Die Sicht der anderen: Das russische Fernsehen über die Münchener Sicherheitskonferenz

In der russischen Sendung „Nachrichten der Woche“ war die Münchener Sicherheitskonferenz ein Thema. Bedenkt man, wie heftig die deutschen Medien teilweise über die Rede von Vizepräsident Pence berichtet haben, waren die Russen in ihrem Bericht direkt zurückhaltend. Für Russland war aber auch ein anderes Thema wichtiger: Nord Stream 2, gegen das Pence so vehement gewettert hat und das die USA verhindern wollen, um ihr Fracking-Gas in Europa zu verkaufen. Ich habe den Beitrag übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Am 15. Februar wurde in München die 55. Internationale Sicherheitskonferenz eröffnet. Die russische Delegation wird durch Sergej Lawrow vertreten. Aus den USA sind Vizepräsident Pence und Außenminister Pompeo gekommen. Eine repräsentative Delegation kam aus China. Ansonsten kamen Verteidigungsminister aus drei Dutzend Ländern, noch mehr Staats-und Regierungschefs und sogar fünfzig Außenminister.

Die Sicherheitskonferenz in München findet vor einem sehr besorgniserregenden Hintergrund statt, nachdem die Vereinigten Staaten einseitig Abrüstungsverträge gekündigt haben und über das Thema nicht mehr sprechen wollen. Unter diesen Bedingungen hat Putin unseren Außenminister gebeten, mit russischen Initiativen zu warten, bis unsere Partner selbst bereit sind zu reden.

Jedes Jahr fassen die Organisatoren der Münchner Konferenz die Probleme der internationalen Beziehungen in einer Grundfrage zusammen. In diesem Jahr klingt sie so: „Das großes Puzzle: Wer kann die Teile zusammensetzen?“ Eine gute Frage, aber sie ist auch ein Hinweis auf die eigene Hilflosigkeit, denn es ist eigentlich die Aufgabe der Münchner Konferenz, Lösungen zu finden.

„Dieses Jahr in ist es in München noch sehr kalt“ sagte der Konferenz-Vorsitzender Ischinger vor Beginn der Konferenz und zog sich über das Jacket ein von seinem Enkel geschenktes Sweatshirt mit dem Bild der Flagge der Europäischen Union, auf dem aber schon der Stern für Großbritannien fehlte. Der Brexit ist eines der internen Probleme der Europäischen Union, das ihre Einheit und Harmonie stört. Die westlichen Politiker kamen in die bayerische Landeshauptstadt, um davon abzulenken und die Aufmerksamkeit des Publikums auf die äußeren Probleme zu lenken und Einigkeit im Kampf gegen sie zu demonstrieren. Die Vereinigten Staaten kündigten einseitig den INF-Vertrag zum Verbot von Kurz- und Mittelstreckenraketen, woran natürlich Russland schuld ist.

Wie der Spiegel feststellt, sind Sicherheitsfragen inzwischen untrennbar mit wirtschaftlichen Interessen verbunden. Vorwürfe gegen Russland gibt es wegen der Verletzung des INF-Vertrages und in Verbdung mit „Nord Stream-2“. Man versucht, die öffentliche Meinung mit einer neuen Welle negativer Meldungen über Russland auf neue Vertragsbrüche des Westens in Bezug auf das Energieprojekt vorbereiten. Die USA wollen Russland den europäischen Gasmarkt abjagen. Doch Merkel leistet mit aller Kraft Widerstand. Das war einer der emotionalsten Momente in der Rede der Kanzlerin.

„Ein russisches Gasmolekül bleibt ein Gasmolekül, dabei spielt es keine Rolle, ob es durch die Ukraine oder die Ostsee kommt. Während des Kalten Krieges, als ich auf der Seite der DDR saß, wurden wir mit russischem Gas versorgt. Die gleiche Situation war im Westen Deutschlands: Sie importierten große Mengen Gas aus der UdSSR. Ich weiß nicht, warum das heute als so schlecht angesehen wird und warum wir diese Zusammenarbeit mit Russland aufgeben sollten. Wollen wir erreichen, dass Russland allein von China abhängig wird und seine Waren nur noch dort einkauft? Ich denke, das entspricht nicht den europäischen Interessen“ betonte Angela Merkel.

