Das russische Fernsehen über die explosive Situation in Georgien

Das russische Fernsehen hat sich am Sonntag in der Sendung „Nachrichten der Woche“ wieder Georgien zugewandt. Da es ein Nachbarland Russlands mit einer langen gemeinsamen Geschichte und ein beliebtes Urlaubsziel für Russen ist, interessiert die Situation in Georgien die russischen Medien weit mehr, als die deutschen.

Es waren zwei Beiträge, eine Einleitung aus dem Studio und ein Korrespondenten-Bericht, die gezeigt wurden. Da ich vermute, dass der neue Konflikt zwischen Georgien und Russland auch die deutschen Medien noch beschäftigen wird, habe ich diese Beiträge übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Georgien kocht weiter. Alle protestieren und verfluchen Russland. Hoch im Kurs steht ein Mem über 20%, sie sagen, dass 20% des Territoriums von Georgien von Russland besetzt ist. Das Mem von den 20% kam von einem Amerikaner namens Carpenter, einem Assistent von Biden. Nach einem kürzlichen Besuch in Georgien twitterte er und warnte die Georgier vor einer zu großen Anzahl von Touristen aus Russland.

Wir haben Michael Carpenter vor einer Woche zitiert. Jetzt tun wir es nochmal, um die Herkunft des Slogans von den 20% zu verstehen. „Ich war drei Tage in Georgien. Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Regierung der Folgen der Politik der offenen Tür gegenüber Russland voll bewusst ist. Bei so vielen Touristen (hey FSB) und Land, das von russischen Geschäftsleuten aufgekauft wird, können sie eines Tages aufwachen und nicht zu 20, sondern um 100% besetzt sein“ schrieb Carpenter auf Twitter.

Indem der Amerikaner die These über Russlands Besetzung von 20% von Georgien aufstellt, schüttet er auf der einen Seite Salz in eine offene Wunde und auf der anderen Seite lenkt er von der Verantwortung der ehemaligen Führer Georgiens für den Verlust der Gebiete ab. Angeblich ist Russland schuld. Eine zuckersüße These. Es ist klar, dass wir über Abchasien und Südossetien sprechen, die heute unabhängige Staaten sind und nicht nach Georgien zurückkehren wollen.

Einfacher ist es, Russland die Schuld zu geben. Und natürlich freut sich jedes Geschöpf, wenn es gestreichelt wird und nette Worte hört: Nein, Schatz, du kannst nichts dafür. Georgien bildet da keine Ausnahme. Aber wenn wir uns den Fakten der Geschichte zuwenden, ist Georgien von innen heraus zerfallen. Wegen des kurzsichtigen Nationalismus und der unverantwortlichen nationalistischen Politik seiner Führer, von Gamsachurdia und dem Sturz Kitovanis, von Ioseliani bis Schewardnadse und Saakaschwili. Jeder von ihnen legte die Axt an Georgien an.

Obwohl die Voraussetzungen für den Zerfall noch in der sowjetischen Zeit gelegt wurden. Im autonomen Abchasien wurde unter Stalin eine Migrationspolitik durchgeführt, deren Ziel es war, den Anteil der Abchasen in Abchasien zu reduzieren. (Anm. d. Übers.: Stalin war übrigens Georgier) Und später setzte das sowjetische Georgien dies konsequent fort, wodurch der Anteil der ursprünglichen Bevölkerung in den frühen 1990er Jahren auf unter 20 % sank. Das Ziel war klar, die Autonomie abschaffen und einen Einheitsstaat erschaffen. Gleichzeitig wurde die abchasische Sprache unterdrückt und für die Abchasen wurden unerträgliche Bedingungen geschaffen: entweder sollten sie sich assimilieren oder gehen.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion blühte in Georgien ein militanter Nationalismus auf. Der Präsident war der verrückte Gamsachurdia. Unter ihm wurde beschlossen, die Autonomie Abchasiens und Südossetiens zu beenden. Gamsachurdia hielt sich nicht lange. Im Dezember 1991 wurde er infolge des Putsches gestürzt und die Macht von einem Militärrat übernommen, der von Jaba Ioseliani, einem Dieb und Gründer der irregulären bewaffneten Gruppe „Mhedrioni“ und von Tengiz Kitovani, regiert wurde,der parallel zum und gegen das Innenministerium die Nationalgarde geschaffen hatte.

Tatsächlich war es eine Mafiajunta, die die Macht im Land mit Waffengewalt übernommen hatte. Es folgten Anarchie, Plünderungen und die Invasion der Nationalgarde in Abchasien und die Eroberung der Hauptstadt. Infolgedessen wütete ein Bürgerkrieg mit all den Gräueltaten, die solche Ereignisse begleiten. Ein Strom abchasischer Flüchtlinge strömte aus Suchum nach Russland. Erst im September 1993 konnten abchasische Truppen Suchum zurückerobern. Dann wurden die Georgier zu Flüchtlingen.

Und dies ist nur eine Episode der vielen gegenseitigen Probleme in der Geschichte der georgisch-abchasischen Beziehungen. Und es war vor allem Georgien, als die zahlenmäßig größere Nation, das den Primat im Staat beanspruchte und das die Beziehungen nicht aufbauen konnte.

