Abgehoben und realitätsfern: Wenn der Spiegel Experten zu den Gelbwesten befragt

In Frankreich sind die Wirtschaftskennzahlen gut: die Wirtschaft wächst schnell, die Arbeitslosigkeit sinkt. Wer aber, wie heute der Spiegel, fragt, warum denn dann die Gelbwesten protestieren, hat das Problem gar nicht verstanden.

Seit Jahrzehnten lernen wir täglich in den Medien und von der Politik, dass wir Wirtschaftswachstum brauchen, damit es uns gut geht. Dass das Unsinn ist, lässt sich ganz leicht zeigen. Was nützt es Ihnen, wenn die Wirtschaft wächst, wenn Ihr Chef riesige Gewinne macht, aber Sie keine Lohnerhöhung bekommen? Wem geht es dann gut?

Und so funktioniert heute die Wirtschaft. Die Umsätze, also die Wirtschaft, wachsen, die Gewinne der Unternehmen steigen, aber die Löhne nicht. Es kann den Menschen herzlich egal sein, wie sehr die Wirtschaft wächst, sie interessiert, was sie bekommen. Die in den Medien verbreiteten Parolen vom Wirtschaftswachstum sind weniger, als ein Placebo. Sie lenken nur von den Problemen ab. Und dann sitzt der Normalbürger vor der Tagesschau und hört, wie schön die Wirtschaft wächst und wie gut es Deutschland demnach geht. Und er denkt sich „Deutschland geht es gut, mir aber nicht. Da muss ich Pech gehabt haben. Aber protestieren lohnt nicht, es geht ja allen gut, außer mir und meinen Freunden“.

So oder so ähnlich läuft es ab, denn die Menschen in Deutschland sind mehrheitlich immer noch der Meinung, es ginge ihnen gut. Das war vor 30 Jahren so, aber seit dem sind die Reallöhne in Deutschland nicht mehr gestiegen, in den Nachbarländern aber schon. Den Deutschen geht es im Vergleich nicht mehr besser, als den Nachbarn, oft sogar schlechter. Aber die Medien schaffen ein anderes Bild, obwohl Studien diese Aussagen widerlegen. Die Menschen sollen damit ruhig gestellt werden, nach dem Motto „Demnächst kommt der Wohlstand dann wohl auch bei mir an.“

Dass das nicht so ist, zeigen die Statistiken. Tatsächlich wächst in Deutschland bei den Menschen die Armut und nicht der Wohlstand. https://www.anti-spiegel.ru/2018/uno-zur-sozialen-lage-in-deutschland-kinderarmut-niedriglohne-lehrermangel-pflegenotstand-usw/

Dem einzelnen mag es besser gehen, weil er Karriere macht, aber wenn man die Reallöhne nach Berufsgruppen anschaut, dann stagnieren sie seit 30 Jahren. Und es kann nun einmal nicht jeder Karriere machen, die meisten bleiben ihr Leben lang mehr oder weniger bei ihrem Job als Verkäufer, Krankenschwester, Handwerker etc.

Neoliberale Parolen, man müsse sich eben nur anstrengen, dann kommt man auch voran, sind objektiv für die Masse Unsinn. Selbst wenn sich in einer Abteilung alle zwanzig Mitarbeiter ganz doll anstrengen, Überstunden machen und alles tun, was sie können, am Ende kann trotzdem nur einer Abteilungsleiter werden. Von diesen Anstrengungen profitiert nur die Firma, nicht die Mitarbeiter, die ihr Letztes geben.

Und mit neoliberalen Parolen werden dann auch Steuersenkungen für Unternehmen begründet, während die Belastungen der „kleinen Leute“ steigen. Dabei haben diese Steuersenkungen nie zu mehr Arbeitsplätzen oder zu mehr Steuereinnahmen geführt, sondern nur zu höheren Gewinnen für die Unternehmer.

