Nord Stream 2: Wie der Spiegel seine Leser bewusst in die Irre führt

Bei Nord Stream 2 geht die Medien-Kampagne weiter. Am Donnerstag zeigte der Spiegel wieder ein interessantes Beispiel, bei dem in der Überschrift behauptet wurde: „Streit um Nord Stream 2 – Russland untergräbt Versprechen an Kanzlerin Merkel„. Dass dies nicht wahr ist, kann der aufmerksame Leser selbst am Ende des Artikels lesen. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie der Spiegel mit Überschriften Stimmung gegen Russland macht, im Artikel aber de facto etwas ganz anderes steht, wenn man aufmerksam liest. Aber der Reihe nach.

Wie geschickt die Medien allgemein und der Spiegel im Besonderen bei der Meinungsmache vorgehen, habe ich schon einige Male aufgezeigt. Dieser Artikel ist ein weiteres klassisches Beispiel dafür.

Wie immer zunächst zu den Fakten. Nord Stream 2 wird von einigen osteuropäischen Staaten, vor allem von Polen und den baltischen Staaten abgelehnt. Die USA lehnen das Projekt ebenfalls ab, weil sie ihr eigenes Fracking-Gas in Europa verkaufen wollen. Blöderweise ist es jedoch wegen der hohen Förder- und Transportkosten als Flüssiggas (LNG) um 30% teurer, als das russische Erdgas. Da die USA also in ehrlichem Wettbewerb keine Chance haben, versuchen sie Nord Stream 2 politisch zu verhindern.

Europa braucht jedoch mehr Gas, denn der Verbrauch in der EU wächst und gleichzeitig ist die Förderung aus den eigenen Gasfeldern in der Nordsee rückläufig. Die bestehenden Pipelines aus Russland, das sind Nord Stream 1, die Pipeline durch die Weißrussland und die Pipeline durch die Ukraine, sind voll ausgelastet. Hinzu kommt, dass der Gastransit durch die Ukraine problematisch ist, denn in der Vergangenheit hat die Ukraine den Transit immer wieder unterbrochen und so Druck auf die EU und Russland ausgeübt. Das geschah immer dann, wenn Verträge ausliefen und die Ukraine sich damit bessere Konditionen für den Transit herausholen wollte. Die Chronologie der Gaskonflikte der Vergangenheit finden Sie hier.

Außerdem hat die bankrotte Ukraine seit Jahren bei der Instandhaltung ihrer Pipelines gespart, sodass sie inzwischen auch technisch anfällig ist.

Sollte die ukrainische Pipeline ausfallen, sei es wegen Problemen bei den Verhandlungen um neue Verträge oder aus technischen Gründen, wäre das für die Länder Südosteuropas eine Katastrophe, denn es gibt keine Möglichkeit die Ausfälle zu ersetzen. In der Vergangenheit gab es in solchen Fällen in Bulgarien und Griechenland stellenweise tagelang Heizung, im Winter eine unangehme Sache.

Es gibt also gute Gründe für den Bau von Nord Stream 2. Da die USA aber Russland verdrängen wollen, um ihr eigenes Fracking-Gas in Europa zu verkaufen, machen sie Druck. Merkel hat daher verkündet, dass die Ukraine auch nach der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 als Transitland erhalten bleiben soll. Putin hat da auch gar nichts gegen, solange der Transit durch die Ukraine wirtschaftlich sinnvoll ist. 2020 müssen die Verträge mit der Ukraine neu abgeschlossen werden und die Verhandlungen zwischen der Ukraine, Russland und der EU zu dem Thema sind bislang festgefahren. Die Ukraine kann also kaum große Verbessserungen ihrer Konditionen herausholen, wenn damit der Transit durch das Land unrentabel werden sollte. Hinzu kommt, dass es beim Transit durch die Ukraine zu Verlusten von Gas kommt, weil die Pipelines marode sind und die Ukraine die Instandhaltungskosten am liebsten der EU und Russland überlassen möchte.

Das ist recht dreist, die Ukraine möchte an den Transitgebühren verdienen, aber die Instandhaltung ihrer eigenen Pipeline, wofür sie ja die Transitgebühren bekommt, den anderen aufbürden.

Die Ukraine kommt aber nun durch Nord Stream 2 in eine schwächeren Verhandlungsposition, dennoch ist die Regierung in Kiew bei diesem Thema für ihre Sturheit bekannt. Die Verhandlungen über den neuen Transitvertrag sind ja nicht deshalb schwierig, weil die EU und Russland sich nicht einigen könnten, es liegt an den Forderungen der Ukraine.

