Putin im O-Ton zu den Sanktionen und dem aktuellen Verhältnis zu den USA und zu Trump

Am Dienstag fand im russischen St. Petersburg eine Konferenz zu den Fragen der Arktis statt. Es ging sowohl um Bodenschätze als auch um Umweltfragen. An der Podiumsdiskussion nahmen neben Präsident Putin auch die Regierungschefs von Finnland, Schweden, Norwegen und Island teil. Traditionell werden solche Podiumsdiskussionen in Russland von ausländischen Journalisten moderiert, die natürlich bemüht sind, Putin über Fragen der internationalen Politik auszufragen. Diesmal war der Moderator war eine Redakteur von Bloomberg.

Die Moderatoren sind daher immer sehr bemüht, Putin möglichst viele Fragen zu stellen, die mit dem eigentlichen Thema der Konferenz nichts zu tun haben und dabei werden die anderen Teilnehmer der Diskussion sehr vernachlässigt. Putin versucht immer wieder, den Gesprächsanteil der anderen Teilnehmer zu erhöhen und auf das eigentliche Thema zurückzukommen. Trotzdem gab es auch diesmal wieder einige Fragen, die sich um die internationalen Politik drehten. Diese Teile der Diskussion habe ich übersetzt.

Zunächst ging es um die Russland Sanktionen, zu denen Putin befragt wurde.

Beginn der Übersetzung:

Putin: Was die EU und die gegenseitigen Sanktionen angeht, Sie wissen das wahrscheinlich, es ist nicht möglich, dass Bloomberg das nicht weiß: Nach Schätzungen der Europäischen Kommission beliefen sich die Verluste der Europäischen Union in 2015 oder 2016 durch die Sanktionen meines Wissens auf etwa 50 Milliarden Euro, die Verluste Russlands werden auf 25 bis 26 Milliarden geschätzt. Aber es ist klar, dass die Europäische Union mehr verliert als wir.

Nach deutschen Schätzungen, also nach Einschätzung von Experten aus Deutschland, beträgt der verlorene Gewinn für Deutschland 56 Milliarden, unsere Verluste betragen nur ein Drittel davon. Aber wir freuen uns darüber nicht. Nein, es gibt nur gemeinsame Verluste und das ist wirklich schädlich.

Nun zur den Sanktionen selbst.

Erstens müssen alle Sanktionen, wenn sie rechtmäßig sein sollen, vom UN-Sicherheitsrat genehmigt werden. Und das ist nicht der Fall, damit sind sie illegal. Das ist das Erste.

Aber das zweite ist, meiner Meinung nach, das Wichtigste. Aus unerfindlichen Gründen verhängt niemand Sanktionen für Einmischungen in die inneren Angelegenheiten anderer Länder, für die Störung des innenpolitischen Lebens, für die Zerstörung von Staaten. Niemand verhängt Sanktionen gegen diejenigen, die einen Staat in eine Lage bringen, dass andere Länder gezwungen sind, bestimmte Maßnahmen zum Schutz ihrer Interessen zu ergreifen.

Lassen Sie uns einfach auf die Einhaltung der grundlegenden Normen des Völkerrechts, der Charta der Vereinten Nationen, zurückkommen und vielleicht müssen wir dann nicht über die Folgen der Bombardierung Jugoslawiens oder einige andere Dinge nachdenken, die mit einer so groben Verletzung des Völkerrechts und den Folgen daraus zusammanhängen.

Lassen Sie uns einfach zu einem normalen politischen Leben zurückkehren und anerkennen, dass die Welt aus gegenseitigen Abhängigkeiten besteht. Um ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen, müssen wir zusammenarbeiten.

Moderator: Herr Präsident, Sie haben weltweit den Ruf, ein Realist und Pragmatiker zu sein. Sie können zu Recht sagen, dass Sanktionen ungerecht sind. Aber immer noch sagen viele europäische Mächte, dass die Sanktionen in Kraft bleiben sollten. Was denken Sie, wie lange werden die Sanktionen bleiben? Noch zehn Jahre? Wie sieht die Zukunft Russlands aus?

