Putin im O-Ton zu der Frage, warum Russland sich stark in Syrien engagiert

Der russische Präsident Putin fährt demnächst zu einem Staatsbesuch nach Saudi-Arabien und vor dieser Reise hat Putin den arabischen TV-Sendern Al Arabia, Sky News Arabia und RT Arabic ein einstündiges Interview gegeben.

Wie schon bei früheren solchen Interviews werde ich wieder Teile davon übersetzen, die ich als interessant für deutsche Leser einschätze. In diesem ersten Teil geht es um die Frage, warum Russland in Syrien so entschieden eingegriffen hat, nachdem es dem Westen die Kriege gegen den Irak und Libyen mehr oder weniger hat durchgehen lassen.

Beginn der Übersetzung:

Journalist: Als Sie schon mehr als 10 Jahre lang Präsident waren, ereigneten sich im Nahen Osten wirklich harte, dramatische Ereignisse, es wurden die Grundfesten einer Reihe von Staaten erschüttert, die Grundlage des Irak wurde zerstört und Libyen auch. Dieses Schicksal könnte auch andere Staaten erwarten.

Jetzt sehen wir, was für katastrophale Ereignisse in der Arabischen Republik Syrien passiert sind. Und viele Menschen in der arabischen Öffentlichkeit denken, dass Russland seine Rolle in der Region stärken kann. Natürlich wissen Sie, dass unser Kanal RT Arabic auch über die Außenpolitik der Russischen Föderation berichtet. Viele unserer Zuschauer fragen: Warum hat Russland in Syrien eine so entschiedene Haltung eingenommen, aber nicht in Libyen und dem Irak?

Putin: Tatsache ist, dass die Vereinigten Staaten im ersten Fall, wie bekannt ist, unter Umgehung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gehandelt haben. Die Vereinigten Staaten hatten kein Mandat, Gewalt gegen den Irak anzuwenden. Russland hat das nicht unterstützt. Russland, Frankreich und Deutschland, wir haben die US-Pläne in Sachen Irak nicht unterstützt. Darüber hinaus haben wir vor den möglichen negativen Folgen gewarnt. Und sie sind genau so eingetroffen.

Und die erste Euphorie über militärische Siege wich schnell der Verzweiflung und dem Pessimismus über die Folgen dieses Sieges. Weil alle staatlichen Strukturen im Irak zerstört wurden und – zumindest in der ersten Phase – keine neuen Strukturen geschaffen wurden. Im Gegenteil, die radikalen Kräfte wurden gestärkt und das, was wir als Terrorismus bezeichnen, hat sich dort entwickelt.

Viele ehemalige Armeeoffiziere und Geheimdienstbeamte von Sadam Hussein haben die Seiten gewechselt, haben sich den Radikalen angeschlossen und mit ihrer Hilfe wurde der IS geschaffen. Das konnte geschehen, weil keiner von denen, die diesen Krieg unterstützt haben, über die Folgen nachgedacht hat.

Wir hoffen sehr, dass sich der Irak heute positiv entwickeln und trotz einiger interner Probleme weiter vorankommen wird. Obwohl es leider immer noch viele Probleme gibt, das wissen wir nur zu gut.

Was Libyen betrifft, so hört das Chaos, das nach der Militäroperation entstanden ist, bisher leider nicht auf. Aber in diesem Fall haben uns unsere westlichen Partner – wie wir sagen, ich weiß nicht, wie das übersetzt wird – „aufgeblasen“. (Anm. d. Übers.: Diese umgangssprachliche russische Formulierung bedeutet vom Sinn her „verarscht“, aber kommt ohne dieses unschöne Wort aus) Russland hat für die entsprechende Resolution des Sicherheitsrates gestimmt. Denn was steht in der Resolution, wenn man sie liest? Die Resolution untersagte Gaddafi den Einsatz von Flugzeugen gegen die Rebellen, aber mit keinem Wort wurden Luftangriffe auf libysches Territorium erlaubt, aber genau das hat der Westen getan. Das bedeutet, dass auch das eine Verletzung der Regeln des UN-Sicherheitsrates war, was in der Praxis passiert ist, war eine Umgehung des UN-Sicherheitsrates. Und was die Folgen sind, wissen wir sehr gut. Dort herrscht immer noch Chaos und eine Flut von Migranten ergießt sich durch Libyen nach Europa, davor hat Gaddafi immer gewarnt: Er hat den Migranten aus Afrika den Weg nach Europa versperrt. Sobald diese „Wand“ weg war, ergoß sich der Strom. Jetzt haben sie in Europa bekommen, wovor sie immer gewarnt wurden. Aber das ist vielleicht nicht einmal das Wichtigste. Das Wichtigste ist, dass das den gesamten Nahen Osten destabilisiert hat.

