Messen mit zweierlei Maß: Wie der Spiegel seine Leser über „russische Agenten“ in die Irre führt

Der Spiegel berichtete am Freitag, in den USA sei eine „russische Agentin“ aus der Haft entlassen worden. Worum geht es dabei und warum ist die Geschichte vollkommen anders, als sie der Spiegel darstellt?

Das FARA-Gesetz (Foreign Agents Registration Act) gibt es in den USA bereits seit 1938. Es soll ausländische Einmischungen in die Politik der USA verhindern. Nach dem Gesetz drohen jedem, der in den USA als Ausländer politisch tätig wird, Geld und/oder Gefängnisstrafen. Und es wird sehr restriktiv angewendet. Die russische Studentin Maria Butina wurde in den USA aufgrund dieses Gesetze zu 18 Monaten Haft verurteilt. Ihr Verbrechen war es, als Waffennärrin Kontakte zur US-Waffenlobby zu knüpfen. Alleine dass sie mit einigen der Waffenlobbyisten gesprochen hat, reichte aus, um zu über einem Jahr Gefängnis verurteilt zu werden.

An diesem US-Gesetz haben die deutschen Medien nichts zu kritisieren. Als Russland aber 2012 ein ähnliches, aber weniger strenges Gesetz eingeführt hat, war der Aufschrei im Westen groß. Angeblich wollte Russland damit die Zivilgesellschaft einschränken. In Wirklichkeit verpflichtet das Gesetz nur jede Organisation, in der Regel sind das NGOs, die in Russland einer politischen Tätigkeit nachgeht und aus dem Ausland finanziert wird, ihre Finanzen offen zulegen. Außerdem müssen Veröffentlichungen solcher Organisationen als Publikationen von „ausländischen Agenten“ gekennzeichnet sein. Das sind die gleichen Regelungen, die auch in den USA gelten.

Der Spiegel findet das US-Gesetz völlig in Ordnung und berichtet darüber praktisch nicht. Wenn man im Spiegel-Archiv nach „Foreign Agents Registration Act“ sucht, findet man weniger als zehn Artikel auf Deutsch (einige sind auf Englisch) und der älteste ist von 1983. Und die meisten dieser Artikel beschäftigen sich nicht etwa mit dem US-Gesetz, sondern mit seiner russischen Kopie, die demnach ganz schrecklich ist. Als das russische Gesetz 2012 eingeführt wurde, schrieb der Spiegel:

„Der Kreml rechtfertigt sich mit einem Verweis auf „ähnliche Gesetze in den USA“. Tatsächlich wurde dort 1938 der Foreign Agents Registration Act (Fara) verabschiedet – eine Regelung, die sich vor allem gegen Propagandisten des Hitler-Regimes richtete. Das Gesetz ist noch heute in Kraft, zielt aber nicht auf vom Ausland unterstützte Umweltschützer und Bürgerrechtler, sondern auf die Umtriebe fremder Geheimdienste.“

Das ist natürlich Unsinn, das US-Gesetz zielt auf jede ausländische oder vom Ausland finanzierte Organisation oder Privatperson, die in den USA politisch tätig ist, schließlich unterstellen nicht einmal die USA, dass Butina mit dem Geheimdienst in Verbindung stand. Und im Spiegel konnte man damals auch lesen:

„Zuwiderhandlungen sollen mit Geldstrafen von bis zu einer Million Rubel (Anm.: ca. 14.000 Euro) oder gar Freiheitsstrafen von bis zu vier Jahren geahndet werden.“

Auch das ist ähnlich, wie in den USA. Dort drohen bis zu 10.000 Dollar Strafe und/oder bis zu fünf Jahre Haft.

Nach diesem US-Gesetz wurde also Maria Butina in den USA verurteilt. Am Freitag wurde sie aus der Haft entlassen und nach Russland abgeschoben. Der Spiegel titelt dazu „Maria Butina – Verurteilte russische Agentin in den USA aus Gefängnis entlassen“ und schreibt in der Einleitung:

„Eineinhalb Jahre saß Maria Butina in den USA wegen Spionage in Haft. Nun soll die Russin in ihre Heimat abgeschoben werden.“

Schon gelogen, sie wurde nicht wegen Spionage verurteilt, sondern wegen angeblicher versuchter politischer Einflussnahme. Das gibt der Spiegel später im Artikel auch selbst noch zu, wie wir gleich sehen werden. Aber dem Spiegel geht es ja nicht darum, seine Leser wahrheitsgemäß zu informieren, sondern um Stimmungsmache gegen Russland. Da passen Formulierungen wie „verurteilte russische Agentin“ und Haft „wegen Spionage“ viel besser ins Bild. Auch wenn es gelogen ist.

