Urteil des Europäischen Gerichtshofes: Justiz in Deutschland ist nicht unabhängig

Der Europäische Gerichtshof hat in einem Urteil verkündet, dass die deutsche Justiz nicht unabhängig ist. Was eigentlich ein Skandal in allen deutschen Medien sein sollte, wird jedoch totgeschwiegen.

Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass die deutsche Justiz nicht unabhängig und Deutschland damit kein Rechtsstaat ist. Was von manchen als „Verschwörungstheorie“ belächelt wurde, hat nun der Europäische Gerichtshof bestätigt.

Wie kam es dazu?

In Irland haben sich einige Männer gegen ihre Auslieferung auf Grundlage von europäischen Haftbefehlen gewehrt und sind vor den Europäischen Gerichtshof gezogen. Es ging um zwei Litauer und einen Rumänen, die von deutschen bzw. litauischen Behörden per europäischem Haftbefehl gesucht wurden und in Irland gegen ihre Auslieferung geklagt haben.

Der Europäische Gerichtshof hat am 27. Mai 2019 unter den Aktenzeichen C-508/18; C-82/19; C-509/18 sein Urteil gefällt und entschieden, dass Litauen europäische Haftbefehle ausstellen darf, Deutschland aber nicht, da die deutsche Justiz nicht unabhängig von der Exekutive, sprich der Regierung, ist. Deutschland darf also erst einmal keine europäischen Haftbefehle mehr ausstellen.

Warum ist die Justiz in Deutschland nicht unabhängig?

In Deutschland gibt es das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und dort den Paragrafen 146. Er lautet:

„Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“

Und wer der Vorgesetzte des Staatsanwaltes ist, regelt Paragraf 147 GVG: Es sind die jeweiligen Justizminister.

Wie ausgiebig die Justizminister von diesem Weisungsrecht Gebrauch machen und den Staatsanwaltschaften vorschreiben, in welchen Fällen sie ermitteln dürfen und in welchen nicht, habe ich erst vor wenigen Tagen aufgezeigt. Dieser Artikel hat einen Leser dazu gebracht, mir eine Email zu schreiben und mich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes aufmerksam zu machen, um das es hier geht. Die Sache wurde von den Medien so hinter dem Berg gehalten, dass ich sie auch übersehen habe und daher erst mit zwei Monaten Verspätung berichte. Aber besser spät als nie.

Wir lernen immer wieder, dass das Justizsystem in einem Rechtsstaat unabhängig von der Regierung sein muss. Die Regierung soll nicht auf Strafverfahren Einfluss nehmen können. In Deutschland ist das jedoch offensichtlich nicht gegeben, wie nun auch der Europäische Gerichtshof festgestellt hat. In dem Urteil ging es um die Frage der „ausstellenden Behörde“ von Europäischen Haftbefehlen. Dafür ist in Deutschland die Staatsanwaltschaft zuständig und die ist in Deutschland nicht unabhängig. Im Urteil heißt es auf Juristendeutsch:

„Der Begriff „ausstellende Justizbehörde“ (…) über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (…) ist dahin auszulegen, dass darunter nicht die Staatsanwaltschaften eines Mitgliedstaats fallen, die der Gefahr ausgesetzt sind, im Rahmen des Erlasses einer Entscheidung über die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls unmittelbar oder mittelbar Anordnungen oder Einzelweisungen seitens der Exekutive, etwa eines Justizministers, unterworfen zu werden.“

Nun müsste man meinen, dass die Politik reagiert und endlich die Unabhängigkeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden sicherstellt. Aber weit gefehlt. Im Handelsblatt konnte man zwei Wochen nach dem Urteil lesen, dass es weitergehen wird, wie bisher:

„Bund und Länder sehen im Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Europäischen Haftbefehl keinen Anlass, das politische Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten anzutasten. „Der einzige konkrete Handlungsbedarf, der sich aus dem Urteil ergibt, liegt darin, die Wirksamkeit Europäischer Haftbefehle sicherzustellen, indem diese künftig von Richterinnen und Richtern erlassen werden“, sagte der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) dem Handelsblatt. Mehr sei „nicht veranlasst“.“

Und besonders bemerkenswert ist folgende Argumentation, die man in dem Artikel lesen kann:

