Der Spiegel über die Proteste in Moskau – Unsere tägliche Portion Desinformation gib uns heute

Ich bin dem Spiegel ja selten dankbar, aber heute ist so ein Tag. In dem aktuellen Artikel bestätigt der Spiegel vieles von dem, was ich in den letzten Tagen geschrieben habe. Allerdings versucht er dabei, einiges zu verdrehen und das werden wir uns mal anschauen.

Die kleinen Demonstrationen in Moskau werden von den Medien in Deutschland zu einem Volksaufstand aufgebauscht. Wie absurd hier Tatsachen verdreht werden, zeigt heute der Chef des Spiegel-Büros in Moskau.

Wir reden aktuell über eine Demonstration, die am Samstag stattgefunden hat und bei der gerade mal 1.500 Teilnehmer waren. Und das in einer Stadt mit über 12 Millionen Einwohnern, das wäre so, als wenn in Berlin 500 Leute demonstrieren. Das wäre keine Meldung wert, aber wenn es in Moskau passiert, dann wird täglich berichtet.

Um diese Zahlen größer erscheinen zu lassen, nennt der Spiegel erst gar keine genauen Zahlen. In dem Artikel heißt es:

„Seit Juli haben Tausende Moskauer gegen den Ausschluss der oppositionellen Kandidaten von den Wahlen zum Stadtparlament demonstriert.“

Über die Hintergründe und warum die Kandidaten nicht zur Wahl zugelassen werden, habe ich hier geschrieben. Aber anstatt die Entscheidungen der Wahlkommission vor Gericht anzufechten, haben sie zu Demonstrationen aufgerufen.

Allerdings sind diese Demonstrationen keineswegs eine Volksbewegung, sie werden vielmehr aus dem Westen finanziert und organisiert, wie man leicht überprüfen kann. Und diese Unterstützung ist massiv, selbst ausländische Botschaften und die russischen Ableger westlicher Medien feuern die Spannungen an. Der deutsche staatliche Auslandssender Deutsche Welle spielt dabei eine besonders unrühmliche Rolle und versuchte, diese Vorwürfe zu entkräften. Aber es reichen schon rudimentäre Russischkenntnisse oder sogar der Google-Übersetzer, um diese Lügen, die die Deutsche Welle ihren deutschen Lesern erzählt, zu entlarven.

Über die Demonstrationen vom 27. Juli und 3. August habe ich jeweils ausführlich berichtet.

Während nun in westlichen Medien von Polizeigewalt berichtet wird, sah es in Wahrheit ganz anders aus: Im Gegensatz zu Demonstrationen in Deutschland oder vor allem in Frankreich, gab es keine Wasserwerfer, kein Tränengas und schon gar keine Gummigeschosse. Die Räumung verlief friedlich und gewaltfrei und der einzige, der eine Nacht im Krankenhaus verbracht hat, war ein Polizist, der sich die Schulter ausgerenkt hat.

Aber der Spiegel schreibt stattdessen folgendes:

„Die Polizei reagierte rabiat: Allein an den zwei vergangenen Samstagen gab es insgesamt fast 2500 Festnahmen.“

Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass das dramatischer klingt, als es ist, zumal die Zahl des Spiegel nicht stimmt, es waren 1.074 Festnahmen am 27. Juli und ca. 600 am 3. August. Also ca. 1.700 und nicht 2.500.

In Russland ist das Demonstrationsrecht sehr liberal und Verstöße dagegen sind nur Ordnungswidrigkeiten, keine Straftaten, wie in Deutschland. Die Leute werden also auf die Wache gebracht und gehen nach Feststellung der Personalien mit einem Bußgeldbescheid wieder nach Hause. Bei vielen nicht mal das, nach einer Verwarnung durften sie wieder gehen.

Das glauben mir viele nicht und halten es für russische Propaganda. Daher danke ich dem Spiegel, dass er das heute selbst berichtet, auch wenn es natürlich anders formuliert ist:

„Aber so drakonisch das auch erscheint, die meisten Festgenommenen sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Der Rest sitzt kurze Arreststrafen ab, denn die Teilnahme an einer ungenehmigten Kundgebung gilt in Russland nur als Ordnungswidrigkeit. Mehr als einen Monat Arrest gibt das Verwaltungsrecht nicht her.“

Aber natürlich meldet uns der Spiegel keine Zahlen, die würden die dramatischen Geschichten der westlichen Medien ja endgültig ad absurdum führen: Am Samstag wurden ca. 600 Leute zur Feststellung der Personalien auf Polizeiwachen gebracht, davon erhielten 30 einen Bußgeldbescheid und weitere 20 bekamen Ordnungshaft, die der Spiegel „Arrest“ nennt, zwischen 3 und 30 Tagen. Und auch die sind danach wie gesagt nicht vorbestraft. Aber das bedeutet auch, dass ca. 550 Menschen nach Feststellung der Personalien wieder gehen durften und nur ca. 50 überhaupt eine Strafe bekommen haben. Ach ja, der Bußgeldbescheid ist auch bezahlbar, es sind in der Regel 40 Euro aufwärts.

