Was hat es mit den neuen russischen Waffensystemen auf sich? Eine Zusammenfassung

In letzter Zeit liest man immer wieder Artikel über neue russische Waffensysteme. Ich möchte nun die vielen russischen Neuentwicklungen einmal näher betrachten und, wenn möglich, mit ihren amerikanischen Gegenstücken vergleichen.
 
Im März 2018 machte eine Ansprache Putins Schlagzeilen, in der er gleich sechs neue russische Waffensysteme präsentierte, die bei Experten für Erstaunen und auch für Unglauben gesorgt haben. Es gab auch Zweifel, ob all dies tatsächlich der Wahrheit entsprach. Tatsächlich sind noch nicht alle diese Waffen auch bei den Streitkräften eingeführt und einige sind noch in der Entwicklung.
 
Die Vorgeschichte dieser neuen Waffen ist schnell erzählt. Als die USA unter Bush Junior den ABM-Vertrag über das Verbot von Raketenabwehrsystemen gekündigt haben, hat Putin gesagt, dass Russland darauf asymmetrisch antworten werde. Russland habe kein Geld, selbst derart teure Systeme zu entwickeln und werde stattdessen Raketen entwickeln, die für solche Systeme nicht erreichbar sind.
 
Nun muss man sich erinnern: Damals, vor 16 Jahren, lag Russland am Boden und war bankrott, sein BIP war geringer, als das von Polen. Niemand nahm Putins Warnungen ernst, niemand glaubte, dass Russland das leisten könnte.
 
Danach war einige Jahre Ruhe, die Öffentlichkeit hatte die Ankündigungen Russlands wieder vergessen, bis Putin im März 2018 die Katze aus dem Sack ließ und seine Antwort auf die US-Raketenabwehr präsentierte.
 
Die erste Rakete, die Putin präsentierte, war die „Sarmat“ (Nato Bezeichnung SS-X-30 Satan2). Das ist eine ballistische Interkontinentalrakete, die sich von anderen in ihrer größeren Reichweite unterscheidet. Sie kann ihre Sprengköpfe über den Umweg über den Südpol ins Ziel bringen, was dazu führt, dass die Sprengköpfe die USA aus Richtungen anfliegen können, die (bisher) nicht durch Abwehrsysteme geschützt sind. Außerdem sind die Sprengköpfe in der Lage, auf ihrem Weg ins Ziel den Kurs zu ändern, was es für eine Raketenabwehr sehr schwer macht, sie zu treffen.
 
Hierzu muss man wissen, wie heutige Raketenabwehrsysteme funktionieren. Sie sind darauf ausgerichtet, ballistische Raketen abzufangen. Eine ballistische Flugbahn kann man vorausberechnen. Wenn das Radar eine solche Rakete entdeckt, wird der Kurs berechnet und die Abwehrrakete fliegt der angreifenden Rakete entgegen, um sie an einem vorausberechneten Punkt zu treffen und zu zerstören. Wenn aber die angreifende Rakete im Anflug ständig den Kurs ändert, dann wird es fast unmöglich, sie zu treffen, weil sie nicht an dem vorausberechneten Punkt ankommt, sondern woanders sein wird.
 
Diese Schwäche machen sich alle neuen russischen Raketen zu Nutze. Die Russen scheinen auf dem Gebiet große Fortschritte gemacht zu haben, die sie in alle ihre neuen Raketen haben einfließen lassen.
 
Aber damit nicht genug, die Russen haben auch Raketen entwickelt und zum Teil bereits in Dienst gestellt, die etwas können, woran im Westen bisher alle gescheitert sind. Sie können im Hyperschallbereich fliegen, also schneller als zehnfache Schallgeschwindigkeit. Das stellt besondere Schwierigkeiten dar, weil sich die Außenhaut von Objekten bei derartigen Geschwindigkeiten auf tausende Grad erhitzt, ganz so, wie ein aus All zurückkehrendes Raumschiff oder ein einschlagender Asteroid. Dabei bildet sich um den Flugkörper eine Blase aus unglaublich heißem Plasma. Welche Herausforderungen diese Temperaturen an die Flugkörper stellen, verstehen wir, wenn wir uns erinnern, dass das Space Shuttle Columbia abgestürzt ist, weil es diese Temperaturen nach einem Schaden am Hitzeschild nicht überstanden hat. Und die Russen sagen nicht nur, dass sie diese Probleme im Griff haben, sie behaupten auch noch, dass ihre Raketen manövrieren können, obwohl sie in dieser Plasmablase stecken.
 