„Das Bayerische Staatsministerium der Justiz teilte auf Anfrage mit: „Das Weisungsrecht ist verfassungsrechtlich notwendig, weil nach dem Grundgesetz jede staatlich ausgeübte Hoheitsgewalt einer demokratischen Legitimation bedarf.““

Das ist Realsatire, denn „demokratische Legitimation“ hat nichts damit zu tun, dass ein Justizminister entscheiden darf, wer ungestraft gegen Gesetze verstoßen darf. Das ist aber heute der Fall, wenn Justizminister entscheiden dürfen, in welchen Fällen die Staatsanwaltschaft ermitteln darf und in welchen nicht. Besonders deutlich wird das, wenn man sich an den November 2016 erinnert. Damals wurde bekannt, dass es bei der SPD eine Preisliste für Treffen mit Ministern gab. Lobbyisten mussten nur eine bestimmte Summe an die SPD überweisen und schon hatten sie Zugang zu einem SPD-Minister ihrer Wahl.

Das erfüllt mindestens den Anfangsverdacht der Korruption und der illegalen Parteienfinanzierung. Nur ermitteln durften die Staatsanwaltschaften nicht, weil der damalige Justizminister Heiko Maas es nicht wollte. Wenig verwunderlich, war er doch selbst ein Betroffener, der sich für Geld mit Lobbyisten getroffen hat. So hat die „demokratische Legitimation“ dafür gesorgt, dass der Justizminister strafrechtliche Ermittlungen gegen sich selbst verbieten konnte.

Natürlich liest man das nie in den deutschen „Qualitätsmedien“. Das Handelsblatt hat das Problem zwar angesprochen, aber nicht aufgezeigt, dass es tatsächlich ein in der täglichen Praxis existierendes Problem ist:

„Das Weisungsrecht ist umstritten. Die Befürchtung: Bei Regierungskriminalität oder in anderen Fällen könnte der Justizminister die Staatsanwaltschaft anweisen, nicht so genau hinzuschauen. Dies wäre auch indirekt und informell auf Zuruf möglich. Oder der Minister könnte ein Ermittlungsverfahren anordnen, wo gar keines nötig wäre.“

Und diesen Zustand will Deutschland auch nicht ändern, wie man im Handelsblatt lesen kann:

„Deutschland will also nicht die Ursache für das Urteil beseitigen, sondern lediglich das Prozedere für das Fahndungsinstrument ändern. Möglich macht das die Strafprozessordnung. Sie lässt offen, ob ein Richter oder die Staatsanwaltschaft eine „Ausschreibung zur Festnahme“ veranlasst.“

In Deutschland ist lediglich die Unabhängigkeit der Richter gesetzlich festgeschrieben. Der Trick ist also, dafür zu sorgen, dass ein Verbrechen nicht vor Gericht kommt, indem man dem Staatsanwalt verbietet, ein Verfahren zu eröffnen oder in einem Fall auch nur zu ermitteln. Und genau das wird mit der in den Paragrafen 146 und 147 GVG getroffenen Regelung erreicht.

Übrigens sind die Richter von dieser Regelung gar nicht begeistert, wie man ebenfalls im Handelsblatt lesen kann:

„Der Deutsche Richterbund (DRB) hält das Vorgehen von Bund und Ländern für eine „schnelle Notlösung“, bei der die Justizminister aber nicht stehen bleiben dürften. „Die richtige Reaktion darauf muss sein, das ministerielle Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten aufzugeben“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn dem Handelsblatt.“

Aber das wollen die Politiker nicht, weil sie dann befürchten müssten, dass man gegen sie selbst ermitteln kann. Das würde nämlich dazu führen, dass die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten, die seit 1998 im Bundestag gesessen haben, wegen Verstoßes gegen Paragraf 80 StGB bzw. Paragraf 13 VStGB lebenslang ins Gefängnis wandern würden.

Daher ist es ausgeschlossen, dass Deutschland in absehbarer Zeit zu einem vollwertigen Rechtsstaat wird.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

17 Antworten

  1. Damit die Wirkung dieses Weisungsrechts nicht so auffällt gibt es ja diese Untersuchungsausschüsse in denen man massenhaft geschwärzte Blätter studiert und wo bei Geladenen kollektiver Gedächnisschwund auftritt. Wenn es eng wird wird schnell „geheim“ gestempelt oder man vernichtet belastendes Material.

