Neue Seidenstraße: Das russische Fernsehen über den Besuch des chinesischen Präsidenten in der EU

In der Sendung „Nachrichten der Woche“ des russischen Fernsehens ging es am Sonntag in zwei Beiträgen um die chinesische Initiative der „Neuen Seidenstraße“ und um den Besuch des chinesischen Präsidenten in Europa, bei dem wichtige Verträge unterschrieben wurden. Nachdem die deutschen Medien diesen Besuch und vor allem den italienischen Flirt mit dem Reich der Mitte sehr kritisch verfolgt haben, hat das russische Fernsehen eine andere, sehr pragmatische Sicht auf das Thema. Der erste Beitrag kam aus dem Studio, der zweite von der Korrespondentin in Europa, ich habe die Beiträge nacheinander übersetzt.

Hintergrundinformationen über das Projekt „Neue Seidenstraße“ und seine geopolitische Bedeutung finden Sie hier.

Beginn der Übersetzung:

Im Herbst besuchte der chinesische Staatschef Xi Jinping Afrika und Ende März widmete er sich Europa. Er besuchte zunächst Rom und zog dann für vier Tage nach Paris weiter. Xi wird als Anführer eines Landes wahrgenommen, das sich über die Euro-Bürokratie und die NATO erhoben hat, als ob es die Hindernisse, die durch diese Strukturen verursacht werden, nicht sieht. China spielt sein Spiel mutig, macht Angebote und erzielt Ergebnisse.

Das erinnert mich an das alte chinesische Logik-Spiel, das Go genannt wird. Es ist ein fünftausend Jahre altes Spiel. Go ist schwieriger als Schach. Das Spielfeld besteht auch aus Kästchen, aber die Spielsteine sind wie bei Backgammon identisch und entweder schwarz oder weiß. Und man kann keine Figuren aus dem Feld schlagen, keine Beute machen. Das Ziel ist es, ein möglichst großes Gebiet auf dem Brett zu besetzen, den Gegner zu verdrängen und seine Handlungen einzuschränken, ihn in ein kleines Gebiet zu drängen und ihm die Bewegungsfreiheit zu nehmen.

So spielt China jetzt auf der Welt mit dem Westen. Einst nannte Brzeziński den Planeten ein „großes Schachbrett“, wo das Zentrum des Spiels Eurasien ist. Xi Jinping scheint andere Assoziationen zu haben. Es ist kein Schach, es ist Go. Und er weiß besser als andere, wie man hier gewinnt.

Das Projekt „Neue Seidenstraße“ umfasst die Gebiete Zentralasiens und des Nahen Ostens, und dann ganz Afrika und Europa. Mit Afrika hat er schon eine Schicksalsgemeinschaft geschaffen und in Europa hat Xi Jinping beschlossen, von Süden her zu beginnen.

Das hat zwei Gründe. Erstens: Genau an der Südküste Europas kommt die chinesische Handelsflotte nach der Passage des Suezkanals an. Zweitens sind die südeuropäischen Länder wie Griechenland und Italien die schwächsten Glieder der EU. Beide liegen finanziell am Boden: die Auslandsschulden liegen weit über 100 Prozent des BIP, so hoch, wie bei sonst niemandem auf dem Kontinent. Das ist der Grund, warum Griechenland bereits die Mehrheit seines größten Hafens, Piräus, an China verkauft hat. Von dort aus wird China seine Waren nach Osteuropa liefern.

Und in Italien interessierten Xi Jinping zunächst zwei Häfen im Norden der Halbinsel: Genua und Triest. Zweifelsfrei wird China seine Ziele erreichen. Auf jeden Fall wurde Italien das erste Land der „G7“-Industrieländer, das mit Peking eine Absichtserklärung über das Projekt „Neue Seidenstraße“ unterzeichnet hat. Und das Dokument verspricht milliardenschwere Investition in die italienische Infrastruktur.

Von Amerika und der Europäischen Union würde Italien so etwas nie bekommen. China kam zur rechten Zeit. Und Xi wusste, welche Töne er anschlagen musste: das antike Rom und das antike China. Nach dem Motto, alles gar nicht neu, wir sind die Nachfolger eines alten Projekts, das lange vor dem Aufkommen der Zivilisationen im Umland entstanden ist, zum Beispiel vor dem modernen Deutschland und erst recht vor den USA.

Es ist verständlich, dass eine solche Sicht auf die Italiener, eben nicht als Teil der EU, sondern als Erben des antiken Römischen Reiches den Italienern gefällt. Und die Chinesen kosten die netten Worte nichts. Doch die Modernisierung der Häfen in Griechenland und Italien wird es ermöglichen, dass ihre Containerschiffe nach dem Suezkanal nicht noch um ganz Europa fahren müssen, um in den Norden Deutschlands zu kommen, wo sie jetzt noch hin müssen. Die Löschung der Fracht in Griechenland und Italien macht den Transport um eine Woche schneller.

