Analyse: Warum verstehen sich Putin und Netanjahu trotz gegensätzlicher Interessen so gut?

Viele Menschen haben nach dem Holocaust-Gedenktag in Israel gefragt, warum Putin eine so gute Beziehung zu Netanjahu hat und viele haben Putin dafür kritisiert. Daher werde ich hier das komplizierte Verhältnis zwischen Russland und Israel erklären.

Die israelische Politik wird in Deutschland von vielen Menschen kritisiert, auch wenn Politik und Medien sich bei dem Thema stark zurückhalten. Es ist ja auch ein heißes Eisen in Deutschland und oft reicht schon vorsichtige Kritik an der israelischen Politik aus, um einen Menschen als Antisemiten zu diffamieren.

Dabei gibt es ganz objektiv einiges an der Politik Israels zu kritisieren. Kaum ein Staat hat öfter gegen das Völkerrecht und gegen Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates verstoßen, als Israel. Das ist eine Tatsache, aber da die USA Israel schützen, bleibt das ohne Konsequenzen. Auch die Annektierung der Golanhöhen durch Israel 2019 ist ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht, aber auch das war den deutschen Politikern und Medien kaum ein kritisches Wort wert. Und der Umgang mit den Palästinensern und der illegale israelische Siedlungsbau in den Palästinensergebieten werden ebenfalls in Deutschland kaum erwähnt und erst recht nicht kritisiert.

Warum also verhält sich Russland zu dem Themen so ruhig?

Ich bezeichne mich ganz unbescheiden als einen „Putin-Experten“. Für die Arbeit an meinem Buch über Putin habe ich mehr Reden, Interviews, öffentliche Diskussionen und andere Auftritte Putins aus den letzten 20 Jahren angeschaut, als die allermeisten anderen Menschen. Und ich habe Putins Aussagen immer wieder mit dem abgeglichen, was er dann tatsächlich getan und umgesetzt hat.

Dabei habe ich bemerkt, dass Putin in seinen Aussagen ein offener Mensch ist, der das sagt, was er denkt und es dann auch umsetzt. Er ist dabei geduldig, geht nicht mit dem Brecheisen vor und manchmal dauert es länger, als angekündigt, aber er bleibt dabei stets seinen verkündeten Zielen und Ideen treu.

Ich habe keinen Fall gesehen, wo er das Eine gesagt und dann das Andere getan hat. Man muss Putin und seine Politik nicht mögen, aber er ist in dieser Hinsicht absolut transparent und berechenbar. Als zum Beispiel 2008 die Frage im Raum stand, ob Putin die Verfassung ändern würde, um weiter an der Macht zu bleiben und eine dritte, direkt folgende Amtszeit als Präsident anzutreten, da hat er nur eines gesagt: Eine Verfassungsänderung, die ihm eine dritte, direkt folgende Amtszeit ermöglichen würde, lehne er ab.

Es war klar, dass Putin damals nicht abtreten wollte und alle Welt hat gerätselt, was er tun würde. Als er schließlich nach seiner Zeit als Präsident für eine Legislaturperiode Ministerpräsident wurde, waren alle überrascht. Aber es bleibt festzuhalten: Putin hat nicht gelogen, er hat sein Wort gehalten, er hat eben nur seine Ideen nicht vorzeitig öffentlich gemacht.

Man kann also, wenn man Putin aufmerksam zuhört, sehr viel über seine Pläne und Ideen erfahren. Und das hilft, wenn man verstehen will, warum das Verhältnis zu Israel so erstaunlich gut ist, obwohl Russland und Israel bei so vielen Themen so unterschiedliche Interessen haben.

Putin wird in deutschen Foren, sozialen Netzwerken und Kommentaren zu Artikeln kritisiert, weil er öffentlich ein gutes Verhältnis zu Netanjahu zelebriert, gegen den ja im eigenen Land sogar ein Strafverfahren wegen Korruption läuft und der das Völkerrecht bricht, einen Krieg gegen den Iran herbeiredet und noch vieles mehr.

Hierzu muss man drei Dinge verstehen.