Die Kanzlerin muss sich in diesen Tagen damit auseinandersetzen, dass die meisten ihrer Landsleute in den USA die Hauptursache für die globale Unruhe sehen. Es ist nicht bekannt, was sie selbst darüber denkt, aber das amerikanische Image in Europa ist angekratzt. Eine Korrektur erfordert großen Aufwand: Das Land mit einer Staatsverschuldung von 22 Billionen Dollar schickt die größte Delegation der Geschichte nach München, eine Armada gepanzerter Jeeps, um den Vizepräsidenten zu transportieren. Und für das Auge kam auch die Tochter und Beraterin des Präsidenten der USA. Ivanka Trump wird in der ersten Reihe sitzen und klatschen, während Mike Pence in seiner Rede die Punkte der US-Politik auflistet.

„Wir sind der größte Öl-und Gasproduzent der Welt geworden und fordern unsere Partner auf, sich entschieden gegen „Nord Stream-2″ zu stellen. Wir haben Zölle auf chinesische Waren im Gesamtwert von 250 Milliarden Dollar erhoben und deutlich gemacht, dass wir diese Zahl um mehr als das Doppelte erhöhen können. Maduro ist ein Diktator, er muss gehen“ sagte Pence.

Dann verließen er und sein Gefolge die Halle und ließen Ivankas Ehemann David Kushner zurück, der sich anhörte, was weiter passierte. Als nächstes sprach das Mitglied des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas Yang Jiechi. Merkels Sorgen sind nicht unbegründet, Peking hat offensichtlich nichts dagegen, dass Russland und China ihre Beziehungen vertiefen.

„Im Einklang mit den strategischen Linien, die von den Staats- und Regierungschefs unserer beiden Länder festgelegt wurden, wird China mit Russland zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass unsere umfassende strategische Partnerschaft sowie der Prozess der Koordinierung der gegenseitigen Positionen auf ein noch höheres Niveau steigen“ sagte Yang Jiechi.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow besuchte den Konferenzsaal selten. Sein Aufenthalt in München ist auf die Minute durchgetaktet: Ein bilaterales Treffen nach dem anderen. Kollegen aus China, Deutschland, Belgien, die Chefin der europäischen Diplomatie Moverini, der NATO-Generalsekretär Stoltenberg. So seltsam und anstrengend sieht sie aus, die internationale Isolation Russlands, wie der Minister später scherzte. Am Morgen des 16. Februar ein Treffen zum Frühstück mit der deutschen Wirtschaft: Diese Menschen wissen, wie wichtig Gewinne sind, weil sie für das Geld ihrer Aktionäre verantwortlich sind und nicht für das Geld der Steuerzahler.

„Ich denke, wir brauchen mehr russisches Gas in Europa, weil unsere eigenen Ressourcen zurückgehen. Die Förderung in Deutschland, Norwegen Großbritannien geht zurück. Wir brauchen viel Gas. Erneuerbare Energien werden nicht so bald das Niveau erreichen, das wir brauchen, deshalb ist Russland ein wichtiger Partner für uns“ sagte der Unternehmer Klaus Mangold.

„Ich möchte Frau Merkel für die hervorragende Arbeit bei Nord Stream 2 danken, dass ich als eine strategische Frage bezeichne, die wir für sehr wichtig halten, wie auch die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion“ sagte Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft.

Die Rede von Lawrow auf der Konferenz war nur kurz und er erinnerte an die Pläne, ein gesamteuropäisches Haus von Lissabon bis Wladiwostok zu bauen: Russland sei dazu bereit, die Frage ist, wie weit es Europa erlaubt wird, sich dem zuzuwenden. Die eingesparte Zeit verwendendete er für eine Fragestunde mit den Teilnehmern im Saal. In einigen Fällen waren die Antworten des Ministers kürzer als die Fragen.

„Russland ist der Garant für die Sicherheit Syriens. Wie werden Sie Assad dazu bringen, die Region nicht mehr zu bedrohen und keine Gräueltaten gegen sein Volk mehr zu verüben?“ fragte ein Journalist der Washington Post.

„Ich denke, es ist egal, was ich antworte, Sie schreiben sowieso, was Sie wollen. Sie können gleich anfangen zu schreiben“ antwortete Sergej Lawrow.

Die Situation rund um den Vertrag über das Verbot von Kurz- und Mittelstreckenraketen wurde vom Minister jedoch als notwendig erachtet, um sich ausführlicher zu äußern: „Wir haben die USA aufgefordert, in Diskussionen einzutreten. Uns wurden noch keine Gespräche in der Sache angeboten, aber wir setzen unsere Versuche fort“ unterstrich er.

