Nach der Parlamentswahl in Kiew: Wer sind die neuen Abgeordneten in der Rada?

Nach der Wahl in der Ukraine fragen sich viele, was wir nun von dem neuen Parlament erwarten dürfen. Dazu habe ich eine Einschätzung gefunden und sie übersetzt.

Meine persönliche Meinung ist, dass sich in der Ukraine nichts ändern wird, der Druck und die Macht des US-Stadthalter in Kiew, Kurt Volker, sind einfach zu groß. Und das Parlament ist nun mit unerfahrenen Menschen besetzt, die kaum einen Einfluss ausüben können, weil sich schlicht zu unerfahren und nicht mit Machtstrukturen vernetzt sind.

Aber wer wurde eigentlich ins ukrainische Parlament, die Rada, gewählt?

Hierzu fand ich einen Kommentar in der TASS, der einen Blick auf die neuen Abgeordneten wirft, die durch Präsident Selenskys Partei in das Parlament eingezogen sind. Da die TASS natürlich ein hervorragendes Archiv hat und daher Hintergrundinformationen über die neuen Abgeordneten hat, habe ich den Kommentar der TASS übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Zum ersten Mal in der Geschichte der unabhängigen Ukraine wird eine Partei in der Lage sein, allein eine Regierungsmehrheit in der Obersten Rada zu bilden. Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen am 21. Juli wurde die Partei des Präsidenten „Diener des Volkes“ zu einer so starken politischen Kraft, dass sie dort mehr als 250 Sitze haben wird, wobei 226 erforderlich für eine Mehrheit sind.

Die Partei zeigte zwei Monate nach den Präsidentschaftswahlen ein beeindruckendes Ergebnis. Bei der Wahl lieferte der populäre Künstler und Leiter einer Comedy Show, Vladimir Selensky, einen Sieg ab, bei dem er all seine Rivalen regelrecht zerstört hat und auch zum ersten Mal in der jüngeren ukrainischen Geschichte gab es so einen überzeugenden Sieg mit einem Ergebnis von 73% der Stimmen. Dieser Erfolg von Selensky selbst sicherte dann den aktuellen Sieg seiner Partei bei den vorgezogenen Parlamentswahlen.

Die Kandidaten der Partei „Diener des Volkes“ gewannen sowohl nach Parteilisten mit 124 Sitzen, als auch bei den Direktkandidaten, wo sie 130 Sitze gewannen. Jetzt wird er in der Lage sein, seine Kandidaten auf jede gewünschte Position zu setzen: Premierminister, Generalstaatsanwalt, Minister, Parlamentssprecher.

Experten glaubten noch wenige Tage vor den Wahlen nicht wirklich daran, dass „Diener des Volkes“ in der Lage sein würde, eine absolute Mehrheit im neuen Parlament zu gewinnen. Alle Experten gaben der Präsidentenpartei bestenfalls 220 Sitze und gingen davon aus, dass sie eine Koalition bilden müsste, entweder mit der Partei „Golos“ des Sängers Sviatoslav Vakartschuk oder mit „Vaterland“ von Julia Timoschenko.

„Aber es gab eine Überraschung. Das französische Szenario wiederholte sich, als Präsident Emmanuel Macron 2017 in der Nationalversammlung allein auf der Grundlage der Partei „Vorwärts, Republik!“ eine Mehrheit bilden konnte, die auch erst kurz vor den Wahlen gegründet worden war und mit unbekannten Leuten angetreten ist“ erklärt Kost Bondarenko, Gründer des Think Tanks Gorshenin Institute.

Experten meinen, dass die Wahl nur aufgrund der „Marke“ Selensky gewonnen wurde, nicht durch die Persönlichkeiten der Kandidaten. Zudem zeigte der Wähler mit seiner Stimme, dass er nicht mehr an unabhängigen Kandidaten interessiert ist, sondern unter eine Parteien wählen will, was der Grund für das Ergebnis des „Dieners des Volkes“ ist. „Das bedeutet, dass die Menschen nicht mehr auf Personen setzen. Die Ukrainer wollen, dass die Personen in Parteien eingebunden sind“ glaubt der Politik-Experte Vadim Karasev.

Show-Stars, Journalisten, Sportler, und Fotografen

Aber mit der Partei zogen dieses Mal eine Menge von wenig bekannten, wenn nicht völlig unbekannten Persönlichkeiten in die Rada ein. Ausnahmen bilden Vertreter des Showbusiness und Journalisten. Aber keiner von ihnen ist zuvor in der Politik gewesen. Trotzdem gewannen Vertreter der „Diener des Volkes“ überall Wahlkreise, sogar in Kiew. Zum ersten Mal hat eine Partei die Hauptstadt vollständig „erobert“ und erfahrene Politiker besiegt, die ihre Wahlkreise seit Jahren halten.