Erstens ist Putin gegen die Einmischung in die inneren Angelegenheit anderer Länder. Das mag Leser des Mainstream überraschen, weil die Mainstream-Medien Putin genau das immer vorwerfen, nur ist an diesen Vorwürfen nichts dran, wie man feststellt, wenn man sie genauer anschaut. Putin hat verstanden, dass äußere Einmischung zu Instabilität führt und das schafft mehr Probleme, als es löst. Putin ist in der Sache Pragmatiker.

Und die Ermittlungen gegen Netanjahu sind nun mal eine innere Angelegenheit Israels, die Putin nichts angeht. Außerdem ist Putin Jurist und er würde sich daher nicht zu einem laufenden Verfahren äußern, noch dazu zu einem Verfahren in einem anderen Land. Putin ist weder israelischer Staatsanwalt, noch Richter. Das ist also ein Thema für die israelische Justiz und Putin wird dazu aus den genannten Gründen kein Wort sagen.

Zweitens sagt Putin immer wieder, dass er mit jedem redet, der in einem anderen Land gemäß den geltenden Gesetzen an die Macht gekommen ist. Er respektiert die Entscheidung der Wähler in anderen Ländern. Und Netanjahu ist nun einmal der isralische Ministerpräsident.

Hinzu kommt, dass Putin während seiner Laufbahn eine Lektion gelernt hat: Man kann Probleme nur lösen, wenn man miteinander redet. Auch, wenn die Standpunkte und Interessen völlig gegensätzlich sind, kann man nur mit Gesprächen Probleme angehen und nach Lösungen suchen. Dafür gibt es in seiner Laufbahn unzählige Beispiele und Putin hat nie das Gespräch mit Leuten abgelehnt, weil sie andere Interessen und Vorstellungen hatten, als er.

Das geht so weit, dass es für schon ausreicht, wenn man nur irgendein Thema hat, bei man gemeinsame Ziele hat. Das ist schon ein Grund für Gespräche und wenn man sich dann in Gesprächen kennen lernt, dann kann man mit der Zeit auch schwierige Themen angehen. Putin hat es nicht eilig, er hat in diesen Dingen viel Geduld.

Ein Beispiel für den Erfolg dieser Politik sind die Gespräche im Astana-Format. Putin hat es geschafft, die Rivalen Iran und Türkei an einen Tisch zu holen und mit ihnen Lösungen für Syrien zu finden. Das ist genau nach dem genannten Muster abgelaufen: Als die Gespräche erst einmal im Gange waren, wurden Schritt für Schritt Lösungen und Kompromisse gefunden. Der Iran und die Türkei haben (auch in Syrien) immer noch gegensätzliche Interessen. Aber dadurch, dass sie miteinander reden, sind sie bei der Lösung der Krise schon viel weiter gekommen, als es irgendjemand zu Beginn der Gespräche auch nur geträumt hätte.

Westliche Kommentatoren und Analysten haben die Gespräche anfangs belächelt und ihnen keine Erfolgschancen gegeben und die gleichen Kommentatoren sind nun völlig überrascht, dass immer mehr Lösungen im Nahen Osten inzwischen unter russischer Moderation gefunden werden und dass der Westen nicht einmal mehr mit am Tisch sitzt.

Das ist das Ergebnis der Politik Putins, mit allen zu reden und mit den Gemeinsamkeiten anzufangen und sich dann, wenn ein gewisses Grundvertrauen entstanden ist, auch an die schwierigen Themen zu wagen.

Und das ist der Grund, warum Putin mit Netanjahu so viel redet und ein gutes Verhältnis mit ihm zelebriert, obwohl ihre Interessen zum Beispiel in Syrien oder beim Iran gegensätzlicher nicht sein könnten. Aber ohne Gespräche wäre die Lage eben noch viel schlimmer und vielleicht wäre es sogar zu einem wesentlich schlimmeren Krieg in der Region gekommen, wenn es diesen Dialog nicht gäbe.

