Warum Erdogan gegenüber den USA nicht nachgeben wird, allen Apellen aus dem Westen zum Trotz

Türkei und kein Ende, heute gab es eine Menge Artikel zur Türkei in den Medien, wie hier am Beispiel des Spiegel aufgezeigt wird. Der O-Ton ist immer, dass die Türkei zum Westen keine Alternative hat. Aber dies greift zu kurz, selbst wenn es stimmen sollte. Um die die Politik der Türkei zu verstehen, muss man Erdogans Motive verstehen.
Über die Motive Erdogans habe ich eine ausführliche Analyse geschrieben, die ich als Grundlage sehr empfehle, da ich hier nicht auf alles eingehen kann.
Um nun den aktuellen Konflikt und auch die sogenannte Wirtschaftskrise der Türkei zu verstehen, muss man wissen, dass Erdogan nicht nur die Gülenbewegung für den Putsch gegen ihn verantwortlich macht, sondern auch die CIA, die Gülen deckt. Und man muss wissen, dass es wahrscheinlich Putin war, der Erdogan vor dem Putsch gewarnt hat und damit nicht nur Erdogans Macht gerettet hat, sondern auch ganz direkt Erdogans Leben. Nur wenn man dies versteht, kann man auch verstehen, warum Erdogan bereit ist, bei dem aktuellen Konflikt mit den USA bis zum Letzten zu gehen. Wenn Sie diese Dinge hier zum ersten Mal hören, dann empfehle ich für das Gesamtverständnis tatsächlich, zunächst die im vorherigen Absatz genannte Analyse zu lesen.
Und wenn man diese Dinge voraussetzt, wird auch klar, warum Erdogan so sehr gegen Hilfen des IWF ist: Der IWF ist von den USA dominiert und sich in eine Abhängigkeit des IWF zu begeben, wäre für Erdogan gleich bedeutend mit einer Abhängigkeit von den USA. Und die steht in seinen Augen hinter dem Putschversuch gegen ihn. Aus seiner Sicht also völlig verständlich, wer würde sich schon freiwillig in eine Abhängigkeit zu einem Land begeben, das einen aus dem Weg räumen wollte? Da wird es kaum helfen, wenn der deutsche Finanzminister dies der Türkei empfiehlt.
Hinzu kommt, dass die türkische Wirtschaft eigentlich gute Kennzahlen hat: über 4% Wirtschaftswachstum und Staatsschulden von nur 26% des BIP. Trotzdem hat die Wirtschaft der Türkei eine Schwäche, die nun ausgenutzt wird: Anstatt Kredite in türkischer Lira aufzunehmen, war es in der Türkei populär, Kredite in Euro oder Dollar aufzunehmen, weil die Zinsen geringer waren. So etwas funktioniert aber nur selten, denn auf lange Sicht werden solche Kredite nicht in eigener Währung immer teurer, weil die eigene Währung auch an Wert verlieren kann. Und genau das sehen wir seit Jahresanfang in der Türkei. Dadurch werden die Kredite in Euro und Dollar für die Türken, also vor allem Unternehmen, nun regelrecht unbezahlbar. Und damit kann nun aus der Währungskrise eine echte Wirtschaftskrise für die Türkei werden.
Nun wissen wir aus der Vergangenheit, dass Währungskurse auch durch Spekulanten manipuliert werden können, die dann sogar Geld verdienen, wenn sie ein Land durch solche Spekulationen in die Pleite treiben. Das ist nicht neu. Ob bei dem Verfall der Lira auch Spekulanten ihre Hände im Spiel haben, wird sich erst noch erweisen, aber auszuschließen ist es nicht. Und einher ging das dann immer mit Herabstufungen durch die Ratingagenturen. Und genau dies geschah heute auch im Falle der Türkei. Ein bekanntes Muster.
Nun muss man wissen, dass die führenden Ratingagenturen aus den USA kommen. Und es gibt reichlich Grund für Zweifel an ihren Ratings. Die Ramschpapiere, die 2008 zur Finanzkrise geführt haben, wurden bis zu ihrem Zusammenbruch von den Ratingagenturen mit besten Bewertungen ausgezeichnet, obwohl sie praktisch wertlos waren. Und auch Staaten, die den USA Paroli bieten, bekommen alles, aber keine guten Ratings. Die Agenturen sind also durchaus keine Instanz, der man blind vertrauen kann. Interessant ist, dass der Spiegel heute nicht erwähnt, dass die drei führenden Ratingagenturen allesamt aus den USA kommen, stattdessen kann man lesen: „Inzwischen haben sich alle drei großen Ratingagenturen der Welt kritisch über die Stabilität türkischer Anleihen geäußert.
Und diese in der Vergangenheit keineswegs unpolitischen US-Ratingagenturen haben mit ihren Ratings direkten Einfluss darauf, zu welchen Konditionen ein Land sich Geld leihen kann. Sie können durch schlechte Ratings also einem Land das Leben schwer machen, bis hin zum Bankrott. Natürlich bekommen die USA selbst, die höher verschuldet sind, als jedes andere Land der Welt und auch ein Staatsdefizit haben, dass höher ist, als das Defizit aller EU-Länder zusammen, nie ein schlechtes Rating von ihren Agenturen.
In dieser Situation, in der die USA selbst, aber auch in den USA ansässige Organisationen, der Türkei das Leben schwer machen, sucht Erdogan neue Verbündete. Dabei war er schon immer flexibel, wie ich in der Analyse über Erdogan schon ausgeführt habe. Erdogan ist in einer Lage, in der er auf wechselnde Partner setzen muss, um seine Ziele zu erreichen. Politik hat nichts mit Freundschaft zu tun, sondern ausschließlich mit der Erreichung von Zielen.
