Berichterstattung und Wirklichkeit: Das russische Verfassungsreferendum

Seit dem russischen Verfassungsreferendum sind nun 10 Tage vergangen und die westlichen Medien berichten von manipulierten Wahlen. Wie ist es um die Transparenz von russischen Wahlen bestellt? Und was ergibt ein Vergleich zwischen Russland und dem Westen in dieser Frage?

Es gibt eine eingefahrene Routine, wenn in Russland gewählt wird. Immer ist im Westen sofort von Wahlfälschung, Manipulationen und so weiter die Rede. Wir sind daran gewöhnt und selbst diejenigen, die sich als „Russland-freundlich“ bezeichnen, schließen nicht aus, dass in Russland bei Wahlen manipuliert wird. Aber wie sieht die Realität aus?

Webcams in jedem Wahllokal

Die Vorwürfe, in Russland würden Wahlen gefälscht, sind so alt, wie der moderne russische Staat selbst. Und in der Tat war in den ersten zehn oder zwanzig Jahren nicht alles so transparent, wie man es sich wünschte. Aber es war auch nicht so schlimm, wie es in den Medien dargestellt wurde. Wer Wahlberichte der OSZE liest, der stellt fest, dass die OSZE in jedem Land Verstöße bei Wahlen meldet. Auch im Westen gibt es Fälle, in denen Wahlhelfer sich für schlau halten und fingierte Wahlzettel einwerfen, um zumindest in ihrem Wahllokal ein Ergebnis „nach Wunsch“ zu erhalten. Das ist keineswegs ein russisches Phänomen, das gibt ist auch in Deutschland mehr als einmal vorgekommen. Aber ernsthafte Kritik an russischen Wahlen hat die OSZE schon lange nicht mehr gemeldet.

Im Falle Russlands werden solche Verbrechen aber groß in die Medien gebracht, was subjektiv den Eindruck erweckt, in Russland käme das ganz oft vor, ja, es wäre an der Tagesordnung. Nach der Präsidentschaftswahl 2012 hat das in Moskau zu großen Protesten geführt, aber der Versuch, einen russischen Maidan zu veranstalten, scheiterte damals.

Für die russische Regierung war das jedoch ein Signal und sie hat reagiert. Die Wahlen sind danach so transparent geworden, wie in keinem anderen Land der Welt. Das ist kein Scherz, oder können Sie mir ein Land nennen, in dem in jedem Wahllokal Webcams hängen, sodass jeder sich jederzeit anschauen kann, was in jedem einzelnen Wahllokal vor sich geht? Alles wird gefilmt und direkt ins Netz gestellt.

Auch die Wahlergebnisse von jedem Wahllokal werden in Echtzeit veröffentlicht und jeder, der den Aufwand betreiben will, kann überprüfen, ob sich die Wahlergebnisse bei der Übertragung an die Zentrale Wahlkommission dann von dem unterscheiden, was vor Ort gemeldet wurde. Damit ist auch der Vorgang der Auszählung vollkommen transparent und für jeden nachprüfbar.

Trotzdem hat bei dem Verfassungsreferendum eine Wahlhelferin versucht, einen Stapel gefälschter Wahlzettel einzuwerfen, was gefilmt wurde und die Frau hat nun ein Strafverfahren am Hals. Der Vorfall hat die Chefin der Wahlkommission bei einer Pressekonferenz dazu gebracht, zu fragen, was wohl in dem Kopf eines solchen Menschen vor sich geht. Schließlich weiß ja jeder, dass alles gefilmt wird. Man muss also geistig ziemlich einfach gestrickt sein, wenn man vor laufenden Kameras die Wahl fälschen will.

Chefin der Wahlkommission ist Putin-Kritikerin

Apropos Chefin der Wahlkommission: Ella Pamfilowa war früher als Putin-kritische Vertreterin im russischen Menschenrechtsrat. Als sie 2010 aus dem Gremium zurückgetreten ist, waren die deutschen Medien schockiert und haben das gar als weiteren Tiefpunkt der Menschenrechtslage in Russland gewertet. Als ausgerechnet sie aber Chefin der Wahlkommission wurde, hatten die „Qualitätsmedien“ ein Problem, denn nun mussten sie ja erklären, dass eine Putin-Kritikerin die Wahlen zu Gunsten von Putin fälscht.

Pamfilowa nimmt ihren Job sehr ernst und wenn sie in ihren Auftritten von Verstößen berichtet, dann ist sie teilweise sehr emotional. Ein besonderer Tiefschlag war es für die westlichen Medien, als Pamfilowa nach Gouverneurswahlen im Jahre 2018, bei denen ein Putin-treuer Kandidat gewonnen hatte, die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten anulieren und wiederholen ließ.

