Demonstrationen in Moskau – Was die deutschen Medien nicht berichten

Seit Tagen wird in den deutschen Medien über Demonstrationen in Moskau berichtet. Aber wie üblich werden die interessanten Details weggelassen.

Ich habe schon vor knapp zwei Wochen über die Hintergründe der aktuellen Proteste in Moskau berichtet. Es geht darum, dass bei den anstehenden Wahlen einige Kandidaten wegen Formfehlern die Kandidatur verweigert wurde. So etwas ist nicht schön, denn es hat natürlich einen bitteren Beigeschmack. Aber wie ich vor zwei Wochen angemerkt habe, ist es vielsagend, dass die deutschen Medien daraus einen russischen Skandal basteln, während sie es fast freudig begrüßen, wenn in Sachsen das gleiche mit der AfD gemacht wird.

Die Nichtzulassung von Kandidaten zu einer Wahl ist nicht eben demokratisch, andererseits braucht es aber natürlich auch Regeln für Wahlen. Die Gratwanderung kann dabei eng werden, aber ganz zu vermeiden ist sie wohl nicht. Mir wäre wichtig, über diese Dinge gleich zu berichten und nicht parteiisch in Moskau einen „Skandal“ aufzubauschen und in Sachsen zur Tagesordnung überzugehen.

In Moskau gab es am 14. Juli Proteste und am Samstag wieder. Beide Demonstrationen waren nicht sehr groß. Moskau hat über 12 Millionen Einwohner. Wenn also in Moskau 3.000 Menschen demonstrieren, ist das so, als wenn in Berlin 1.000 demonstrieren. Das ist keine große Demo und normalerweise auch keine Meldung in bundesweiten oder gar internationalen Medien wert. Anders ist es eben, wenn es in Moskau geschieht, da die Medien das Narrativ des russischen „Überwachungsstaates“ füttern wollen.

In russischen Medien wurde über die Demonstrationen ausgiebig berichtet. Nach offiziellen Angaben waren ca. 3.500 Menschen an den Protesten beteiligt. Es dürften also mehr gewesen sein, denn naturgemäß sind die offiziellen Zahlen geringer, als die der Organisatoren. Das ist übrigens kein russisches Phänomen, das wurde besonders bei den Protesten der Gelbwesten deutlich, als das französische Innenministerium immer wieder viel zu niedrige Teilnehmerzahlen gemeldet hat.

In Moskau wurden gestern nach offiziellen Angaben 1.074 Menschen festgenommen. Jedoch muss man dazu wissen, dass die Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration in Russland nur eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat ist, wie etwa in Deutschland. Das bedeutet, die Leute kommen auf die Wache, wo die Personalien festgestellt werden und danach bekommen sie eine Geldstrafe und das war´s. Erst im Wiederholungsfall drohen bis zu 30 Tage Ordnungshaft, die jedoch ebenfalls nicht als Vorstrafe eingetragen wird, sondern eben eine Ordnungswidrigkeit ist. Diese Feinheit liest man aber in Deutschland nie, es wird stattdessen der Eindruck erweckt, die Leute kämen für lange Zeit ins Gefängnis.

Übrigens war die Demo auch keinesfalls so friedlich, wie die deutschen Medien behaupten, im Gegenteil. Die Demonstranten haben die Polizei mit Tränengas angegriffen, weshalb die Polizei zeitweise mit Gasmasken gegen die Demonstranten vorgehen musste. Trotzdem wurden zwei Polizisten wegen Verletzungen der Augen durch Pfefferspray ins Krankenhaus gebracht. Auch Feuerwerkskörper haben die Demonstranten auf die Polizisten geworfen.

Die EU fühlte sich bemüssigt, Russland zu ermahnen, wie der Spiegel berichtet:

„Die Europäische Union hat die Festnahme von mehr als tausend Demonstranten bei einer Kundgebung der Opposition in Moskau verurteilt. Die Festnahmen und der „unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten“ liefen den Rechten auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zuwider, sagte EU-Sprecherin Maja Kocijancic am späten Samstagabend in Brüssel. Diese „fundamentalen Rechte“ seien in der russischen Verfassung verankert. „Wir erwarten, dass sie geschützt werden.““

Das ist sehr löblich. Aber wo waren die Ermahnungen gegenüber Frankreich, als dort mit wesentlich massiverer Polizeigewalt gegen die Gelbwesten vorgegangen wurde? Im Gegensatz zu Frankreich, wo Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse gegen die Demonstranten eingesetzt wurden und dabei hunderte Menschen schwer verletzt worden sind, hat die Polizei in Moskau „nur“ vereinzelt Gummiknüppel eingesetzt. Frankreich hingegen hat die „fundamentalen Rechte“ mit Füßen getreten und kurzerhand das Demonstrationsrecht verschärft. Aber das fand die EU in Ordnung.

