Propaganda: Der Spiegel beeinflusst in scheinbar sachlichen Artikeln subtil die öffentliche Meinung

Ein auf den ersten Blick sachlicher Artikel im Spiegel entpuppt sich beim näheren Hinsehen als gut gemachte Beeinflussung der Leser. Die dabei eingesetzt Mittel sind immer ähnlich, aber manchmal sind sie eben besonders schön zu sehen, so wie in diesem Fall.

Das Thema des heutigen Artikels im Spiegel ist der INF-Vertrag und die russische Reaktion auf den Ausstieg der USA aus dem Vertrag, über die ich gestern schon berichtet habe. Und grundsätzlich ist an den Informationen in dem Artikel auch nicht viel auszusetzen, interessant ist, wie die Meinung des Lesers durch das Vertauschen von Ursache und Wirkung und durch das Weglassen von Informationen in eine bestimmte Richtung gelenkt werden soll.

Schon im ersten Satz der Einleitung beginnt es folgendermaßen: „Nach dem Ausstieg aus dem INF-Abrüstungsvertrag hat Russland den Bau einer landgestützten Rakete mit größerer Reichweite angekündigt.

In der Sache völlig korrekt, die Sache hat nur einen Schönheitsfehler: Es wird mit keinem Wort erwähnt, dass die USA einseitig aus dem Vertrag ausgestiegen sind und dass Russland darauf nur reagiert. Wer aber diese Vorgeschichte nicht kennt, bekommt den Eindruck, Russland wäre aus dem Vertrag ausgestiegen. Entgegen der Fakten wird beim Leser der Eindruck erzeugt, Russland wäre der Initiator.

Und nachdem bei einem nicht so aufmerksamen oder gar einem mit dem Thema nicht vertrauten Leser dieser Eindruck entstanden ist, heißt es im ersten Absatz: „Der Kreml plant die rasche Entwicklung einer atomaren Mittelstreckenrakete mit der Reichweite von mehr als 500 Kilometern: Das sagte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Der Prozess soll bereits in Kürze beginnen. Der INF-Vertrag erlaubte diese Reichweite bisher nicht.

Auch hier also wird der Eindruck vermittelt, Russland sei aus dem Vertrag ausgestiegen, um eine Rakete zu entwickeln, die laut Vertrag verboten war. Dabei ist wieder das Gegenteil der Fall: Die USA sind aus dem Vertrag ausgestiegen, weil sie derartige Raketen entwickeln wollen und die dafür nötigen Mittel sogar schon im letzten Sommer in den Haushalt des Pentagon eingestellt haben. In Russland berichteten die Medien schon Monate vorher, dass die USA den Vertrag kündigen würden und in Russland war niemand überrascht, als Trump im Oktober endlich den Ausstieg der USA ankündigte. Überrascht tat man aber im Westen, dabei hätten Medien und Politik wissen können und müssen, dass die USA die Gelder für die Entwicklung vertragswidriger Raketen schon Monate vorher bewilligt hatten.

Während der Spiegel also die russische Reaktion (korrekterweise) als Tatsache hinstellt, wird die andere Tatsache, nämlich dass die USA solche Raketen entwickeln, im Spiegel als russische Behauptung hingestellt: „Schoigu sagte, die Amerikaner arbeiteten aktiv an landgestützten Raketen mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern. „In Anbetracht dessen hat der russische Präsident dem Verteidigungsministerium die Aufgabe gestellt, spiegelartige Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen“, sagte der Minister.

Danach erst kommt der Spiegel zu der Kündigung des Vertrages selbst, wobei er wieder verschweigt, dass es die USA sind, die aus dem Vertrag einseitig wollen: „Die USA und Russland hatten das mehr als 30 Jahre alte Abkommen über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen am Wochenende nacheinander ausgesetzt, weil sie sich gegenseitig Verstöße vorwerfen.

Wir scheinen hier schon die zukünftige Sprachregelung der westlichen Medien und Politiker zu sehen. Man verschweigt, dass die USA den Vertrag einseitig gekündigt haben und sagt, beide hätten „das Abkommen ausgesetzt“. Ich wette, wenn diese Formulierung oft genug wiederholt wird, wird in sich in einem Jahr kaum noch ein Leser an die Wahrheit erinnern.

Dass es gegenseitige Vorwürfe gibt, stimmt übrigens. Aber Russland hat seine Vorwürfe präzisiert und klar aufgezählt und sie sind überprüfbar. Und obwohl die USA schon seit 1999 gegen den Vertrag verstoßen, hat Russland ihn nie gekündigt, nicht einmal eine Kündigung erwogen. Russland scheint ein schlechter und ab und zu gebrochener Vertrag immer noch lieber zu sein, als gar kein Abrüstungsvertrag. Der Verstoß der USA seit 1999 ist auch leicht für jeden überprüfbar. 1999 begannen die USA Drohnen zu testen, die auch atomwaffenfähige Raketen tragen können. Der Vertrag verbat aber Waffensysteme, die unbemannt von Land aus starten (wie eine Drohne es tut) und Atomwaffen in Ziele in einer Entfernung von 500 bis 5.500 Kilometer bringen können (was auf Drohnen ebenfalls zutrifft). Der Verstoß der USA ist also schwer zu bestreiten. Und es gibt noch weitere überprüfbare russische Vorwürfe.

