßen haben, das wird in der deutschen Presse gar nicht erwähnt. Dabei verstoßen die Abschuss Systeme der US-Raketenabwehr in Polen und Rumänien gegen den Vertrag, denn von ihnen können nicht nur Abwehrraketen abgefeuert werden, sondern auch Tomahawk-Raketen. Das ist nur ein Beispiel von mehreren Verstößen der USA.
 
Aber man sollte nun meinen, dass die europäischen Politiker trotz des westlichen Informationskrieges gegen Russland ein Interesse daran haben, dass der INF-Vertrag erhalten bleibt. Das sagen ja auch alle europäischen Politiker im Chor.
 
Als Russland in der UNO einen Antrag gestellt hat, das Thema auf die Tagesordnung der UNO-Vollversammlung zu bringen, da hätten die europäischen Länder ein Zeichen setzen und dafür stimmen können. Stattdessen haben aber alle europäischen Länder gemeinsam mit den USA dagegen gestimmt und eine Aussprache in der UNO verhindert.
 
Und was haben die deutschen Medien darüber berichtet? Gar nichts! In Deutschland weiß kein Mensch davon.
 
Die westliche und vor allem die deutsche Presse sind im Informationskrieg treue Soldaten der USA.
 
Ende des Artikels
 
Die Nachrichtenagentur Inforos hat auch eine englischsprachige Seite, die Sie bei Interesse mal besuchen sollten.
 
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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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