Wie das russische Fernsehen über den türkischen Angriff auf die syrischen Kurden berichtet

Was die deutschen Medien über den türkischen Angriff auf die Kurden in Syrien berichten, ist bekannt, man kann den Berichten in diesen Tagen ja kaum entkommen. Daher zeige ich hier, wie das russische Fernsehen darüber berichtet.

Über die Hintergründe des Konfliktes und wie ich die Interessen der Beteiligten einschätze, habe ich schon in den letzten Tagen genug geschrieben. Der türkische Angriff läuft nun und am Donnerstag gab es dazu einen Bericht in den 20-Uhr-Nachrichten im russischen Fernsehen, der die russische Perspektive gut aufgezeigt hat. Der Bericht war von dem Kriegsreporter des russischen Fernsehens, der schon seit Jahren aus Syrien berichtet und dessen Berichte ich als sehr kompetent ansehe, da fast alles, was ich von ihm zuerst gehört habe, sich später bestätigt hat.

Daher habe ich diesen Beitrag des russischen Fernsehens übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat mit dem irakischen Präsidenten über die türkische Militäroperation in Syrien gesprochen. In dem Telefonat betonten die Seiten, dass sowohl Moskau als auch Bagdad bereit sind, alles zu tun, um die Lage zu stabilisieren und einen Dialog zwischen Damaskus und Ankara zu ermöglichen. Aber schon vor diesem Gespräch machte Lawrow deutlich, dass die Beziehungen zwischen Syrien und der Türkei durch das Vorgehen der Vereinigten Staaten untergraben würden. Die Amerikaner versuchen, die kurdische Karte zu spielen und haben alle Versuche verhindert, den Konflikt friedlich zu lösen. Die türkische Armee setzt ihre Offensive tief in syrisches Gebiet fort.

Die türkische Militäroperation in Syrien läuft seit mehr als einem Tag. Und bisher gab es keine Überraschungen. Das Militär führt Schläge gegen kurdische Milizen aus und die Zivilisten fliehen aus dem Kriegsgebiet. Die Kurden sagen, sie werden sich heftig verteidigen. Aber das sind eher Zaubersprüche für die eigenen Kräfte.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Kurden in der Lage sein werden, sich effektiv gegen die türkischen Streitkräfte zu verteidigen, die von syrischen Oppositionsgruppen unterstützt werden. Und die Führer der kurdischen Milizen haben das selbst de facto eingestanden. Die Aufrufe, Ankara an den Verhandlungstisch zu zwingen, sind lauter, als die Reden der politischen Agitatoren.

„Anstatt uns im Stich zu lassen und der Türkei zu erlauben, uns anzugreifen, fordern wir US-Präsident Donald Trump auf, seinen Teil dazu beizutragen und eine politische Lösung für diesen Konflikt zu finden“ rät die Vertreterin der syrischen Bewegung „Syrische Demokratische Kräfte“, Ilham Ahmed, dem amerikanischen Präsidenten.

Erdogan wird natürlich aufgerufen werden, die Operation einzustellen. Aber nachdem der türkische Präsident sie erst einmal begonnen hat, wird er sie wahrscheinlich kaum wieder stoppen. Als Reaktion auf die Forderungen Europas reagierte der türkische Präsident mit seiner Standarddrohung, die Tür nach Europa zu öffnen.

„Hey, die Europäische Union“ rief der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, damit Europa ihn auch wirklich hört: „Reißt Euch zusammen! Wenn Ihr versucht, unsere Operation als „Invasion“ zu bezeichnen, ist unsere Reaktion einfach: wir werden die Grenzübergänge öffnen und fast vier Millionen Flüchtlinge zu Euch lassen!“

Die Führer der Kurden unterscheiden sich in diesem Zusammenhang jedoch nicht wesentlich von dem türkischen Präsidenten. Erdogan erschreckt Europäer mit Flüchtlingen, darunter sind viele Radikale. Und die Kurden sprechen darüber, dass als Folge der Aktionen Ankaras gefangene Terroristen des IS aus ihren Gefängnissen und Lagern entkommen könnten.

