Wie in Russland über den Doping-Skandal und die Strafe gegen Russland berichtet wird

Die Entscheidung der Weltdoping Agentur (WADA), Russland wegen Doping-Vorwürfen für vier Jahre von allen sportlichen Wettbewerben auszuschließen, macht Schlagzeilen in Deutschland. Aber wie wird über das Thema in Russland berichtet?

Ungewöhnlich viele Leser haben mir heute geschrieben und gefragt, wie in Russland über die Entscheidung der WADA berichtet wird. Ich habe daher beschlossen, den Beitrag aus den Abendnachrichten des russischen Fernsehens von Montag zu übersetzen, damit Sie sich ein ungefiltertes Bild machen können.

Beginn der Übersetzung:

Das WADA-Exekutivkomitee, das heute in Lausanne zusammengetreten ist, hat beschlossen, unser Land für vier Jahre von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen auszuschließen. Unsere Athleten dürfen nicht unter der Nationalflagge und mit der Nationalhymne auftreten, darüber hinaus wird Russland das Recht, internationale Meisterschaften auszurichten genommen. Nur saubere Athleten dürfen unter neutraler Flagge an Wettkämpfen teilnehmen. Unser Land hat drei Wochen Zeit, Berufung einzulegen. Gleichzeitig haben WADA-Vertreter bereits erklärt, dass die Spiele der Fußball-Europameisterschaft 2020 und das in Russland geplante Champions-League-Finale nicht unter die neuen Beschränkungen fallen. Der Internationale Verband wird über andere große Wettbewerbe, wie die Eishockey-Weltmeisterschaft, die 2023 in Russland angesetzt sind, entscheiden. Und der Präsident des Eishockeyverbandes hat bereits erklärt, dass er ein Gegner von kollektiver Bestrafung ist.

Die Entscheidung ist hart und wurde erwartet, aber ihre „Autoren“ haben die Sitzung enttäuscht verlassen, weil sie ihnen nicht hart genug erscheint. WADA-Vizepräsidentin Linda Helleland weinte fast vor Ärger – sie wünschte sich eine vollständige Disqualifikation sowohl Russlands, als auch russischer Athleten, auch unter neutraler Flagge.

Das Dokument, für das das WADA-Exekutivkomitee gestimmt hat, wiederholt die Empfehlungen des Compliance-Komitees vom November: Russland als Land ist von der Teilnahme an großen internationalen Wettbewerben ausgeschlossen und darf auch vier Jahre lang keine internationalen Wettbewerbe zu Hause ausrichten.

Russische Athleten ohne Doping-Geschichte in ihrer Vergangenheit werden zu Wettkämpfen zugelassen, aber die Zulassungsrichtlinien und die Preisverleihungen sollen sein, wie bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang – so sauber und so neutral wie möglich.

Francesco Ricci Bitti war der Einzige, der versuchte, seine Kollegen bis zuletzt zu überzeugen. Jetzt überzeugt er Russland, die Entscheidung in allen möglichen Instanzen anzufechten.

„Es gibt eine Chance für russische Athleten und das ist wichtig!“ sagte er unserer Korrespondentin.

„Waren alle objektiv oder spielte Politik bei dieser Entscheidung eine Rolle?“

„Natürlich gibt es dabei Politik. Sport ist heute sehr wichtig, wie soll es da ohne Politik gehen?“

„Aber haben Sie versucht, Ihre Kollegen zu überzeugen?“

„Ich habe mit allen gesprochen, aber die Entscheidung ist, wie sie ist. Aber es gibt ein Schiedsverfahren, Russland sollte den CAS (Sports Arbitration Court in Lausanne) anrufen“, sagte Bitti.