Die Vereinigten Staaten wollen keine Gespräche, das Ende der Verpflichtungen aus dem Vertrag von 1987 wird es ihnen ermöglichen, offensive Raketen an Russlands Grenzen zu stationieren, wo die Elemente der Raketenabwehr bereits stehen. Die Versuchung ist groß, Militärbasen zu errichten, wenn sich eine geeignete Ecke oder ein Inselchen dafür findet.

Der Minister antwortet kurz aber sachlich. Dies ermöglichte es Sergej Lawrow, über den Rahmen der Münchner Konferenz hinaus an Themen zu arbeiten, die nur Russland und Japan betreffen.

Im Generalkonsulat von Russland empfing der Minister seinen Kollegen aus Japan. Taro Kono bat um dieses Treffen während des jüngsten Besuchs des japanischen Ministerpräsidenten in Moskau. „Ich trage die Manschettenknöpfe regelmäßig, die Sie mir beim letzten Mal geschenkt haben“ sagte Kono. Es werde keine weiteren Geschenke gegeben, stellte Lawrow klar. „Japan muss den Ausgang des Zweiten Weltkriegs anerkennen und seine Ansprüche auf die Kurilen aufgeben“ sagte er.

„Angela Merkel hat heute ihre Unterstützung für die Vereinbarungen von Minsk bekundet. Wann und unter welchen Bedingungen wird es wieder ein Treffen im „Normandie-Format“ auf Ministerebene geben?“ fragte ein Journalist.

„Die Gespräche vor der Präsidentschaftswahl oder sogar vor den Parlamentswahlen in der Ukraine wieder aufzunehmen, macht wohl keinen Sinn“ erklärte der Außenminister.

Währenddessen versuchte Präsident Poroschenko, von der Münchner Konferenz zumindest irgend etwas Nützliches für seinen Wahlkampf mitzunehmen. Irgend etwas von seinen westlichen Sponsoren. Viel bekam er nicht. Vizepräsident Pence traf er auf dem Flur, Ergebnis: ein 20-Sekunden-Video für die TV-Sender, die er besitzt. Dann saßen sie in Sesseln nahe beieindander und Poroschenko konnte sich in der großen Politik zeigen. Mit der Welt auf Du-und-Du, gut für Poroschenkos Umfragewerte. Und passend zu seinem politischen Kurs sind hier ein Paar Bilder davon, wie er sich weigert, Fragen eines russischen Korrespondenten zu beantworten. Die Sicherheitsleute drängten den Journalisten kamerawirksam mit Gewalt ab.

Es gab aber auch Enttäuschungen für ihn: An der Podiumsdiskussion durfte er nicht teilnehmen, er wurde in den benachbarten Saal geführt, wo die Diskussion im Internet übertragen wurde. Merkel hat ihn auch nicht erfreut. Sie trafen sich mit ihren Delegationen, machten Witze und lachten. Doch als die Kanzlerin auf das Podium trat und über „Nord Stream-2“ sprach, sah man, dass Poroschenko gute Laune mehr hatte.

Timoschenko kam auch nach München, doch ihre Gespräche fanden irgendwo in einem Café statt. Öfter als andere aus der ukrainischen Delegation war der Bürgermeister von Kiew, Klitschko, zu sehen, der nicht als Kandidat am Präsidentschaftswahlkampf teilnimmt und offenbar auch nicht an irgendwelchen Verhandlungen. Der ehemalige Boxweltmeister war gut gelaunt, ging ruhig zum Rauchen am Hintereingang und er schien nicht glücklich, als er merkte, dass er dabei gefilmt wurde.

Ende der Übersetzung

Wenn Sie sich für die russische Sicht auf die Weltpolitik interessieren, dann sollten Sie mal die Buchbeschreibung zu meinem Buch lesen, in dem ich Putin selbst mit ausführlichen Zitaten zu Wort kommen lasse. Vieles wird Sie überraschen, zum Beispiel, dass Putin nicht an einer Schwächung oder Spaltung der EU interessiert ist. Für ihn ist das hier erwähnte Thema wichtig: Putin träumt immer noch von dem „gemeinsamen europäischen Haus“ von Lissabon bis Wladiwostok. Das lässt sich aber nur mit einer einigen und starken EU umsetzen, würde die EU auseinanderfallen, wäre sein wichtigster Traum, für den er schon bei seiner Rede vor dem Bundestag vor 16 Jahren geworben hat, geplatzt. Aber lesen Sie selbst, vieles von dem, was Putin tatsächlich will, wird Sie überraschen.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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