Der Spiegel stellt es konsequent – schon in der Überschrift – so dar, als handele es sich bei Butina um eine russische Spionin, was beim Leser negative Assoziationen wecken soll. Danach steht im Spiegel:

„Die in den USA wegen illegaler Agententätigkeit verurteilte Russin Maria Butina ist aus dem Gefängnis entlassen worden. Im April dieses Jahres war sie zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Sie hatte den Versuch gestanden, konservative Lobbygruppen in den USA wie die National Rifle Association (NRA) zu infiltrieren“

Dass es sich bei dieser „Agententätigkeit“ um nichts anderes, als angebliche politische Einflussnahme gehandelt hat, erfährt der Leser hier nicht. Und dass sie nur deshalb gestanden hat, weil sie vorher über drei Monate in strenger Isolationshaft gesessen hatte und man ihr mitgeteilt hat, dass sie für viele Jahre im Gefängnis bleiben würde, wenn sie nicht „kooperiert“, verschweigt der Spiegel auch. Sie hat damals einfach alle Vorwürfe gestanden, um mit „nur“ 18 Monaten Haft davon zu kommen, das war der Deal. Sie hatte keine Wahl.

Man stelle sich einmal vor, eine amerikanische Studentin würde in Russland wegen versuchter politischer Einflussnahme 18 Monate ins Gefängnis kommen. Wie würde wohl der Spiegel berichten? Wir würden die gesamten 18 Monate daran erinnert werden, dass man in Russland als Ausländer schon ins Gefängnis kommt, wenn man nur seine politischen Ansichten öffentlich verkündet. Es wäre ein gefundenes Fressen für die Medien in Deutschland.

Problem dabei: Es ist eben nicht in Russland, sondern in den USA geschehen und da muss der Spiegel es dann anders herum darstellen. Nun ist die Studentin eben eine „russische Agentin“. Alles klar?

Im Spiegel kann man diese Dinge nur zwischen Zeilen lesen. Dass Butina alles gestanden hätte, nur damit die Isolationshaft aufhört und die Gefängnisstrafe möglichst kurz ausfällt, wird im Spiegel so umschrieben:

„Butina hatte gestanden, unter Anleitung eines Moskauer Regierungsvertreters in den USA operiert zu haben. Das umfasst auch die Zeit des US-Präsidentschaftswahlkampfs 2016. Sie hatte mit den amerikanischen Behörden kooperiert und dadurch eine Reduzierung ihrer potenziellen Freiheitsstrafe erreicht“

Was man auch nur zwischen den Zeilen lesen kann ist, dass sie einfach Pech gehabt hat. 2016 im US-Wahlkampf begann die anti-russische Hysterie von Clinton und man brauchte alles an Munition, um Russland schlecht zu machen. Das Mädchen war wohl einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort.

Und nachdem der Leser des Spiegel-Artikels schon voll und ganz auf die „Spionin“ eingeschworen ist, kommt fast am Ende des Artikels doch noch ein bisschen Wahrheit:

„Amerikanische Staatsanwälte sagten, sie sei keiner „traditionellen“ Agententätigkeit nachgegangen, sondern habe hinter den Kulissen agiert, um in konservative Kreise vorzudringen und die Beziehungen zwischen den USA und Russland zu verbessern. Sie hatte Abendessen in Washington und New York organisiert und hatte an Veranstaltungen teilgenommen, um prominente Politiker zu treffen. Unter anderem ist sie US-Präsident Donald Trump begegnet.“

Ihr Vergehen war es, dass sie an besseren russisch-amerikanischen Beziehungen interessiert war, dafür wird man in den USA 18 Monate eingesperrt. Und dass sie „US-Präsident Donald Trump begegnet“ sei, klingt spektakulärer, als es ist. Im russischen Fernsehen wurde diese „Begegnung“ gezeigt. Auf einer Wahlkampfveranstaltung durften aus dem Publikum Fragen gestellt werden und sie hat Trump nach seiner Einschätzung der Beziehungen zu Russland gefragt. Das war die „Begegnung“ und übrigens war Trump zu dem Zeitpunkt noch gar nicht US-Präsident. Aber nach Spiegel-Logik ist Russland böse und Trump ist böse, da freut es den Spiegel-Redakteur, wenn er beide gemeinsam in einem Artikel erwähnen kann. Erst recht, wenn man schreiben kann, dass Trump einer „russischen Spionin“ begegnet ist.