So war die nächste Waffe, die Putin damals vorstellte, die Hyperschallrakete „Kinschal“ (übersetzt Dolch). Diese Rakete ist eine Luft-Boden-Rakete, die von Flugzeugen aus sowohl gegen Bodenziele, als auch gegen Schiffe eingesetzt werden kann und dabei zehnfache Schallgeschwindigkeit erreicht. Da es derzeit im Westen keine Abwehrsysteme gibt, die Objekte mit derartiger Geschwindigkeit abfangen können, stellt diese Rakete vor allem eine große Gefahr für die US-Flugzeugträger dar. Die Rakete ist sowohl konventionell, als auch atomar bestückbar. Aber allein aufgrund ihrer Geschwindigkeit erreicht sie eine so große kinetische Energie, dass ein Treffer reichen müsste, ein mittleres Schiff zu versenken, selbst ohne Sprengkopf.
 
Eine weitere Rakete, die Putin vorstellte, war die „Avangard“. Das ist wieder eine Interkontinentalrakete, jedoch keine, die auf einer ballistischen Flugbahn fliegt. Sie fliegt wie ein Marschflugkörper wenige Meter über dem Boden, kann aber auch in großer Höhe bis hin zum niedrigen Erdorbit fliegen. Russischen Angaben nach ist die Rakete bei Tests mit bis zu Mach 27 geflogen, dabei bleibt sie manövrierbar, was es für ein Abwehrsystem – neben der hohen Geschwindigkeit – unmöglich macht, sie zu abzufangen. Die „Avangard“ ist keine Rakete im eigentlichen Sinne, sie wird von Raketen wie der „Sarmat“ gestartet und auf Geschwindigkeit gebracht, bevor sie sich von der Trägerrakete löst und selbst weiterfliegt. Die „Avangard“ ist 2018 bei den russischen Streitkräften eingeführt worden.
 
Eine weitere Hyperschallrakete, die Russland derzeit entwickelt, ist die „Zircon“, eine Anti-Schiffsrakete. Sie soll Mach 8, also fast 10.000 Kilometer pro Stunde, erreichen und eine maximale Reichweite von ca. 1.000 Kilometern haben. Auch dies also eine Waffe, die mit heute verfügbaren Abwehrsystemen kaum erreichbar ist und ebenfalls eine Gefahr für die Flugzeugträger der USA darstellt, denn sie kann von Schiffen, U-Booten, Flugzeugen und vom Land aus abgefeuert werden.
 
Außerdem hat Russland auch noch die Unterwasserdrohne „Poseidon“ vorgestellt, wobei es sich hierbei um einen autonomen Roboter handelt, der atomgetrieben ist und daher eine praktisch unbegrenzte Reichweite hat und ebenfalls kaum abzufangen ist, da er kleiner und leiser ist, als ein U-Boot und wohl auch tiefer tauchen kann. Hinzu kommt, dass die Russen bei der „Poseidon“ eine Technik einsetzen, die schon bei ihrem Torpedo „Schkwal“ zum Einsatz kam. Dabei handelt es sich um die sogenannte „Superkavitation“, das bedeutet, dass diese Waffen unter Wasser Geschwindigkeiten von bis zu 400 Kilometer pro Stunde erreichen können. Da das im dichten Element Wasser eigentlich gar nicht möglich ist, bilden sie um sich eine sogenannte Kavitationsblase aus Wasserdampf. Diese Waffen sind derzeit nicht abwehrbar und daher ebenfalls eine große Gefahr für Flugzeugträger. Außer Russland hat auch die deutsche Rüstungsschmiede Diehl einen Prototyp eines Kaviationstorpedos entwickelt, er wurde aber nie produziert, außer Russland verfügt kein Land über diese Technik.
 
Bei der „Poseidon“ kommt hinzu, dass sie von U-Booten überall auf der Welt unbemerkt abgesetzt werden und erst viel später aktiviert werden kann. Dabei kann sie sich sowohl langsam und unbemerkt bewegen, sie kann aber auch in die Superkavitation umschalten und mit hunderten Kilometern pro Stunde ihre Ziele angreifen. Und sie kann auch Atomwaffen zum Beispiel in Hafenstädte tragen und dort zünden.
 
