30 Jahre Mauerfall – Wie das russische Fernsehen über das Jubiläum berichtet

30 Jahre Mauerfall war auch im russischen Fernsehen ein Thema. Dass die russische Sicht auf das Jubiläum eine andere ist, als in den deutschen Medien, ist nicht überraschend. Worin sie sich unterscheidet, ist allerdings überraschend.

Auch in Russland ist der Mauerfall ein wichtiges Thema. Viele Russen haben das damals hautnah als Soldaten in der DDR miterlebt. Auch die Russen waren damals von der Euphorie der politischen Wende ergriffen und (auch) die Russen wurden schwer enttäuscht. Umso interessanter ist, wie die Russen, die sich inzwischen wirtschaftlich und politisch von der Wende erholt haben, in der Rückschau auf das Jubiläum blicken. Da das russische Fernsehen am Sonntag in der Sendung „Nachrichten der Woche“ darüber einen langen Bericht gebracht hat, habe ich den übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Der 9. November war in Deutschland ein wichtiges Datum: 30 Jahre sind seit dem Fall der Berliner Mauer vergangen. Und 1990 haben sich Ost- und Westdeutschland unter dem Motto „Wir sind ein Volk!“ wieder vereinigt, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs getrennt waren. Großbritannien und Frankreich, vertreten durch Thatcher und Mitterrand, waren aktiv dagegen. Aber die UdSSR war dafür. Damals, vor 30 Jahren, gab es viele Pläne und Hoffnungen, vor allem bei den Menschen in Ostdeutschland. In Erfüllung gegangen sind längst nicht alle.

Deutschland feiert den 30. Jahrestag des Mauerfalls genauso, wie das 20-jährige und das 25-jährige Jubiläum. George Bush und Helmut Kohl sind zwar verschwunden aber in der ganzen Stadt erinnern wieder Plakate an die Schrecken des totalitären Regimes, auch die Szenen am Brandenburger Tor ähneln sich jedes Mal. Auch die Kanzlerin ist die gleiche. Aber die Stimmung hat sich gewandelt: Das Vertrauen darin, dass der Sieg der liberalen Werte unumkehrbar ist, dass mit dem Fall des Kommunismus das Ende der Geschichte gekommen ist, ist verloren gegangen.

Darüber hinaus haben die Deutschen in den letzten fünf Jahren erleben müssen, dass die historische Episode der dritten Vereinigung Deutschlands noch nicht vorbei ist. Im Gegenteil, die Deutschen unterscheiden sich nach Eigentums- und Sozialverhältnissen in Ost und West.

Merkel war an dem Tag mit hohen Gästen an den Resten der Berliner Mauer: Schaut nur das Böse an, das wir gemeinsam gesiegt haben!

„Ich erinnere an alle, die an dieser Mauer getötet wurden. Sie suchten die Freiheit. Ich erinnere auch an die 75.000, die für den Versuch, aus ihrem Land zu fliehen, verurteilt wurden. Ich erinnere an diejenigen, die unter Repression gelitten haben, weil ihre Verwandten geflohen sind und an diejenigen, denen Spionage vorgeworfen und die deswegen verurteilt wurden“, sagte die Kanzlerin.

Toll, dass das vorbei ist. Zumindest für die Deutschen. Jetzt werden an anderen Orten der Welt Tausende von Menschen ohne Gerichtsverfahren in geheimen Gefängnissen festgehalten, sie werden mit Hunden in Angst versetzt, durch Schlafentzug und durch Waterboarding gefoltert. Und in Deutschland ersetzt heute jedes Smartphone eine ganze Stasi-Brigade.

Aber dazu werden politische Feiertage ja gebraucht, um das eigene Volk von der Richtigkeit des politischen Kurses zu überzeugen. Vor allem jetzt, wo die Menschen aus völlig unverständlichen Zweifeln an der Politik bei Wahlen für „die Falschen“ stimmen.

„Bei den letzten Wahlen in Thüringen haben die Alternative für Deutschland, eine rechtsextreme Partei, und die linksextreme Linkspartei zusammen mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen, während die traditionellen Parteien zusammen weniger als 40 Prozent der Stimmen erhalten haben. Ich denke, dieser Trend ist auch in anderen Bundesländern zu beobachten. Man fragt sich: Warum ist das so? Mir scheint, dass die Ostdeutschen etwas völlig anderes von der Vereinigung Deutschlands erwartet haben“, sagte der Politikwissenschaftler Alexander Rahr.

Die Innenstädte wurden schöner, Telefonkommunikation und Kanalisation wurden besser, Autobahnen wurden repariert, Prostituierte haben nun eine Gewerkschaft, aber von 8000.000 Betrieben der DDR überlebten nur wenige. Die Zerstörung, die das westliche Kapital in der ostdeutschen Industrie verursachte, wurde als „größter Schlachthof“ Europas bezeichnet. Die Linke und die Alternative für Deutschland haben keine Gemeinsamkeiten, aber der Grund für ihren Erfolg ist derselbe.

