Vasallentreue zu den USA – Hilfe für die Türkei nur, wenn Erdogan abtritt oder einknickt

Die Türkei bestimmt die Schlagzeilen diese Woche. Erst gibt es Zölle der USA, dann einen Absturz der türkischen Lira, Erdogan spricht von einem Wirtschaftskrieg der USA gegen die Türkei, lehnt Hilfe des IWF ab und pocht auf die politische Unabhängigkeit der Türkei. Die USA blockieren daraufhin die Auslieferung von F-35-Jets, die Türkei antwortet mit gigantischen Zöllen auf US-Produkte. Die Wirtschaft droht abzustürzen, nun bieten die ersten deutschen Politiker scheinheilig Hilfe an, wie der Spiegel heute berichtet.
Vorweg sei gesagt, dass ich kein Freund von Erdogan bin. Ich versuche nur, die Dinge „durch seine Brille“ zu sehen. Wer poliitische Vorgänge verstehen will, muss die Motive der Beteiligten verstehen, auch wenn er sich nicht teilt.
Wer den Konflikt zwischen den USA und Erdogan verstehen will, muss in der Geschichte ein bisschen zurück gehen. In der Türkei gab es nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder Militärputsche, wenn die Regierung nicht so wollte, wie die USA. Die Türkei ist für die USA ein strategische wichtiges Land, sowohl im Nahen Osten als auch an der Grenze zur Sowjetunion oder heute Russland.
Als Erdogan aufgrund der wirtschaftliche Erfolge mit der Zeit zu selbstbewusst wurde und nicht mehr zwangsläufig dem Willen des Westens folgte, kam es 2016 erneut zu einem Putschversuch. Die Türkei macht dafür Gülen verantwortlich, einen Politiker, der sich in den USA vor Strafverfolgung in der Türkei versteckt. Es wird nicht offen gesagt, aber tatsächlich macht Erdogan die USA damit verantwortlich für den Putsch. Und es gibt Hinweise, dass Erdogan den Putsch nur niederschlagen und auch persönlich nur überleben konnte, weil er von Russland gewarnt wurde. Mehr dazu lesen Sie hier.
Dies muss man im Hinterkopf haben, wenn man Erdogan verstehen will: Der Putsch war nicht nur ein Angriff auf seine Macht, sondern auch ganz direkt auf sein eigenes Leben. Den Kommandos, die ihn ermorden sollten, ist er nur knapp mit dem Hubschrauber entkommen.
Und er macht die USA dafür verantwortlich und auch aus Europa kamen während des Putsches keine Ermahnungen, Recht und Gesetz in der Türkei zu achten und den Putsch abzubrechen. Er bekam von seinen westlichen Bündnispartnern keinerlei Unterstützung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass er sich nun Putin zuwendet, der ihm mit der Warnung das Leben gerettet hat.
Und just in diesem Moment, wo die Krise in der Türkei sich zuspitzt, war der russische Außenminister Lawrow in der Türkei und stellte sich demonstrativ an die Seite der Türkei in ihrem Konflikt mit den USA, wie man gestern auch im Spiegel lesen konnte: „Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat bei einem Besuch in der Türkei die US-Sanktionspolitik als rechtswidrig bezeichnet. Die Strafmaßnahmen gegen Russland und die Türkei seien ein Weg für die USA, sich einen unfairen Vorteil im internationalen Handel zu verschaffen, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu. „Diese Politik darf nicht fortgesetzt werden“, sagte Lawrow. Sie sähen die Verschärfung von Sanktionen als nicht legitime Politik.
Die USA hatten sich gestern geweigert, die neuen Kampfjets vom Typ F-35 an die Türkei auszuliefern, obwohl die Türkei einer größten Kunden ist und sogar an der Entwicklung mitgearbeitet hat und Teile der Jets in der Türkei produziert werden. Dies wird die Auslieferung des Jets nun verzögern, weil wohl auch neue Produzenten für Teile des Jets gesucht werden müssen, wenn man die Türkei aus dem Projekt wirft. Den USA der politische Kurs der Türkei offensichtlich so wichtig, dass sie diese Folgen in Kauf nimmt.
