Ukrainischer Außenminister im Interview: Kiew verweigert auch weiterhin Umsetzung von Minsk 2

In Kiew kommt Bewegung in die Frage der Umsetzung des Abkommens von Minsk. Allerdings ist noch nicht klar, was wirklich passieren wird, da sich die Aussagen widersprechen und sie auch Teilweise dem Abkommen selbst widersprechen.

Das Abkommen von Minsk, dass im Februar 2015 unterschrieben wurde, besteht nur aus 13 Punkten. Drei Punkte behandeln den Abzug der Waffen von der Front, die rechtlichen zehn enthalten Forderungen, die Kiew umsetzen muss, damit es am Ende die Kontrolle über die Rebellengebiete zurückbekommt. Obwohl diese Punkte bis Ende 2015 alle hätten umgesetzt sein sollen, hat Kiew bis heute nicht einen einzigen Punkt umgesetzt. Um in diesem Artikel nicht zu weit auszuschweifen, finden Sie die Details hier.

Am 18. September hat in Minsk die Kontaktgruppe getagt, die das nächste Gipfeltreffen der Normandie-Gruppe bestehend aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine vorbereiten sollte. Dabei kam es zu einem Eklat, denn Kiew weigerte sich erneut, ein wichtiges Dokument, die sogenannte „Steinmeier-Formel“, zu unterzeichnen, das die Schritte auf dem Weg zu allgemein anerkannten Wahlen in den Rebellengebieten regelt. An dem Tag wusste offensichtlich eine ukrainische Hand nicht, was die andere tut, denn zeitgleich geschahen zwei Dinge: In Kiew verkündete der neue Außenminister, dass er angewiesen habe, das Dokument zu unterzeichnen, während gleichzeitig die Delegation in Minsk die Unterschrift verweigert hat. Damit steht das ganze Gipfeltreffen auf der Kippe.

Heute gab es nun wieder ein Interview des ukrainischen Außenministers Pristeiko und er hat einige interessante Dinge gesagt. Zu der verpatzten Unterzeichnung und dem Chaos vom Mittwoch sagte er:

„Sie hätten es eigentlich unterschreiben sollen, aber es gab ein technisches Missverständnis in der Kontaktgruppe selbst. Und in der Tat hat der Vertreter der Ukraine einige Kommentare geäußert, die, wie ich denke, später eingearbeitet werden sollten (…) Was daraus wird oder ob es unverändert bleibt oder ob etwas hinzugefügt wird, sollte von der Kontaktgruppe entschieden werden (…) Dann formulieren sie genauer um, dann werden wir einen Blick darauf werfen, was mit unserem Vorschlag passiert ist und ob wir die Steinmeier-Formel den Staats- und Regierungschefs anbieten können, um sich zu treffen.“

Außerdem äußerte er sich zum Streitpunkt der Wahlen selbst:

„Die internationale Kontrolle der Wahlen ist auch nicht durch unser Gesetz vorgesehen, aber es kann einen gewissen Kompromiss geben, den wir während des Gesprächs erreichen werden. Wer werden diese internationalen Vertreter sein? Wie viele gibt es? Bei welchen Wahllokalen werden sie sein? Wie wird ihre Sicherheit gewährleistet? All dies sind sehr schwierige Fragen, die angegangen werden müssen“

Da hat er völlig recht! Und das Minsker Abkommen gibt auf die „sehr schwierigen Fragen“ eine eindeutige Antwort. In Punkt 12 heißt es dazu:

„Auf der Basis des Gesetzes der Ukraine «Zur zeitweiligen Ordnung der lokalen Selbstverwaltung in einzelnen Kreisen der Gebiete Donezk und Lugansk» werden Fragen, welche die Kommunalwahlen betreffen, mit den Vertretern der gesonderten Kreise der Gebiete Lugansk und Donezk im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe besprochen und abgestimmt. Die Wahlen werden unter Beachtung der entsprechenden Standards der OSZE unter Überwachung von Seiten des OSZE Office for Democratic Institutions and Human Rights abgehalten.“

Die trilaterale Kontaktgruppe besteht aus der OSZE, der Ukraine und Vertretern der Rebellen. Dort müssten also all die Fragen, die der ukrainische Außenminister heute aufgeworfen hat, besprochen werden. Das hätte schon 2015 geschehen sollen. Problem: Die Ukraine weigert sich bis heute, direkt mit den Rebellen zu verhandeln. Daher sind diese Themen bis heute nicht geklärt.

Das Problem ist also wieder einmal, dass Kiew seine im Abkommen eingegangenen Verpflichtungen nicht umsetzt. Und zwar seit über vier Jahren.

