Trotz aller Hoffnungen des Westens – Russland wird das Geld nicht knapp, im Gegenteil

Wenn Benjamin Bidder im Spiegel etwas zu Russland schreiben darf, dann ist es in der Regel ziemlich tendenziös und auch mindestens zum Teil unwahr. So auch diesmal. Zum gefühlt hundertsten Mal sagt die Presse, dass Russland das Geld knapp wird. Aber seit 4 Jahren gilt bereits: Die vom Westen erwartete und erhoffte Pleite Russlands bleibt aus, es gelingt Russland im Gegenteil sogar, seine Kapitalreserven zu erhöhen.
 
Darüber, wie kritisch die Russen die aktuelle Rentenreform sehen, habe ich hier bereits berichtet. Und da ich selbst in Russland lebe, kann ich das aus erster Hand beurteilen.
 
In dem aktuellen Artikel des Spiegel geht Herr Bidder zunächst auf die Reaktion der verschiedenen politischen Lager in Russland ein. Interessant am Rande: Die westlichen Medien erzählen uns doch immer, dass Russland eine böse „Autokratie“ sei, in der die Opposition wahlweise stark unterdrückt oder gar ganz verboten sei. Heute also dürfen wir lesen, dass es durchaus Opposition gibt und diese sich auch sehr offen äußern darf.
Dann kommt ein Satz, dem ich aus eigenem Erleben zustimmen kann, die Russen gegen die Rentenreform: „Putin steht wohl vor dem riskantesten innenpolitischen Manöver der vergangenen Jahre. Er findet sich in einer ungewohnten Lage wieder: 90 Prozent der Bevölkerung lehnen die Pläne laut Umfragen ab.
 
Natürlich darf kein Artikel von Herrn Bidder ohne einen Hinweis auf die Krim auskommen und so schreibt er: „Putins Beliebtheitswerte geraten unter Druck, zum ersten Mal seit der militärischen Annexion der Krim.
 
Dass es sich dabei weder um eine Annexion – und erst recht keine militärische – handelte, interessiert Herrn Bidder nicht. Es war eine Sezession, das ist ein sehr entscheidender Unterschied und bei etwas, wo kein einziger Schuss gefallen ist, von einer „militärischen“ Aktion zu sprechen, ist auch etwas gewagt. Wenn Sie sich für die Chronologie der Ereignisse auf der Krim und die völkerrechtlichen Beurteilungen interessieren, dann finden Sie hier dazu eine ausführliche Analyse.
 
Aber zurück zur aktuelle Situation in Russland. Herr Bidder bringt dann Begründungen, warum die russische Regierung an dieser höchst unpopulären Reform festhält.
 
Als erstes nennt der das Problem, das wir auch aus Deutschland kennen: Die Menschen werden immer älter, die Anzahl der Beitragszahler sinkt, die Anzahl der Rentner steigt. Hierzu ist nicht viel zu sagen, dieses Problem gibt es auch in Russland. Allerdings gilt in Russland bisher, dass Frauen mit 55 und Männer mit 60 Jahren in Rente gehen dürfen. Das Renteneintrittsalter soll nun um jeweils fünf Jahre angehoben werden: Frauen dürfen dann mit 60 und Männer mit 65 in Rente gehen.
 
Auch die gestiegene Lebenserwartung erwähnt Herr Bidder kurz. Allerdings verschweigt er, dass hier auch ein Grund für Putins Popularität liegt: Unter Putin wurde das Gesundheitssystem stark verbessert und die Lebenserwartung steigt rapide. Bei Männern von 59 Jahren vor Putin auf jetzt fast 68 Jahre. Bei den Frauen ist die Lebenserwartung auf 77 Jahre gestiegen.
 
Der zweite Punkt, den Herr Bidder nennt, warum die Rentenreform von der Regierung verteidigt wird, seien „Putins Wahlversprechen“. Dass die demografischen Probleme, die Putin in einer Fernsehansprache ausführlich erklärte, das Problem seien, bestreitet Herr Bidder zum Teil: „Das ist allerdings nicht die ganze Wahrheit. Geld ist – genau genommen – durchaus vorhanden. Der Präsident hat es allerdings schon weitgehend anderweitig verplant, für die Erfüllung seiner Wahlversprechen. Putin hat nach seiner Wiederwahl als Präsident im Mai ambitionierte Entwicklungsziele vorgegeben: Bis 2024 soll die Regierung etwa die Armut im Land halbieren und 126 Milliarden Dollar in die kaputten Straßen des Landes investieren. 56 Milliarden Dollar sind für Programme gegen den Bevölkerungsschwund vorgesehen, weitere 28 Milliarden Dollar für Infrastrukturprojekte.“
 
Nun sind all diese Versprechen Putins in Wirklichkeit einfach Notwendigkeiten. Die Armut im Land zu halbieren ist durchaus löblich. Es wäre doch toll, wenn zum Beispiel Merkel mal ein Programm auflegen würde mit dem Ziel, die Anzahl von Hartz4-Empfängern, Aufstockern und Minijobbern zu halbieren, damit diese Menschen endlich mehr Geld in der Tasche haben. Auch Investitionen in die Straßen und die Infrastruktur sind dringend nötig. Zwar sind die wichtigen Straßen in Russland inzwischen in gutem Zustand, aber es gibt in dem riesigen Land noch immer reichlich Nachholbedarf bei der Instandhaltung der Straßen. Ein russisches Sprichwort sagt: „Russland hat zwei Probleme: seine Idioten und die Straßen“
 
Und dass Russland etwas für die Förderung von Kindern tun will, denn genau das sind die „Programme gegen den Bevölkerungsschwund“, ist doch ebenfalls löblich und vor allem auch ein Beitrag, um das demografische Problem, unter dem viele Länder inklusive Deutschland leiden, endlich langfristig in den Griff zu bekommen.
 