Die RUSADA hat 21 Tage Zeit, um Widerspruch gegen die Entscheidung einzulegen und das dauert nicht Wochen, sondern Monate. Das heißt, Russlands Teilnahme an den Winter-Weltmeisterschaften, einschließlich Biathlon in Italien im Februar dieses Jahres, ist nicht in Gefahr. Unser Team fährt auch zur Jugendolympiade im Januar nach Lausanne. Wenn wir die Entscheidung nicht anfechten, werden wir die Eishockey-Meisterschaft 2023 in St. Petersburg und die Volleyball-Meisterschaft 2022 verlieren, aber für die Olympischen Spiele in Peking und Tokio werden wir für die Flagge für die Hymne kämpfen.

„Die Position der Russischen Olympischen Komitees bleibt unverändert: Die Strafe nicht adäquat, unlogisch und überzogen. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, damit das olympische Team in Japan unter den Farben der russischen Trikolore antritt“, sagte Stanislaw Pozdnyakov, Präsident des Russischen Olympischen Komitees.

Vor allem auch weil es keine Vorwürfe gegen das Russische Olympische Komitee gibt. Es ist nicht klar, wie Russland von Olympischen Spielen suspendiert werden kann, ohne das Komitee zu suspendieren.

Dieses Dilemma wird vom Internationalen Olympischen Komitee gelöst werden müssen, das bereits eilig eine Erklärung abgegeben hat, dass es die Entscheidung der WADA unterstützt: „Die Vertreter der olympischen Bewegung haben heute die Entscheidung des WADA-Exekutivkomitees unterstützt, das entspricht der Erklärung des IOC-Exekutivkomitees, die beim Olympischen Gipfeltreffen gebilligt wurde.“

Die Anwälte haben viel zu tun, Russland wird alle Möglichkeiten nutzen, um gegen die Entscheidung Berufung einzulegen, in jedem einzelnen Fall, vor jedem Wettbewerb, bei jedem Start, auch vor den Olympischen Spielen. Also auch beim IOC.

„Also ist noch nicht alles verloren?“

„Eigentlich läuft das Verfahren noch, das heißt, die Entscheidung ist gefallen, aber jetzt geht es um rechtliche Argumente“, sagte Sergej Khrytschikow, Mitglied des Aufsichtsrats der RUSADA.

Kommentare und der Kampf um Medaillen hat bereits begonnen. So versucht ein Biathlet der schwedischen Nationalmannschaft bereits, unsere Athleten nicht nur von der Weltmeisterschaft im Februar, sondern auch aus den WM-Etappen zu entfernen.

„Wenn sie nicht an der WM teilnehmen dürfen, sollten sie auch nicht am Weltcup teilnehmen. Es ist merkwürdig, wenn sie weiterhin beim Weltcup antreten, aber gleichzeitig von der WM ausgeschlossen werden“, sagte Sebastian Samuelson.

Doch der Franzose Martin Fourcade, der mit unseren Biathleten noch einige Rechnungen offen hat, schreibt im Gegenteil: Wie kann es Biathlon ohne Russland geben? „Ich denke, dass Russland bestraft wird… Ich habe ein paar Medaillen wegen ihnen verpasst. Die Strafe sollte hart sein, aber gleichzeitig ist es wichtig, dass Russland im Wintersport stark bleibt. Das ist wichtig. Russland sollte im Biathlon antreten und im Sport vertreten sein.“

Was sind Sport und Olympische Spiele ohne Russland? Die Frage stellen die Gegner der „pauschalen Strafen“ seit vier Jahren. So war es auch vor Rio und vor Pyeongchang. Es schien, dass Russland seine Strafe vor langer Zeit verbüßt hatte, vor einem Jahr hat die RUSADA Ihre Rechte wiedererlangt, aber wir werden wieder für die alten Vorgänge bestraft. Die Hauptanschuldigung ist dieses Mal, dass die Dopingtests des Moskauer Labors aus dem Jahr 2015 verändert wurden.

