Putins Antwort im O-Ton: Beim Frankreich-Besuch befragt Journalistin Putin zu den Protesten in Moskau

Bei seinem Frankreich-Besuch wurde Putin am Montag von Journalisten zu den Demonstrationen in Frankreich befragt und hat interessante Antworten gegeben, die – wie ich von Lesern in Frankreich weiß – dort auch ausgestrahlt wurde. Da in Deutschland darüber nicht berichtet wurde, übersetze ich hier den Teil der Pressekonferenz mit Putin und Macron.

Bevor wir zu der Übersetzung kommen, weise ich noch darauf hin, dass ich am Abend einen weiteren Artikel zu dem Putin-Besuch in Frankreich veröffentlichen werde, in dem ich auch über die eigentlichen Themen der Gespräche berichten werde.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz fragte eine Journalistin Putin und Macron, was sie dazu sagen, dass „bei friedlichen Protesten in Moskau in letzter Zeit viele Menschen verhaftet worden“ seien. Hier nun die Übersetzung der Antworten der beiden Präsidenten.

Beginn der Übersetzung:

Putin: All dies hängt mit dem Wahlzyklus zusammen. Viele Wahlen zu Regionalregierungen finden im September dieses Jahres statt, auch in Moskau. Im Jahre 2014, als die letzten Wahlen stattfanden, durften etwa 111 Personen nicht Kandidieren. Die Wahlkommissionen hat sie wegen verschiedener Verstöße nicht zur Wahl zugelassen. In diesem Jahr wurden 57 Personen wegen offensichtlicher Verstöße gegen die Bestimmungen von den Wahlen ausgeschlossen. Sie haben gefälschte Unterschriften eingereicht, sagen die Experten der Wahlkommission. (Anm. d Übers.: Als die heutige Leiterin der Wahlkommission, Frau Pamfilova, 2016 ernannt wurde, wurde das im Westen begrüßt, denn Frau Pamfílova ist eine sehr aktive Menschenrechtsaktivistin, die auch den Kreml immer wieder scharf kritisiert hat. Und im letzten Jahr hat sie sogar Regionalwahlen, bei denen Vertreter der Regierungspartei gewonnen haben, wegen Unregelmäßigkeiten für ungültig erklären und wiederholen lassen. Sie ist also keine „Marionette des Kreml“, die Kandidaten auf „Anweisung von oben“ ausschließen“ würde.)

Es gibt einen legalen Weg, Streitigkeiten beizulegen, nämlich über Gerichtsverfahren, und es gibt in Russland Präzedenzfälle, als von der Wahlkommission abgelehnte Kandidaten, die bei Gericht dagegen vorgegangen sind, Recht bekommen haben. Solche Präzedenzfälle gibt es bereits. In mindestens einem Fall wurde die Entscheidung der Wahlkommission vom Gericht gekippt und er durfte kandidieren.

Was die Ereignisse in Moskau selbst betrifft, so denke ich, dass ich nichts Neues sage, wenn ich konstatiere, dass die Bürger das Recht auf friedliche Proteste in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht haben, und die Behörden müssen sicher stellen, dass diese Rechte gewahrt werden. Aber niemand – weder die Behörden noch irgendwelche Gruppen von Bürgern – hat das Recht, gegen geltendes Recht zu verstoßen und die Situation zu eskalieren oder Zusammenstöße mit den Behörden zu provozieren. Das wäre ein Verstoß gegen das Gesetz und alle, die für diese Verstöße verantwortlich sind, sollten nach geltendem russischen Gesetz zur Verantwortung gezogen werden.

Wie wir wissen, finden nicht nur in Russland solche Ereignisse statt. Ich bin hier zu Gast und es ist mir unangenehm, darüber zu sprechen, aber ich muss es ansprechen, weil Sie danach gefragt haben.

Wir alle kennen die Ereignisse um die sogenannten Gelbwesten, bei denen nach unseren Informationen 11 Menschen getötet und 2.500 verletzt wurden, darunter 2.000 Polizisten. Wir möchten nicht, dass solche Dinge in der russischen Hauptstadt passieren und wir werden alles tun, um sicherzustellen, dass sich unsere innenpolitische Situation streng im Rahmen des geltenden Rechts entwickelt.

Macron: Der Präsident erinnert zu Recht an diese Situation, aber ich denke, dass es notwendig ist, einen Unterschied zwischen den Geschehnissen in unseren Ländern zu machen. In unseren Ländern finden unterschiedliche Demonstrationen, Proteste und Demonstrationen statt. Aber was ist das Wichtigste? Wenn Sie bestimmte Verträge unterzeichnen und ratifizieren, müssen Sie daran halten.

Und wir wissen, dass Russland eine Reihe internationaler Verträge ratifiziert hat, Konventionen, nach denen das Land seinen Bürgern grundlegende Freiheiten einräumen muss: Redefreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit usw. Und viele Menschen waren besorgt über die Ereignisse, die in Moskau stattfanden: Verhaftungen und so weiter, all die Blockaden, die von den Justizbehörden vorgenommen wurden.