Und das im bösen Russland! Darüber wurde dann in Deutschland praktisch nicht berichtet, das hätte das gewollte Bild der Leser von Russland, das die Medien in Jahrzehnten geformt hatten, zu sehr erschüttern können.

Das Verfassungsreferendum

Die deutschen „Qualitätsmedien“ hatten nach dem Referendum Schnappatmung, wie Überschriften wie im Stern „Verfassungsänderung in Russland – Ein Verbrechen vor aller Augen: Putin hat für sein Volk nur noch Hohn übrig“ oder beim Spiegel „Russlands Verfassungsvotum – Lupenreine Manipulation“ zeigen. Sachliche Informationen waren in den Artikeln nicht enthalten, dafür umso mehr emotionalisierende Formulierungen. Die Artikel in Deutschland waren reine Propaganda, Fakten hatten sie kaum, dafür aber eine geballte Portion Meinungsmache.

In Russland haben über 11.000 – auch internationale Journalisten – die Wahlen beobachtet. Da hätten die „Qualitätsmedien“ doch reichlich Gelegenheit gehabt, aus eigener Beobachtung von Fälschungen zu berichten, schließlich haben sie alle Büros in Russland. Das aber haben sie nicht getan, stattdessen haben sie emotionale – aber dafür Fakten-freie – Artikel veröffentlicht.

Übrigens wurde auch ich per Mail kontaktiert und gefragt, ob ich registrierter Wahlbeobachter werden wolle. Ich habe es aber abgelehnt, weil das Referendum eine Woche gedauert hat, um überfüllte Wahllokale zu vermeiden. Ich hätte eine Woche nicht recherchieren und Artikel schreiben können, sondern mich stattdessen in Petersburger Wahllokalen gelangweilt. Diese Aussicht fand ich nicht sehr attraktiv.

Und wie ist das im Westen?

Aber man sollte sich zum Vergleich mal fragen, wie Wahlen im Westen beobachtet werden. Gibt es in Deutschland Webcams in den Wahllokalen? Darf jeder sich als Wahlbeobachter registrieren und dann den Tag in einem Wahllokal seiner Wahl verbringen und alles – auch die Auszählung der Stimmen – beobachten? Und wie war das nochmal in den USA, wo Ausländern, die Wahlen beobachten wollen, sogar Strafen wegen Einmischung in innenpolitische Angelegenheiten der USA vorgeworfen werden und ihnen Strafverfahren drohen?

Ella Pamfilowa hat sich wegen der Manipulationsvorwürfe aus dem Westen sehr aufgeregt. Sie nannte im russischen Fernsehen dazu ein Beispiel:

„Reuters hat im Moskauer Gebiet sieben Tage lang ein Wahllokal beobachtet. Unsere Journalisten im Ausland können von solchen Bedingungen, wie Reuters sie hier hat, nur träumen. In den USA wird ihnen das verboten. Bei uns war alles frei, nichts wurde verborgen.“

Pamfilowa hat insgesamt 33 nennenswerte Verstöße gemeldet, die alle an die Staatsanwaltschaft übergeben wurden.

Da können sich die „Qualitätsmedien“ direkt bei den von ihr veröffentlichten Fällen bedienen und dann über Manipulationen bei russischen Wahlen berichten. Nur lassen sie eben weg, dass diese Dinge verfolgt werden und dass es sich um Ausnahmen handelt. Da es über Wahlfälschungen in Russland inzwischen nicht mehr viel zu berichten gibt, sind die „Qualitätsmedien“ auf inhaltslose, aber dafür hoch-emotionale Artikel ausgewichen.

Wie wäre es, wenn die Staaten des Westens, die russische Wahlen kritisieren, die gleiche Transparenz an den Tag legen würden, wie Russland? Was spricht denn dagegen, auch in deutschen Wahllokalen Webcams aufzuhängen und alles direkt ins Internet zu übertragen?

Das wäre dem Westen dann wohl eine zu lupenreine Demokratie…

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Der Hammer war ja wieder mal Christina Hebel im Spiegel, die den Wahlen „demokratische Mindeststandards“ absprach, weil Ergebnisse aus Wahlkreisen im Osten bereits verkündet wurden, als im Westen noch gewählt wurde. Meinen Hinweis darauf, daß das in den USA der Standard ist, und im TV Livesendungen stattfinden, in denen die jeweiligen Ergebnisse der Staaten brühwarm verkündet werden, während an der Westküste noch mehrere Stunden gewählt werden kann, hat SPON selbstverständlich zensiert….

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