Die Entwicklungen der letzten Tage zeigen auf, dass es dem Westen nur darum geht, Erdogan zu stürzen. Die näheren Gründe lesen hier.
Heute hat Erdogan Zölle auf US-Produkte verhängt, wie der Spiegel berichtet: „Betroffen sind Fahrzeuge, Alkoholika, Tabak, Kosmetika, Reis und Kohle: Die Türkei hat im Streit mit den USA die Einfuhrzölle auf bestimmte US-Produkte drastisch erhöht. Präsident Recep Tayyip Erdogan unterzeichnete ein Dekret, wonach bei Autos der Zoll um 120 Prozent angehoben wird. Bei alkoholischen Getränken sind es 140 Prozent und bei Tabak 60 Prozent, berichtete die „Resmi Gazete“, das Amtsblatt der Türkei.
Natürlich werden diese Sanktionen die USA nicht allzu sehr schmerzen, es handelt sich um reine Symbolik. Aber sie zeigt, das Erdogan nicht bereit ist, klein beizugeben. Wenn die USA ihn loswerden wollen, müssen sie entweder einen neuen Putsch organisieren oder Aufstände in der Türkei anzetteln, die Erdogan hinwegfegen würden oder ein Attentat auf ihn verüben. Mit all dem hat die USA Erfahrung, aber nach den Säuberungen in der Türkei nach dem Putsch dürften die USA wichtige Teile ihrer Geheimdienst-Infrastruktur im Land verloren haben, was derartige Operationen nicht eben einfacher macht.
Wenn man all dies im Hinterkopf hat, ist der aktuelle Artikel im Spiegel interessant. In der Überschrift fragt der Spiegel: „Soll Deutschland der Türkei helfen oder nicht?“ und legt nach: „Der türkischen Wirtschaft droht der Kollaps. Das hätte Folgen weit über die Türkei hinaus. In dem Land regiert Präsident Erdogan wie ein Autokrat. Wie sollte Deutschland reagieren?
Dann wird in dem Artikel die wirtschaftliche und politische Situation kurz dargestellt, bevor es um die Frage geht, was Deutschland denn nun tun solle: „In Deutschland sind Politiker mehrerer Parteien der Meinung, dass eine Unterstützung angebracht ist – die jedoch an Bedingungen geknüpft sein muss, gerade weil Erdogan autokratisch regiert.“
Genau dies will Erdogan verhindern, er will politisch unabhängig bleiben, während der Westen ihn wieder „auf Linie“ bringen möchte. Es wird nun immer deutlicher, dass alle westlichen „Hilfsangebote“ an die Türkei „an Bedingungen geknüpft sein“ müssen. Was die USA bisher nicht mit einem Putsch, Zöllen oder sonstigem Druck hinbekommen haben, versuchen nun die Europäer: Erdogan auf Linie bringen.
Es ist das Spiel vom guten Cop und bösen Cop, wenn die USA auf Konfrontationskurs mit der Türkei gehen und Europa gleichzeitig „Hilfsangebote“ macht, diese aber letztendlich daran knüpft, dass die Türkei wieder gehorsam den USA gegenüber sein muss.
Dann zitiert der Spiegel den Sprecher der CDU/CSU Fraktion: „Seine autokratischen Tendenzen und seine Abgrenzung gegenüber der EU und ihren Werten haben das Vertrauen ausländischer Investoren erschüttert. Sie zweifeln an der Rechtsstaatlichkeit der Türkei und sind in Sorge um die Zukunftsentwicklung der türkischen Gesellschaft
Ich schließe nicht einmal aus, dass der Mann die Phrasen über die Rechtsstaatlichkeit wirklich glaubt. Nur wissen wir alle, dass es bei Hilfsangeboten des Westens nie um Rechtsstaatlichkeit geht. In der Ukraine wird ein Regime unterstützt, dem die UN vorwirft, dass dort Menschen in Geheimgefängnissen des Geheimdienstes verschwinden, wie man 2016 mal in der NZZ lesen konnte. Und die damals angekündigte „Legalisierung“ der Geheimgefängnisse hat nie stattgefunden, es hat sich nichts geändert. Das hindert aber die deutsche Politik nicht daran, Kiew weiterhin nach Kräften zu unterstützen.