Der dritte Grund für das besondere Verhältnis zwischen Russland und Israel liegt in der Tatsache, dass nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Millionen russischer Juden nach Israel gegangen sind. Das zwingt die beiden Länder, trotz aller gegensätzlichen Interessen, dazu, sich gut miteinander zu verstehen.

In Israel kann sich kein Regierungschef eine Krise mit Russland leisten, ohne bei der nächsten Wahl garantiert zu verlieren. Daher kann Netanjahu wenig tun, wenn Russland in Syrien Dinge tut, die Israel nicht gefallen.

Aber auch umgekehrt sind die vielen Freunde und Verwandten der aus Russland ausgewanderten Juden ein politisches Gewicht in Russland. Auch das sind Millionen von Menschen. Die hätten wenig Verständnis, wenn plötzlich Reisen zu ihren Nächsten in Israel eingeschränkt würden oder es andere Probleme gäbe.

Beide Länder sind also durch Millionen von familiären Bindungen dazu gezwungen, miteinander auszukommen. Auch wenn ihre Interessen in Sachen Syrien, Iran und bei anderen Themen völlig gegensätzlich sind, kann es sich keiner der beiden leisten, einen offenen Konflikt zu riskieren. Das ist schwierig und ich möchte eine solche Politik, bei der man sicher ab und an mit der geballten Faust in der Tasche am Verhandlungstisch sitzt, nicht machen müssen.

Aber Putin und Netanjahu haben keine andere Wahl. Und für einen möglichen Frieden und für die Zukunft der Region ist das sicher ein sehr glücklicher Umstand.


Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

6 Antworten

  1. Ich denke der dritte Punkt oder letzte Absatz hat da am meisten Gewicht !

    „Beide Länder sind also durch Millionen von familiären Bindungen dazu gezwungen, miteinander auszukommen….“

    Gerade in den finanz-starken-Familien….

  2. „Der erste Staat, der Israel völkerrechtlich noch am 15. Mai 1948 de facto anerkannte, waren die USA (de jure erkannten die USA Israel erst am 25. Januar 1949 nach der ersten demokratischen Knesset-Wahl an). Drei Tage darauf folgte die Sowjetunion, die den israelischen Staat als erste auch sofort de jure anerkannte und zeitgleich die ersten diplomatischen Beziehungen aufnahm.“

    (https://de.wikipedia.org/wiki/Israelische_Unabh%C3%A4ngigkeitserkl%C3%A4rung)

    Wir glauben, auch das hat man in Israel nicht völlig vergessen.

    1. Das ist eine interessante Frage.
      Man könnte dergleichen natürlich auch in anderen Fällen fragen, in denen Staaten erklärtermaßen ihren Herrschaftsanspruch weit über die Landesgrenzen hinaus ausdehnen.
      Und weil da sofort wieder die große Masse an nur einen Staat und dessen unbestreitbar imperiale Ausrichtung denken wird, sei darauf hingewiesen, daß gleichartiges für ein Gebilde gilt, welches damit erstaunlicherweise recht wenig in Verbindung gebracht wird – Europa.
      Daß dieses Europa nach 1990 in erster Linie ein imperiales Projekt wurde, welches unter der an sich guten, schon sehr alten Idee einer „friedlichen Einigung“ gerade dem deutschen Imperialismus zu einer, inzwischen recht offensichtlichen, Renaissance verhalf, wird seltsamerweise wenig beachtet, obwohl die tatsächlichen Machtverhältnisse innerhalb dieser EU da hinreichend Stoff zum Nachdenken gäben.
      Nicht alles was diese „EU“ an Unappetitlichen anrichtete oder noch vor hat, ist ausschließlich einem viel zuviel beschworenen „Vasallentum“ geschuldet.
      Wir sollten wieder etwas mehr in den Dimensionen der klassischen imperialen Mächte denken.
      Indem man uns das weitgehend auszutreiben sucht, z.B. mittels dieses so unschuldig daherkommenden Begriffes „Europäische Integration“, verschleiert man doch recht wirksam die „wahre Natur“ einiger sehr wichtiger Prozesse, welche da seit den 90iger ablaufen, und die, vielleicht etwas zu dramatisch, mit einer Persiflage auf einen Textauszug eines hinlänglich bekannten Liedes recht treffend beschrieben werden könnten:
      „Denn heute gehört uns Europa und morgen die ganze Welt.“

