Die Sicht der Anderen: Wie das russische Fernsehen über das Brexit-Chaos berichtet

Das Brexit-Chaos war am Sonntag auch ein Thema in der russischen Sendung „Nachrichten der Woche„. Wer nun aber erwartet, dort große Schadenfreude zu sehen, der irrt. In Russland herrscht eher ungläubiges Staunen über die Kapriolen zwischen Brüssel und London. Wenn die russischen EU-Korrespondenten auch manchmal mit durchaus spitzer Zunge die Merkwürdigkeiten der europäischen Politik kommentieren, so scheint ihnen der Brexit-Zirkus die Sprache verschlagen zu haben. Und so entstand eine sehr sachliche und neutrale Analyse der Situation, die gerade deshalb sehr lesenswert ist und die ich übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

Das britische Parlament hat zum dritten Mal über das Abkommen mit der EU über die Bedingungen für den Brexit abgestimmt. Weniger als zwei Wochen sind es bis zu dem fatalen Datum, dem 12. April, der von der EU als Ultimatum gesetzt wurde. Es gibt kein einziges Dokument zwischen London und Brüssel zu diesem Thema, und die EU stellte kategorisch fest, dass keine neue Optionen, außer dem bereits mit Premierministerin Theresa May vereinbarten Abkommen,diskutiert werden.

Da das britische Parlament gegen das vereinbarte Abkommen und gegen den Austritt ohne Abkommen ist, muss nun schnell ein dritter Weg gefunden werden. Was könnte das sein? Man könnte etwas wie Parlaments-Neuwahlen oder die Ankündigung eines neuen Referendums nehmen. Dann wird es vielleicht möglich sein, die Europäische Union zu überzeugen, den „harten Brexit“ zu verschieben. Aber heute ist das nur Fantasie. Aber vielleicht träumt der Chef des Europäischen Rates Donald Tusk davon? Jedenfalls lud er für den 10. April zu einem EU-Brexit-Sondergipfel.

Am 29. März ist Großbritannien trotz der Ankündigung, die Premierministerin Teresa May 2017 freiwillig verkündet hat, nicht aus der Europäischen Union ausgeschieden. Stattdessen wurde im Unterhaus eine weitere Abstimmung über die Bedingungen für einen Austritt aus der EU abgehalten, die Theresa May krachend verloren hat.

Zum dritten Mal scheitert die Regierung mit ihrem Abkommen zum Brexit, nun steht das britische Parlament vor der Wahl: Entweder die EU ohne Einigung zu verlassen oder eine weitere Verschiebung zu fordern, aber diesmal eine längere.

Der Chef des Europäischen Rates Donald Tusk hat bereits erklärt, dass die Bedingung für eine weitere Verschiebung des Brexit die Teilnahme Großbritanniens an den Wahlen zum Europäischen Parlament ist, was de facto den Abschied vom Brexit bedeutet, weil die Abgeordneten für fünf Jahre gewählt werden. Wenn sie doch jetzt noch austreten, bedeutet das den totalen Bruch, der nach den neu festgelegten Bedingungen am 12. April um 11 Uhr, stattfinden soll. Dazu wollen, wie die britischen Zeitungen schreiben, viele Parteifreunde die Premierministerin nun bewegen.

Die Bank of England prognostiziert, dass der „harte Brexit“ Großbritannien härter treffen wird als die Krise von 2008. Die Preise für Eigenheime werden um 30% sinken, die Arbeitslosigkeit steigt von 4,1 auf 7,5%, die Inflation steigt auf 6,5%. Nach Angaben der Regierung würden auf die britische Wirtschaft Kosten von bis zu 13 Milliarden Pfund pro Jahr für die Verzollung von Waren zukommen.

Aufgrund von Staus an den Kontrollstellen wird mit Lebensmittelknappheit gerechnet, 30% der Lebensmittel kommen aus der Europäischen Union. Die Briten, die auf den Kontinent reisen wollen, werden lange Schlangen an der Passkontrolle zu erwarten haben. Aber das Wichtigste ist, die Grenze zu Nordirland zu schließen und Truppen dorthin zu schicken. Die Regierung plant, 3.000 Soldaten zu bereitzustellen, um mögliche Ausschreitungen und Unruhen im ganzen Land zu unterdrücken.

Die finanziellen Verluste für Großbritannien können bis zu 57 Milliarden Euro im Jahr betragen, für die EU wird es weniger, 22 Milliarden, die Hälfte davon entfiele auf Deutschland. Das Vereinigte Königreich würde automatisch 40 Handelsabkommen mit 70 Ländern der Welt verlieren, die die Europäische Union abgeschlossen hat.

Sollte es nicht zum Brexit kommen, sind Theresa Mays Tage als Premierministerin gezählt. Sie hat allzu oft nicht das getan, was sie angekündigt hat. Sie sagte, dass es bis 2020 keine vorgezogenen Neuwahlen geben werde, trotzdem sind sie 2017 abgehalten worden. Sie verkündete, lieber einen Brexit ohne Abkommen zu machen, als mit einem schlechten Abkommen und präsentierte dann ein Abkommen, das niemandem gefällt. Und schließlich das wichtigste: 2016, als sie noch Kandidatin für den Posten der Premierministerin war, versprach sie, nicht nur am Brexit festzuhalten, sondern maximale Vorteile für London zu herauszuholen.

Alle, die ihr vertraut haben, sind jetzt enttäuscht. „Heute hätten wir die Europäische Union verlassen sollen. Wir hätten vor zwei Jahren sagen müssen, dass wir kein Abkommen über den Austritt brauchen, und diese Zeit dazu nutzen müssen, gute Handelsabkommen abzuschließen. Es sieht so aus, als hätten die Leute im Parlament beschlossen, uns zu täuschen. Sie werden uns nicht das geben, wofür wir gestimmt haben“ ärgert sich das britische Volk.

In der regierenden konservativen Partei geht es nun vor allem darum, wer der nächste Premierminister wird. Kandidaten gibt es reichlich. Der frühere Brexit-Minister David Davis und Dominique Raab. Oder die Kabinettsmitglieder Michael Gove, Sadjid Javid und Jeremy Hunt. Die Opposition fordert den sofortigen Rücktritt von Theresa May.

Wenn London den Brexit absagt, verliert es endgültig sein Gesicht und wird vor der Notwendigkeit stehen, vorgezogene Parlamentswahlen abzuhalten, weil die, die derzeit am Steuer sitzen, sich offensichtlich hoffnungslos verfahren haben und nicht wissen, wo sie hinwollen.

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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