Aber es gibt auch einige wenige, die sich bei den Demonstrationen strafbar gemacht haben und denen mehrere Jahre Gefängnis drohen. Das sind zum einen die, die Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet haben und zum anderen die, denen Aufruf zu Massenunruhen vorgeworfen wird. Also die echten „Einheizer“. Das betrifft bei den Demonstrationen der letzten zwei Wochen, bei denen insgesamt ca. 1.700 Menschen abgeführt wurden, nur 10 Demonstranten.

Aber über die berichtet der Spiegel nun in aller Ausführlichkeit, um dem deutschen Leser doch noch irgendwie die Grausamkeit des russischen Staates zu demonstrieren. Der Spiegel nutzt wieder sein erprobtes Mittel: Er stellt die Angeklagten als sympatische Opfer des bösen russischen Staates da und macht das mit solchen Formulierungen:

„Einer von ihnen ist Sergej Abanitschew, ein kaufmännischer Angestellter in Turnschuhen, aus denen die Schnürsenkel entfernt worden sind. Schüchtern schaut er aus dem Käfig für die Beschuldigten hinüber zu seiner Mutter. (…) Wladislaw Barabanow ist ein linker Aktivist aus Nischni Nowgorod; schmächtig, dünner Bart, kein festes Einkommen, Veganer. (…) Und dann ist da noch Daniil Konon, ein Student mit blonden Haaren und einem offenherzigen Lächeln.“

Dass es sich bei tausenden Demonstranten nur um wenige Randalierer handelt, die tatsächlich mit Haftstrafen rechnen müssen, liest man erst danach im Spiegel, aber der Redakteur bemüht sich trotzdem, es ganz schlimm erscheinen zu lassen:

„Auch wenn bisher nur zehn Männer beschuldigt wurden, erregt das neue Verfahren wegen vermeintlicher „Massenunruhen“ in Moskau viel Aufsehen. Die Anwendung des betreffenden Strafrechts-Paragrafs auf politische Proteste gab es bisher nur ein einziges Mal: 2012, nach einer Großdemo auf dem Bolotnaja-Platz gegen Wladimir Putins Rückkehr in das Amt des Präsidenten. Damals gab es Haftstrafen von bis zu viereinhalb Jahren. Auch sie standen in keinem Verhältnis zur Kundgebung.“

Das darf der Redakteur so sehen, es ist seine Meinung. Nur zeigt das ganz nebenbei, dass auch 2012 nicht die Höchststrafen verhängt wurden. Wer sich noch an 2012 und die damaligen Berichte der westlichen Medien erinnert, der weiß noch, dass das damals angeblich auch ganz friedliche Proteste gegen den bösen Putin gewesen sein sollen. Waren es aber nicht, wie heute auch der Spiegel in einem Nebensatz zugibt, denn

„zum anderen hatte es 2012 tatsächlich Gewalt vonseiten der Demonstranten gegeben.“

Aber heute ist natürlich alles ganz anders, die Proteste waren ganz friedlich, böse war nur die Polizei, wie der Spiegel behauptet:

„Diesmal ging die Gewalt so gut wie ausschließlich von den Sicherheitskräften aus, kaum ein Uniformierter wurde verletzt: Zwei Soldaten der Nationalgarde brauchten ärztliche Hilfe nach dem Einsatz von Pfefferspray, ein Polizist kugelte sich die Schulter aus.“

Ja, das stimmt. Nur gab es auf Seiten der Demonstranten keinen einzigen Verletzten. Hat die Polizei etwa Gewalt gegen sich selbst angewandt? Und wie gesagt: Es gab keinen Einsatz von Tränengas, dafür haben aber die Demonstranten Pfefferspray und CS-Gas gegen die Polizisten eingesetzt. Ist das für denn Spiegel neuerdings ein Merkmal für friedliche Proteste?

Und ganz sympathisch klingt das:

„Dokumentiert sind lediglich vereinzelte Angriffe auf die Polizei – etwa der unglückliche Wurf einer Mülltonne.“

Ein unglücklicher Wurf? Sehen Sie selbst.