      Das eine deutsche Verteidigungsministerin in jüngster Zeit ihr Ansinnen vorbrachte, zuerst in Syrien, dann in China und nun Libyen „einmarschieren zu wollen“, läßt sie da nicht nur als Walküre diese deutschen Neoimperialismus erscheinen.
      Und da wir das alles nicht mehr allein bewältigen können, haben wir nun auch das notwendige – deutsche – Personal auf EU-Ebene, deren jüngste Verlautbarungen doch begründete Hoffnungen wecken, daß sich die EU für unser deutsches „Lieblingsprojekt“ relativ widerstandslos einspannen läßt.

  3. Ich denke, die Überschrift müsste richtiger lauten: „Warum glaubt Netanjahu, dass er sich mit Putin gut versteht“.
    Mir fällt häufig auf, dass Putin „gut mit anderen kann“, egal ob es sich dabei um, Unsympathen wie Netanjahu, irgend welche Despoten oder sogar Merkel handelt. Man erinnere sich nur daran, wie begeistert Trump nach dem ersten Treffen mit Putin war (inzwischen ist Trump natürlich wieder von seinen Beratern auf den „richtigen“ Weg gebracht worden) . Ich denke, Putin hat einen Instinkt für die Schwächen und Macken (und Stärken) seines Gegenübers, kann sich daher sehr gut auf seine Gesprächspartner einstellen und wird darum von diesen nicht als persönlicher, sondern allenfalls nur als politischer Gegner wahrgenommen.

  4. Russland will zum Westen gehören(oder zumindest auf Augenhöhe sein) aber sich nicht vom Westen unterjochen lassen. Israel ist der westliche „Brückenkopf“ im Osten – im Herzen des Islam(Man erinnere sich an die Kreuzzüge.). Israel sichert sich mit der Geste(Leningrad) *vorerst* die Zustimmung Russlands für zukünftige Ereignisse. Vielleicht für den „DealOfTheCentury“? Vielleicht für einen Krieg gegen den Iran?

    Eine Abhängigkeit RusslandWesten(+Israel) aufgrund von Migranten existiert nicht. Das hat Russland mit der Wahl Putins nach den räuberischen Jelzin-Jahren klar gemacht. Wenn dann, dann wäre Israel von Russland abhängig. Wenn in Russland 1. Mio Menschen aufgrund von Putins Regierungsstil eine andere Partei wählen, dann ist das ein anderer Schnack, als wenn in Israel 1. Mio Menschen Bibi abwählen.

    Wo du Recht hast – und das rechne ich Putin stark an. Der Mann meint was er sagt, und er hält sich dran! Sowas findest du im „Westen“ selten. Westliche Politiker schaffen es, aus völlig positiv besetzten Wörtern, z.B. Reform, genau das Gegenteil zu formen. Aus Reform, wir sanieren das Haus und machen es schöner, wird eine Abrissbirne im Frosch-Kochtopf-Stil. Selbst die neue CO2 Bepreisung funktioniert nach diesem Prinzip.

    Die Rentenreform(mittlerweile gut 20 Jahre Alt) endet irgendwann 2025 oder 2035 oder so… so genau weiß das vermutlich Niemand. Heute, 2019-2020, stöhnt die Bevölkerung und hat Angst vor der Altersarmut. Dabei ist die Rentenreform der SPD/ Grünen-Regierung noch nicht einmal auf dem Zenit.

    „Es gibt viele Formen der Demokratie“ – Indien hat bis heute ein menschenverachtenens Kastensystem. In Lettland marschieren SS Veteranen. In den USA gibt es kaum nicht-millionäre-milliardäre oder ihre Lobbyisten im Kongress und Senat.(Die übrigens für uns ein tolles Shakespeare Theater aufführen!) Deutschland scheint nicht so ganz unabhängig in seinen Entscheidungen zu sein. Usw. Usf.

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