    Der Bundesrechnungshof darf auch hier und dort Unterlagen prüfen aber außer ein „Du Du“ darf der Rechnungshof nichts sagen. Hier geht es ja nur um Steuerverschwendung zum Nachteil der Bürger.
    Einer so wichtigen Stelle gibt man kein Klagerecht aber einem Abmahnverein wie der Umwelthilfe.

    Wir haben schon einen merkwürdigen „Rechtsstaat“.

  2. Nun ist es kein unbestimmtes Gefühl mehr sondern bittere Realität, danke für diesen Artikel! Also wer ein kleines bischen die deutschen Justiz beobachtet hat, hatte in so einigen Fällen das Gefühl etwas kann doch hier nicht stimmen. Es gab oftmals eine Differenz zwischen dem, ich nenne es mal, gefühltem Recht und dem gesprochenem Recht. Das hier bestärkt mich wieder in meiner Annahme z.B. Frau von d. L. hätte nicht nach Brüssel gehört sondern vor ein deutsches Gericht. Wie sagt der Volksmund so schön: “ Eine Krähe hackt der Anderen kein Auge aus „! Da der überwiegende Teil eines Volkes über einen gesunden Menschenverstand verfügt brauch man sich über manche Zustände in diesem Land nicht mehr zu wundern:“ Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken „

    1. Es ist ausgeschlossen, dass Deutschland auf absehbare Zeit ein „vollwertiger Rechtsstaat“ wird? Das impliziert es wäre jetzt ein „nicht vollwertiger Rechtsstaat“. Den gibt es aber genauso wenig, wie es ein bisschen schwanger gibt. Entweder Rechtsstaat oder kein Rechtsstaat.

    2. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Ermittlungen und Prozesse gegen DDR-Grenzsoldaten, Richter oder die politische und militärische Führung der DDR wegen der „Mauertoten“. Wenn man das mit dem vergleicht, was nach dem 2.WK mit Wehrmachts-, SS-Angehörigen oder sonstigen Gestalten des NS-Systems gemacht oder besser nicht gemacht wurde, dann bleibt nur die Feststellung: Unrechtsstaat Bundesrepublik Deutschland! Das gilt erst recht für die Kriegsverbrechen von USA, NATO und oder Bundesregierung und Bundeswehr! Da werden sogar schon Ermittlungen eingestellt! In meinem Bücherregal steht ein Buch eines damals jungen westdeutschen Anwaltes, der einen DDR-Richter verteidigte, der über Leute nach dem Recht der DDR in politischen Fragen zu urteilen hatte und der deshalb von der westlichen Siegerjustiz vor Gericht gestellt wurde! Es ging dem Anwalt nur um die rechtlichen Fragen, die der DDR-Richter nach geltendem Recht, über das man geteilter Meinung sein kann, zu beurteilen hatte. Der Richter wurde natürlich – auch aus politischen Gründen – verurteilt und der junge Anwalt verfasste darüber ein Buch, weil auch er feststellte, dass der DDR-Richter nicht nach Recht und Gesetz, sondern nach politischen Gründen heraus verurteilt wurde!

  3. Danke Thomas an dich und für deine wertvolle Arbeit. Es ist immer wieder erfreulich, Texte aus deiner Feder zu lesen und auch eine Möglichkeit zu bekommen vieles aus einem anderen Winkel zu betrachten.

    Was vor nicht allzu langer Zeit noch als eine Verschwörungstheorie galt, kommt halt jetzt mehr und mehr ans Licht. Trotzdem wird versucht uns diese Vorgehensweisen, als etwas notwendiges zu verkaufen.
    Irgendwann finden wir uns in einem System wieder, in dem nur noch das Recht des Stärksten gilt und dann heulen die rum, die es soweit haben kommen lassen, mit einem Teil von denen die es unterstütz hatten.
    Wer wird sich dann noch auf ein Rechtsstaat, der bereits im Tiefflug ist, halten können? Die mit der militärischen Kraft. Für was sonst kommt wohl der Graben um den Reichstag mit Graben?
    Schelm der Böses denkt.