Was ebenfalls in den deutschen Medien nicht gemeldet wurde ist, dass es sich bei den Demos in Moskau anscheinend nicht um eine Moskauer Bewegung handelt. Von den 1.074 festgenommenen sind über 600 gar nicht aus Moskau. Es handelt sich um zugereiste Demonstranten, die von der Regionalwahl in Moskau gar nicht betroffen sind. Da kommt der Verdacht auf, dass es in Wahrheit um etwas anderes geht, als die Wahlen und dass es sich um Provokationen handelt.

Der Vollständigkeit halber sei noch gemeldet, dass Navalny, der vor wenigen Tagen wegen des wiederholten Aufrufs zu nicht genehmigten Demonstrationen 14 Tage Ordnungshaft bekommen hat, heute ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Seine Sprecherin teilte mit, er habe eine akute allergische Reaktion und sei deshalb ins Krankenhaus gekommen, wo er unter polizeilicher Bewachung steht.

Nachtrag: Am Montag wurde das Thema auch auf der Bundespressekonferenz behandelt. Immer wieder unterhaltsam, wie sich die Sprecher der deutschen Bundesregierung winden, wenn sie unangenehme Fragen gestellt bekommen.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

7 Antworten

  1. Lieber Thomas, vielen Dank für Deinen Artikel! Du bist der Einzige in Deutschland und Frankreich, der auch nur das Wort Gelbwesten in den Mund nimmt bzw darüber schreibt! Frankreich das Land das für Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit steht schiesst auf die eigenen Menschen, verstümmelt sie, tötet sie. Das sind KEINE Randalierer, keine Casseurs (die alles Kurz und Klein schlagen) sondern friedliche Demonstanten die nun seit Monaten auf die Strasse gehen. Darunter Alte, Behinderte, Kinder, Jugendlich = doch hier findet eine „Gleichbehandlung“ statt = es wird auf ALLE geschossen, eingeschlagen, mit Gas gesprüht. DANKE dafür.

    1. Das ist ja nun Quatsch!
      Über die „Gelbwesten“ wird ziemlich viel geschrieben in den deutschen und erst recht auch in den französischen Medien.

      Der springende Punkt ist nur das „Wie“. Also ob man zB. über die unverhältnismäßige Gewalt der französischen Polizei und seltsamer, regelrecht paramilitärischer Hilfpolizeiverbände berichtet, wie das in Blogs passiert. Oder ob man – wie ich selbst im Spiegel (Website) lesen mußte, sogar eine Gasexplosion in einer Pariser Bäckerei per kritiklos von dpa/AFP übernommener (und mutmaßlich noch ausgeschmückter) Meldung zu einer Art Bombenanschlag der „Gelbwesten“ hochstilisiert, obwohl die gar nicht vor Ort waren, und schon vor der Explosion klar war, daß hier ein Gasleck vorlag. Jedenfalls war die Feuerwehr schon gerufen worden, ehe es krachte.

      Der Spiegel-Link „Explosion bei Gelbwesten-Demo“ funktioniert übrigens immer noch! Nur die Meldung wurde leicht entschärft – enthält aber immer noch den völlig abwegigen Hinweis auf die Gelbwesten, deren Demo erst Stunden später angesetzt war.

      https://www.spiegel.de/panorama/paris-gasexplosion-in-baeckerei-tote-und-viele-verletzte-a-1247746.html