Wer eigentlich davon profitiert hat, wird gar nicht gefragt. Sie haben nicht auf die unabhängige Untersuchung gehört, die bewiesen hat, dass ein fehlerhaftes Software-Element in das experimentelle System eingefügt wurde, das vom Moskauer Labor unter der Leitung von Grigori Rodtschenkow geleitet wurde. Damit konnte man Athleten und Beamte erpressen, um Proben auszutauschen. Rodtschenkow ist nicht einfach in die Vereinigten Staaten geflohen, wo er ein WADA-Informant wurde, er hat vielleicht selbst mit seinem Passwort als Super-Administrator die Änderungen eingebracht, als er schon in den USA war. Das geht, ohne Spuren im System zu hinterlassen.

„Ich denke, es ist grundsätzlich unmöglich, diesen Fall mit Rodtschenkows Datenbank zu vergleichen, da diese Datenbank illegal war. Es ist nicht bekannt, an wen sie gegangen ist. Aber auf der Grundlage dieser Datenbank wurden die Vorwürfe erhoben. Können Sie sich ein normales Straf- oder Zivilverfahren vorstellen, das auf gestohlenen und nicht überprüfbaren Daten basiert? Niemand weiß, woher diese Daten gekommen sind. Warum sie als Grundlage genommen werden, ist nicht nachvollziehbar. Unsere Experten haben die Fragen überzeugend beantwortet, aber leider hat man nicht auf sie gehört“, sagte der russische Sportminister Pawel Kolobkow.

„Dass Informationen vor der Entscheidung des WADA-Exekutivkomitees an die Medien gegeben und in den Medien aktiv diskutiert wurden, ist falsch, weil so unverhohlen Druck auf die Mitglieder des Exekutivkomitees ausgeübt wurde. Immer wieder haben sich UKADA und USADA öffentlich geäußert. Wie kann man das nennen, wenn nicht unverhohlenen Druck auf die Mitglieder der Kommission? Das ist natürlich Druck“, sagte Dmitri Swetschijew, Präsident der russischen Curling-Föderation. (Anm. d. Übers.: UKADA und USADA sind die anti-Doping-Behörden der Ukraine und der USA)

Die Geschichte ist alt, aber alle sind bedroht, sowohl und die erfahrenen, als auch die jungen Athleten, denen die WADA Medaillen, Fahnen und Hymnen zu entziehen versucht.

„Junge Athleten, die zu dieser Zeit noch zur Schule gegangen sind und gerade erst angefangen haben, Sport zu treiben, werden jetzt der Möglichkeit beraubt, unter russischer Flagge anzutreten. Wir verstehen, dass dieses Thema politisiert ist. Hier ist der Sport mehr in die Politik eingetreten als umgekehrt. Der Sport sollte aus der Politik heraus gehalten werden“, sagte Vladimir Drachev, Präsident der russischen Biathlon-Union.

„Es ist schade, denn für einige ist es die letzte Olympiade in ihrem Leben, für andere ist es die erste“, sagte Ilgar Mammadov, Cheftrainer des russischen Fechtteams.

Nicht nur RUSADA, alle Verbände, die sich auf Meisterschaften vorbereiten, sind mit der Entscheidung nicht einverstanden. Die Entscheidung der WADA wird die Euro 2020 nicht beeinflussen, sie ist ein regionales Turnier, aber in welcher Form wird unsere Nationalmannschaft zur WM nach Katar fahren?

Es gibt eine Menge Fragen an die WADA, die vom Schiedsgericht entschieden werden müssen.

„Wir bereiten uns weiter auf die vier Spiele vor, die in diesem Sommer in St. Petersburg stattfinden werden. Wir haben dafür Zusicherungen erhalten, auch von WADA-Vertretern. Das ist in der Logik dieser Organisation begründet, denn die EM ist eine kontinentale Meisterschaft. Wir hoffen, dass die gleiche Logik auf die Qualifikationsspiele für die Weltmeisterschaft in Katar angewendet wird“, sagte Alexey Sorokin, CEO des Organisationskomitees der Euro 2020.

