Macron-Interview in The Economist – Welche Kernaussage verschweigt der Spiegel wohl?

Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie der Spiegel nur das berichtet, was in seine Agenda passt und seinen Lesern alles andere konsequent verschweigt. Heute gab es bei einem Artikel über ein Interview von Macron ein neues Beispiel dafür.

Der französische Präsident Macron hat der britischen Zeitung The Economist ein ausführliches Interview gegeben. In diesem Interview hat Macron ausführlich über die europäische Sicherheitspolitik und die Zukunft der europäischen politischen Ausrichtung gesprochen.

Interessant ist nun, was der Spiegel darüber berichtet hat und was er verschweigt. Macron hat in dem Interview fünf Kernaussagen getroffen, so will ich es mal nennen, der Spiegel hat aber nur über vier davon berichtet. Interessant ist also, welche Aussage Macrons der Spiegel unter den Tisch fallen ließ.

Zunächst hat der Spiegel darüber berichtet, dass der politische Zustand der Nato derzeit erbärmlich sei:

„Macron sagte in einem Interview mit der britischen Zeitschrift „The Economist“: „Was wir derzeit erleben, ist der Hirntod der Nato.“ Es gebe „keinerlei Koordination bei strategischen Entscheidungen zwischen den USA und ihren Nato-Verbündeten“. Die Amerikaner schienen den europäischen Partnern „den Rücken zu kehren“, sagte Macron.“

Das ist objektiv richtig. Wir konnten es zuletzt in Syrien erleben, als Macron aus den Medien erfahren hat, dass Trump seine Soldaten von der syrisch-türkischen Grenze abzieht. Das sagt natürlich einiges aus, über den derzeitigen Zustand der Nato. Das gegenseitige Vertrauen dürfte intern – vorsichtig ausgedrückt – etwas angekratzt sein.

Die zweite Kernaussage Macrons ging in die gleiche Richtung, aber dieses Mal nicht gegen die USA, sondern gegen die Türkei, die von allen Seiten wegen ihres Vorgehens in Syrien kritisiert wird:

„Zudem zeige das Nato-Land Türkei ein „unkoordiniertes, aggressives“ Vorgehen in einem Bereich, in dem die Sicherheitsinteressen aller berührt seien.“

Auch das ist korrekt, allerdings hat sich die Nato um die Sicherheitsinteressen der Türkei auch nicht sonderlich gekümmert. Ich bin kein Freund des türkischen Vorgehens in Syrien, aber natürlich haben die Kurden an der türkischen Grenze die türkische Sicherheit bedroht, das ist objektiv korrekt. Und die Nato hat sich nicht sonderlich um die türkischen Sicherheitsinteressen gekümmert, im Gegenteil: Die Kurden waren dort mit Unterstützung der USA aktiv und auch britische und französische Spezialeinheiten waren dabei.

Macrons dritte Kernaussage ist interessant, denn er sagt, dass Euopa zu schwach sei:

„Wenn Europa sich nicht als Weltmacht sehen kann, wird es verschwinden.“

Da hat Macron recht. Die EU ist allerdings schon lange keine eigenständige Weltmacht mehr, genauer gesagt, sie ist es nie gewesen. Die EU ist ein Anhängsel der US-Politik, von „Weltmacht“ kann politisch keine Rede sein. Wirtschaftlich ja, da ist die EU eine Weltmacht, aber sie stellt diese Macht in den Dienst der US-Politik, wie ich hier analysiert habe.

Diese Aussage von Macron zu hören, ist nicht überraschend, im Gegenteil: Er wiederholt nur Positionen, die er schon im August in einer Rede geäußert hat, über die in Deutschland jedoch kaum berichtet wurde. In Russland wurde über die Rede hingegen ausführlich berichtet. Ich habe damals ebenfalls über die Rede berichtet und auch die Frage gestellt, ob den durchaus bemerkenswerten Aussagen von Macron auch Taten folgen werden, oder nicht. Bisher ist mir nichts aufgefallen, aber immerhin hat er seine Positionen nun wiederholt.

Besonders interessant war die vierte Aussage Macrons, über die der Spiegel auch berichtet hat:

„Auf die Frage, ob er noch an Artikel 5 des Nato-Vertrags glaube, sagte Macron: „Ich weiß es nicht.“ In dem Artikel ist die Beistandsgarantie bei Angriffen auf Nato-Mitglieder festgelegt, wonach ein Angriff auf einen Nato-Staat als Angriff auf alle angesehen wird.“

Man beachte: Artikel 5 ist das Kernstück der Nato. Ohne das Beistandsversprechen in Artikel 5 ist die ganze Nato hinfällig. Im Klartext stellt der französische Präsident damit die Nato insgesamt in Frage. Der Spiegel hat hier nicht vollständig zitiert, Macron hat laut The Economist noch hinzugefügt: „Was wird Artikel 5 morgen bedeuten?“

Das waren die vier Punkte aus dem Interview, über die der Spiegel berichtet hat. Bleibt die Frage, was der Spiegel seinen Lesern verschwiegen hat. Wer sich an Macrons Rede von Ende August erinnert, der wird es ahnen. Macron fordert erneut einen Politikwechsel der EU gegenüber Russland.