Um es klar zu sagen, ich habe früher Karriere gemacht und bin sehr dafür, dass die Leute im Job alles geben. Aber ich bin auch dafür, dass sie dafür auf ihrem jetzigen Posten belohnt werden und nicht erst im Falle einer Beförderung, die die meisten nie bekommen können, weil die Plätze begrenzt sind.

Wir werden mit leeren Parolen regiert. Im Spiegel hat heute ein Artikel aufgezeigt, wie weit manche „Experten“ von der Realität entfernt sind. Der Titel lautete: „Gelbwesten und sinkende Arbeitslosigkeit – Macrons verschmähte Erfolge„.

Der arme Macron macht also einen guten Job und die undankbaren Franzosen wissen das gar nicht zu schätzen.

Der Artikel begann mit den Worten:

„Leben die Franzosen in einer verkehrten Welt? Kapieren sie nicht, wie erfolgreich sie sind? Oder durchschauen sie die neuen Leiden des Kapitalismus nur viel besser als alle anderen? Neueste Wirtschaftszahlen aus Paris sprechen eine eindeutige Sprache, könnte man meinen: Die Arbeitslosigkeit in Frankreich liegt heute mit 8,7 Prozent so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr, und die französische Wirtschaft wird in diesem Jahr mit voraussichtlich 1,3 Prozent vergleichsweise schnell wachsen.“

Schon hier werden wieder die Wirtschaftsdaten runtergebetet. Aber wie gesagt, was haben die Menschen davon, wenn ihre Gehälter nicht steigen? Die Gehaltsentwicklung wurde im ganzen Artikel nur kurz erwähnt. Und es wurde gar nicht erwähnt, dass Macron die Steuern und Abgaben für die Masse erhöht hat, um die Abschaffung der Vermögenssteuer zu finanzieren. Er gab den Reichen und ließ die Armen bezahlen. Wen interessiert da das Wirtschaftswachstum?

Nachdem der Spiegel kurz erwähnt hat, dass die niedrigen Einkommen in Frankreich seit 10 Jahren nicht mehr wachsen, lässt er einen Experten zu Wort kommen:

„Aber ist die Wut berechtigt? Das bestreitet Frankreichs bekanntester Arbeitsökonom, Gilbert Cette, im Gespräch mit dem SPIEGEL: „Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist ein echter Erfolg und zugleich der Beginn der Ergebnisse von Macrons Reformpolitik“, sagt Cette, Wirtschaftsprofessor an der Universität Aix-Marseille. Zugegeben, Cette ist auch ein wenig voreingenommen: Er gilt als geistiger Vater der liberalen Arbeitsmarktreformen unter Macron im Herbst 2017, die insbesondere den Kündigungsschutz lockerten und der französischen Arbeitsgerichtsbarkeit stärkere Grenzen setzten.“

Der Experte darf sich also zu Reformen äußern, die er selbst geschaffen hat. Dass man in dem Fall keine objektive Einschätzung bekommt, dürfte jedem klar sein. Natürlich lobt er sein Werk, das ist menschlich, das würde jeder tun. Und er darf sich im Spiegel weiter beweihräuchern:

„Warum ist dann die Stimmung weiterhin so schlecht? Einen Grund dafür sieht Gilbert Cette selbst: „Über acht Prozent Arbeitslosigkeit bedeutet immer noch, dass wir in Frankreich Massenarbeitslosigkeit haben – anders als in Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten, welche die Arbeitslosigkeit schon länger erfolgreich bekämpfen“, so Cette.“

Wie gesagt, es geht gar nicht so sehr um die Arbeitslosigkeit, die war früher höher und da gab es keine Gelbwesten. Es geht um die Löhne und Steuern. Aber das wird von ihm gar nicht erwähnt. Weiß er es nicht? Oder will er von den eigentlichen Problemen ablenken? Entscheiden Sie selbst, danach sagt er:

„Verloren ist der alte Konsens, in der Arbeitslosigkeitsbekämpfung den Kern der Sozialpolitik zu sehen. „Eine Bewegung, die nie wichtig werden durfte, ist wichtig geworden“, ärgert sich der liberale Ökonom Cette über die Gelbwesten: „Es geht nicht mehr um die Ärmsten und Arbeitslosen, sondern um die Kaufkraft der Kleinen. So ist die Bewegung heute eine riesige Maschine der Unzufriedenheit“, klagt Cette. Präsident Macron dürfte das ähnlich sehen.“

Der Mann hat früher mal an der Uni gelernt, dass Arbeitslosigkeit das wichtigste Problem ist, das man lösen muss. Und das ist ja auch sehr wichtig. Als der Mann studiert hat, da konnte man von seinem Lohn auch noch gut leben. Aber was nützt einem heute ein Job, wenn es trotzdem nicht zum Leben reicht? Dieses Problem hat er nicht erfasst und er ärgert sich, dass es „um die Kaufkraft der Kleinen“ geht. So abgehoben sind die Menschen inzwischen, die Gesetze ausarbeiten und Präsidenten beraten.

Wer will sich da wundern, dass immer noch über die Hälfte der Franzosen die Gelbwesten unterstützt? Der Spiegel schreibt es sogar selbst, was beim Spiegel die Ausnahme ist, denn diese Information bekommt dort nur selten:

„Noch immer unterstützen in Umfragen rund die Hälfte der Franzosen die Gelbwesten. Ihre Forderungen kommen mehrheitlich aus Schichten, die nicht reich und meist nicht arbeitslos sind.“

Man sollte sich eher wundern, dass es nicht in viel mehr EU-Ländern Gelbwesten-Proteste gibt, denn in mehr oder weniger ausgeprägter Form gibt es diese Probleme in ganz Westeuropa. Wie sagte es Volker Pispers mal sinngemäß: „Heute brauchen die Menschen zwei Jobs, um über die Runden zu kommen. Wenn sie einen dritten Job brauchen, wird es besser: Dann können sie sich die Miete sparen.“

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Wir feiern in jedem Jahr in Deutschland den riesigen Exportüberschuss. Im Jahr 2018 waren das ca. 320 Milliarden €.
    Egon W Kreutzer hat am Anfang des Jahres dazu eine intelligente Frage gestellt:
    „Was machst du mit deinen 4000€ Exportüberschuss?“
    99% der Bevölkerung haben von dem ganzen Exportüberschuss nichts.
    Genau das gleiche ist es, wenn es um Wirtschaftswachstum geht.
    Noch schlimmer ist es wenn über die Börse und dem DAX berichtet wird. Die meisten von uns haben keine Aktien und es ist demnach auch vollkommen egal, wie die Aktienkurse stehen. Es ist noch schlimmer, wenn Konzerne ankündigen, dass sie 10.000 Mitarbeiter entlasten, dann steigen die Kurse. Für uns Otto Normal ist es daher gut, wenn die Kurse nicht steigen.
    Jetzt hat die EZB in den letzten Jahren mehrere Billionen in den Markt gepumpt um den € am Leben zu halten. Dieses Geld ist zum größten Teil in der Finanzwirtschaft verschwunden. Die Bevölkerung der EU hat von diesem Geld nichts gesehen. Einiges von dem Geld ist in den Immobilienmarkt gewandert mit dem Ergebnis, dass für Wohnraum mittlerweile aberwitzige Preise gezahlt werden. Und dank der Flüchtlingsschwämme können auch aberwitzige Mieten verlangt werden. Wir haben nichts von dem Geld gesehen, müssen aber die Renditen derjenigen erwirtschaften, die davon profitiert haben.
    Wenn es zum nächsten großen Aktiencrash kommt, dann wird der „reale Markt“ mit dem Geld aus der Finanzwirtschaft überflutet.
    Es wird zu einer riesigen Inflation kommen, die die Familie Mustermann nicht auffangen kann.

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