Dass die russische Regierung diese langfristigen Programme wichtig findet und dafür benötigtes Geld nicht in die kurzfristige Stützung des niedrigen Renteneintrittsalters investieren will, finde ich nachvollziehbar.
 
Herr Bidder erwähnt auch die gigantischen Reserven der Zentralbank, die trotz Sanktionen seit 2014 von 400 auf 450 Milliarden gewachsen sind, was Herr Bidder allerdings nicht erwähnt. Russland geht also keineswegs das Geld aus, wie Herr Bidder in der Überschrift behauptet. Russland will nur keine Schulden machen und seine Unabhängigkeit bewahren. Herr Bidder dazu: „Die Milliarden-Reserven stärken Russlands Unabhängigkeit von den internationalen Finanzmärkten, die Putin für ein Werkzeug der USA hält.
 
Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber in meinen Augen sind die Finanzmärkte ein Werkzeug der USA. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob die Politik der USA über die Finanzmärkte bestimmt oder ob die Finanzmärkte über die Politik der USA bestimmen. Aber eine enge Verbindung kann man nicht leugnen.
 
Das Beispiel der Türkei zeigt auf, dass Russland sich sehr weise verhält, wenn es sich gegen Attacken der Finanzmärkte absichert. Die Türkei war die am stärksten wachsende Volkswirtschaft der Welt mit niedrigen Staatsschulden. Aber eben auch mit niedrigen Reserven. Und als Erdogan nicht mehr nach der Pfeife der USA tanzen wollte, begann die türkische Lira zusammen zu brechen. Und die mangelnden Reserven können durchaus auch zu einem Staatsbankrott der Türkei führen.
 
Im Falle Russlands ist ein solcher Angriff der Finanzmärkte 2014 weitgehend gescheitert. Die Sanktionen des Westens, der Verfall des Ölpreises von 100 auf zeitweise unter 30 Dollar und auch der Absturz des Rubel im Dezember 2014 von 40 auf zeitweise über 100 Rubel für einen Euro, all das konnte Russland nichts anhaben. Der Rubel erholte sich 2015 und steht seit dem bei 65-75. Natürlich bedeutete dies alles einen Verlust an Kaufkraft, aber die russische Wirtschaft war nach nur einem Jahr der Rezession wieder im Wachstum und hat all diese Schläge weggesteckt. Und wie gesehen ist es Russland in diesem Umfeld trotzdem gelungen, seine Reserven noch zu erhöhen. 2014 dagegen prognostizierten sogenannte Experten in der westlichen Presse den baldigen Staatsbankrott Russlands.
 
Auch wenn die Jahre 2014 und 2015 nicht leicht waren für Russland, sie waren eben auch keine Katastrophe. Die Arbeitslosigkeit blieb stabil und die Märkte mussten den Angriff einstellen, weil der niedrige Ölpreis von 30 Dollar zu einer Pleitewelle bei der US-Frackingindustrie zu führen drohte, denn Fracking-Öl ist aufgrund der hohen Förderkosten erst ab einem Ölpreise von über 50 rentabel.
 
Dass Russland aus der Lektion 2014 gelernt hat, kann man auch im Spiegel heute lesen: „Die russische Führung will deshalb die Wirtschaft unabhängiger von Rohstoffen machen. Dabei soll eine neue Haushaltsregel helfen. Sie besagt, dass die Regierung ihren Ausgabenplänen nur noch einen Ölpreis von 40 Dollar pro Barrel zugrunde legen darf. So will der Kreml erneute böse Überraschungen bei einem Preiseinbruch wie 2014 verhindern und international handlungsfähig bleiben.“
 
Denn dass 2014 zu so einem Schock wurde, liegt daran, dass der Staat mit einem Ölpreis von 90 Dollar geplant hatte und der Verfall des Ölpreises sämtliche Planungen über den Haufen warf. Nun plant Russland mit großer Vorsicht, damit ein erneuter Einbruch des Ölpreises nicht wieder zu derartigen Problemen führt.
 
Herr Bidder redet dann auch von einer „paradoxen Situation“: „Die neue Haushaltsdisziplin führt allerdings innenpolitisch auch zu der etwas paradox anmutenden Situation, dass die Regierung nun gegen erheblichen Widerstand Sparmaßnahmen durchpeitscht, obwohl in diesem Jahr die Öleinnahmen mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich üppiger ausfallen werden als berechnet.
 
Russland will vermeiden, angreifbar zu sein. Dass die Öleinnahmen in diesem Jahr gesprudelt haben, bedeutet ja nicht, dass das in Zukunft immer so sein wird.
 
Und so wird Russland wohl nun etwas tun, was ja auch westliche Kritiker schon lange fordern: Nämlich Russland endlich unabhängiger vom Öl zu machen. Diese neuen Bedingungen könnten hilfreich sein: Die Sanktionen des Westens haben zum Beispiel zu einem Boom in der russischen Landwirtschaft geführt. War die Sowjetunion noch ein Importeur von Weizen, so ist Russland nun auf dem Weg, der weltweit größte Exporteur zu werden. Und das ohne Gentechnik und ähnliches, Russland will zum weltweit größten Produzenten von Bio-Lebensmitteln aufsteigen und hat Gentechnik in Russland verboten.
 
Über die Situation Russlands kann man Bücher schreiben, Fakt ist aber, dass die westlichen Schreiberlinge wie Herr Bidder, falsch liegen, wenn sie mit Überschriften wie „Russland wird das Geld knapp“ titeln. Zumal sie das auch selbst wissen, denn in dem Artikel kann man ja nicht lesen, dass Russland das Geld ausgeht, sondern eher das Gegenteil.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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