  4. Eine unabhängige Justiz ist doch nicht wichtig! Nein, „wichtig“ sind Demos in Moskau!

    https://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-eu-kritisiert-festnahmen-in-moskau-a-1279365.html

    War gestern auch mehrfach die Spitzenmeldung in der Tagesschau. Und das ZDF entblödete sich nicht, in seinem „Bericht“ einen Demonstranten namens „Michail“ behaupten zu lassen, daß man in Russland nicht mehr leben könne, man dürfe ja nicht einmal mehr auf die Straße und demonstrieren – sagte er, während er auf der Straße stand und demonstrierte! …und völlig frei und unbehindert einem ausländischen Sender ein Interview gab.

    Aber den Propagandisten fallen ja noch nicht mal die eigenen Widersprüche auf, denn der direkt folgende Satz ging so. „Seit Wochen wird in Moskau demonstriert….“

  5. Sehr geehrter Herr Röper,

    Und auch von mir ein herzlichen Dank. Ich möchte sogar ihre Verschwörungstheorie etwas ausdehnen oder zumindest im Raume stellen: die Zeit und die Zustände sind gerade jetzt in Deutschland überreif für eine tiefgreifende Diskussion über das Grundgesetzt und die daraus offiziell abgeleitete Rechtstaatlichkeit. Das Timing der Beschlussfassung vom E. Gerichtshof ist von daher „suspekt“ eben weil das Timing nicht hätte besser sein können. Oder ist es Zufall? Ist es ein Zufall, dass gerade jetzt in den USA heftig diskutiert und gekämpft wird über die Frage der Rechtsstaatlichkeit, wo zwei grundsätzlich und miteinander nicht Kompatiblen Konzepte oder „Modelle“ gegenüberstehen: „Der Verwaltungsstaat als Fundament der Deep State / Tiefen Staat“, durchdrungen von politisch gelenkten Willkür und Korruption, oder die eigentliche Verfassung der USA als „constitutional Republic“, verfassungsmäßigen Republik.

    Das ist ein sehr breites Thema. Trump stellt die „strict presidential constutionalists“ dar, also die „strenge präsidiale Verfassungsanhänger“.

    Aber um es kurz zu fassen. – In der Bundesrepublik steht ein Staatsanwalt in der Pflicht politische Anweisungen zu befolgen. Er ist nicht unabhängig. Sein Vorgesetzter ist der Justizminister, und sein Vorgesetzter ist der Kanzler. (Verzeihung: ich verzichte auf die politisch korrekte geschlechtliche Benennungen.) Die Motive für den Vorgesetzter irgendwelche Anweisungen zu geben, können einfache Korruption (politisch oder finanziell oder beides) sein, oder sie können viel mehr sein: z.B. „Klag den an… wir wollen ihn weg haben… irgendwelchen Dreck findet sich schon… lasst euch etwas einfallen“ (solche Fälle wurden epidemisch unter Obama in den USA), oder auch „lass die Finger vom ihm, er arbeitet für einen befreundeten Geheimdienst“ (ganz lustig und auch wichtig jetzt in den USA, der Fall Jeffrey Epstein, neu angeklagt als Vorzeigefigur in einen massiven Pädophilie Ring, wo der damaliger und zuständiger Staatsanwalt, Acosta – Arbeitsminister für Trump bis zu seinem Rücktritt – offen sagt, dass er die Anweisung bekam, die Finger davon zu lassen und die Anklage nicht voll durchzuziehen, weil der Epstein „belongs to intelligence“ / gehört zu den Geheimdiensten),nachdem oder aus dem gleiche Grund „ok, haltet ihn im Auge aber kein Zugriff“ wie u.a. im Falle Amris Amri. Sonst erscheinen solche Fällen öfters in deutsche Krimis, die dem „Volk“ als geistigen Ersatz für gescheite politische Material dienen sollen.