  2. Unverhohlene Hetze heute morgen („Lage am Montag“) auf SPON:

    „Die Regierung von Wladimir Putin zeigt wieder einmal ihr wahres Gesicht. Mit brutaler Härte haben die Sicherheitsbehörden in Moskau am Wochenende erneut einen Protestmarsch von Kreml-Kritikern niedergeknüppelt. Mehr als 1000 Menschen wurden in Gewahrsam genommen. Die Demonstration richtete sich gegen den Ausschluss zahlreicher Oppositionskandidaten von der für September geplanten Kommunalwahl. Der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wurde derweil wegen einer allergischen Reaktion ins Krankenhaus eingeliefert. Die genaue Ursache der Erkrankung blieb zunächst unklar. Für Putin kommen die erneuten Proteste mehr als ungelegen: Sie zeigen, dass sich viele Bürger vor den Kommunalwahlen offenbar nicht einschüchtern lassen wollen. Insgesamt herrscht wegen der andauernden Wirtschaftskrise in Russland großer Unmut in der Bevölkerung. Putin und seine Schergen glauben, dass sie die Proteste mit Härte im Keim ersticken können. Doch die Formel funktioniert auch in die andere Richtung: Wenn sie mehr prügeln, kann die Wut wachsen.“

    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/news-dan-coats-russland-alexej-nawalny-ber-bernd-riexinger-a-1278408.html

    1. Das war ja zu erwarten. Wenn sich die russischen Behörden eine Angriffsfläche leisten, wird bei den Atlantikern eben auch entsprechend kritisch geschrieben. Dass das weniger kritisch klingt, wenn im Westen die Polizei „eingreifen muss“, ist auch keine Überraschung.

      SPON… „Unmut wegen Wirtschaftskrise…“ – hab ich auch bemerkt. Ich war dieses Jahr zwei mal in Moskau und Petersburg. Bei 35 Grad werden in Moskau die Parks gewässert und die Strassen gewaschen (!). Die Restaurants sind voll und Touristen kommen in Scharen… Ich bin kein Analyst, aber das muss schon eine riesige Krise sein 😉

      Wenn es, wie es heisst, um nur wenige Abgeordnete mit z.t. sowieso geringen Chancen ging, stellt sich mir trotzdem die Frage, warum man sich eine solche Aktion „leistet“ und dadurch Unmut generiert. Naja, wer weis.

  3. Thomas, hallo. Gibt es noch andere Quellen ausser Interfax für die Annahme, dass etwa die Hälfte der Festgenommenen nicht aus Moskau, also dem für die Wahl relevanten Gebiet, kommen? Vielleicht sogar Angaben darüber, wo sie denn herkamen? Vor dem Hintergrund des Maidan wären das interessante Fakten. Bei z.b Echo Moskwy und Novaja Gazeta schreibt man natürlich über die Vorgänge. Aber ich finde nirgends eine zweite Quelle für diese Aussage.

    https://ovdinfo.org/news/2019/07/27/spisok-zaderzhannyh-na-akcii-protiv-nedopuska-kandidatov-na-vybory-27-iyulya-2019

    Das finde ich beachtlich, eine namentliche Liste der Verhafteten und wo sie erfasst wurden. Aber auch keine Aussage, wo sie herkommen. Ausländer scheinen gar nicht involviert gewesen zu sein.

    1. Interfax beruft sich auf die Pressestelle der Moskauer Polizei, die Aussage habe ich auch im Fernsehen gesehen, es wurde von der Polizei mitgeteilt. Ich habe jetzt keine Zeit, den Link zu suchen.
      Aber Vorsicht mit OVD! Einfach mal auf deren Seite nachschauen, wer die finanziert: https://ovdinfo.org/about/our-partners
      Das ist ein vom Westen gesteuerter Verein. Nach eigenen Angaben sind die Unterstützer die EU-Kommission, Heinrich Böll Stiftung und Botschaft Frankreichs. Und bevor sie ihre Arbeit in Russland einstellen mussten, waren auch das National Endowment for Democracy (NED) und Soros mit der Open Society Foundation deren Unterstützer. Für jeden Kenner der Materie ist das eine deutliche Aussage und bedarf keiner weiteren Kommentare.
      Entsprechend vorsichtig muss man mit den Informationen von OVD sein, es ist KEINE neutrale und kritische NGO, wie es der Westen darstellt.
      Ich werde dazu im Laufe des Tages noch etwas schreiben, nur so viel vorweg: Heute wird gemeldet, es waren erstaunlich viele Ukrainer darunter

      1. Danke Dir für den Hinweis zu OVD! Das muss man wissen, genau. Trotzdem finde ich diese Liste interessant. Ich wüsste ja nicht, wo ich bei uns nach so etwas suchen könnte. Im Falle der Fälle.

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