Sie wurden ersetzt durch den Gastronom Nikolai Tischtschenko, den Diplomaten und Vorstandsvorsitzenden der Organisation „Maidan Außenpolitik“ Bogdan Yaremenko, den Leiter des Comedy Studios „Mamachochotala“ Roman Grischuk, den Journalisten des TV-Senders „1+1“ des Oligarchen Igor Kolomoisky, Sergey Schvets. Andere Gewinner der Kiewer Bezirke sind wenig bekannte Newcomer und dieses Ergebnis verdanken sie ausschließlich der Marke „Diener des Volkes“.

Die Partei gewann auch im Umland von Kiew. Alexander Dubinsky, ein Journalist des Senders „1+1“ gewann im 94. Wahlbezirk und im 95. gewann der Doktor der Philophie Alexander Gorobets. Der benachbarte 96. Bezirk wurde erneut von Olga Vasilevskaya-Smaglyuk, ebenfalls eine Journalistin von „1+1“, gewonnen.

„Diener des Volkes“ brachte auch viele Stars des Showbusiness ins Parlament. In der Region Tscherkas gewann Alexander Skitschko, ein bekannter Showman, TV-Moderator und Schwiegersohn des berühmten Unternehmers Leonid Yurushev, Besitzer von „Dniprovagonremstroy“, von den Hotels InterContinental in Kiew und Fairmont Grand Hotel Kyiv.

Mit Andrey Boblyakh, Mitglied der Comedy Projekte „Liga Smecha“ und „Rassmeschi Komika“, gewann ein Comedian aus Poltawa und das Mitglied des Comedy Projekts „Fight Club“, Nikolai Sarodsky, gewannen in der Region Akhtyrka in Sumy.

Ein weiterer Wahlsieger, aus dem Showbusiness, Vladimir Gevko, wird „Diener des Volkes“ für die Stadt Chortkov in der Region Ternopol vertreten. Der Hochzeitsfotograf Sergej Stepa gewann in der Stadt Saporischschja. Im Gebiet Charkiw gewann der Blogger Alexander Kunitsky. Ein weiterer Blogger, Max Bujansky, gewann die Wahlen in der Region Dnipropetrowsk. In der Region Lemberg gewann der Trainer und Berater Juri Kameltschuk.

Juri Korjatschenkow, den Kollegen nur Jusik nennen, wird nun auch in der Rada arbeiten. Er gewann den Wahlkreis von Selensky in Krvij Rog in der Region Dnipropetrowsk. Verwandte von Juri Korjaavtschenkow sind auch in die Rada gewählt worden. Seine Patentante Elena Kriworuchkina und der Cousin von Korjaavtschenschenkovs Mutter, Wladimir Sachartschenko, sind in die Rada eingezogen.

Übrigens ist dies kein Einzelfall von Vetternwirtschaft bei „Diener des Volkes“. Irina Borzova, die Frau des Leiters der staatlichen Verwaltung, Sergey Borzov, gewann in Vinnitsa ein Direktmandat. Und in der Stadt Chmelnizki gewann mit Nikolai Stefanchuk, dem Leiter der Rechtsabteilung der staatlichen Organisation, der Bruder von Ruslan Stefanchuk, dem Vertreter des Präsidenten im Parlaments.

Auch berühmte Sportler wie der griechisch-römische Ringer, Weltmeister und Olympia-Silbermedaillengewinner Jean Belenyuk und die Leichtathletik-Weltmeisterin und Bronzemedaillengewinnerin der Olympischen Spiele Olga Solodukha wird von den „Dienern des Volkes“ in die Rada kommen.

„Alle diese Leute, sowohl von der Parteiliste, als auch die Direktkandidaten, können für die Parteispitze von Vorteil sein, weil sie aufgrund ihrer Inkompetenz nicht in der Lage sein werden, die Führung zu beanspruchen und nicht zu einer Konkurrenz werden können. Sie werden auch nicht in der Lage sein, auch nur ihre eigenen Interessen zu vertreten. Sie werden gehorsame Werkzeug werden.“ sagte der Politik-Experte Ruslan Bortnik in einem Interview mit TASS. „Je mehr Politiker oder Vertreter von Interessengruppen im Parlament sind, desto schwieriger wäre es natürlich, dieses Parlament zu kontrollieren. Aber ein Parlament, das aus Sportlern, Fotografen und anderen Personen freier Berufe bestehen wird, ist sicherlich viel leichter zu lenken.“

Kandidaten der Oligarchen

Aber auch Vertreter der Oligarchen kommen für „Die Diener des Volkes“ in die Rada. So gewann Dmitry Kisilevsky, Direktor für Unternehmensbeziehungen des internationalen Rohrherstellers „Interpipe“, mit großem Abstand in einem Wahlkreis in Dnipro. Interpipe ist einer der zehn größten Hersteller von nahtlosen Rohren weltweit und der drittgrößte Hersteller Rädern für Eisenbahnen. Eigentümer des Unternehmens sind der ukrainische Geschäftsmann Victor Pintschuk und Mitglieder seiner Familie.