    Das ist also der Verwaltungsstaat. Völlig unabhängig von den einzelnen Beispielen und Beispielmustern, wird man immer vergebens in dem Verwaltungsstaat (oder „Parteistaat“, da sie in der Praxis gleich sind) nach politische Legitimierung suchen. Wahlen machen die Legitimierung nicht aus. Der Kanzler in Deutschland wird nicht gewählt. Wenn der Zug am Ende der Bahnlinie angekommen ist und die Rechtslage verlangt, dass entweder bis zur Klärung eines Falles ermittelt wird, und da ein Verbrechen vorliegt, angeklagt werden muss, hat der Verwaltungsstaat den Ausstiegsformel: Nein, es wird nicht ermittelt bis zu Ende und, nein, es wird nicht angeklagt weil das nicht dem Staatswohl förderlich wäre (offiziell letztes Wort zum NSU Fall) . Weitere Fragen dazu werden aus Gründen des Staatswohles nicht beantwortet.

    Und wie häufig in letzter Zeit hat die Bundesregierung dieses Ausstiegsformel benutzt? Wie kann ein Staat dieses Formel – geheimgehaltenes Staatswohl – politische „demokratisch“ legitimieren?

    Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist sehr grundsätzlich zu verstehen, und von daher wichtiger als z.B. Peter Gauweilers alte Verfassungsklage gegen die Ausweitung des für die Bundeswehr anvisierten Auftrags im Rahmen des NATO Vertrags (out of area deployments). Da hat der Bundesgerichtshofs ziemlich lapidar gesagt, Na ja, ein Vertragsorganisation kann sich ändern, als ob die ursprüngliche deutsche Zustimmung zur NATO einfach auf eine völlig andere Organisation übertragen werden könnte. Der Parlamentarische Vorbehalt wurde erfunden. Die sind gewählt, stellen also als Verter der Wähler die Legitimierung dar. Die Sophistereien die dann im Parlament über die Fragen wo und wie Deutschland sich überall in der Welt verteidigen soll, sind allseits bekannt. Ab dann hat das Parlament die Zustimmung zu Bundeswehr Einsätzen z.B. in Afghanistan, Somalia, Mai und-und-und „verwaltet“ und das Problem war anscheinend vom Tisch. Aber auf diesem Feld gab es auch eine Verschiebung der Sophistereien: wo ursprünglich „verteidigt“ werden soll, wurde dann das „Staatswohl-Argument“ auf dem Spielfeld geworden und es ging um „Wahrung von Interessen“. Die Interessen werden aber nie so dargelegt und zur Diskussion gestellt, dass sie politisch legitimiert werden könnten.

    Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs stellt nicht in Frage ob in den ersuchten Auslieferungsfällen deutsche Staatsanwälte politische Anweisung folgen oder gefolgt sind, sie stellt die Legitimität von solchen verwaltungsstaatliche Rechtsstrukturen in Frage.
    Erstaunlich!

    Die Debatte darf anfangen. Möge sie hart ausgefochten werden und lange leben. Es könnte ein Teil des Schlüssels zu einem souveränes Deutschland werden. Wie anfangs gesagt, dass die gleiche Debatte auch in den USA geführt wird — wenn man will, keine Debatte sondern Krieg — ist auf jeden Fall interessant. Ist es zufällig? Vielleicht.

  6. Die Qualität des „Rechtsstaates“ Deutschland fällt einem immer wieder negativ auf. Mir selbst wurde letztes Jahr ein Bescheid des Amtsgerichtes zugestellt, daß ein Strafverfahren wegen Betruges gegen mich eingestellt worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt wußte ich noch nicht einmal, daß ich überhaupt verklagt worden war! Und bis heute weiß ich nicht, von wem und weswegen (ich kann nur mutmaßen), denn der von mir zwecks dieses Sachverhaltes befragte Anwalt meinte, ich könnte die Unterlagen zwar anfordern, aber das würde Geld kosten. Sowohl vom Gericht als auch vom Anwalt, denn als Betroffener selbst könne ich das leider nicht tun.

    Ähnliche Fälle sind in Deutschland offenbar gang und gäbe. So wurde Jens Bernert, Betreiber des Blogs „Blauer Bote“, vom Magazin „Stern“ verklagt, und erfuhr erst nach dem für ihn negativen Urteil überhaupt, daß gegen ihn prozessiert worden war. Also nicht nur in Abwesenheit, sondern auch in völliger Unkenntnis der Klage. Und das war wohlgemerkt schon das Urteil in zweiter Instanz!!! In der ersten war „Stern“ noch gescheitert – und nicht einmal das wurde dem Beklagten mitgeteilt.