Am Ende zitiert der Spiegel noch Präsident Putin, zur Abwechslung mal korrekt:

„Es sei nicht klar, welches Verbrechen sie begangen habe, sagte Putin. „Ich denke, es ist ein exzellentes Beispiel von ‚Gesicht wahren'“, sagte der russische Präsident. „Sie haben das Mädchen verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Aber es gab nichts – um nicht blöd auszusehen, haben sie sie zu 18 Monaten Haft verurteilt, um zu zeigen, dass sie irgendwie schuldig war.““

Für den Spiegel-Leser soll eine solche Aussage Putins wohl nach Rechtfertigung klingen. In meinen Augen hat Putin aber den Nagel auf den Kopf getroffen.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

5 Antworten

  1. 2015 wäre Butina überhaupt nichts passiert, keiner dachte an Russiagate. Dieses Narrativ wurde erst nach dem völlig unerwarteten Sieg von Trump erfunden.
    Der Spiegel-Artikel weist aber einmal mehr auf die Strippenzieher hin, die in Hamburg regieren, nämlich der „deep state“ der USA. Allen voran seine diversen Dienste wie CIA oder FBI. Das sind die , welche die Richtlinien des Spiegel gestalten. Aber das war schon immer so.

  2. Die Maria Butina Story geht viel tiefer. Siehe https://theconservativetreehouse.com/2019/10/25/fisa-virus-maria-butina-released-from-federal-prison-for-immediate-deportation/ — FISA Virus Maria Butina Released from Federal Prison for Immediate Deportation….
    Die Details sind wichtig. Der Artikel bezieht auf einen früheren Artikel, https://theconservativetreehouse.com/2019/08/23/details-behind-patrick-byrne-allegations-of-fbi-political-espionage/. Beide Artikel enthalten Links zum ursprünglichen Quellenmaterial. Die Spekulation über Butinas eigene Motivation kann man ignorieren.

    Ich fasse nur kurz und etwas thematisch zusammen:

    Der erste Artikel oben erwähnt nennt Butina einen „Fisa Virus“. – D.h. da sie Russin ist, durfte sie vollkommen legal innerhalb der USA ausspioniert werden. Sie selbst war aber von vornherein nur von zweitrangigem Interesse, falls überhaupt. Sämtliche Personen, US Personen, die mit ihr in Kontakt kamen, konnten durch einen „FISA Antrag“ auch ausspioniert werden. Deswegen funktionierte sie wie ein „Virus“, sie steckte andere an. FISA = Foreign Intelligence Surveillance Act, die Gesetzgebung, die von einem geheimen FISA-Gericht angewandt wird. Patrick Byrne, ehemalige CEO von der Firma Overstock, der selber gute Verbindungen in politische Kreisen hatte, wurde vom FBI als „ziviler Führungsoffizier“ für Butina eingesetzt: eine risikoreiche Unternehmung. Er sollte Butina in Kontakt mit selektierten Personen bringen, die dann, alleine durch den Kontakt, im Visier des FBIs und DOJs genommen werden durften. Irgendwann ist ihm aufgefallen, dass seine FBI „Dirigenten“ ihn korrupterweise und illegalerweise in eine Spionage Operation gegen Amerikaner (Fokus: Trump) missbrauchten. Die Namen James Comey (ex-FBI Direktor), Peter Strzok (zuständig für „Operation Crossfire Hurricane) und Andrew McCabe (counterintelligence / Abwehr Chef beim FBI) u.a. hat Byrne genannt. Sie wurden alle gefeuert (aber nicht deswegen), sie haben alle gute Chancen angeklagt zu werden. Dann ist er mit seinen Behauptungen an das DOJ / Department of Justice / Justiz Ministerium angetreten, genau in der Zeit als der Sonderstaatsanwalt John Durham von dem Attorney General William Barr beauftragt wurde, eventuelle illegale Machenschaften im FBI *und* DOJ (*und* State Department *und* CIA* *und* Pentagon) zu recherchieren. Diese Recherchearbeit ist nun so weit gediehen, dass Durham jetzt nicht nur eine „verwaltungstechnische Begutachtung“ durchführt, sondern er ermittelt gegen „criminal activities“ im Zusammenhang mit der Russiagate-Ermittlung von Robert Mueller. Die Verlegung von Butina aus der Isolationshaft erfolgte nachdem Byrne 7 Stunden lang mit der DOJ gesprochen hatte. In den Artikeln wird suggeriert, dass Mueller höchstpersönlich die Isolationshaft angewiesen hat, um zu verhindern, dass Butina Details und Namen preisgab. Da sie für eine Spionage-Operation hauptsächlich gegen Trump und die Trump Organisation missbraucht wurde, hätte sie nie verurteilt werden können wenn die anklagenden Staatsanwälte die entlastenden Informationen offengelegt hätten, und die Offenlegung ist in den US rechtlich zwingend. Butina kann von daher auf Widergutmachung- und Schmerzensgeld klagen: das würde eine stolze Summe kosten. Nach seinen Gesprächen mit dem DOJ ist Byrne vor die Öffentlichkeit getreten, auf Raten von William Buffet, möglicherweise, sogar höchst wahrscheinlich um sein Leben dadurch zu schützen.