Der Präsident sagte, es habe auch Proteste und Demonstrationen in Frankreich gegeben. Tatsächlich wurden Bürger verletzt, Polizisten wurden verletzt, und das beunruhigt mich sehr. Aber Frankreich hat immer nicht nur seine Verfassung respektiert, sondern auch alle Rechte, die im Rahmen des Europarates bestehen. Daher werden natürlich all diese Personen, die sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt haben, gehört werden usw. Natürlich muss sichergestellt werden, dass jeder Bürger die Möglichkeit hat, seine Meinung zu äußern. Aber Sie wissen, dass all diese Leute, die während des Europawahlkampfes antreten wollten, die Kandidieren wollten, dies nicht ungehindert und ohne Hindernisse tun konnten. Natürlich ist all dies möglich, aber es ist unmöglich zu akzeptieren, dass diese Menschen die öffentliche Ordnung verletzen, weil sie in diesem Fall die Rechte anderer Bürger verletzen. Wir können einfach nicht tolerieren, dass einige Bürger ihre Grundrechte der Rechtsstaatlichkeit mit Füßen getreten sehen. Das ist es, was wir nicht hinnehmen können. Also werden wir gemeinsam darüber sprechen. Es ist notwendig, dass die Bürger an friedlichen Demonstrationen teilnehmen können, wenn sie die öffentliche Ordnung einhalten.

Putin: Ich möchte etwas hinzufügen. Das ist genau das, was wir tun. Zweimal, sowohl im Juli als auch im August dieses Jahres, fanden Massenveranstaltungen statt, Kundgebungen jener Bürger, die ihren Protest auf diese Weise zum Ausdruck bringen wollten. Die Demonstrationen wurden angemeldet und von den Behörden genehmigt. Sie verliefen friedlich und ohne Ausschreitungen.

Ich würde mir wünschen, dass es bei uns auch in Zukunft so geschieht und auch andere Länder bilden da keine Ausnahme. Um Exzesse zu vermeiden und ohne gegen das geltende Recht zu verstoßen.

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

6 Antworten

  1. Putin klar und deutlich, Macrönchen verworren und nichtssagend.

    „… aber ich denke, dass es notwendig ist, einen Unterschied zwischen den Geschehnissen in unseren Ländern zu machen.“

    Einen gewaltigen Unterschied hat der ehrenwerte Präsident Putin doch im Satz vorher herausgestellt. „11 Menschen getötet und 2.500 verletzt“. So what?

  2. Putins Zahlen verwirren mich….

    2.500 Verletzte und darunter 2.000 Polizisten? Das würde mein Bild von den Gelbwesten-Protesten jetzt doch ziemlich erschüttern, da es suggeriert, daß hier die Gelbwesten auf Polizisten einschlagen und nicht umgekehrt.

    1. Die Pressemeldungen zu solchen Ereignissen sind dann immer besonders „klar“ formuliert.

      z.B.
      “ Bei den Protesten am…der Gelbwesten gab es hunderte Verletze unter ihnen 3 die in Folge ihrer Verletzungen starben.“

      Also waren doch hier die Bösen ganz offensichtlich der Polizei zuzuordnen. (Hunderte Verletze und 3 Tote)

      Man hätte aber auch Schreiben können das es auf Seiten der Protestler 500 Verletzte gab und die restlichen Verletzten der Polizei zugeordnet werden müssen. Das Bild wird gleich ein Anderes oder?

      Was die hohe Anzahl der verletzten Polizisten angeht so werden sie zum übergroßen Teil den NICHT genehmigten Aktionen zuzuschreiben sein. Denn wenn etwas nicht genehmigt ist dann kommt die Polizei zwischen die Fronten. Kennen wir in Deutschland auch bei den Aktionen zum 1. Mai in Berlin.

      Betrachte nur einmal einige Aufnahmen der Gelbwesten-Proteste. Da denkt man eher an Bürgerkrieg und nicht an berechtigter Kritik gegen Regierungsentscheidungen.
      Was bleibt denn im Gedächtnis zu den Protesten? Straßenschlachten mit der Polizei, Eigentumsdelikte wegen Brandlegungen und Plünderungen und Angriffe auf Unbeteiligte.
      Und warum waren die Gelbwesten auf der Straße? Nebensache geworden weil das Negative alles überlagert.
      Die Bilder sollen uns in Frankreich sagen, die Forderungen dieser Randalierer kann man nicht erfüllen so wie die sich aufführen. Die Gelbwesten möchten natürlich mit den Bildern der prügelnden Polizei eine nachträgliche Legitimität erzielen.

      Das gleiche Spiel spielen die Medien mit Russland. Nur das Ergebnis ist umgekehrt. Hier sollen die Bilder die russlandfeindliche Propaganda unterstützen. Der Putin, der unterdrückt Wahlen zum Stadtparlament. Da passt es eben nicht wenn friedlich demonstriert wird. Da prügeln ja keine Polizisten. Bei den uns servierten Bildern von Medien wird „geprügelt“ wobei der Fakt „nicht angemeldete/genehmigte Demo“ wenn überhaupt dann nur beiläufig beachtet wird.