„Es gibt eine schwere humanitäre Krise in der Region“ sagt Ilham Ahmed, eine Vertreterin der „Syrischen Demokratischen Kräfte“. „Eines der Gefängnisse, in dem IS-Kämpfer von kurdischen Kämpfern gefangen gehalten wurden, wurde von der türkischen Luftwaffe getroffen. Und ich glaube, dass einige Terroristen das genutzt haben und geflohen sind.“

Vertreter der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ haben bereits berichtet, dass besonders gefährliche IS-Terroristen aus dem Lager Al-Hol geflohen sind, nachdem die türkische Luftwaffe das Lager angegriffen hatte. Ob das wahr ist oder nicht, ist schwer zu überprüfen. Jetzt, wo der Informationskrieg auf vollen Touren läuft, werden die Parteien alle Möglichkeiten der Propaganda nutzen, um zumindest auf der politischen Ebene etwas zu gewinnen. Gleichzeitig kam es bereits zu ersten zivilen Opfern. Und auch das sollte niemanden überraschen, die türkische Armee setzt ihre Artillerie nicht immer selektiv ein.

Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums traf das Militär in 24 Stunden mehr als 180 kurdische Ziele und vernichtete 109 von ihnen, die in Ankara als terroristische Ziele gelten.

Allerdings unterscheiden sich die Kurden hier nicht wesentlich von ihren Feinden. Sie sagen, sie schützen ihr Land, aber das Land ist syrisches Land. Damaskus hat die kurdischen Führer seit langem davor gewarnt, dass die Amerikaner sie im entscheidenden Moment im Stich lassen werden und dass Geld und Waffen keine Garantie sind. Aber die Kurden glaubten trotzdem, dass es eine 100%ige Garantie war. Damit lagen sie falsch!

Ende der Übersetzung

Nachbemerkung: Im letzten Absatz spielt der Korrespondent auf etwas an, was in Russland allgemein bekannt ist: Die syrische Regierung hat den Kurden im Osten des Landes immer wieder Gesprächsangebote gemacht und wollte über eine kurdische Autonomie im Osten von Syrien verhandeln. Die Kurden haben sich jedoch auf die Versprechen der USA verlassen. Ob sie nun, in der neuen Situation, den USA den Rücken kehren und auf die Gesprächsangebote auf Damaskus eingehen, wird man abwarten müssen. Den USA werden die Kurden nun kaum mehr vertrauen und gleichzeitig sehen sie sich der übermächtigen türkischen Armee gegenüber. Allzu viel Auswahl dürften die Kurden nicht mehr haben.


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

    1. Die US-Truppen werden nicht aus Syrien abgezogen. Im Staatssender Deutschlandfunk wurde gestern berichtet, die ziehen sich nur aus dieser 30 km tiefen „Pufferzone“ zurück. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

  1. Wie sagte Egon Bahr einmal so schön? „In der internationalen Politik geht es weder um Menschenrechte noch um Demokratie. Es geht um Interessen von Staaten. Merken Sie sich das!“

    Viele Kurden haben darauf gehofft, dass der Syrienkrieg es ihnen ermöglichen würde, endlich einen eigenen Staat, oder zumindest dessen Keimzelle, in Nahost zu gründen. Daran hat aber kein einziger Anrainerstaat ein Interesse. Die Lage ist so schon angespannt genug, da braucht man nicht noch einen weiteren Mitspieler. Erinnert sich noch wer an 2017? Damals veranstalteten die Kurden im Irak ein Referendum über ihre Unabhängigkeit. Zudem bauten die Kurden im Nordwesten Syriens ihre Selbstverwaltung aus. 2018 reagierte die Türkei, indem sie Afrin angriff.

    Seit dem von Trump am 7.10. angekündigten Truppenabzug der USA (für wen das wohl ein Geburtstagsgeschenk war?), besteht die Möglichkeit, gegen die Kurden im Nordosten, an der Grenze zum Irak vorzugehen, um ihre Unabhängigkeitsbestrebungen einzudämmen. Es braucht hier allerdings einen Bluthund à la Noske und da ist Erdogan der einzige, der derzeit in Frage kommt. Sein Ziel, das Verhindern eines freien Kurdistans, wird, wie gesagt, von vielen Anrainern und deren Schutzmächten geteilt.

    So sehr sich die Kurden nach einem eigenen Staat sehnen und so sehr ich das auch persönlich nachvollziehen kann – mehr als eine weitgehende Autonomie in den bestehenden Nahoststaaten ist für sie nicht drin. Wenn sie mehr versuchen, überreizen sie ihr Blatt. Und das erleben wir gerade.

    1. Nichts gegen Egon Bahr, aber das Interesse der Staaten – also primär von deren EinwohnerInnen – wäre eigentlich Frieden und in dessen Folge Prosperität und ein bescheidener Wohlstand, Perspektiven, Lebensqualität etc. etc…
      Es geht also eher nicht um die Interessen von Staaten.

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