Putin: Russlands Zukunft hängt nicht von den Sanktionen ab. Die Zukunft Russlands hängt nur von uns ab, davon, wie sehr wir unser politisches System effektiv verändern können, wie demokratisch es sein wird, wie wir die gesündesten Kräfte der Gesellschaft nach vorne bringen können, wie wir die kreative Energie unserer Bürger verwirklichen. Wie effektiv wir all das nutzen können. Wie effektiv wir die Ressourcen der russischen Wirtschaft nutzen können. Ich habe schon habe darüber gesprochen, dass im vergangenen Jahr 600 Milliarden Rubel (ca. 7 Mrd. Euro, Anm. d. Übers.), ich glaube, es waren 637, in Importsubstitution investiert wurden. Und es funktioniert alles effektiv. Wir haben eine hervorragende Wissenschaft und Bildung. Wir müssen das alles im richtigen Zustand halten und voranschreiten. Und ich bin sicher, dass wir Erfolg haben werden, auch bei der Umsetzung nationaler Projekte.

Sanktionen sind ein Instrument, wenn wir es überhaupt einsetzen, das ausschließlich in die Hände des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gehört. Alles andere muss im Dialog gelöst werden und nicht, indem einige Länder anderen Ländern ihre Agenda aufzwingen. So einfach ist das.

Sanktionen werden heute nicht nur als Instrument des geopolitischen Kampfes, sondern als ein Element des Konkurrenzkampfes in der Welt benutzt. Nehmen Sie „Nord Stream 2“, unsere amerikanischen Freunde kämpfen dagegen. Aber für die europäischen Partner ist es eindeutig von Vorteil. „Nein, baut die Pipeline nicht!“, sagen die Amerikaner Es ist schwierig, mit der Europäischen Union zusammenzuarbeiten, es gibt viele Länder, und fast alles muss im Konsens entschieden werden.

Mit der Türkei haben wir „Turk Stream“ bereits durch das Schwarze Meer gebaut. „Turk Stream“ nimmt bereits Ende dieses Jahres die Arbeit auf. Aber mit den Europäern können wir uns noch immer nicht einigen. Ganz genauso haben haben wir es in den 1960er Jahren bei dem Projekt „Gas gegen Rohre“ gesehen, das die USA bekämpft haben, als wir das Projekt damals mit Deutschland gemacht haben. Es war alles ganz genauso, wie heute.

Das Gleiche galt für „Nord Stream 1“. Wenn es „Nord Stream 1“ nicht gäbe, wie wäre es jetzt mit der internationalen Energieversorgung? Ich kann es Ihnen sagen. Die Preise wären noch höher als heute, das ist alles. Wollen Sie Bodenschätze zu höheren Preisen kaufen? Nein. Ich weiß nicht, was noch passiert, um Druck auf die europäischen Länder auszuüben. Sollen Sie den Preisunterschied zwischen unserem Gas und dem amerikanischen Flüssiggas aus ihren nationalen Haushalten kompensieren, wir reden immerhin über 30 Prozent Preisunterschied. Das amerikanische Flüssiggas unter Marktbedingungen nach Europa zu verkaufen, ist unmöglich. Es ist unmöglich, niemand würde es kaufen. Private Haushalte zahlen nicht einfach so freiwillig mehr für die gleiche Ware.

Was müsste dann getan werden, um gleiche Bedingungen zu schaffen? Die Differenz müsste aus den Staatshaushalten erstattet werden. Aber das wäre Zynismus der höchsten Sorte. Aber ich denke, wenn es so weiter geht, wird es so kommen. Aber das ist nicht mehr unsere Entscheidung. Das ist die Entscheidung der europäischen Partner.

Und die Forderungen, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen? Was glauben Sie, womit das zusammenhängt? Hängt das Ihrer Meinung nach mit der Verschlechterung der internationalen Gesamtsituation zusammen? Das ist nur ein Vorwand. Das Hauptmotiv ist es, zusätzliches europäisches Geld in den militärisch industriellen Komplex der USA zu pumpen, das ist alles. So einfach sind die wichtigsten Antworten.

Und damit dies nicht geschieht, sollten wir zur Einhaltung der grundlegenden Normen des Völkerrechts zurückkehren. Darüber haben wir schon oft gesprochen.

Nachdem es dann zunächst wieder um die Fragen der Arktis ging, kam der Moderator wieder zu geopolitischen Themen zurück und versuchte, aus Putin weitere Antworten herauszuholen. Es ging dabei um Ölförderquoten, zu denen er immer wieder Informationen aus Putin herauskitzeln wollte, worauf Putin schließlich lächelnd sagte:

Sie versuchen wirklich alles, um eine konkretere Antwort von mir zu bekommen, die bekommen Sie aber nicht. Wir werden mit der OPEC zusammenarbeiten und unsere Entscheidungen abhängig von der Situation auf den Märkten treffen.