Vor dieser Situation greift der Spiegel eine Äußerung des russischen Energieministers auf, der auf diese Probleme hingewiesen hat. Der Spiegel erklärt jedoch die objektiv vorhandenen Probleme nicht, sondern stellt es stattdessen in der Überschrift als „Untergraben einess Versprechens“ an Merkel dar. Das ist auch insofern pikant, weil Merkel sich ja erst kürzlich wegen Nord Stream 2 weit aus dem Fenster gehängt hat und man nun glauben könnte, dass Russland ihr trotz ihrer Unterstützung für Nord Stream 2 in den Rücken fällt.

Der Artikel im Spiegel beginnt mit folgenden Worten: „Der russische Präsident Putin hatte Kanzlerin Merkel zugesagt, dass weiter Gas durch die Ukraine transportiert wird, wenn die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb geht. Der Energieminister sät daran Zweifel.

Hier schimmert also schon ein „russischer Wortbruch“ durch. Und als es um die Gründe geht, wird alles, was objektiv wahr ist, als Zitat des russischen Energieministers gekennzeichnet, also quasi als Behauptung eines Wortbrüchigen. Das säht beim Leser Zweifel am Gesagten: „Russlands Energieminister Alexander Nowak bezweifelt, dass sich der Transport von russischem Gas durch ukrainische Pipelines künftig noch lohnt. „Der Transit durch die Ukraine ist bisher am teuersten, nämlich bis zu zweieinhalb Mal teurer als über andere Strecken“, sagte Nowak der russischen Online-Zeitung Gazeta.ru.

Der Grund für diese hohen Kosten sind wie gesagt einerseits die guten ukrainischen Konditionen und andererseits die maroden ukrainischen Pipelines, deren Wartung die Ukraine seit Jahren vernachlässigt.

Dann kommt ein Hinweis auf die schwierigen Verhandlungen, die derzeit laufen, aber auch ohne Details: „Hintergrund der Äußerung sind Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine über eine Verlängerung des ukrainischen Transitabkommens für russisches Gas und der Streit um Nord Stream 2.

Der Spiegel verschweigt, dass auch die EU dabei mit am Tisch sitzt und vor allem verschweigt er, dass die Ukraine für sich noch bessere Transitbedingungen herausholen möchte, während sie gleichzeitig die Leitungen verfallen lässt, was den Transit ohnehin schon teurer macht.

Dann kommt im Spiegel Putins Versprechen an Merkel: „Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Bundeskanzlerin Merkel zugesagt, dass weiter Gas durch die Ukraine fließen werde. Merkel hatte das als Argument genutzt, um den Bau der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zu verteidigen.“

Hier lässt der Spiegel bewusst Putins Einschränkung weg: Putin hat Merkel zugesagt, dass Gas weiter durch die Ukraine fließen kann, wenn es sich wirtschaftlich lohnt. Bei den genannten Hintergründen zum Zustand der Pipeline ist das ein wichtiges Detail, das der Spiegel dem Leser an dieser Stelle vorenthält.

Erst später im Artikel gibt es einen Hinweis auf die Probleme mit den Pipelines der Ukraine, aber natürlich werden diese objektiv vorhandenen Probleme wieder als Behauptung des russischen Energieministers dargestellt: „Energieminister Nowak kritisierte gegenüber der Zeitung, dass die Ukraine beim Gastransit mit veralteten Pipeline-Systemen arbeite. Das führe zu hohen Verlusten beim Gastransport und verursache hohe Betriebskosten. Nord Stream 2 hingegen basiere „auf den neuesten Technologien“.

Hier fehlt jeder Hinweis auf die von der Ukraine vernachlässigte Wartung der Pipeline.

Der Spiegel beweist danach wieder einmal, dass er unter Vergesslichkeit leidet, denn wie massiv zum Beispiel der US-Botschafter auf deutsche Firmen Druck ausübt, hat der Spiegel im Januar selbst berichtet. Auch offene Sanktionsandrohungen durch den US-Botschafter bei der EU gab bereits im November, worüber der Spiegel ebenfalls berichtet hat. Trotzdem wird auch das nun als russische Behauptung dargestellt: „Nowak sagte der Zeitung, die USA würden über ihre Botschafter in europäischen Staaten Druck ausüben „und andere Länder in verschiedene Richtungen erpressen, einschließlich der Bereitstellung von Hilfe“

Und über den Wunsch der USA, Russland den europäischen Gasmarkt abzujagen, kann man auch etwas lesen, allerdings wird es nicht in den nötigen Zusammenhang gestellt und vor allem wird verschwiegen, dass das US-Gas 30% teurer ist, als das russische Gas: „US-Präsident Donald Trump will das Geschäft mit verflüssigtem Gas – das mit Tankern über die Ozeane transportiert werden kann – ausbauen und sieht Europa als Wachstumsmarkt.