Der Grund, warum Russland die Entwicklung derartiger Waffen forciert hat, liegt in der US-Raketenabwehr, die in Europa aufgestellt wurde. Denn anders als der Name sagt, ist es keineswegs eine ausschließliche „Abwehr“-Waffe. Diese Raketenabwehr würde es den USA auch ermöglichen, Russlands Atomwaffen mit einem Erstschlag auszuschalten und die dann schwache militärische russische Antwort mit der Raketenabwehr abzufangen. So war der Plan, die Raketenabwehr sollte die USA unverwundbar machen für einen russischen (Gegen-) Angriff.
 
Daher hat Russland einerseits Raketen entwickelt, gegen die die Raketenabwehr nutzlos ist und andererseits mit der „Poseidon“ auch ein System entwickelt, das einen russischen Gegenschlag auch nach einem erfolgreichen US-Angriff gegen Russland selbst ermöglicht.
 
Sicherer ist die Welt durch die US-Raketenabwehr jedenfalls nicht geworden.
 
All diese bisher erwähnten neuen russischen Waffensysteme sind einmalig in der Welt und basieren auf Techniken (Hyperschall, Superkavitation), die offiziell noch niemand sonst beherrscht.
 
Es gibt aber auch andere russische Neuentwicklungen, für die es vergleichbare Waffensysteme in den USA gibt. Die wollen wir uns nun auch mal ansehen und versuchen, sie zu vergleichen.
 
2011 hat Russland begonnen, den Marschflugkörper „Kalibr“ bei den Streitkräften einzuführen. Das amerikanische Gegenstück ist die „Tomahawk“. Beide Waffen werden von Flugzeugen, Schiffen und U-Booten abgefeuert. Die „Tomahawk“ hat eine Reichweite von bis zu 2.500 Kilometern und kann einen 450 Kilo-Sprengkopf tragen. Die „Kalibr“ hat nur eine geringfügig größere Reichweite und Nutzlast, allerdings arbeiten die Russen an einer Version mit einer Reichweite von bis zu 4.500 Kilometern und einer Nutzlast von einer Tonne. Die USA haben die „Tomahawk“ oft und in vielen Kriegen eingesetzt, die Russen haben ihre „Kalibr“ in Syrien erstmals eingesetzt und das mit großem Erfolg.
 
Auch in Sachen Raketenabwehr ziehen die Russen nun nach. Derzeit wird die „Nudol“ getestet, eine Rakete, die sowohl ballistische Interkontinentalraketen abfangen können soll, aber auch gegen Satelliten einsetzbar ist.
 
Im Sommer 2015 haben die Russen erstmals die neue Plattform für Panzer, „Armata“, öffentlich gezeigt. Auf dieser Basis sollen sowohl neue Schützen- und Kampfpanzer wie der T-14 gebaut werden, als auch Panzermörser, Minenräumpanzer, Jagdpanzer, Minenlegepanzer und Brückenlegepanzer. Bisher werden Kampf- und Schützenpanzer erprobt und sollen demnächst in die Streitkräfte aufgenommen werden. Es handelt sich dabei um die erste Neuentwicklung eines Panzers seit dem Ende des Kalten Krieges, die Konkurrenz der Deutschen, Leopard 2, und der Amerikaner, Abrams, sind jeweils auf vierzig Jahre alten Plattformen gebaut. Die Vorstellung des „Armata“ hat für einige Nervosität im Westen gesorgt, da seine Panzerung wohl mit herkömmlicher Antipanzerwaffen nicht zu durchschlagen ist. Einzig Bomben mit angereichertem Uran dürften diesen Panzer stoppen können.
 
Interessant ist auch die Entwicklung bei den Kampfflugzeugen Die USA haben die F-35 2015 in Dienst gestellt und seit dem macht sie immer wieder mit technischen Problemen Schlagzeilen, während sie andererseits mit einem Stückpreis von weit über 100 Millionen Dollar unglaublich teuer ist. Zum Vergleich: Der Eurofighter kostet je nach Ausführung 45 bis 60 Millionen.
 