Amerika ist wütend. Die Bürokratie in Brüssel produziert restriktive Dokumente, zum Beispiel die 10 Punkte der Europäische Kommission, die eine gesamteuropäische Kontrolle über strategische Investitionen vorschreiben sollen. Man ist dort aufgewacht. Demnach dürfen einzelne Ländern mit China keine gesonderten Abkommen abschließen. Die EU soll eine einheitliche Front bilden.

In Rom spricht man von Heuchelei, weil zum Beispiel Deutschlands Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit China viel weiter fortgeschritten sind, als die von Italien und China. So gründete die Deutsche Bank zusammen mit der Entwicklungsbank von China den Fonds der Initiative „Neue Seidenstraße“ mit einem Volumen von 3 Milliarden Dollar. Die Hälfte dieses Betrags wurde bereits in konkrete Projekte investiert. Das deutsche Unternehmen Siemens erwirtschaftet bereits einen Umsatz von 3 Milliarden Euro aus der Beteiligung an der Initiative „Neue Seidenstraße“.

Und was soll man erst zum deutsch-französischen Konzern Airbus sagen, der ohne Rücksicht auf die EU kürzlich einen Vertrag über die Lieferung von Flugzeugen im Wert von 300 Milliarden Euro nach China abgeschlossen hat? Wo ist hier die Europäische Union? Wen interessiert die EU vor dem Hintergrund solcher Zahlen?!

Da versteht man, warum selbst die gewissenhafte Schweiz China erwartungsvoll gegenübersteht. Im Januar schlug der Schweizer Präsident Uli Mauer leidenschaftlich vor, sein Land zu einem chinesischen Sprungbrett für den Weg nach Westen zu machen. Und das war die Reaktion auf eine absolut formale Begrüßung des Chefs der chinesischen Delegation beim Wirtschaftsforum in Davos.

Ende April geht Uli Mauer mit dieser Idee nach Peking auf das Forum der Initiative „Neue Seidenstraße“. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass XI seine Spielsteine schon in die Schweiz bewegt und sich einen Brückenkopf schafft. Jedenfalls hat die Schweiz bereits angekündigt, mit China ein Memorandum über eine Beteiligung an der Initiative „Neue Seidenstraße“ zu unterzeichnen.

Aus Europa berichtet unsere Korrespondentin.

Tatsächlich träumt jedes europäische Land trotz aller Vorbehalte von chinesischem Geld. Denn im Gegensatz zu Trump diktiert Xi Jinping niemandem etwas, fordert nichts, schreit nicht rum und droht niemandem. Er spricht höflich und leise und hört lächelnd zu. Er drängt nicht und treibt nicht an. Und die zaghafte europäische Kritik an China überhört er. Er kam ja als Freund. So hat er seinen Paris-Besuch abgeschlossen. „Der Eiffelturm bietet den besten Blick auf Paris, deshalb müssen wir neue Höhen erklimmen, um unsere Beziehung voranzubringen“ sagte der chinesische Staatschef.

In Italien und Frankreich wurde Xi Jinping unterschiedlich empfangen. Die Dividenden aus dem Besuch werden genauso unverhältnismäßig unterschiedlich sein. In Rom stand drei Tage lang die Ehrenwache, der rote Teppich wurde ausgerollt. Das halbe Land war gesperrt, man bot sogar an, das Kolosseum für einen privaten Besuch des chinesischen Präsidenten für Touristen zu schließen.

Paris war zurückhaltend kühl. Hinter Macron standen Angela Merkel und Jean-Claude Juncker, sie symbolisierten die Skepsis und die gesamteuropäische Herangehensweise an die Bedrohung durch die chinesische Offensive. Auf der Pressekonferenz versuchte der französische Staatspräsident sogar, China zu kritisieren, indem er an die Umweltverschmutzung und die Menschenrechte erinnerte. Aber dieses pflichtschuldige und wenig überzeugende „mimimi“ interessierte niemanden, denn Geschäft ist immer noch Geschäft. Das Ergebnis des Besuchs waren 300 von Peking bestellte Airbus-Flugzeuge und weitere Verträge über 40 Milliarden.

Sizilianische Orangen gehen jetzt nach China. Aber was sind ein paar Orangen gegen Airbusse? Die Italiener brauchen sich aber keine Sorgen zu machen, denn das Wichtigste, was sie bekommen haben, ist das Memorandum, das zu etwas so großem wie der „Neuen Seidenstraße“ heranwachsen wird. Die Karte dafür hat China schon 2013 gemalt. Es ist das Konzept eines neuen interkontinentalen Transportsystems für den Frachttransfer von China in die europäischen Länder auf dem Seeweg und auf dem Land.

„China weiß bis auf den Millimeter, bis auf das Milligramm und bis auf den Cent, was es in 10-15 Jahren bekommen will. Italien sieht leider immer noch aus wie ein Land, das nicht weiß, was es will. Im Geschäftsleben gibt es nichts Gefährlicheres, als wenn man Geschäfte mit einem Partner macht, der einen genauen Plan hat, und Du keinen hast“ sagte Federico Mazini, Professor an der Universität von La Sapienza, Autor des Buches „Italien-China“.