  3. Und sie hetzen weiter:

    „Was ihr passiert sei, zeige definitiv, dass Amerika sein Justizsystem verliere, behauptete Butina – ohne weiter auf Haftbedingungen für Menschen in Russland einzugehen.“

    https://www.spiegel.de/politik/ausland/maria-butina-wieder-in-moskau-schwere-vorwuerfe-gegen-us-justiz-a-1293542.html

    Und weiter unten im (nicht kommentierbaren) Artikel wird dann noch mit Lust auf den russischen Haftbedingungen herumgeritten, die mit dem Fall Butina und der US-Justiz reinweg gar nichts zu tun haben!

    „Whataboutism“ nennt man das, wenn es umgekehrt ist. Hier nennt sich das Ganze wohl „Qualitätsjournalismus“.

  4. Quintessenz aus einigen Monaten Anti-Spiegel lesen:

    Wer im ehemalingen Nachrichtenmagazin Spiegel irgendwas sinnvolles lesen möchte, der suche sich ultralange Artikel und suche am Ende in den letzten zwei bis drei Absätzen nach Informationen. Der Beginn aller Artikel ist reine Propaganda und enthält nur aus Versehen mal wichtige Informationen.

  5. Ich bin absolut dafür das jeder, der seriös ist, sich zum Selbstschutz bewaffnen darf. Bin ich jetzt etwa auch ein Waffennarr? Man muss nicht dieser Meinung sein, dennoch sollte man Menschen, die sich für den Waffenbesitz einsetzen nicht pauschal als Waffenarren bezeichnen. Frau Butina ist eine Waffenrechtsaktivistin und keine «Waffennärrin». So viel Ausgewogenheit sollte schon sein. Und wenn wir gerade schon dabei sind, dann sollten wir noch über die Volksrepubliken von Donbass sprechen. Es mag einerseits so sein, dass das offizielle Moskau und die russischen Medien von «selbsterklärten» bzw. «selbsternannten» und «nicht anerkannten» Volksrepubliken spricht. Dem «Beispiel» muss nicht zwingend folgegeleistet werden. Nur, weil niemand staatliches das Selbstbestimmungsrecht der lebenden Menschen im Donbass anerkennt, heisst das nicht das als freier Journalist dem nachzueifern ist. In diesem Blog werden die Volksrepubliken als «Rebellen» bezeichnet. Da der Begriff Rebellen des Öfteren negativ in Erscheinung trat, sollte sich die Frage gestellt werden ob diese Begrifflichkeit zu Anwendung gebracht werden soll. Deshalb wäre die Bezeichnung Volksrepubliken die bessere Wahl, unabhängig was man von ihren politischen Strukturen tatsächlich halten möge.

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