Moderator: Ich bin Journalist, darum tue ich, was ich kann. Ich habe noch eine letzte Frage zu internationalen Problemen an Sie, bevor wie zur Arktis zurückkommen.

Putin lachend: Ich bitte die Kollegen Regierungschefs um Verzeihung, ich kann nichts dafür, dass er nur mich fragt.

Moderator: Ja, Sie können mir die Schuld geben, es ist alles meine Schuld, aber wir kommen gleich zurück zur Arktis.

Vor diesem Treffen sprachen wir mit den Nutzern der sozialen Plattform von „Bloomberg“, TicToc heißt sie. Dort sind überwiegend junge Leute. Wir haben mit ihnen gesprochen, und es ist keine besondere Überraschung, dass viele an der Frage der Beziehungen zwischen den USA und Russland interessiert sind. Diese Frage ist oft aufgetaucht. Lassen Sie mich einige Minuten darauf verwenden.

Auf dem Gipfel in Helsinki lud Präsident Trump Sie nach Washington ein. Nun, da Muellers Bericht erschienen ist, ist es kein Problem mehr. Glauben Sie, dass Trump sein Versprechen erfüllen kann, die Beziehungen zu Russland zu verbessern? Ich weiß, dass Sie in diesem Jahr eine Einladung ins Weiße Haus haben.

Putin: Wissen Sie, es gibt hier in Russland ein gutes Buch, es heißt „Zwölf Stühle“, und fort gibt den Satz: „Kommen Sie uns besuchen, die alte Mama wird sich sehr freuen. Aber die Adresse wurde nicht hinterlassen.“

Die Situation sollte reifen. Wir haben immer gesagt, dass diese berüchtigte Kommission von Herrn Mueller nichts finden wird, weil das niemand besser wusste, als wir. Russland hat sich bei keiner Wahl in den USA eingemischt. Das ist die eine.

Zweitens: Es gab die Absprachen, die Herr Mueller zwischen Trump und Russland gesucht hat, nicht. Ich kannte Herrn Trump nicht. Ja, er kam nach Moskau, aber als Geschäftsmann und, ehrlich gesagt, war das für uns nichts besonderes. Das ganze ist totaler Quatsch, der ausschließlich für das amerikanische Publikum konstruiert wurde und im innenpolitischen Kampf innerhalb der Vereinigten Staaten eingesetzt wird.

Die Tatsache, dass da ohne Mücke ein Elefant gemacht wurde, war für uns von vorneherein klar. Ich habe das immer wieder gesagt. Aber jetzt ist es so gekommen, aber die Situation in den USA ist dadurch nicht einfacher geworden. Jetzt werden neue Vorwände gesucht, um Präsident Trump angreifen.

Ich denke, es tut mir leid, dass ich ein wenig anschweife, dass dies ein Element der Krise im politischen System der USA selbst ist. Schauen Sie, was dort passiert: Jene Gruppen, die den rechtmäßig gewählten Präsidenten angreifen, sind sie nicht einverstanden mit der Wahl des amerikanischen Volkes, wollen das Ergebnis der Wahl ändern.

Das ist eine Krise des politischen Systems in den USA. So etwas haben wir in der Geschichte der USA noch nie gesehen. Ja, es gibt dort heftige Wahlkämpfe, aber wenn ein Kandidat gewonnen hat, dann wird es akzeptiert, das war immer so, und sie haben sich um das Staatsoberhaupt vereint, um die nationalen Aufgaben anzugehen. So etwas sehen wir derzeit in den Staaten nicht. Im Gegenteil die Spaltung wird weiter vertieft.

Verstehen Sie, was dort passiert? Sie stellen ihre Gruppen- oder Parteiinteressen über die nationalen Interessen. Das passiert dort.

Ich verteidige jetzt nicht den Präsidenten Trump, wir haben in vielen Fragen Uneinigkeit mit ihm. Unter einer Regierung wurde eine große Anzahl von Sanktionen gegen Russland eingeführt, was wir natürlich nicht gut heißen, und auch nie gut heißen werden. Und wir glauben, dass das kontraproduktiv ist. Aber wenn der Dialog zwischen den USA und Russland wieder aufgenommen wird, ein vollwertiger, gleichberechtigter Dialog, auch in Fragen, die die unsere Interessen und die Interessen der Menschheit betreffen, nämlich in Abrüstungsfragen, werden wir nur froh darüber sein, wir sind dazu bereit.