Метнул мусорный бак в сотрудника Росгвардии. Москва

Für mich sieht das eher nach einem gezielten Wurf aus, aber dazu kann sich jeder selbst seine Meinung bilden. Interessant am Rande: Auf die Video sieht man, dass die meisten Polizisten nicht in Kampfanzügen angetreten sind, sondern in normalen Uniformen und ohne Schutzkleidung. Vergleichen Sie das mal mit Bildern von Polizisten bei Demonstrationen in Deutschland.

Natürlich darf bei einem Bericht über Proteste in Moskau auch Navalny nicht fehlen, obwohl er mit diesen Protesten nichts zu tun hat:

„Nawalnys Arbeit wird durch erstaunlich erfolgreiches Crowdfunding finanziert. Das Ermittlungskomitee – Russlands Pendant zum amerikanischen FBI – hat unlängst auch ein Strafverfahren gegen Nawalnys „Fonds zur Bekämpfung der Korruption“ angekündigt. Der Vorwurf: Er finanziere sich durch „Geldwäsche“ in Höhe von bis zu einer Milliarde Rubel.“

Das „Crowdfunding“ bei Navalny ist in der Tat bemerkenswert. Aufgrund sehr verdächtiger Zahlungen an ihn wird vermutet, dass es einen großen Unterstützer gibt, zum Beispiel eine westliche Organisation, und dass das verheimlicht werden solle. Jedenfalls bekam Nawalnys Fond sehr viele verdächtige Einzahlungen über Geldautomaten, deren Spur zu einer größeren Summe führt, die demnach dann über viele kleine Einzahlungen verschleiert werden sollte. Eine Milliarde Rubel sind übrigens 14 Millionen Euro, kennen Sie einen Blogger, der über Crowdfunding so viel Geld in kurzer Zeit eingenommen hat? Da die Ermittlungen noch am Anfang stehen, kann ich dazu bisher aber nicht viel sagen.

Und besonders entrüstet ist der Chef des Moskauer Spiegel-Büros über folgendes:

„Und schließlich hat die Staatsanwaltschaft am Dienstag zu einer noch radikaleren Maßnahme gegriffen: Sie fordert den Entzug des Sorgerechts für ein junges Elternpaar, das am 27. Juli mit einem der wegen „Massenunruhen“ Beschuldigten gesehen wurde. Dieser Sergej Fomin ist der einzige der zehn Beschuldigten, der noch nicht gefasst ist. Das Ehepaar habe sein Kleinkind Fomin überlassen, um ihm durch die Polizeiabsperrung und somit zur Flucht zu helfen. Der Vater Dmitrij Prokazow nennt die Vorwürfe absurd: „Sergej ist mein enger Freund und der Cousin meiner Frau. Wir sind einfach zusammen nach Hause gegangen. Eine Absperrung war da nicht“.“

Nun ist die Sache aber die, dass Fomin einer der „Einheizer“ war, der auf vielen Videos zu sehen ist.

Und als dann die Polizei eingriff und die Demonstration auflöste, da gab ihm plötzlich jemand einen Säugling und er verschwand als zufällig vorbeilaufender „Vater“ mit Kind aus dem Geschehen.

Ich persönlich weiß nicht, wie ich über Eltern denken soll, die ihren Säugling für eine solche Aktion benutzen. Immerhin hat Fomin erst für Unruhen gesorgt und damit eine Situation geschaffen, die auch hätte eskalieren können. Zu so etwas einen Säugling mitzunehmen und ihn dann auch noch als Tarnung zu benutzen, nun… dazu möchte ich nichts sagen, jeder soll dazu seine Meinung haben.

Am Ende des Artikels steht dann noch etwas, was die Zukunft zeigen wird:

„Für den kommenden Samstag hat die Opposition erneut zu einer Kundgebung in Moskau aufgerufen – diesmal aber zu einer offiziell genehmigten.“

Dem steht entgegen, dass Oppositionelle es abgelehnt haben, die Demonstration für nächsten Samstag anzumelden, wie die Deutsche Welle gemeldet hat.

Übersetzt heißt das:

„Die nächste Protestaktion zur Unterstützung unabhängiger Kandidaten zum Moskauer Stadtparlament findet am 10. August in ganz Russland statt, erklärte der Oppositionelle Leonid Volkov @leonidvolkov. Verhandlungen und Anmeldungen (der Demonstration) mit der Stadtverwaltung wird es nicht geben: „Die russischen Behörden haben sich außerhalb des Gesetzes gestellt““

Man wird sehen, was am Samstag passiert.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Oha, in ganz Russland geht man wegen des Stadtparlaments von Moskau auf die Strasse?

    Was wurde nur aus dem Spruch “ Moskau ist weit „? 🙂
    Ich denke die Menschen am anderen Ende von Russland haben ihre Probleme da interessieren sie sich nicht für das Moskauer Stadtparlament.

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