Was steckt hinter dem Konflikt zwischen der Türkei und den USA?

Der Graben zwischen den USA und der Türkei wird immer größer. Heute hat Erdogan in einem Gastbeitrag in der New York Times seine Sicht der Dinge dargestellt. Der Spiegel berichtete darüber. Aber was sind eigentlich die Hintergründe, die nicht im Spiegel stehen?
 
Die USA und die Türkei gehen einer Konfrontation entgegen, wie es sie in der NATO noch nie gegeben hat. Und diese Konfrontation könnte weitreichend sein und am Ende auch die Nato-Mitgliedschaft der Türkei in Frage stellen. Das würde bedeuten, dass die Nato ihre zweitgrößte Armee verliert und auch strategisch wichtige Stützpunkte sowohl im Nahen Osten als auch an der Grenze zu Russland. Würde die Türkei in einem solchen Szenario „die Seiten wechseln“ und sich an Russland anlehnen, wären die geopolitischen Folgen enorm. Die Türkei könnte sich mit dem Iran anfreunden, ihren Einfluss im Irak ausbauen, die US-Atomwaffen aus den Türkei müssten abgezogen werden. Die Folgen sind kaum absehbar.
Dies könnte, wenn mit russischer Hilfe eine Einigung mit den Kurden erzielt würde, die Landkarte im Nahen Osten verändern und auch den Krieg in Syrien endgültig beenden. Zu Syrien ist zu sagen, dass der Westen dort Islamisten aus zwei Gründen unterstützt. Der eine Grund ist eine Gas-Pipeline aus dem persischen Golf und der zweite dreht sich um die russischen Militärbasen in Syrien. Wenn aber die Türkei tatsächlich die Seiten wechselt, dann wäre das das Aus für die Pipeline und jede Chance, die russischen Militärbasen zu schließen, wäre endgültig dahin.
Natürlich wird der Westen versuchen, dies zu verhindern. Aber da dieses Szenario spekulativ ist, will ich diesen Faden jetzt nicht weiterspinnen.
Fakt ist, dass wir vor einem historisch einmaligen Zerwürfnis in der Nato stehen. Die Türkei wird hier keinen Schritt zurückweichen, die Gründe werde ich gleich aufzeigen. Und wenn die USA ebenfalls nicht zurückweichen, dann ist ein Zerwürfnis, dass bis zu einem möglichen Nato-Austritt der Türkei, zum Abbruch diplomatischer Beziehungen und einer Allianz der Türkei mit Russland führen kann, perfekt.
Der Schlüssel zum Verständnis des Zerwürfnisses ist der gescheiterte Putsch gegen Erdogan.
Zunächst war die Türkei auf Nato-Linie und wollte Assad stürzen und stand in diesem Konflikt gegen Russland. Am 24. November 2015 schoß das türkische Militär ein russisches Flugzeug ab, woraufhin es zu einer kompletten Eiszeit zwischen den beiden Ländern kam. Russland forderte eine Entschuldigung und Entschädigung für den Schaden, was die Türkei ablehnte. Russland erließ daraufhin Sanktionen gegen die Türkei, die sehr schmerzhaft für die Türkei waren. Russische Touristen sind für die Türkei sehr wichtig und Russland stoppte alle Flüge für Touristen in die Türkei, außerdem stoppte es den Import von Lebensmitteln aus der Türkei, ebenfalls ein schmerzhafter Schritt für die Türkei.
Erdogan verweigerte die geforderte Entschuldigung, versuchte aber bei verschiedenen Anlässen mit Putin zu sprechen, jedoch lehnte Putin jedes persönliche Gespräch ab, solange die Türkei Entschuldigung und Entschädigung verweigerte.
Der Wendepunkt kam mit dem versuchten Putsch gegen Erdogan im Juli 2016. Bei diesem Putsch entging Erdogan selbst nur knapp dem Tod, denn sein Aufenthaltsort, ein Hotel, wurde angegriffen und er konnte den Angreifern nur knapp entkommen. Der Putsch wurde niedergeschlagen und es gab hunderte Tote.
Gerüchte besagen, dass Russland Erdogan im letzten Augenblick vor einem Putsch der Gülen-Bewegung mit Unterstützung der CIA gewarnt hat. Bewiesen ist das nicht, aber die folgenden Ereignisse deuten darauf hin, dass da etwas dran sein könnte.
Während der Putsch lief, waren die westlichen Regierungen erstaunlich still. Es gab keine Aufrufe an die Putschisten, die legitime türkische Regierung zu achten und den Umsturzversuch abzubrechen. Auch die Gratulationen an Erdogan, nachdem der Putsch niedergeschlagen war, waren sehr verhalten. Wer in den Tagen die Erklärungen der westlichen Regierungen in den Medien verfolgte, konnte schnell den Eindruck bekommen, die westlichen Regierungen wären traurig, dass der Putsch keinen Erfolg gehabt hat. Zwar wurde der Putschversuch pflichtschuldig verurteilt, aber wesentlich deutlicher waren die Aufforderungen an Erdogan, die Menschenrechte zu achten und nicht zu hart gegen Putschisten vorzugehen.