Aber der Oligarch Igor Kolomoisky brachte mehr seiner Kandiaten in die Rada, als jeder andere, vor allem in den Wahlbezirken in Dnipro und Dnipropetrowsk. So gewann der Subunternehmer Wjatscheslaw Medjanik im 27. Wahlbezirk für „Diener des Volkes“. Ein weiterer Schützling Kolomoiskys ist der ehemalige Berater des Oligarchen, Sergej Severin, er gewann den 39. Wahlbezirk. Wladislaw Borodin, ein Abgeordneter des Regionalrats von Dnipropetrowsk, gewann im 38. Bezirk.

Igor Fris, ein Berater von Kolomoiskys Geschäftspartners Alexander Schewtschenko, gewann im 84. Bezirk der Region Iwano-Frankowski. Einen weiteren Bezirk dieser Region gewann den Stellvertreter des Regionalrates von Iwano-Frankowski, der Direktor des Staatsunternehmens Vygodskoe Lesnoe, Alexander Matusevich.

Rada ohne Macht

Aufgrund der Tatsache, dass das neue Parlament nur von einer Partei dominiert wird und von Menschen ohne politische Vergangenheit, ist das ukrainische Parlament de facto entmachtet.

„Wegen ihrer Inkompetenz werden die Abgeordneten einfach nicht in der Lage sein, die Regierung, den Präsidenten oder sein Team effektiv zu kontrollieren oder ihre eigenen Interessen zu verteidigen“ glaubt Ruslan Bortnik. „Ich denke, der Trend, die Rolle des Parlaments im politischen Leben des Landes, sein politisches Gewicht, zu verringern, wird sich fortsetzen. Höchstwahrscheinlich wird die Rada nur die dritt- oder sogar nur viertstärkste Kraft im Land sein, nach der Präsidialverwaltung, der Regierung und den Streitkräften.“

Laut Bortnik werden viele Abgeordnete aufgrund ihrer Inkompetenz einfache „Abnicker“ werden oder „Vollstrecker des Willens anderer und jene Entscheidungen durchwinken, die in der Präsidialverwaltung oder in der Regierung entwickelt werden. Oder sie werden zu Objekten der Manipulation, wenn die stärkeren und erfahreneren Leute ihre parteipolitischen Spielchen spielen.“

„Das ist heute schon offensichtlich. Es ist auch offensichtlich, dass die Hälfte der Abgeordneten ihren Sitz im Parlament dem Präsidenten persönlich, seiner Beliebtheit, seiner „Marke“ zu verdanken haben. Allein hätten sie nicht so hoch aufsteigen können. Und diese Verpflichtungen gegenüber dem Präsidenten werden sie zu einem Werkzeug in den Händen des Staatsoberhauptes und seiner Entourage machen“ sagte Bortnik.

Die gleiche Meinung vertritt der Politologe Sergej Gayday. Er glaubt, dass Selensky sich mit mehr als 250 Sitzen im Parlament überhaupt keine Gedanken über politische Verbündete machen braucht.

„Aber die Gefahr ist, dass diese Mandate für den Präsidenten zu einem „warmen Bad“ werden können, wenn er aufgrund der politischen Macht aufhört, nicht nur die Meinung der Gegner zu hören, sondern auch den Standpunkt der Zivilgesellschaft, der einfachen Menschen“ warnt der Experte.

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Na ja, was soll man denn von diesen „Parlamentariern“ erwarten? Das ist doch bei den hiesigen „Jungpolitikern“ nicht anders! Die kommen mit irgendwelchen weltfremden Vorstellungen und werden dann erst mal auf den Topf gesetzt und eingenordet! Oligarch Pintschuk ist übrigens der, der beste Kontakte in die USA hat und auch beim Putsch und der Inthronisierung Poroschenkos in führender Position beteiligt war! D.h., die USA sitzen somit auch im Parlament und geben über Generalgouverneur Kurt Volker von außen die Parlamentsvorlagen! So funktioniert echte Demokratie! Und Kurt Volker hat ja auch verkündet, alles für die Entwicklung der Demokratie in der Ukraine zu geben! Es ist wie hier! Man kann sein Kreuzchen machen wo man will und bekommt immer die gleiche brotlose Wassersuppe vorgesetzt! Nur rühren dürfen in der trüben Brühe andere!

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