    Und der Betreiber des Blogs „Rationalgalerie“ Ulrich Gellermann, wurde erst umständich vor das Gericht zitiert – wohin ihn eine Klage der „Süddeutschen Zeitung“ gebracht hatte, aber als das Verfahren drohte, zuviel Staub aufzuwirbeln, wurde die formal „öffentliche“ Sitzung in Unkenntnis des Angeklagten einfach um 3 Stunden vorverlegt – und fand so defacto unter Ausschluß der Öffentlichkeit – und, wieder mal, in Abwesenheit des Beklagten statt.

    https://www.rationalgalerie.de/home/sueddeutsche-prozess-verloren.html

    „Rechtsstaat“ Deutschland!

  7. Die Staatsanwälte müssen den Anweisungen des Justizministers Folge leisten. Es gibt aber kein Gesetzt, dass dem Justizminister das Recht gibt strafvereitelnd einzugreifen. Wenn also die Anweisung von Oben kommt, dass in einigen bestimmten Fällen nicht ermittelt werden darf, dann ist dies schlicht und einfach Rechtsbeugung.
    Ich kann nur allen Staatsanwälten raten sich diese Anweisungen schriftlich geben zu lassen. Oder zumindest mit einer Bestätigungsemail zu antworten. Denn sonst wird im Fall eines Falles eure Eier auf dem Herd gegrillt. Die Politiker wissen dann von nix.
    Wir wissen, dass die Justizminister von dieser Möglichkeit reichlich Gebrauch machen. Aber gibt es irgendwo eine Statistik in wievielten Fällen im Jahr? Oder bislang insgesamt?
    Mit dem Urteil des EUGH und einer solchen Statistik könnte man alle Strafprozesse der letzten Jahre anfechten. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist nicht mehr gegeben.
    Ich bin kein Jurist, aber ich denke, dass dieses Urteil des EUGH die Sprengwirkung einer Bombe hat. Es eröffnet gewieften Anwälten sicherlich einige Möglichkeiten das ganze auszunutzen.
    Alle Versuche der Legislative den § 146 und 147 beizubehalten, werden ins Leere laufen. Es wird versucht mit neuen Gesetzten das Ganze zu verschlimmbessern. Und am Ende wird dann das EUGH wieder ein vernichtendes Urteil fällen.
    Es wird sicherlich noch einige Jahre dauern, aber der 27.05.2019 wird sicherlich der Anfang vom Ende des § 146 und 147 sein. Und alle alten Justizminister können dann wegen Rechtbeugung angeklagt werden.

  8. Ich stelle einmal diesen Beitrag rein weil dieser die Probleme noch deutlicher aufzeigt. Dazu hier noch einleitend 2 Zitate:

    „In effect, Berlin is saying its prosecutors can bring charges against anyone alleged to have committed crimes against humanity, genocide, or war crimes anywhere in the world, against any other nation’s people.

    “It is a surprise for everyone,” Anwar al-Bunni, a Syrian lawyer living in Berlin and a witness in the case against Raslan, said. Bunni, who recalls ending up at the same refugee center in Berlin as Raslan, continued: “Nobody could imagine that universal jurisdiction could work.”

    „Tatsächlich sagt Berlin, dass seine Staatsanwälte Anklage gegen jeden erheben können, der irgendwo auf der Welt Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord oder Kriegsverbrechen begangen haben soll, und zwar gegen die Bevölkerung eines anderen Landes. „Es ist eine Überraschung für alle“, sagte Anwar al-Bunni, ein in Berlin lebender syrischer Anwalt und Zeuge im Fall gegen Raslan. Bunni, der sich erinnert, dass er im selben Flüchtlingszentrum in Berlin gelandet ist wie Raslan, fuhr fort: „Niemand kann sich vorstellen, dass die universelle Gerichtsbarkeit funktionieren könnte.“

    „Cases involving Syrian rights violations are also more politically straightforward. In Germany, the ECCHR twice, in 2004 and 2006, tried to bring universal-jurisdiction cases against then–U.S. Defense Secretary Donald Rumsfeld, arguing that he had been complicit in the torture of Iraqis, but its efforts went nowhere because German federal prosecutors balked. The Rumsfeld cases were “not politically welcome,” Florian Jessberger, a Hamburg University law professor, said in an interview. This time, however, the German officials taking on the Syrian prosecutions “are engaged,” Jessberger said. “In this case, there is a global consensus about who is the good guy and who is the bad guy.”“