Professor Mazini kennt China gut. Und China kennt ihn. Er wurde zusammen mit Marco Polo in der Ansprache von Xi Jinping in Italien über die „Neue Seidenstraße“ erwähnt. In dem Buch geht es um die Jahrhunderte der Beziehungen zwischen Italien und China, Jahrhunderte ohne Kriege und Konflikte, dafür mit Gewinnen und vorteilhaften Verträgen für beide Seiten.

Marco Polo stammt übrigens aus Venedig: Dort wollen die Chinesen hin. Der Hafen von Triest ist der Punkt, der Peking bei diesem ehrgeizigen Projekt fehlte. Heute ist es der beste Hafen Europas, denn auf dem Tisch des Chefs liegt keine Seekarte, sondern eine Karte der Eisenbahnverbindungen. Von hier führen Schienen nach Russland und in den Norden Europas und nach Großbritannien. Im vergangenen Jahr wurden hier 10.000 Züge beladen, in diesem Jahr 15.000, in der Zukunft werde es 25.000 sein.

„Wissen Sie, was ich an den Chinesen mag? Sie bringen nicht nur Geld, sondern auch ihr Konzept der Zeit. Sie sagen: Wir haben Zeit, andere nicht. Klar, dass es eine Diktatur ist und es dort andere Regeln gibt. Sie haben es nicht eilig, sofort Gewinne zu machen“ sagte Zeno D’Agostino, Präsident des Hafens von Triest.

Wo die Chinesen mitmachen dürfen, ist noch eine andere Frage: Mit Triest hat Peking noch keinen Vertrag. Und nur wenige Menschen wissen, dass Investitionsentscheidungen über mögliche Projekte in Brüssel getroffen werden, es fungiert als Vermittler und wird über die Beteiligung chinesischer Firmen an der Entwicklung von Triest entscheiden. Alles wird über europäische Ausschreibungen laufen: Der Hafen ist eine staatliche Gesellschaft. Hier zum Beispiel das Projekt der Erweiterung des Bahnhofes Campo Marzio.

„Wenn sie hier investieren wollen, müssen sie ein Finanzierungsprojekt vorlegen. Und ich nehme es an und schreibe die gesamteuropäische Ausschreibung aus. Es ist ein staatliches Objekt, und sie sind eine private Struktur. Wenn sie das beste gute Angebot machen, werden sie gewinnen“ sagte Zeno D’Agostino.

Wie China in der Lage ist, zu gewinnen und sanft aufzutreten, hat man in Europa schon gesehen. Der griechische Hafen von Piräus ist ein weiterer Punkt und eine Basis der „Neuen Seidenstraße“. Er ist bereits in der Hand der Chinesen und er gedeiht, während er die Häfen des Baltikums ruiniert. Vor Piräus sind bereits Genua, Algerien und Pakistan an China gefallen.

Der Hafen von Triest ist natürlich nicht das griechische Piräus, hier stehen die Investoren Schlange. Denn die „Import-Export“-Indikatoren bei diesem Hafen sind hervorragend, ebenso wie der Standort: Von hier aus werden die Container mit Zügen nach ganz Europa geschickt.

Wie viel China verdienen wird, kann kaum jemand sagen. Bisher wissen wir nur, wie viel es investieren wird. 2013 gründete Peking den Fond „Neue Seidenstraße“ mit einem Volumen von 50 Milliarden. Der Fonds wurde kürzlich verdoppelt. Weitere 100 Milliarden werden über die etablierte Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank fließen.

Das Projekt wird 4,5 Milliarden Menschen auf der Erde betreffen. All das ist so groß und so real, dass es die Vereinigten Staaten stören muss. Europa lernte jedoch, dem Ärger aus Washington wenig Aufmerksamkeit zu widmen. Italien ist das erste Land der „G7“, das ein Memorandum unterschrieben hat. Die Anderen denken darüber noch nach.

Ende der Übersetzung

Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Dort gibt es auch einiges an Informationen über internationale Handelsprojekte wie die Neue Seidenstraße oder die Eurasische Wirtschaftsunion.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Der Onkel, der was mitbringt ist einem lieber, als die Tante, die Klavier spielt. Und Tante Trump spielt und singt schief und fürchterlich.
    Letztlich wird das Geld siegen. Geld hat immer schon alle Kriege gewonnen.
    Den Amerikanern fehlt das Geld um mit den Chinesen mithalten zu können. Die USA können nur laut schreien und alle bedrohen, die nicht nach Ihrer Pfeife tanzen. Es werden sogar alleierte Länder wie Deutschland bedroht.
    Trump ist ein Geschenk des Himmels. Wegen diesen Trumpeltier wir sich Europa und vor allem Deutschland aus dem Würgegriff der USA lösen und nicht mehr sklavisch auf die Wünsche Washingtons hören.

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