Das hat Macron schon damals gefordert und nun hat er es wiederholt. Macron sagte, dass die Europäer einen gemeinsamen Weg mit ihrem großen Nachbarn im Osten finden müssten, wenn das nicht getan wird, wäre das „ein sehr großer Fehler“.

Macron scheint hier einen Weg der kleinen Schritte zu gehen. Er hat seine These aus der Rede von Ende August wiederholt und dieses Mal sogar hinzugefügt, dass man den Dialog mit Russland suchen solle, auch wenn Polen und die baltischen Staaten dagegen sind. So sagte er es nicht, er sprach davon, dass man den Dialog trotz des Misstrauens der Polen und der Balten gegenüber Russland suchen sollte. Aber das sind diplomatische Feinheiten, im Klartext meint er, dass man es auch gegen deren Widerstand tun sollte.

Die Regierungen in Polen und den baltischen Staaten, die eine anti-russische Hysterie verbreiten, als ob der Russe morgen einmarschieren wollte, werden das nicht gerne gehört haben. Erst recht nicht in Kombination mit Macrons Aussagen zu Artikel 5 der Nato.

Macron hat sich ausdrücklich nicht für ein Ende der Sanktionen gegen Russland ausgesprochen, sondern für einen Politikwechsel und einen offenen Dialog mit Russland. Unausgesprochen blieb dabei die Frage, was eine solche Politik eigentlich für die USA und ihren Machtanspruch in Europa bedeuten würde.

Wie ich schon bei meiner Analyse von Macrons Rede geschrieben habe, klingt das alles vielversprechend, aber wir müssen abwarten, ob diesen schönen Worten auch Taten folgen.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

3 Antworten

  1. Das Verhalten der baltischen Staaten muss man sicherlich auch mehrdimensional sehen:

    – sicherlich existieren antirussische Ressentiments in Bevölkerungskreisen, und sicherlich werden die durch die aktuellen Regime, die oft genug von der USA gepäppelt (oder geschmiert) worden sind, unterstützt und befördert

    – ganz klar sind aber auch deren wirtschaftlichen Interessen zu sehen. Und die sind heute noch klar gegeben durch EU, einem NAhTOd-Anhängsel, und natürlich auch direkte Wirtschaftsverbindungen in die USA, dem oligarchenreichsten Land der Welt. Musterbeispiel Ukraine, noch nicht NAhTOd, aber eng eingebunden, von der EU verlockt und … verarscht

    – letztlich hängen die Regierungen der baltischen Staaten auch dem neoliberalen System an, dem System, das den „Eliten“ die dicksten Pfründe verspricht – und das Volk wird wie auch hierzulande einfach entsprechend „bearbeitet“. Wofür hat man denn Schulen, Presse, Geschichtsschreibung, öffentliche Meinungsbildung in der Hand …

    – Macron scheint sich durch seine „US-unabhänige“ Positionierung innenpolitisch Spielraum verschaffen zu wollen („La Grand Nation“, neuer Nationalstolz, Gaullismus). Ob daraus Gutes erwächst?

    Ich sehe eher einen Zusammenhang zu fortschreitenden EU-Militarisierung, mehr Rüstung, mehr Drohszenarien (wird sich schon ein Feind finden, notfalls ERFINDEN lassen), mehr Demokratieabbau bei den „notwendigen Schritten zur weiteren Integration“ der EU, mehr Ausbeutung und Unterdrückung unter dem Strich.

    Tut mir Leid, aber wer von einer Figur wie Macron Gutes erwartet ….

  2. Macron ist durch und durch ein Neoliberalist und zu Recht mit Vorsicht zu genießen. Aber trotzdem können auch mal – wenn auch selten – vernünftige Ansätze das Tageslicht erblicken. Das Dilemma der EU ist für mich, daß neben Polen auch die „Zwergstaaten“ des Baltikums die EU Politik bestimmen, weil immer eine einstimmige Entscheidung herbeigeführt werden muß. Das blockiert die gesamte EU. So können die 5,2 Mio Einwohner der Baltischen Staaten, die lediglich ca 1% der EU Bevölkerung (513 Mio) ausmachen, die EU Politik bestimmen. Das kann nicht im Sinne des Erfinders liegen! Warum müssen sich 99% der EU Bevölkerung an 1% (mit Polen zusammen 8,5%) orientieren?

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