Ukraine: Ganz neue Töne aus dem Generalstab und noch mehr Strafanzeigen gegen Poroschenko

Aus der Ukraine kommen wieder neue Meldungen, die den Machtkampf dort dokumentieren. Der Widerstand des Parlaments gegen Selensky geht weiter und es gibt immer neue Strafverfahren gegen Poroschenko. Besonders bemerkenswert sind aber die Aussagen des neuen Chefs des Generalstabes.

Interessant sind die ersten Ernennungen die Selensky vorgenommen hat. Ich habe schon darüber berichtet, dass er in seinem Umfeld vor allem Leute des Oligarchen Kolomoisky einsetzt, was ihm sicher noch Probleme bereiten wird. Aber er hat auch zum Beispiel einen neuen Chef des Generalstabes eingesetzt und von dem hört man völlig andere Töne, als von seinen Vorgängern.

Früher wurde bei der Armee gesagt, man müsse die Konflikte mit Gewalt lösen, die Krim und den Osten des Landes zurückerobern. Der neue Chef des Generalstabes, Chomtschak, wird heute mit folgenden Worten zitiert, in denen er zugibt, dass die Ukraine die Krim schon lange vor 2014 verloren hat:

„Ich bin einst in ein Militärsanatorium in Alup auf der Krim gefahren. Später sagte ich mir, dass da nie wieder Urlaub machen werde, weil ich schockiert war, von dem, was ich dort gesehen habe. Das war ein schlechter Überrest der Sowjetunion (…) Ich fragte mich, bin ich in der Ukraine? Ich habe nicht verstanden, wo ich war. (…) Daher hat die Eroberung der Krim viel früher angefangen. (…) Wir müssen um die Menschen kämpfen, darum, was in ihren Köpfen vorgeht, das wird eine Frage der Zeit sein.“

Das deckt sich mit meinen Erfahrungen, nur macht er dabei immer noch einen Denkfehler. Die Krim ist mental nie in der Ukraine angekommen. Die Bevölkerung dort ist zu über 80% russisch, sie wollte vom ersten Tag an nicht Teil der Ukraine sein, sondern wollte immer Teil Russlands sein. Die Ukraine hat die Krim also nicht verloren und „die Eroberung“ begann auch nicht viel früher. Die Krim war mental nie Teil der Ukraine und musste daher auch nicht „erobert“ werden. Die Details der turbulenten Tage im Februar 2014 als die Krim sich mit Russland vereinigte, finden Sie hier.

Weiter sagte Chomtschak auch, dass es im Osten des Landes keine realistische militärische Option gibt:

„Eine rein militärische Variante sehe ich nicht. Ich habe Najev noch nicht gesehen, er ist mein Stellvertreter und derzeit im Urlaub. Ich werde ihn fragen, was ihn angetrieben hat, das zu sagen. Es interessiert mich, wie er das sieht.“

Das war die Antwort auf eine Journalistenfrage zu Najev, der mitgeteilt hat, dass eine militärische Operation

„wenig Zeit braucht, weniger als einen Tag. Man muss schnell zuschlagen, um bis zur Grenze mit Russland vorzustoßen und sich dort festzusetzen. (…) Die Gebiete müssen dann sofort mit Spezialoperationen der Nationalgarde, der Polizei und anderen Kräften der Ukraine befreit werden.“

Solche Aussagen wecken Besorgnis, denn wie die Nationalgarde vorgeht, wurde erst kürzlich von einem Überläufer im Detail erzählt, der Berichte des UNHCR über systematische Folter durch die Nationalgarde bestätigt hat.

Weiter wird Chomtschak mit den Worten zitiert, er erwarte keine russische Aggression:

„Natürlich ist die Gefahr nicht verschwunden. Die Gefahr einer Invasion besteht immer. Aber ich denke, es wird morgen keine Invasion geben. Für eine Invasion muss es ein Ziel geben. Wenn es kein Ziel gibt, dann geht kein Befehlshaber einfach los, um zu töten, so läuft das nicht. Alles hat ein Ziel.“

Auch zu den bisher immer erhobenen Vorwürfen, es seien dort russische Soldaten im Einsatz, kommen nun plötzlich gemäßigtere Töne aus dem ukrainischen Generalstab:

„Die Ukraine steht dort gegen Russland. (…) Dort sind aber lokale Einheiten aus Menschen aus der Gegend aufgebaut worden (…) Aber befehligt werden sie natürlich von Russland.“

Das sind ganz neue Töne, denn damit behauptet zum ersten Mal sein fünf Jahren ein Offizieller aus Kiew nicht mehr, dort gegen russische Soldaten zu kämpfen und zum ersten Mal wird eingeräumt, dass es die örtliche Bevölkerung ist, gegen die man kämpft. Solche Äußerungen galten noch vor wenigen Wochen in Kiew als Hochverrat und russische Propaganda.

Selensky hatte in den letzten Tagen die Idee einer Volksabstimmung über Verhandlungen mit Russland ins Spiel gebracht. Das ist ein sehr intelligenter Zug, denn wenn er einfach mit Russland oder den Rebellen im Osten in Verhandlungen tritt, dann kann das zu Aufständen bei den Nationalisten im Westen des Landes führen, die direkte Verhandlungen ablehnen. Daher hat er im Wahlkampf zwar Verhandlungen angekündigt, nach der Wahl aber gegenüber Journalisten geäußert, dass er derzeit nicht zu direkten Verhandlungen mit Russland bereit ist.