Moderator: Präsident Trump sagt, er sei von diesem Mueller-Bericht freigesprochen worden. Aber Sie persönlich als Mensch, freuen Sie sich nach all dem, was passiert ist, für Präsident Trump? Nachdem er das als „Hexenjagd“ bezeichnet hat?

Putin: Das muss Präsident Trump wissen. Was eine „Hexenjagd“ ist, wissen wir aus der Geschichte der USA. Das ist eine dunkle Seite in der amerikanischen Geschichte. Man kann nicht wollen, dass sich so etwas wiederholt.

Moderator: Ich habe in diesem Zusammenhang noch eine letzte Frage. Das ist die letzte, das verspreche ich Ihnen.

Auf der berühmten Pressekonferenz in Helsinki sagten Sie, Sie hätten gehofft, dass Trump 2016 gewinnen würde, weil er versprochen habe, dass er die Beziehungen zu Russland verbessern will. Wollen Sie, dass er jetzt, dass er auch 2020 gewinnt?

Putin: Wissen Sie, ich habe schon gesagt, dass wir in internationalen Fragen, bei Problemen bei der Lösung einiger Krisen eine Menge Unstimmigkeiten haben. Aber es gibt auch Elemente der Zusammenarbeit. So verschieden unsere Sichtweisen auf die Syrien-Krise sind, aber trotzdem findet dort eine Zusammenarbeit statt, wir arbeiten zusammen.

Wir haben übrigens gemeinsame Probleme in der Arktis, über die wir hier heute eigentlich sprechen wollen. Die Vereinigten Staaten haben in der Arktis viele Interessen. Wir haben viele Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel im Allgemeinen. Wir wissen, dass die USA das Pariser Abkommen nicht unterzeichnet haben, die Regierung hat ihre eigenen Motive, ihre eigene Logik. Ich gehöre nicht zu denen, die der Meinung sind, dass man die Regierung in diesem Zusammenhang angreifen sollte, sondern man einen Dialog führen muss . Und dann kann man, glaube ich, versuchen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Denn ohne die Beteiligung der USA an diesen Prozess, sowie ohne die Beteiligung von China und Indien, ist die effektive Arbeit der internationalen Gemeinschaft kaum zu erwarten. Die USA sind einer der größten Emittenten von umweltschädlichen Gasen. Das ist offensichtlich, das muss man verstehen. Deshalb ist es notwendig, eine Lösung zu finden, die Vereinigten Staaten dort einzubinden und sie zum Dialog einzuladen. Generell verweigert sich Trump dem, soweit ich das verstehe, nicht.

Viele bilaterale Dinge scheinen mir heute unter dem Druck innenpolitischer Umstände zu stehen. Wir hoffen, dass, wenn sich diese Situation normalisiert, wir Aussicht auf eine Zusammenarbeit haben werden, und zwar auf bilateraler Ebene in allen von mir genannten Fragen. Und das sind Terrorismus, Epidemien und Ökologie. Ja, das sind viele Fragen und Abrüstungsfragen kommen noch hinzu.

Ich denke, wir sind alle daran interessiert und sobald die Bedingungen in den USA sich verbessert haben, werden wir daran arbeiten. Ob wir es wollen oder nicht, es hängt nicht von uns ab. Darum kann die Frage, ob wir etwas wollen oder nicht, hier nicht gestellt werden. Wir respektieren die Wahl des amerikanischen Volkes. Wer auch immer der Präsident ist, wir sind bereit, mit ihm zu arbeiten.

Ende der Übersetzung

Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Dort habe ich viele derartige Diskussionsveranstaltungen komplett übersetzt, denn Putin nimmt jedes Jahr an vielen derartigen Diskussionen teil, wo er stundenlang ausländischen Journalisten Fragen beantwortet. Das wird auch auf einem Nachrichtensender immer live übertragen und diese Veranstaltungen sind für den politisch interessierten Menschen eine wahre Freude.

In meinem neuen Buch „Das Ukraine Kartell – Das Doppelspiel um einen Krieg und die Millionen-Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Biden“ enthülle ich sachlich und neutral, basierend auf Hunderten von Quellen, bisher verschwiegene Fakten und Beweise über die millionenschweren Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Joe Biden in der Ukraine. Angesichts der aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage: Ist eine kleine Gruppe gieriger Geschäftemacher möglicherweise bereit, uns für ihren persönlichen Profit an den Rand eines Dritten Weltkriegs zu bringen?

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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