      Nennt man die Kunst der Manipulation.

      1. Alles gut und schön. Nur beantwortet das nicht meine Frage nach dem krassen Mißverhältnis der Zahlen, die Putin da genannt hat (haben soll?).

        2000 verletzte Polizisten dun 500 Demonstranten… da stimmt was nicht! Oder sind das die offiziellen Zahlen der französischen Regierung?

        1. Ich nehme an, es sind die offiziellen Zahlen. Außerdem muss man wissen, dass Putin sich – im Gegensatz zu anderen Politikern – bemüht, sein Gegenüber nicht öffentlich bloß zu stellen, er ist schlau genug, zu wissen, dass das danach nicht zu einer produktiven Gesprächsatmosphäre führt und daher kontraproduktiv ist. Putin wird also die für Macron am wenigsten blamablen Zahlen genommen haben.

        2. „Nach Angaben des französischen Innenministeriums von Anfang Februar wurden insgesamt mehr als 2000 Menschen bei den Protesten verletzt, davon wertete das Ministerium 70 als „absolute Notfälle“. Dem standen mehr als 1300 verletzte Sicherheitskräfte gegenüber.“

          https://www.spiegel.de/politik/ausland/gelbwesten-in-frankreich-uno-fordert-untersuchung-von-polizeigewalt-a-1256565.html ( 6.3.2019 )

          „Nach offiziellen Angaben wurden bei den zum Teil gewaltsamen Protesten bislang rund 1700 Demonstranten und 1000 Polizisten verletzt.“

          https://www.tagesschau.de/ausland/gelbwesten-171.html ( 22.3.2019 )

          „Hier der Staat, vertreten durch schwer bewaffnete, gepanzerte Spezialeinheiten; dort die zu mehr als 99 Prozent unbewaffneten, friedlichen Demonstranten und eine kleine Minderheit von einem Prozent gewaltbereiter, meist jugendlicher Aufständischer. Zwölf Tote – gestorben durch Tränengas, Herzinfarkt oder bei Unfällen an besetzten Straßenkreuzungen. Nahezu 3.000 Verletzte, einige von ihnen haben Gliedmaßen oder das Augenlicht verloren. Sachschäden in Milliardenhöhe. Eine Sprache, die nach vier Monaten Kampf um die Deutungshoheit des Protests auf tiefstes Niveau abgesunken ist.“

          https://www.jungewelt.de/artikel/351540.frankreich-und-die-gelbwesten-zwölf-tote-3-000-verletzte.html ( 22.3.2019 )

          „Offiziellen Zahlen zufolge wurden seit der ersten Protestaktion am 17. November mehr als 3000 Demonstranten und Sicherheitskräfte verletzt, wie französische Medien schreiben. Auf Anfrage der Zeitung „Libération“ nannte das Innenministerium Anfang Januar eine Zahl von etwa 50 Schwerverletzten unter 1700 verletzten „Gelbwesten“ seit Beginn der Bewegung.“

          https://www.tagesschau.de/faktenfinder/ausland/frankreich-gelbwesten-gewalt-103.html ( 9.2.2019 )

          „3. Juni 2019 … In Paris haben hunderte Vertreter der Gelbwesten-Bewegung gegen … knapp 2.500 Demonstranten und rund 1.800 Polizisten verletzt wurden.“

          https://www.deutschlandfunk.de/gelbwesten-protest-gegen-polizeigewalt-in-paris.1939.de ( 3.6.2019 )

          Ich habe jetzt einfach mal die Suche genutzt. Auffallend z.b. bei der TS ist, dass der Faktenfinder am 9.2. von 3000 Verletzten schreibt die sich 1700 Gelbwesten und 1300 Polizisten zuordnen lassen. Am 22.3.2019 also fast 6 Wochen später spricht die TS von 1700 Gelbwesten und nur noch 1000 Polizisten.
          Am gleichen Tag (23.3.2019) schreibt die JW auch von 3000 Verletzen und beruft sich dabei auf offizielle Daten vom Februar. Erstaunlich ist die Einschätzung der JW was die Zusammensetzung der Demonstranten anbelangt. 99% friedlich, 1% Gewaltbereite. Da lag die JW wohl deutlich daneben.
          Der DLF wiederum vermeldet im Juni 2500 verletze Gelbwesten und 1800 Polizisten.

          Wenn Putin von 2000 verletzten Polizisten spricht liegt er also gar nicht so verkehrt. Die 2500 ist wohl auch keine Geisterzahl also liegt hier vermutlich ein Übersetzungsproblem vor. Oder schneller gedacht als gesprochen.
          Eine Unwahrheit kann ich hier jedenfalls nicht erkennen.

          Für mich steht aber bei solchen Zahlen eines fest, von friedlichen Protesten kann keine Rede sein. Ich verurteile die Gewalt auf beiden Seiten.
          Und weil es ja aktuell auch bei den Demos in Russland thematisiert wird, die größte Gewalt gibt es bei Demos wo ein Verstoß gegen das Versammlungsrechts vorliegt.

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