Mit einer gewissen Genugtuung: Das russische Fernsehen über die Entwicklungen in Syrien

In der russischen Sendung „Nachrichten der Woche“ ging es am Sonntag natürlich auch um die Situation in Syrien, wo die Türkei nach dem Rückzug der USA eine Invasion begonnen hat.

Ich habe darüber schon viel geschrieben. Meine Einschätzung der geopolitischen Interessen der beteiligten Länder und die Folgen der aktuellen Ereignisse habe ich schon am 11. Oktober veröffentlicht. Die internationalen Analysten kommen inzwischen zu den gleichen Schlüssen und auch das russische Fernsehen ist in seinem Beitrag im Großen und Ganzen zu den gleichen Ergebnissen gekommen: Die großen Gewinner der Ereignisse sind Syrien und Russland. Da das Thema in nächster Zeit aktuell bleiben dürfte, habe ich den Beitrag des russischen Fernsehens übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Bei „Nachrichten der Woche“ haben wir bereits darüber gesprochen, dass die Türkische Invasion in Syrien weitreichende Folgen für die Region haben und sogar die Machtbalance in der Welt beeinflussen wird. Und so geschah es auch. Und es ging alles sehr schnell.

Am 9. Oktober drang die türkische Armee mit dem offiziellen Grund in Nordsyrien ein, eine Sicherheitszone für die Türkei zu schaffen und einen 30 Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze von Terroristen zu säubern. Als Terroristen bezeichnet Erdogan sowohl die dort gefangenen IS-Banditen, als auch die Kurden, die diese Banditen in speziellen Lagern eingesperrt haben. Bis vor kurzem wurden die Kurden militärisch von den Vereinigten Staaten und politisch von Frankreich unterstützt.

Erdogan war all das wurscht und er marschierte ein. Russland rief zum Dialog auf, aber hat sich nicht aufgedrängt. Die syrische Armee rückte zwar vor, war aber zu weit weg. Um die aufständischen Kurden zu retten, hatte Assad nicht die Macht. Die Europäer protestierten, aber Erdogan interessieren die schon lange nicht mehr.

Präsident Trump war extravaganter als alle anderen. Am Tag der türkischen Invasion, am 9. Oktober, schrieb er einen kurzen und frechen Brief an Erdogan, in dem er den türkischen Präsidenten aufforderte, kein Narr zu sein, nicht gegen die Kurden zu kämpfen, sondern einen Deal zu machen, da ihr General Mazlum Abdi zu Zugeständnissen bereit sei.

„Machen Sie einen guten Deal. Sie wollen nicht dafür verantwortlich sein, Tausende von Menschen zu töten und ich will nicht für die Zerstörung der türkischen Wirtschaft verantwortlich sein, aber ich werde es tun. Ich habe bereits gezeigt, wozu ich in der Lage bin, als es um Pastor Branson ging“ schrieb Trump.

Trump warnt und droht zugleich, indem er an Andrew Branson erinnert. Das ist ein amerikanischer Pastor, der vor drei Jahren in der Türkei wegen des Verdachts der Spionage und des Terrorismus verhaftet wurde. Als Reaktion darauf verhängte Trump Sanktionen gegen Stahl und Aluminium aus der Türkei und brachte die türkische Lira zu Fall. Branson saß zwei Jahre in der Türkei im Gefängnis und kehrte erst im vergangenen Herbst in die Vereinigten Staaten zurück. Daran erinnert Trump, wenn er auf Branson verweist.

Weiter schrieb Trump an Erdogan: „Ich habe große Anstrengungen unternommen, um einige Ihrer Probleme zu lösen.“ Hier bezieht sich Trump offensichtlich auf die Tatsache, dass er die Kurden im Stich gelassen und sie Erdogan schutzlos überlassen und das als Dienst gegenüber dem türkischen Präsidenten ausgegeben hat. Tatsächlich hat er erkannt, dass die USA in Syrien nichts zu gewinnen haben und es an der Zeit ist, die Angelruten einzuholen.

Und dann ist da noch der kurdische General Mazlum Abdi: „General Mazlum will mit Ihnen verhandeln und ist bereit, ernsthafte Zugeständnisse zu machen, wie er sie noch nie gemacht hat. Unter der Bedingung der Vertraulichkeit schicke ich Ihnen eine Kopie seines Briefes, den ich soeben erhalten habe.“

Das heißt, Trump lässt die Briefe anderer Leute lesen. Insgeheim schreibt General Mazlum Abdi an Trump und der zeigt den Brief „im Vertrauen“ dem schlimmsten Feind des Generals: Erdogan. So viel zur Vertraulichkeit.