An der Brücke über den Fluss Gumista, am Rande von Suchum, befindet sich ein grober Felsen, der mit Porträts der Helden des Krieges für die Unabhängigkeit Abchasiens bedeckt ist. Man sieht dort Vater, Sohn, Bruder und Großvater. Man kann dieses Denkmal aus den Gesichtern vieler Helden endlos betrachten.

So war Abchasiens Trennung von Georgien vorbestimmt. Was hat Russland damit zu tun? Die endgültige Trennung kam 2008. Abchasien traf damals seine endgültige Entscheidung. Es war eine Geste der Solidarität mit Südossetien, gegen das Präsident Saakaschwili damals einen echten Krieg vom Zaun brach.

In der Nacht des 8. August 2008 griff die georgische Armee die Hauptstadt Südossetiens, Zchinwal, an. Auch der Stützpunkt russischer Friedenstruppen geriet unter Beschuss. So ließ Saakaschwili Russland keine Wahl. Die Friedenssicherungsaktion begann.

Aber die Ereignisse von 2008 sind nur eine Randnotiz in den langen, blutigen und schmerzhaften Beziehungen zwischen Südossetien und Georgien als Teil eines Staates. Georgiens hat bis heute keine innere Harmonie gefunden. Daher das Ergebnis. Und was jetzt auf den Straßen von Tiflis geschieht, ist kontraproduktiv für Georgien und seine eigenen nationalen Interessen.

Natürlich kann man alles auf das georgische Temperament und ihre Leidenschaft schieben. Die Georgier können sich selbst bemitleiden, weil sie so sehr unter Russland leiden, aber es gibt Merkmale im georgischen Charakter, die heute helfen können: Ihre Gastfreundschaft, der Sinn für Humor und Selbstironie, die Sentimentalität und die herzliche Großzügigkeit. Und auch eine außergewöhnliche Musikalität, die die Fähigkeit bezeugt, Harmonie in einer Polyphonie zu fühlen und aufzubauen. Das haben sie doch nicht verloren, oder?

Aus Georgien berichtet unser Korrespondent.

Historisch gesehen hatte Georgien, abgesehen von Abchasien und Südossetien auch noch ein drittes autonomes Gebiet, Ajaria. Georgien hat es geschafft, das Gebiet im Staat zu halten.

Horta Jame ist der am meisten verehrte muslimische Schrein in Batumi, es passen nicht alle Besucher rein und man muss zusätzliche Gebetsmatten auf der Straße ausbreiten, direkt auf dem Bürgersteig.

Es ist keine Moschee, es ist eine Jama, den Aufruf zum Gebet liest sich nicht Muezzin, sondern ein Azanchi, alles nach türkischer Tradition. Georgisch sind nur die dekorativ geschnitzten Trauben an den Türen und die Gestaltung der Innenelemente.

Imam Tariel Nakaidze spricht kein Russisch, zumindest gibt er es vor. Aber er spricht fließend Georgisch und Türkisch.

„Leider ist unsere Wirtschaft sehr schwach, so dass die Menschen jeden Monat über die Grenze in die Türkei reisen. Von dort holen sie Tee und Nüsse. Ob man will oder nicht, aber das hat Einfluss. Der Einfluss der türkischen Wirtschaft und der türkischen Kultur ist spürbar“ sagte Tariel Nakaidze, Vorsitzender der Muslim Union von Georgien. (Anm. d. Übers.: Georgien ist kein islamischer Staat, die Georgier sind orthodoxe Christen)

Historisch gesehen sind die Ajarier Georgier, die unter dem Einfluss der Türken zum Islam konvertierten: Die Region gehörte 300 Jahre lang zum Osmanischen Reich, bis Batumi nach dem Russisch-Türkischen Krieg 1878 russisch wurde. In Erinnerung daran werden hier noch heute die Gräber der toten russischen Soldaten jener Zeit gepflegt.

1921 wurde Ajaria durch einen Vertrag Teil Georgiens. Der Islam wurde ausgerottet: 1924 wurde das Scharia-Gericht abgeschafft, 1926 kam die Kampagne zur Beseitigung des Schleiers, seit 1930 waren die Moscheen geschlossen. Jetzt ist der umgekehrte Prozess im Gange.

„Der religiöse Einfluss des türkischen Staates hat sich in letzter Zeit sehr verstärkt. Die Türken kaufen alles, was zum Verkauf steht“ sagte Tengiz Tavdgeridze, ein Bürgerrechtler.

Die türkische Wirtschaft fühlt sich in Batumi wie zu Hause. Sie haben in den Wiederaufbau des Flughafens investiert und jetzt gibt es besondere Bedingungen für sie. Der Flughafen von Batumi ist ein einzigartiger Fall in der Welt: er gilt als inner-türkisch. Ein Passagier, der aus Istanbul oder Ankara, also aus einem anderen Land eingeflogen kommt, muss hier nicht durch Grenzkontrollen oder Zoll. Man nimmt einfach sein Gepäck und geht raus.