Und erst ganz am Ende des Spiegel-Artikels kann man lesen, dass Putin nie etwas anderes zugesagt hat, als den ukrainischen Transit nur zu bewahren, wenn er sich auch wirtschaftlich rechnet: „Putin hatte sein Zugeständnis an Merkel bereits an die Bedingung geknüpft, dass sich der Gastransit für Russland wirtschaftlich lohnen müsse.“

Wobei es hier als „für Russland wirtschaftlich lohnen“ bezeichnet wird, was ebenfalls falsch ist. Es muss sich auch für die EU lohnen. Wenn der Transit durch die Ukraine teurer wird, steigen in Europa die Gaspreise und zwar vor allem in den südosteuropäischen Ländern, die durch die Ukraine beliefert werden. Diese Staaten haben aber auch keine Lust, immer mehr für das Gas zu bezahlen, weil die Ukraine immer höhere Forderungen stellt. Daher sitzt ja auch die EU mit am Tisch, wie man dann auch Spiegel lesen kann: „Das aktuelle Transitabkommen zwischen Moskau und Kiew läuft Anfang 2020 aus. Brüssel versucht, in den Verhandlungen zu vermitteln.

Vermitteln stimmt auch nicht wirklich, die EU ist Vertragspartner bei den Verhandlungen. Am Tisch sitzen der Verkäufer des Gases (Russland), der Käufer (EU) und das Transitland (Ukraine). Käufer und Verkäufer haben keine Probleme bei den Verhandlungen, Probleme macht das Transitland. Nur steht davon im Spiegel kein Wort.

Man sieht hier also ein weiteres Beispiel dafür, wie der Spiegel geschickt alle objektiv vorhandenen Probleme als „russische Behauptungen“ kennzeichnet, die wichtigsten Probleme erst gar nicht benennt und auch noch in der Überschrift etwas behauptet, was im letzten Absatz dann widerlegt wird. Das ist keine Berichterstattung oder Information, das ist per Definition Meinungsmache, oder wie man es eigentlich nennt, Propaganda.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Es ist ja nicht nur der Spiegel, welcher gegen Nordstream 2 interveniert. Zahlreiche andere bekannte atlantisch geführt Zeitungen beteiligen sich daran.
    Bei den Politikern treten die Atlantiker in dieser Frage besonders offen auf. Insbesondere bei den Grünen wird das so offensichtlich das es eigentlich jedem sofort auffallen müsste, das diese Leute eigentlich keine Grünen sein können. Obwohl gefrackt und mit hohen Energieverlusten transportiert ist man für US-Gas und gegen russisches Gas. Vom Kohleausstieg braucht man gar nicht zu reden.

    Und was insgesamt vollkommen unter den Tisch gekehrt wird ist die Tatsache, das die LNG-Terminals nicht von der US-LNG Industrie bezahlt werden sondern mit Steuermitteln, während Nordstream 2 mit allen Risiken von der Gasindustrie vorfinanziert wird.

    Wenn die Terminals von den Gasexporteuren selbst gebaut und finanziert werden müssten, dann müssten Sie zunächst verlässliche Verträge über die Lieferung abschließen. Sie müssen einen konkurrenzfähigen Preis vorlegen. Dazu müssten Sie darlegen, wie die Logistik stattfindet und wann ausreichend Schiffe vorhanden sind. Die Gasexporteure der USA haben keinen konkurrierenden Preis, keine belastbaren Verträge und können nicht darlegen wie sie das Gas transportieren wollen.

    Und schließlich glaube ich, das die USA zur Zeit und in näherer Zukunft gar nicht genügend Gas haben, um die zukünftig benötigten Kapazitäten zu liefen. Es geht den USA im Moment darum, das russische Geschäft zu sabotieren.

    Es gibt auch eine Studie die vom Nordstream 2 Konsortium beauftragt wurde, die sehr nachvollziehbar darlegt, das durch Nordstream 2 der Gaspreis in Europa und auch Weltweit sinken wird.

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