Die USA haben bei der F-35 viel Wert auf Stealth-Eigenschaften gelegt. Russland testet derzeit sein Gegenstück, die SU-57. Auch die Russen versprechen, ihr Flugzeug habe gute Stealtheigenschaften, aber sie haben auch die Flugfähigkeit nicht vergessen. Die Einsatzreichweite, die Marschgeschwindigkeit und die Höchstgeschwindigkeit der SU-57 sind denen der F-35 überlegen. Hier muss man zwar vorsichtig sein, da vieles, was diese beiden Flieger angeht, noch geheim ist und diese Angaben daher nicht überprüfbar sind, aber die Probleme, die die Amerikaner mit ihrer F-35 haben, sind bekannt und sprechen für sich.
 
Traditionell waren die russischen Flugabwehrsysteme sehr gut und schon im Kalten Krieg hatte die Nato großen Respekt vor den sowjetischen Systemen. 2007 haben die Russen ihr neuestes Flugabwehrsystem S-400 „Triumph“ eingeführt, das mit einer Reichweite von 380 Kilometern seinem amerikanischen Gegenpart „Patriot“, das nur eine Reichweite von 45 Kilometern hat, weit überlegen ist. Reichweite ist bei solchen Systemen natürlich nicht alles, aber schon die Sorgen, die die modernen israelischen Streitkräfte sich machen, seit Syrien Ende 2018 das alte Vorgängermodell S-300 bekommen hat, sprechen für sich.
 
Nun weiß niemand, was hinter den Kulissen im Geheimen vor sich geht. Manche amerikanischen Waffen wurden lange geheim gehalten, wie zum Beispiel der erste Tarnkappenbomber F-117. Er wurde 1983 in Dienst gestellt und erst 1988 wurde dessen Existenz offiziell überhaupt bestätigt. Auch haben die USA im Kalten Krieg die Legende von der sowjetischen militärischen Überlegenheit gerne offiziell bestätigt, um mit dieser Begründung mehr Geld für die eigene Rüstung zu fordern, obwohl sie wussten, dass die Sowjetunion in Wirklichkeit militärisch unterlegen war.
 
Andererseits ist Russland unter Putin nicht die Sowjetunion unter der Altherrenmannschaft von Breschnew & Co. Während die Sowjetunion sich auf einen ruinösen Rüstungswettlauf eingelassen hat, den sie nicht gewinnen konnte, hat Putin von vornherein auf eine asymmetrische Reaktion gesetzt, die sich Russland finanziell leisten kann.
 
Aber trotz aller Vorbehalte, die man ja haben kann, ist es doch erstaunlich, was Russland mit einem Verteidigungsbudget auf die Beine gestellt hat, das weniger als 10% des Pentagon-Budgets beträgt. Während die USA inzwischen über 700 Milliarden Dollar pro Jahr ins Militär investieren, sind es bei den Russen nur um die 50 Milliarden. Und selbst wenn man berücksichtigt, dass die USA im Gegensatz zu Russland nicht nur elf große und neun kleinere Flugzeugträger im Dienst haben und außerdem über hundert Militärbasen in der ganzen Welt unterhalten, sind die Kosten immer noch immens.
 
Außerdem sind die US-Waffensysteme in der Regel teurer, als die Waffensysteme der Konkurrenz. So ist einer der Gründe, warum die Türkei das russische S-400 anstatt der Patriot anschafft, die Tatsache, dass die Patriot ein Vielfaches der S-400 kostet. Diese hohen Kosten sind ein Hinweis auf ein ineffizientes System im Pentagon, von dem man immer wieder hört. Es ist oft die Rede davon, dass das Pentagon externe Leistungen bei privaten Firmen viel zu teuer einkauft und wenn man sich die Probleme bei der F-35 anschaut, ist es möglicherweise auch so, dass das Pentagon den Waffenherstellern ebenfalls völlig überhöhte Kosten durchgehen lässt, ohne sich zumindest Qualitätsgarantien geben zu lassen. Und das geht zulasten des US-Haushaltes und zugunsten der Profite der Rüstungsunternehmen.
 
Auch die Chinesen haben anscheinend in vielen Gebieten zu den USA aufgeschlossen. Die früher „uneinholbare“ technische Überlegenheit der USA auf militärischem Gebiet scheint jedenfalls der Vergangenheit anzugehören, obwohl die USA ein Vielfaches von dem ausgeben, was Russland oder China in ihr Militär investieren.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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