Das betrifft wie gesagt alle zehn Punkte, die Kiew seit 2015 hätte umsetzen sollen. Am 14. September erst hat der neue ukrainische Außenminister bereits mitgeteilt, dass Kiew einige andere Punkte des Abkommens nicht umsetzen will, die ebenfalls eine Voraussetzung für die Wahlen sind. Um in diesem Artikel das nicht alles zu wiederholen, verweise ich auf diesen Artikel, in dem ich es detailliert aufgezeigt habe.

Und er macht in dem Stil weiter. Heute hat er weiter mitgeteilt, dass Kiew die Hungerblockade des Donbass nicht aufheben will. Seit Januar 2015 hat Kiew eine Hungerblockade über die Gebiete verhängt und wenn es keine humanitären Hilfslieferungen aus Russland gäbe, würde dort längst eine Hungersnot herrschen. Vor allem die Rentner dort sind auf humanitäre Hilfe aus Russland angewiesen, seit Kiew im Sommer 2014 die Rentenzahlungen an die dort lebenden Rentner eingestellt hat. Seit 2015 haben die Rebellen zwar angefangen, die Renten auszuzahlen, aber zum Leben reicht es für die meisten Rentner nur, weil Russland Grundnahrungsmittel an Ausgabestellen liefert, wo sie kostenlos an Rentner ausgegeben werden.

Darüber wird im Westen nie berichtet, dabei berichtet die OSZE ausführlich über jeden einzelnen Hilfskonvoi aus Russland, der das Gebiet erreicht. Russland hat die Lieferungen von humanitärer Hilfe im August 2014 begonnen, am 19 September ist der 84. russische Hilfskonvoi im Donbass angekommen.

Die Hungerblockade aufzuheben und die Rentenzahlungen wieder aufzunehmen, ist auch etwas, wozu Kiew sich im Abkommen von Minsk verpflichtet hat. In den Punkten 7 und 8 des Abkommens hat sich Kiew verpflichtet:

„7. Sicherstellen eines gefahrlosen Zugangs, der Lieferung, Aufbewahrung und Verteilung humanitärer Hilfe für die Hilfsbedürftigen auf der Basis eines internationalen Mechanismus.

8. Festlegung der Modalitäten der vollständigen Wiederherstellung der sozio-ökonomischen Verbindungen, einschließlich von Sozialtransfers, wie der Auszahlung von Renten und anderer Zahlungen“

Nur umgesetzt wurde das nie. Und in dem aktuellen Interview sagte der ukrainische Außenminister unmissverständlich:

„Wir heben die Blockade nicht auf“

Er fügte Bedingungen hinzu, die erfüllt werden müssten, bevor die Ukraine die Blockade aufhebt, nur ist davon im Minsker Abkommen – wie gesehen – nicht die Rede. Generell stellt sich die Frage, wie die Ukraine argumentieren kann, das wären „ihre Bürger“ im Donbass, wenn sie sie andererseits einer Hungerblockade ausliefert und den Rentnern die Renten verweigert. Da diese Menschen seit Ende 2014 von russischer humanitärer Hilfe leben, muss man sich fragen, wem wohl die Sympathien der Betroffenen gelten.

Der ukrainische Außenminister machte allerdings eine Einschränkung. Er deutete an, dass die Ukraine die Lieferung von „Waren des täglichen Bedarfs“ gestatten könne und fügte hinzu:

„Besser, wenn dort Lebensmittel mit der ukrainischen Flagge in den Regalen stehen, als russisches oder weißrussische.“

Nur machte er keinerlei weitere Angaben, wann das geschehen könnte und für welche Waren es gelten soll. Aber unabhängig davon hat die Ukraine zu ihre Verpflichtungen, die weit über das hinausgehen, was Pristeiko nun andeutet, seit über vier Jahren nicht umgesetzt. Auch eine Wiederaufnahme der Rentenzahlungen möchte Kiew nach Aussage von Pristeiko einleiten, aber auch dazu machte er keinerlei weitere Angaben.

Wir sehen also, dass es zwar Bewegung in Kiew gibt – selbst diese völlig unzureichenden Maßnahmen wären unter Poroschenko undenkbar gewesen – aber die angekündigten „Zugeständnisse“ aus Kiew sind immer noch weit von einer Umsetzung des Abkommens von Minsk entfernt. Hinzu kommt, dass wir in letzter Zeit mehrmals erleben durften, dass ein Vertreter von Kiew das eine sagte, ein anderer aber etwas völlig anderes.