Nach dem Putsch war der Streit mit Russland vergessen, ein türkischer Minister flog nach Russland, traf sich mit der Witwe des getöteten russischen Piloten und entschuldigte sich bei ihr, der türkische Staat entschädigte sie finanziell und entschädigte auch Russland für das zerstörte Flugzeug.
Damit stand einem Treffen zwischen Putin und Erdogan nichts mehr entgegen und die beiden trafen sich schon 10 Tage nach dem Putsch im russischen St. Petersburg.
Da ich in Russland lebe und russisch verstehe, konnte ich mir das Treffen im Fernsehen live anschauen. Ein russischer Nachrichtensender berichtet bei Staatsbesuchen fast immer live und so konnte man sehen, wie Putin Erdogan begrüßte und wie sie und ihre Berater sich vor laufenden Kameras setzten und Freundlichkeiten austauschten, bevor sie ohne Journalisten mit den eigentlichen Gesprächen begannen. Interessant war, dass man dabei hören konnte, wie Putin und Erdogan erwähnten, wie hervorragend ihre Geheimdienste zusammen arbeiten würden, was ich als recht eindeutigen Hinweis auf die Theorie werte, dass Putin Erdogan tatsächlich vor dem Putsch hat warnen lassen. Wenn wir nun annehmen, dass dies tatsächlich stimmt, dann erklärt dies natürlich, warum Erdogan seit dem so eng an Russland heran- und so weit von der Nato abgerückt ist. Denn wenn es seine „Partner“ der Nato waren, die ihn stürzen wollten, dann hat er allen Grund, kein Freund der Nato mehr zu sein. Egal, ob die Türkei noch Mitglied der Allianz ist oder nicht.
Und so erklärt sich, dass Erdogan sich nur noch selten zum Sturz Assads bekennt, offensichtlich musste der die Tatsache anerkennen, dass Russland dies nicht zulässt. Es erklärt auch, warum die Türkei nun plötzlich das neueste Flugabwehrsystem für seine Armee in Russland und nicht in den USA kauft. Und die Russen geben ihm bereitwillig die S-400, ein Flugabwehrsystem, das zur Zeit das vielleicht modernste der Welt ist.
Und die USA protestieren dagegen sehr vehement. So vehement, dass es kaum bloß daran liegen kann, dass Erdogan nicht die amerikanischen Patriot-Raketen kaufen möchte. Der Grund dürfte ein anderer sein: Die USA haben in der Türkei ihre neuesten Kampfflugzeuge von Typ F-35 stationiert, die mit Tarnkappentechnologie ausgerüstet sind. In dem Augenblick, wo die Türkei die S-400 geliefert bekommt, kommen mit dem System auch russische Spezialisten, um die Türken an dem System auszubilden. Und wenn diese dabei die neuen Flugzeuge der USA mit dem System beobachten können, bedeutet das für Russland, dass es die Radarechos dieser Flugzeuge in Ruhe studieren kann.
Denn Tarnkappentechnologie bedeutet nicht, dass ein Flugzeug für Radar unsichtbar ist, es gibt eben nur ein sehr kleines Radarsignal ab, das man auch für einen Vogel, eine Störung oder ähnliches halten kann. Jedenfalls ist es leicht zu übersehen. Aber wenn die Russen die Radarechos der F-35 kennen, bedeutet das, dass die Tarnkappen-Jäger für die Russen keine Tarnkappe mehr haben. Die Luftüberlegenheit der USA gegen Russland wäre in Gefahr.
Und wenn man diese Entwicklungen rund um den Putsch und die Folgen im Hinterkopf hat, dann wird verständlich, warum Erdogan sich den USA gegenüber auf stur stellt. Natürlich sind das Hypothesen und nicht bewiesen, aber die gesamte politische Entwicklung nach dem Putsch bestätigt diese Hypothese, bis hin zu der Tatsache, dass die USA gegen einen wichtigen Nato-Partner Sanktionen verhängen und dieser Nato-Partner darauf mit der Androhung von Gegenmaßnahmen reagiert.
 
Erdogan war vor dem Putschversuch kein einfacher Partner für die EU, aber mit der Nato hat es vorher keine Probleme gegeben. Diese Unterscheidung ist wichtig. Denn die Probleme mit der Nato und den USA begannen erst danach und dies lässt sich aus meiner Sicht nur mit der Warnung Russlands erklären, die Erdogan das Leben rettete.
Und diesen, für das Verständnis des Konfliktes zwischen den USA und der Türkei wichtigen Teil, lässt der Spiegel – wie auch alle anderen deutschen Mainstream Medien – in seinen Berichten immer weg. Dabei ist das für das Verständnis ganz wichtig.
 
Verständlich, dass das weggelassen wird, denn dass der Westen notfalls einen Putsch in einem Partnerland unterstützt, wäre dem Publikum schwer zu erklären.
 
Eine Analyse der Situation und Motive Erdogans finden Sie hier.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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