Wenn sich das Schiedsverfahren in die Länge zieht, kann es passieren, dass die Olympischen Spiele in Tokio nicht von dieser Geschichte betroffen sein werden, aber Paris 2024 wird in jedem Fall betroffen sein. Russland hat nun 21 Tage Zeit, um den Kampf aufzunehmen.

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

  1. Das muss man sich mal vorstellen! Da wird auf (manipulierte?) Ergebnisse von 2015(!!!) zurückgegriffen! Also eine eindeutig politisch motivierte Entscheidung! Mich würde noch die Zusammensetzung dieser Truppe interessieren, die die Entscheidung getroffen hat und haben die USA, wie sie es sonst auch machen, bei Nichtbefolgen ihrer Befehle mit Sanktionen gedroht!

  2. Also grundsätzlich sollte einzig die menschliche Fähigkeit im Vordergrund stehen.
    Das ist z.b. vielleicht noch bei Nischensportarten der Fall.
    Heute geht es nur noch ums Geld. Gibt es in den USA nicht so einen Optimierungscamp welches die Sportler richtig krank macht? Dauerhaft, wohlgemerkt.
    Erinnert man sich an die vielen aufgedeckten Dopingvorgänge gäbe es keine Tour de France, Schwimmwettkämpfe, Leichtathletik oder Skilanglauf mehr. Also im Grund keine Wettkämpfe mehr.

    Der Mensch ist nur noch zweitrangig. Ganz gleich welche Sportarten, Doping, Ausbeutung, Missbrauch in allen Facetten es gibt keinen sauberen Sport.
    Wenn nur noch Gerichte entscheiden wer zu welcher Veranstaltung zugelassen wird darf man den olympischen Gedanken als tot betrachten. Gleiches gilt für den Willen das Sport frei von Politik sein soll.
    Die Vorgänge bei der Fifa, Korruption, Vetternwirtschaft und politische Einmischung zeigen deutlich das dringend ein Neustart im Sport her muß.

  3. Erstaunlich an den Vorgängen ist, man erfährt nichts über gedopte Sportler. Gibt es positive Dopingproben? Was ist mit den A und B-Proben? Man kann keinen Sportler, erst recht keine gesamte Nation vom Sport entfernen, wenn es keine positiven Dopingproben gibt. Es werden nirgends Namen von Sportlern genannt, die gedopt waren, aber „durchgerutscht“ sind. Im internationalen Sport ist für die Proben ausschließlich die WADA zuständig. Wenn die WADA zB. in Sotschi auf die Proben nicht aufpasst und Dritte Zugang hatten, kann nur die WADA verantwortlich sein. Dann konnte jeder manipulieren. Wenn die WADA Dopingproben nicht absichern kann, muss der WADA die Lizenz entzogen werden.

  4. Einerseits geht es bei sportlichen Großveranstaltungen eh nur noch um Kohle, siehe Katar. Andererseits werden eben solche Veranstaltungen politisch missbraucht, siehe die Berichterstattung unseres „Qualitätsjournalismusflagschiffes“ Tagesshow zur Fußball-WM in Russland. Ich erinnere mich an den Kommentator, als Russland ausschied. Ein junger Schnösel, der zu Zeiten des kalten Kriegs noch nicht geboren war, durfte endlich mal in der ersten Reihe abledern. Auch und gerade wenn es gegen Russland geht, wird von unseren „Journalismusschauspielern“ so etwas als Steilvorlage begriffen.
    Seltsamerweise gab es keinerlei kritische Anmerkungen bei der WM 1994 in den USA, oder 1978 in Argentinien, als eine Militärjunta an der Macht war, deren Prominentestes Opfer Deutschlands wohl Elisabeth Käsemann war.
    Genau dieser politische Missbrauch ist auch der Grund warum ich mir solche Veranstaltungen nicht mehr anschaue.

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