    „Fälle, in denen syrische Rechte verletzt wurden, sind auch politisch einfacher. In Deutschland hat das ECCHR in den Jahren 2004 und 2006 zwei Mal versucht, Gerichtsverfahren gegen die damalige US-Regierung einzuleiten. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld argumentierte, er habe sich an der Folter von Irakern beteiligt, aber seine Bemühungen gingen nirgendwo hin, weil die deutschen Bundesanwälte sich sträubten. Die Fälle in Rumsfeld seien „politisch nicht willkommen“, sagte der Hamburger Rechtsprofessor Florian Jessberger in einem Interview. Diesmal sind jedoch die deutschen Beamten, die die syrische Anklage übernehmen, „verlobt“, sagte Jessberger. „In diesem Fall herrscht ein globaler Konsens darüber, wer der Gute und wer der Böse ist.““

    https://www.theatlantic.com/international/archive/2019/07/can-germany-convict-syrian-war-criminals/595054/

    Hier wurde bereits auf die Strafverfolgung gegen DDR Grenzschützer und Andere hingewiesen.

    Diese universelle Gerichtsbarkeit ist praktisch ein staatsgebundener Gerichtshof zum Kriegsverbrecher Tribunal.
    Das merkwürdige an dem „gerechten Gericht“ ist die Tatsache nur solche Täter zu verurteilen die nicht einem Nato-Land zugehörig oder verbunden sind.
    Ich vergleiche einmal 2 Dinge und das Agieren der BRD.
    Wenn in SA Menschen ausgepeitscht oder noch schlimmer bestraft werden gibt es Mahnungen zu Einhaltung der Menschenrechte und danach werden ungeniert fette Geschäfte gemacht. Sozusagen Schwamm drüber und gut das wir mal drüber gesprochen haben. Über das zerstückeln eines Menschen kann man auch nach gespielter Empörung hinweg sehen.
    Was würde nun aber passieren wenn ein saudischer Flüchtling hier seinen Peiniger trifft? Noch braucht man SA deshalb wird nichts veranlasst so schätze ich das ein.

    Der syrische Anwalt traf hier in Deutschland auf seinen Peiniger und auf einmal werden Staatsanwälte tätig?

    All die angestrebten Klagen zu den Natokriegen gingen allesamt ins Leere.
    Wir werden es wohl nie erfahren ob ein bei uns aufgenommener Flüchtling unter den „Menschenrechtskriegern“ der Natotruppen seinen Peiniger erkannt hat.

  9. Soweit mir bekannt ist das nicht nur ein Problem von Deutschland sondern von fast allen „westlichen“ Ländern. Auch in der USA, Österreich etc. herrscht dasselbe Problem.

    In der EU ist, soweit ich weiß, nur das italienische Rechtssystem wirklich von der Politik unabhängig. Deshalb sind dort Staatsanwälte besonders gefährdet. In der Vergangenheit wurden mehrere von der Mafia beseitigt um Untersuchungen zu verhindern.

    Das wurde absichtlich so eingerichtet. Politiker können so ihre eigene Kaste und sogar Konzerne auf diese Art schützen.

    Deshalb haben wir ja das derzeitige UNrechtssystem, welches nur auf die Durchschnittsbürger angewandt wird, während die Reichen und Mächtigen sich rauswinden können.

  10. Ich habe allen Anlaß zu dem dringenden Verdacht, daß in Deutschland nicht nur die Staatsanwaltschaften weisungsabhängig sind, sondern ganze Kammern.
    Es wäre gut, dem auf den Grund zu gehen. Vielleicht gibt es ja mal einen Whistleblower,
    der dazu etwas sagt.

  11. Also ich will das nicht allzu weit vertiefen, da müßte ich mich auch wieder mal etwas näher damit befassen – aber daß Deutschland keinen Europäischen Haftbefehl ausstellen darf, ist so wohl nicht richtig.
    Nur die Deutsche Staatsanwaltschaft darf es nicht, ein Deutsches Gericht schon.

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