Gleiches gilt für Ägypten, wo man zwar fadenscheinig die ägyptische Regierung für ihre Repressionen gegen die Bevölkerung kritisiert, aber trotzdem fröhlich Waffen liefert und die Wirtschaft unterstützt.
Wenn also westliche Politiker unter dem Vorwand der Rechtsstaatlichkeit Hilfe an Bedingungen knüpfen, geht es vor allem um Vasallentreue zur Nato und damit zur USA.
Wobei im Falle Erdogan klar ist, dass es dem Westen lieber ist, wenn er verschwindet, wie im Spiegel auch kaum verklausuliert zu lesen ist: „Mehrere deutsche Politiker, die sich mit der Türkei befassen, sagen, die einzige Rettung der Türkei wäre ein „politischer Neuanfang“ – also ein Rücktritt Erdogans.“
Erdogan könnte ja theoretisch Hilfe annehmen, ein paar Jahre lang wieder gehorsam sein und wenn sich das Land erholt hat, erneut versuchen, seinen eigenen Weg zu gehen. Das Vertrauen in Erdogan im Westen ist zerstört. Und Erdogan hat dem Westen gegenüber ohnehin seit dem Putsch keinerlei Vertrauen mehr.
Und auch ein direkter Hinweis, dass die wirtschaftlichen Problem durchaus vom Westen gewollt und gesteuert sind, findet sich in einer Aussage von Heiko Maas, die im Spiegel zitiert wird: „Außenminister Heiko Maas (SPD) rät zu einer pragmatischen Lösung: den wegen Terrorvorwürfen festgehaltenen Pastor freizulassen und damit Trump zu besänftigen. „Das würde die Lösung der wirtschaftlichen Probleme ganz erheblich vereinfachen“, sagte er in Berlin.
Die Lösung der wirtschaftlichen Probleme wäre demnach einfacher, wenn die Türkei den USA gegenüber gehorsam ist. Deutlicher kann ein Politiker gar nicht ausdrücken, dass bei den aktuellen wirtschaftlichen Problemen um Politik geht und dass der Westen diese lösen könnte. Ungesagt bleibt lediglich, dass der Westen diese Probleme vorher selbst angeheizt hat.
Natürlich hat Erdogan vorher Fehler gemacht. Die Abhängigkeit der Wirtschaft von Krediten in Euro und Dollar anstatt in Landeswährung hat die Wirtschaft der Türkei angreifbar gemacht. Und diese Schwäche nutzt der Westen jetzt aus.
Aber Erdogan bleibt stur, hält gegen. Der Westen wird auch nicht zurückweichen. Es bleibt sehr spannend, wie es weitergeht. Aber nach Deeskalation sieht es definitiv nicht aus.

In meinem neuen Buch „Das Ukraine Kartell – Das Doppelspiel um einen Krieg und die Millionen-Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Biden“ enthülle ich sachlich und neutral, basierend auf Hunderten von Quellen, bisher verschwiegene Fakten und Beweise über die millionenschweren Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Joe Biden in der Ukraine. Angesichts der aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage: Ist eine kleine Gruppe gieriger Geschäftemacher möglicherweise bereit, uns für ihren persönlichen Profit an den Rand eines Dritten Weltkriegs zu bringen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich direkt hier über den Verlag bestellbar.

Hier geht es zum neuen Buch

Werbung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Schreibe einen Kommentar