Hier ist noch das Ende des Briefes, in dem Trump Erdogan damit droht, der „Teufels“ zu werden: „Wenn nichts Gutes passiert, werden Sie als Teufel in die Geschichte eingehen. Seien Sie kein harter Typ. Seien Sie kein Narr.“

Trumps Brief erschien nur eine Woche nach Beginn der Invasion in der Presse. Am 16. Oktober postete eine Mitarbeiterin von Fox News ihn auf Twitter. Das US-Außenministerium bestätigte die Echtheit des Dokuments. Der türkischer Präsident, so wurde gesagt, habe Trumps Brief in den Mülleimer geworfen. Ich vermute, das ist so, den die Invasion begann trotzdem und es kam nicht zu Verhandlungen mit General Mazlum Abdi.

Und wie ist nun der heutige Stand der Dinge? Der türkische Angriff auf Nordsyrien dauerte etwas mehr als eine Woche. US-Vizepräsident Pence eilte in die Türkei, doch am 16. Oktober weigerte sich Erdogan trotzig, sich mit ihm zu treffen. Offenbar wollte er nicht in einem von Amerika vorgegebenen Ton sprechen. Als alles abgekühlt war, fand das Treffen mit Pence in Ankara am 17. doch noch statt. Sie haben vier Stunden lang geredet. Erdogan hat die Offensive für fünf Tage ausgesetzt und erlaubt den Kurden, sich hinter eine Linie 32 Kilometer von der türkisch-syrischen Grenze entfernt zurückzuziehen. Die Kurden tun das auch ganz brav.

Und das sind nun die trockenen Fakten: Die Kurden ordnen sich Baschar al-Assad unter. Die syrische Armee übernimmt die Kontrolle über syrisches Territorium, das von rebellierenden Kurden und Amerikanern geräumt wurde. In der Stadt Mandschib patrouilliert bereits die russische Militärpolizei unter unserer Trikolore.

Wir haben schon gesagt, dass die türkische Invasion nicht unbedingt schlecht für Syrien ist. Und so ist es. Während der fünftägigen Pause der Offensive verlieren die Türken an Schwung und geben den Syrern Zeit, sich schneller zu bewegen. Das bedeutet, dass die syrische Armee bis zum Ende der fünftägigen Pause Zeit haben wird, vor den türkischen Truppen zu stehen.

Erdogan hatte nicht vor, gegen Assad zu kämpfen. Auch nicht, Territorium in Syrien zu besetzen. Die Situation für Erdogan ist nun: nehmen Sie Ihren Mantel und gehen Sie nach Hause. Auch die Amerikaner sind abgedampft.

Der französische Präsident Macron allerdings sah verärgert aus. Schließlich hat Frankreich die Kurden historisch immer unterstützt. Aber so unterstützt, dass es erwartete, dass andere sich der Hitze aussetzen. Vor allem die Amerikaner. Doch als Trump erkannte, dass er kein Interesse an den Kurden hat, war Macron überrascht.

Deshalb bezeichnete er die NATO auf einer Pressekonferenz am 18. Oktober in Brüssel als triviale Organisation. Das ist verständlich. Die Vereinigten Staaten haben innerhalb der NATO weder Frankreich noch irgendjemanden anderen vorgewarnt, dass sie Syrien verlassen. Innerhalb der NATO spuckt die Türkei auf die Proteste anderer NATO-Verbündeter wegen der Invasion und baut ihre Sicherheit allein auf, anstatt mit der NATO. Macron ist nicht ganz klar, wozu Frankreich so eine NATO braucht.

Was Trump betrifft, so hat er bereits vergessen, dass Erdogan, der seinen Brief weggeworfen hat, trotzdem die Invasion gestartet hat. Trump ist bereit, Erdogan so zu nehmen, wie er ist. Für Trump ist Erdogan kein „Teufel“ mehr, sondern ein Freund: „Ich möchte Präsident Erdogan einfach danken und ihm gratulieren. Er ist mein Freund. Und ich bin froh, dass wir kein Problem miteinander haben. Um ehrlich zu sein, er ist ein verdammt guter Führer“ sagte Trump.

Und was ist mit Russland? Es hat in dieser Situation nur Vorteile. Auf jeden Fall sind das die Einschätzungen, die man in der Welt hört. Schließlich haben wir unsere Position in Syrien und damit im gesamten Nahen Osten radikal und für uns völlig unblutig verbessert. Wir haben ein gutes Verhältnis zu allen gepflegt und einen Grundstein für die Zukunft gelegt. Einige sind wieder wütend darüber, andere sind eifersüchtig. Wie auch immer, Erdogan wird am 22. Oktober zu einem Treffen mit Putin nach Russland fliegen. Es wird einiges zu besprechen geben.

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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