Und da die USA derzeit wohl der schärfste Gegner der Türkei sind, ist es wenig verwunderlich, dass Erdogan sich Freunde in den Reihen der amerikanischen Gegner sucht, also z.B. Russland und Iran. Die EU ist sicher nicht US-kritisch, aber zumindest Trump-kritisch. Auch da versucht Erdogan also Freunde zu finden, nur logisch aus seiner Sicht, auch wenn sein Verhältnis zu EU derzeit schwierig ist. Und weil der Konflikt mit den USA derzeit das größte Problem für die Türkei ist, ist Erdogan auch in dem für ihn eigentlich wichtigen Syrienkonflikt plötzlich zu Zugeständnissen bereit. Der Spiegel schreibt dazu: „Zwar hat er sich in den vergangenen Monaten Russland angedient, stimmt seine Politik in Syrien zunehmend mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin ab. Seine Regierung hat für zwei Milliarden Euro das russische Raketenabwehrsystem S-400 gekauft. Russland baut im Norden der Türkei ein Atomkraftwerk. Doch die Beziehungen zwischen beiden Staaten sind weit weniger gefestigt, als westliche Sicherheitspolitiker glauben. Putin begegnet Erdogan nicht auf Augenhöhe. Für ihn ist der türkische Präsident nicht viel mehr als ein Erfüllungsgehilfe zur Durchsetzung seiner Ziele in Syrien. Wie wenig Putin zu Kompromissen gegenüber der Türkei neigt, zeigt sich gerade in der syrischen Provinz Idlib, wo das russische Militär gemeinsam mit Syriens Diktator Baschar al-Assad eine Offensive vorbereitet – entgegen aller Warnungen aus Ankara.
Noch vor kurzem hat Erdogan den Sturz Assads gefordert, davon nun kein Wort mehr, im Gegenteil wird Erdogan nun den Vormarsch Assads akzeptieren müssen, weil er die Russen braucht, die Assad nicht fallen lassen werden. Aber wenn der Spiegel schreibt „Doch die Beziehungen zwischen beiden Staaten sind weit weniger gefestigt, als westliche Sicherheitspolitiker glauben.“, dann dürfte das eher Wunschdenken sein. Erdogan hat zu Russland keine Alternativen, allein kann er sich den USA nicht entgegenstellen, wie der Putsch 2016 gezeigt hat, den er ohne Russlands Warnungen kaum überstanden hätte. Erdogans Nähe zu Russland wird kaum von wahrer Liebe motiviert sein, sondern von politischen Notwendigkeiten. Aber eine Alternative hat Erdogan nicht, solange er sich nicht den USA unterordnen will. Und das will er offensichtlich noch weniger, als schmerzhafte Zugeständnisse gegenüber den Russen zu machen.
Der Spiegel schreibt weiter: „Auch im Konflikt mit den USA ist Russland nur bedingt bereit, der türkischen Regierung beizustehen. Zwar hat der russische Außenminister Sergej Lawrow die US-Sanktionen bei einem Besuch in Ankara diese Woche verurteilt, mit Finanzhilfen aus Moskau braucht die Türkei trotzdem nicht zu rechnen.
Auch hier dürfte der Spiegel irren, Russland hat sich bei Finanzhilfen schon oft als kreativ erwiesen. Sollte es z.B. nötig sein, der Türkei kurzfristig mit Geld zu helfen, gibt es dafür für Russland Möglichkeiten: Es kann Geld vorschießen und dies später mit den Gewinnen verrechnen, die die Türkei aus der neuen Gaspipeline aus Russland machen wird. Es wäre nicht das erste Mal, dass Russland seinen Freunden durch derartige Deals hilft. Positiver Nebeneffekt für Russland: die Fesftigung der langfristigen Beziehungen zu dem betroffenen Land. Zumal es gegen den gemeinsamen Gegner USA geht, da wird Russland kaum einen strategisch so wichtigen Partner wie die Türkei im Stich lassen.
Wir werden wohl auch in der nächsten Woche noch einiges über diesen Konflikt hören. Die USA werden weiterhin alles tun, die aufmüpfige Türkei auf Linie zu bringen und Erdogan wird sich neue Partner suchen, wie auch im Spiegel zu lesen ist: „Erdogans Schwiegersohn, Finanzminister Berat Albayrak, will in den kommenden Wochen am Golf betteln gehen. Qatar hat der türkischen Regierung gerade erst 15 Milliarden Euro Direktinvestitionen zugesichert
Und auch in Europa wird er versuchen, Partner zu finden, allerdings zeigen die europäischen Politiker derzeit am Beispiel des Iran, dass sie sich nicht trauen, wirklich etwas gegen die USA zu tun. Außer warmer Worte bekommt der Iran keinerlei Unterstützung gegen die neuen US-Sanktionen. Die Türkei dürfte kaum mehr von der EU bekommen, als warme Worte. Wenn überhaupt.
Trotz aller engen wirtschaftlichen Verbindungen zum Westen wird die Türkei sich also verstärkt nach anderen Verbindungen umsehen. Russland steht bereit, China vielleicht auch. Auf lange Sicht könnten diese Länder für die Türkei eine Alternative zur Anbindung an den Westen sein. Jedoch werden die USA mit allen Mitteln versuchen, das zu verhindern. Aus Sicht der USA muss Erdogan weg, dafür gibt es aber nur drei Szenarien: Wenn die USA ihn loswerden wollen, müssen sie entweder einen neuen Putsch organisieren oder Aufstände in der Türkei anzetteln, die Erdogan hinwegfegen würden oder ein Attentat auf ihn verüben. Ein freiwilliger Rücktritt Erdogans ist kaum zu erwarten.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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