Man muss also abwarten, ob und was Kiew tatsächlich umzusetzen bereit ist. Bis zum Ende des Konfliktes ist es noch ein sehr weiter Weg.


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

3 Antworten

  1. Es ist ja im Grunde noch viel schlimmer, die Bürger des Donbass werden hier im Westen wie Aussätzige behandelt, weil sie sich gegen das von den USA inthronisierte Marionettenregime Jaznjuk/Poroschenko erhoben haben. Thomas, du hattest in früheren Artikeln, als es um die Ausstellung russischer Pässe ging, schon mal darüber berichtet, dass sie, wenn sie sich in den Volksrepubliken nicht selber Papiere ausstellen würden, gar keine bekommen würden, weil das ukrainische Marionettenregime ihnen keine ausstellt. Das alles hat natürlich zur Konsequenz, dass sie, wenn sie Visa in den EU-Raum beantragen wollen, wie Parias behandelt werden!
    Auch darin äußert sich die völlige moralische Verkommenheit, Verlogenheit und Unglaubwürdigkeit der westlichen „Wertegemeinschaft“! Spricht man Vertreter dieser „Wertegemeinschaft“ darauf an, erntet man lediglich ein Herumdrucksen und Herumeiern, weil man sich über die Konsequenzen dieser unseligen Politik gar keine Gedanken macht und damit auch nicht konfrontiert werden will!

  2. In Kiew kommt Bewegung in die Frage der Umsetzung des Abkommens von Minsk,

    schreibt der Autor.

    Die Bewegung der Ukraine – im Minsk2-Prozess-ist nicht mal des Kommentars wert, da eben ohne die Akzeptanz jedweder Ukraine-Bewegung , ohne die ABSOLUTE Zustimmung der Donbass-Rerubliken in Donezk & Lugansk nicht das Papier wert sind, aus das es geschrieben steht.

    Und …es gibt ganz klare Aussagen, die man nirgendwo wird zu lesen bekommen…

    Sauerei

    Bezogen auf das „Verhungern“ der Menschen in den Donbass-Republiken, sollte sich der Westen nicht täuschen lassen. Auch wenn die Wirtschaft mehr oder weniger noch nicht als BOOM zu bezeichnen ist, so sind die Republiken sehr wohl in der Lage durch Eigenproduktionen die Menschen zu ernähren. Wenngleich natürlich die Hilfslieferungen aus Russland ungemein helfen. Wobei jedoch der Fokus seit geraumer Zeit der Lieferungen, weniger auf die Grundnahrungsmittel liegt, sondern auf Ersatzteilen – Baumaterial usw. – Medikamente –

    Die Produktionen fast aller Gebrauchsgüter (Bis hin zu Kühlschränken & Rollstühlen ) Stahlproduktion- bis hin zu den eigenen Klein- Waffen – großkalibrige Maschinengewehre- Raketen – ( Die nun mal im Krieg auch Gebrauchsgüter sind ) Verkehrsbus-Produktion- Kohleförderung sowieso… bis hin zur Lieferung in die GUS…von wo die Antrazithkohle auch nach Deutschland geliefert wird…

    Also, vor dem Verhungern, hat niemand mehr Angst in den Republiken. ( Natürlich gibt es eben in den Frontnahen Bereichen eine große Not…die dann jedoch auch gelindert wird, wenn auch nicht gelöst wird…

    Die Angst bewegt sich mehr in die Richtung UKRAINE und deren Ansatz zur Lösung von Wirtschaftsproblemen. Es herrscht in Donezk, eine – für ALLE LINKE IN EUROPA – beispielgegebende Soziale Plan- und Marktwirtschaft mit verstaatlichten Schlüsselindustrien, wieder in Einbindung vieler kleiner Zulieferfirmen…

    Dem Grunde nach, eben das nun auch funktionierende Alternativ-System zwischen Kapitalismus und Kommunismus nicht nur im Westen mit einer gewissen Angst gesehen wird, welche an den beiden Weltsystemen Kommunismus-Kapitalismus sich die Taschen voll machen….

    Doch es gibt hier und Jetzt auch ein Fazit:

    Sollte Selensky sich nicht sehr bald ändern und den Poroschenko-Weg verlassen, der er mit anderen Worten folgt ( Weil US-& Berlin/EU-Vorgegeben) werden die Republiken ihre MINSK2 Strategie auch ändern und Täglich Gleiches mit Gleichem vergelten. Dies iust nur die Frage der zeit. Und niemand in Russland wird es ihnen übelnehmen, wenn sie die Angreifer mit ihren eigenen Waffen schlagen…

    Letzteres, ist sowohl als auch gemeint.

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