Die Vorwürfe der USA gegen Russland beruhen dagegen auf (angeblichen) Geheimdienstinformationen und sind nicht überprüfbar.

Die USA werfen Russland vor, die neue russische Rakete „9M729“ wäre eine für den Einsatz von Land aus modifizierte „Kalibr“-Rakete. Die „Kalibr“ ist das russische Gegenstück zur amerikanischen „Tomahawk“. Nur gibt es dafür keine überprüfbaren Beweise und Russland bestreitet es. Natürlich kann es sein, dass Russland in diesem Punkt die Unwahrheit sagt, aber da es nicht überprüfbar ist, steht Aussage gegen Aussage.

Das Thema ist dafür aber eine hervorragende Ablenkung von einem weiteren, praktisch identischen russischen Vorwurf an die USA: Russland sagt, dass die USA die „Tomahawk“-Marschflugkörper vertragswidrig vom Boden aus abfeuern können. Und auch diese Aussage ist gut belegt, denn die gleiche Startvorrichtung, sie heißt Mk41, mit der die „Tomahwak“ von Schiffen aus abgefeuert wird, wird auch bei der US-Raketenabwehr in Polen und Rumänien benutzt. Man könnte von dort also auch „Tomahawk“-Raketen starten und das wäre ein klarer Vertragsbruch. Schon die Aufstellung dieser Startrampen an Land ist ein Verstoß gegen den INF-Vertrag. Und die USA bestreiten auch gar nicht, die Mk41 in Rumänien und Polen aufzustellen, es ist also keine bloße russische Behauptung.

Zu dieser komplexen Thematik steht im Spiegel lediglich: „Die russische Marine setzt die Kalibr-Marschflugkörper seit dem Herbst 2015 in Syrien ein. Von einem Kriegsschiff im Kaspischen Meer wurden 26 Raketen auf Stellungen syrischer Rebellen in einer Entfernung von 1500 Kilometern abgefeuert. Diese soll nun offenbar zur landgestützten Version modifiziert werden. Nach Einschätzung von US-Experten gibt es die landgestützte Version des Kalibr-Marschflugkörpers bereits.

Aber egal, ob es die landgestützte Version der „Kalibr“ gibt oder nicht, es gilt das gleiche, wie bei der „Tomahawk“: Die Startvorrichtungen, die bisher in Schiffe eingebaut wurden, kann auch Russland problemlos an Land aufstellen. Es dürfte also technisch nicht allzu kompliziert sein, eine seegestützte Rakete wie die amerikanische „Tomahawk“ oder die russische „Kalibr“ von Land aus abzufeuern.

Vor diesem Hintergrund dürfte es sehr bald schon wieder taktische Atomraketen in Europa geben, ganz genauso wie zu Zeiten des Nato-Doppelbeschlusses um Kalten Krieg. Und wenn Russland Recht hat, dann gibt es sie schon, nämlich auf der Basis der US-Raketenabwehr in Rumänien und demnächst in Polen. Und sollten die USA Recht haben, dann gibt es derartige russische Raketen schon in Kaliningrad. Keine schöne Entwicklung.

Es wäre im Interesse der Europäer, sich hier massiv gegen ein neues Wettrüsten zu wehren, dass im Kriegsfalle Europa zum atomaren Schlachtfeld macht, denn nur dazu sind diese taktischen Waffen verwendbar. Während Russland und Europa davon bedroht sind, sind die USA jenseits des Atlantik davor sicher. Aus dieser Perspektive haben die USA allen Grund, sich durch die Kündigung des INF-Vertrages einen strategischen Vorteil gegenüber Russland zu verschaffen, während Russlands Sicherheit ohne den Vertrag reduziert wird. Von diesen Zusammenhängen liest man im Spiegel aber nichts: Russland hat keinerlei Vorteile durch die Kündigung des Vertrages, die USA hingegen schon.

Und die Europäer? Sie sind zum Zuschauen verdammt, weil sie nicht den Mumm haben, den USA die Stationierung dieser Raketen auf dem Kontinent zu untersagen. Dabei sind die Europäer die großen Verlierer dieser Entwicklung.

Nachtrag: Anscheinend gilt die neue Sprachregelung zur Vertragskündigung tatsächlich schon. Etwas später am gleichen Tag erschien ein weiterer Artikel im Spiegel, in dem diese Formulierung bereits benutzt wird: „Europas Spitzenpolitiker erklären seit Wochen unisono, dass das Abkommen über nukleare Mittelstreckenraketen wesentlich für die europäische Sicherheit ist. Am Wochenende haben die USA und Russland trotz aller europäischen Bemühungen ihren Rückzug aus dem Abkommen erklärt – und die EU-Außenminister sagen gemeinsam: nichts.

Aber noch dreister ist die Lüge über die Bemühungen der Europäer, den Vertrag zu erhalten. Als in der UNO darüber abgestimmt wurde, ob man in der Vollversammlung der UNO dieses Thema debattieren solle, was für die USA peinlich hätte werden können, da stimmten alle europäischen Nato-Länder mit den USA gegen eine solche Debatte und verhinderten sie damit. Außer Lippenbekenntnissen für die Presse gab es keine Bemühungen der Europäer, die USA an der einseitigen Vertragskündigung zu hindern, sie schlossen sich im Gegenteil in der Nato einstimmig der US-Position an. Aber was interessiert den Spiegel die Wahrheit?

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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