„Die östliche Wirtschaft hat sich zugunsten des Westens reformiert. Westdeutsche Firmen und Konzerne kamen, weil sie DDR-Firmen für eine Mark aufkaufen konnten. Die Einheit ist noch immer nicht hergestellt: Im Osten des Landes bekommt man weniger Geld für die gleiche Arbeit. Die gleiche Lebensarbeitszeit bringt im Westen eine höhere Rente“, sagte Gregor Gysi, Rechtsanwalt und Mitglied der Linkspartei.

„Jeder Kolonialist, der in ein sich entwickelndes Land kommt, um Arbeitskräfte und Ressourcen auszubeuten, wird Ihnen sagen, dass er nur helfen will. Die größten deutschen Unternehmen haben nicht einmal Büros im Osten. Wenn eine Filiale eröffnet wird, wird sie von Westlern geleitet. Stellen Sie sich vor, ein Spezialist im Osten verdient weniger, als ein Handwerker im Westen“, sagte Jürgen Paul, Bundestagsabgeordneter von der Alternative für Deutschland.

Die Krise der klassischen bürgerlichen Parteien in Deutschland, CDU und SPD, spiegelt einen größeren Prozess wider, der die neokonservativen und neoliberalen Eliten des Westens ergriffen hat. Seit dem Fall der Mauer wurden sie alle von Brzezinskis Vorhersage geleitet, dass die neue Weltordnung auf den Trümmern Russlands aufgebaut sein wird.

Das hat nicht geklappt, obwohl sie dem Ziel sehr nahe waren. Also mussten sie das Konzept ändern, obwohl das auch übertrieben ist: Weil eine Konkurrenz der Systeme fehlt, die neue Ideen hätte hervorbringen können, gab es kein Konzept. Es lief auf banale Raubüberfälle hinaus: Irak, Syrien, Ukraine. Jetzt suchen sie Wachstumsreserven in Handelskriegen untereinander. Neue Mauern werden gebaut: Der Brexit ist eine Mauer. Mitte des Monats soll Trump beschließen, ob er deutsche Autos mit Zöllen belasten belasten will, für Deutschland wäre das sehr schlecht. Aber so ist der Stand der Dinge in der Weltwirtschaft. Sie ist an den Punkt gekommen, wo gilt: du stirbst heute und morgen sterbe ich.

„Was wir sehen, ist der Hirntod der NATO. Wir müssen ein nüchternes Verständnis dessen bewahren, was geschieht. Und hier werden unsere Aufgaben auf militärischer und strategischer Ebene umso wichtiger. Erstens, die europäische Verteidigung: Europa muss im Bereich der militärischen Strategie und der militärischen Fähigkeiten unabhängig werden“, sagte Macron.

Der französische militärisch-industrielle Komplex könnte mit der Ausrüstung einer europäischen Armee gutes Geld verdienen, aber das ändert nichts am Kernproblem. Die Vereinigten Staaten, Kern des Nato-Blocks, kümmern sich nicht mehr um die Interessen ihrer Satelliten. Im Gegenteil, sie beginnen, Rendite zu verlangen, aber gleichzeitig bleibt die NATO das Hauptinstrument des amerikanischen Einflusses in Europa. Unverständlich, aber so ist es im Moment.

Gerade war US-Außenminister Pompeo in Deutschland. Seine Eskorte aus vierzig gepanzerten Fahrzeugen, amerikanische Militäreinheiten, Soldaten und Panzer waren auf allen deutschen TV-Kanälen zu sehen. Deshalb ist er gekommen. Er brachte ein Reagandenkmal mit, der Gorbatschow aufgefordert hatte, die Mauer einzureißen. Sie stellten es auf das Dach der Botschaft, weil die Berliner Behörden keinen Platz dafür fanden. Dass er von der Straße aus schlecht zu sehen ist, ist ein Nachteil, aber Touristen werden dem Präsidenten wenigstens nicht die Nase reiben, das ist ein Vorteil.

„An dem Tag, als der Abriss der Mauer begann, rief Bundeskanzler Helmut Kohl Präsident Bush an und sagte: „Dieser Tag wäre ohne die Vereinigten Staaten niemals gekommen“, sagte Pompeo.

Daran muss man immer erinnern, wenn man das vergisst, werden die USA böse. Und so ist es, ganz ohne Übertreibung: Alles, was das heutige Deutschland darstellt, bis hin zu seiner Verfassung, ist das Ergebnis ausländischer Einflüsse. Und es ist nicht einmal klar, ob die Demokratie zu den Deutschen passt. Die gab es nicht in der DDR und die BRD stand immer unter der strengen Bevormundung der Amerikaner und unter den Bedingungen einer rigiden ideologischen Konfrontation mit dem Osten. Eine deutsche Demokratie existierte nur von 1919 bis 1933 und endete mit der Nazi-Diktatur.

Als im 21. Jahrhundert die ersten Anzeichen einer Systemkrise der liberalen Ideen und der transatlantischen Ideologie auftauchten, begannen die Deutschen, für die „Alternative“ zu stimmen. In zehn Jahren dürfte vorm Brandenburger Tor wieder eine hell erleuchtete Bühne stehen, aber die Stimmung am Feiertag wird wohl wieder eine andere sein. Und ganz sicher wird es einen anderen Kanzler geben.

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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