Im Büro des Komitees zur Rettung von Arjaria vor der Türkei ist die Wand voll mit Fotos von alten Batumi. Die Mitglieder sagen, dass es nicht nur um kommerzielle Projekte und Abkommen mit türkischer Beteiligung geht. Die Karte zeigt illegale türkische Gebäude in Ajaria: Minarette, Madrassas, muslimische Kindergärten. Das Nachbarland macht sich breit.

„Das beunruhigt die Leute. Es hat einen sehr massiven Charakter angenommen, die Eröffnung türkischer Schulen, Kindergärten, Hochschulen, die nicht mit den georgischen Behörden koordiniert sind“ sagte Ramaz Surmanidze.

Und das passiert, wenn sie sich wehren. Dieses Beton-Minaret wurde illegal nach Georgien importiert, ohne Zollabfertigung, und als es beschlagnahmt wurde, organisierten die Türken im Dorf Chelo Unruhen. Zur offenen Konfrontation ist es noch nicht gekommen, aber die Zahl der verärgerten Anwohner wächst. Hier in Kobuleti, wo Muslime Madrassas öffnen wollten, nagelte jemand aus Protest einen Schweinekopf an die Tür.

In Batumi heißt das hier „Türkisches Viertel“: Hier ist kein Georgier zu finden. In den Restaurants gibt es traditionelle anatolische Döner und Schaurma. Die Besitzer und das gesamte Personal sind Türken. Sie verdrängen die Ajaren nach und nach aus der Gastronomie, dem Handel, dem Tourismus, der der Region immer das Haupteinkommen gebracht hat.

Ajaria ist genau das, was in den Mythen von Colchis besungen wird, wohin die Argonauten gereist sind. Die Festung von Gonos wurde in den Werken des Historikers Plinius des Jüngeren im ersten Jahrhundert n. Chr. als die am stärksten befestigte Stadt an der Schwarzmeerküste erwähnt.

Batumi war der südlichste Ferienort der Sowjetunion, hier herrschte immer eine besondere Atmosphäre und am Ende der UdSSR, in den späten 80er Jahren, bildete sich hier eine Art Fenster in die Welt, die freie Einreise in die Türkei.

Grenzübergang Sarpi. Die Grenze zwischen Georgien und der Türkei. Auf beiden Seiten vereinfachte Abfertigung, man kann mit Personalausweis die Grenze passieren. Die Ajarer gehen zum Studieren oder Geld verdienen in die Türkei, die Türken kommen nach Ajaria, um das Territorium zurückzuholen.

Das ist es, was hier im Schutz der Dunkelheit vor sich geht. „Das ist türkisches Land und wir werden es zurück holen!“ skandierten Vertreter der türkischen Extremistenorganisation „Graue Wölfe“. Viele von ihnen, warnt die Ajar-Presse, haben bereits die georgische Staatsbürgerschaft erhalten.

„Unter Saakaschwili haben sich viele Leute in Batumi angemeldet. Wenn es ein Referendum, eine Wahl oder so etwas gibt, wird es sehr schwierig, sie zu überstimmen. Im entscheidenden Moment hoffen die Menschen in Ajaria immer auf Russland“ sagte Akaki Beridze.

An vielen leeren Läden sind Inschriften auf Türkisch: „Zu vermieten“. Eine zusätzliche Einladung für Unternehmer aus der Türkei, denen hier ohnehin schon fast alles gehört.

Die Schwarzmeerküste und die Strände, auf das Batumi so stolz ist. Die Wolkenkratzer, von denen einer, so wurde versprochen, das Black Sea Institute of Technology, das lokale Äquivalent von Oxford oder Harvard, und ein Museum beherbergen sollte. Aber am Ende wurden all diese Gebäude zu türkischen Hotels mit Casinos und SPA-Bereichen.

Batumis Visitenkarte ist eine sich bewegende Skulptur von Ali und Nino. Es ist natürlich ein Symbol der Liebe, aber der Metall Muslim Ali ist größer als die georgische Nino und regelmäßig absorbiert er die orthodoxen Nino.

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

7 Antworten

  1. Sehr geehrter Herr Röper,

    Sie sollten die Grauen Wölfe mit dem treffenderen Ausdruck Rechtsextremisten bezeichnen, denn die Ideologie der Grauen Wölfe ist eine länderspezifische Variante eines nazistoiden (Neo-)Faschismus.

  2. Ist schon interessant weil Vergleichbares in den annektierten Gebiete in Syrien auch passiert. Die kurdisch stämmige Bevölkerung von Syrien kann ein Lied davon Singen. Türkische Schulen mit türkisch als Unterrichtssprache, türkische Banken, Unis und Koranschulen. Paramilitär als Ordnungshüter und ganz wichtig, Vertreibung.
    Darüber jammert der Werte Westen nicht aber wenn die syrische Armee gegen Terroristen vorgeht.

    1. Die von der syrischen Unterorganisation der in der Türkei gegründeten kurdischen Terrorgruppe PKK dominierte Koalition von Aufständischen Demokratische Kräfte Syriens agieren inzwischen als Satrapen der USA und führen derzeit eine von den USA konzipierte Hungerblockade Syriens durch.

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