Was Syrien betrifft, so sind wir nach Syrien gekommen, um die legitime Regierung zu unterstützen, was völkerrechtskonform ist, das möchte ich betonen. Das bedeutet nicht, dass es dort keine internen Probleme gibt, dazu kann ich später noch zwei weitere Worte sagen. Das bedeutet nicht, dass die derzeitige Führung keine Verantwortung für die Situation trägt. Ja, aber das bedeutet nicht, dass wir deshalb terroristischen Organisationen hätten erlauben sollen, Gebiete in Syrien zu erobern und dort quasi-staatliche terroristische Gebilde zu schaffen. Wir konnten nicht zulassen, dass danach ein Strom Militanter von dort in die Länder der ehemaligen Sowjetunion zurück strömen würde, mit denen wir offene Grenzen und keine Visaregelung haben. (Anm. Übers.: In Syrien kämpfen auf Seite der Islamisten nicht nur Ausländer aus arabischen oder europäischen Ländern, sondern auch viele aus muslimischen, ehemaligen Sowjetrepubliken. Die an eine unkontrollierten Rückkehr aus Syrien zu hindern, war immer einer der Hauptgründe für Russlands Eingreifen in Syrien: Russland wollte nicht, dass der islamistische Terror danach aus Syrien nach Russland kommt.) Das konnten wir nicht zulassen. Wir konnten den Militanten nicht erlauben, von dort aus nach Russland zu kommen. Wir haben das bereits erlebt und wir wissen aus den Ereignissen im russischen Nordkaukasus, wozu das führen kann (Anm. d. Übers.: Putin meint den Tschetschenienkrieg, bei dem ebenfalls eingesickerte Islamisten einen blutigen Krieg auf russischem Boden entfesselt haben, Details dazu finden Sie hier) All dies war unsere Motivation, als wir beschlossen haben, der legitimen Regierung zu helfen.

Wir haben nicht nur einfach die legitime Regierung unterstützt. Wir glauben, dass innenpolitische Gegensätze nur mit politischen Mitteln beseitigt werden dürfen und können. Deshalb haben wir – und ich bin sehr froh, dass dies jetzt geschieht – als Beginn des politischen Prozesses auf die Schaffung des sogenannten Verfassungskomitees bestanden. Diese Idee wurde hier geboren, wo wir jetzt sind, in Sotschi, auf dem syrischen Volkskongress, wo verschiedene politische Kräfte aus Opposition und Regierung vertreten waren. Und dann waren sich die Syrer untereinander einig, dass sie ein Verfassungskomittee schaffen wollen, das mit der Arbeit an der Änderung der syrischen Verfassung oder der Ausarbeitung einer neuen Verfassung beginnen sollte. Wir haben auf dem Weg zur Bildung dieses Komitees einen langen Weg zurückgelegt. Jetzt wird es endlich von der Regierung von Präsident Assad und der Opposition gebildet. Ich hoffe, dass es in den kommenden Tagen unter der Schirmherrschaft der UNO seine ersten Schritte in Genf machen wird.

Ende der Übersetzung


Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. In dem Buch gibt es nicht nur sehr viele Äußerungen Putins über die Entwicklungen in Syrien, auch aus der Zeit des Irak-Krieges sind dort zum Beispiel Äußerungen Putins zu lesen, in denen er erzählt, wie er damals zusammen mit Bundeskanzler Schröder und dem französischen Präsidenten Chirac versucht hat, den Irak-Krieg zu verhindern.

In meinem neuen Buch „Das Ukraine Kartell – Das Doppelspiel um einen Krieg und die Millionen-Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Biden“ enthülle ich sachlich und neutral, basierend auf Hunderten von Quellen, bisher verschwiegene Fakten und Beweise über die millionenschweren Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Joe Biden in der Ukraine. Angesichts der aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage: Ist eine kleine Gruppe gieriger Geschäftemacher möglicherweise bereit, uns für ihren persönlichen Profit an den Rand eines Dritten Weltkriegs zu bringen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich direkt hier über den Verlag bestellbar.

Hier geht es zum neuen Buch

Werbung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Schreibe einen Kommentar