Wenn er sich aber nach einer Volksabstimmung auf eine Mehrheit der Ukrainer berufen kann, die für Verhandlungen sind, dann nimmt das den Nationalisten den Wind aus den Segeln.

Timoschenko, für ihre anti-russische Haltung bekannt, kritisierte die Idee und sprach sich gegen eine Volksabstimmung aus. Die Ukraine brauche eine Starke Armee und internationalen Druck auf Russland, um zum Erfolg zu kommen. Dass dies in den letzten fünf Jahren keinen Erfolg gebracht hat, scheint sie gar nicht bemerkt zu haben.

Unterdessen gab es das erste Telefonat zwischen Merkel und Selensky. Die TASS zitiert dazu den Sprecher von Merkel, Stefan Seibert, jedoch kamen von dort nur die üblichen Aussagen, man habe über die Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine, die innenpolitische Situation in der Ukraine und den Konflikt im Osten des Landes gesprochen. Noch kann man also nichts dazu sagen, wie Merkel und Selensky miteinander arbeiten werden.

Innenpolitisch hat sich auch etwas getan, es wurde die erste Klage gegen die von Selensky angeordnete Auflösung des Parlaments beim Verfassungsgericht eingereicht. Freilich ist das nur eine Formalie, das Verfassungsgericht wird für die Verhandlung und eine mögliche Revision deutlich länger brauchen, als die 60 Tage, die bis zu den Neuwahlen bleiben.

Zu guter Letzt noch zu Poroschenko. Ich habe bereits den Überblick verloren, wie viele Klagen in den letzten Tagen gegen ihn eingereicht und wie viele Verfahren gegen ihn eröffnet wurden. Allein wegen Geldwäsche ist heute die dritte Anzeige eingereicht worden, es geht um Geldwäsche von 300 Millionen Dollar im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Werft, die Poroschenko gehörte. Er soll dabei Geld gewaschen haben, um den Kaufpreis zu senken und so Steuern zu vermeiden.


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

5 Antworten

  1. Am 1. Dezember 1991 fand in der Ukraine ein Referendum über die Unabhängigkeit statt. Dabei stimmten auch die Bewohner der Krim mit 54% und Sewastopols mit 57% für die Unabhängigkeit.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Referendum_%C3%BCber_die_Unabh%C3%A4ngigkeit_der_Ukraine

    Das sieht nicht danach aus, als wenn sie vom ersten Tag an nicht Teil der Ukraine, sondern immer Teil Russlands sein wollte.

    Die beiden aufständischen Provinzen in der Ostukraine, die auch mehrheitlich von Russen bewohnt werden, haben damals übrigens mit 83% für die Unabhängigkeit gestimmt.

    1. Ja und? Da steht auch, dass die Krim 1991 bereits unabhängig werden wollte! Fragen Sie doch mal die Merkel, ob man nicht auf der Krim ein neues Referendum abhalten sollte? Ich glaube nicht, dass die das will, weil sich mit Sicherheit eine Mehrheit für den Anschluss an Russland entscheiden würde! Das wäre ja der Supergau und jeder würde über die Verschwörungstheorie von der Annexion der Krim nur noch lachen! Sie müssten ja die Sanktionen gegen die Krim aufheben! Wahrheitssucher, mag ja sein, dass sich der Donbass damals so entschieden hat! Heute sieht das wohl anders aus! Über 900.000 haben inzwischen die russische Staatsbürgerschaft und der Donbass würde sich heute sofort Russland anschließen! Glauben Sie nicht? Habe ich vor einigen Monaten erst direkt von dort erfahren!

    2. Manche scheinen nicht zu verstehen, dass Wikipedia keine nutzbare Quelle ist.
      Man muss sich das Referendum schon ansehen, denn es ging nicht um die Zugehörigkeit der Krim zur Ukraine, sondern um die Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion. Die war in der Zeit extrem unpopulär und selbst Russland hat sich von Sowjetunion unabhängig erklärt. Leider verschweigt das deutsche Wikipedia, was danach kam. Darum ist Wikipedia auch keine brauchbare Quelle.
      Schon am 13.5 1992 verkündete die Regierung der Krim ein Referendum über die Unabhängigkeit von der Krim von der Ukraine. https://zakon1.rada.gov.ua/krym/show/rb0073002-92
      Das wurde von der Kiewer Zentralregierung per Gesetz am 2.6.1992 verboten und gewaltsam verhindert, weil man in Kiew wusste, wie sich die Krim entscheiden würde. https://zakon0.rada.gov.ua/laws/show/2523-12/ed19920429
      Aber wer sich im deutsche Wikipedia informiert, der bleibt leider unwissend…

      1. Genauso ist das! Ich habe neulich auch etwas bei wikipedia gesucht und musste feststellen, dass dort wieder fake news verbreitet wurden! Der gute Wahrheitssucher (gefunden hat er sie noch nicht) sucht immer nach Haaren in der Suppe und liefert damit eine Steilvorlage, um ihm den eigentlichen Sachverhalt süffisant auf die Stulle zu schmieren!

        Nun aber zu den wichtigen Dingen, erfahren wir etwas über den Spruch des Seegerichts zur ukrainischen Provokation in der Straße von Kertsch, Herr Röper?

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