Estland macht Druck auf russische Medien und stellt Gebietsforderungen gegen Russland

In deutschen Medien wird immer behauptet, dass die Nato die baltischen Staaten vor territorialen Ansprüchen Russlands schützen müsse. Das Problem ist, dass es genau umgekehrt ist: Nicht Russland stellt Forderungen an die Balten, sondern sie fordern Gebiete von Russland.

In seiner Neujahrsansprache hat der Sprecher des estnischen Parlaments, Henn Pylluas, mitgeteilt, dass der Friedensvertrag von Tartu von 1920 seiner Meinung nach immer noch gültig ist:

„Am 2. Februar jährt sich die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Tartu zum 100. Mal. In diesem Vertrag erkannte Russland die Unabhängigkeit Estlands an, damit endete den Befreiungskrieg und die Grenze zwischen Estland und Russland wurde festgelegt. Bei der Wiederherstellung der Unabhängigkeit erkannten alle Staaten Estland als Nachfolger der Republik Estland, einschließlich der Staatsgrenze an. Der Friedensvertrag von Tartu ist gültig und steht noch immer auf der Liste der bestehenden internationalen Verträge der Vereinten Nationen.“

Nach dem Vertrag von Tartu, der zwischen der Russischen Sowjetrepublik und Estland am 2. Februar 1920 geschlossen wurde, gehörte Iwangorod und ein Teil der Region Pechora zu Estland. Nachdem Estland im Jahr 1940 Teil der UdSSR wurde, wurden die betreffenden Gebiete Teile der Russischen Sowjetrepublik. Estnische Politiker erklären regelmäßig, dass der Vertrag ihrer Ansicht nach immer noch in Kraft ist. Insbesondere behauptete der estnische Außenminister Urmas Reinsalu am 21. November 2019, dass das Dokument seiner Meinung nach gelte, solange es keinen neuen Grenzvertrag zwischen Estland und Russland gebe. Gleichzeitig sagte der estnische Außenminister, dass es derzeit keine Möglichkeit für den Abschluss eines Grenzabkommens zwischen den beiden Ländern gebe, weil es Meinungsverschiedenheiten über den Friedensvertrag von Tartu gibt.

Pylluas selbst sagte am 20. November, Russland solle gemäß dem Friedensvertrag von Tartu die genannten Gebiete an die baltische Republik zurückgeben. Zuvor behauptete der estnische Innenminister und Vorsitzende der konservativen Volkspartei, Martin Helme, dass „Russland 5,2 Prozent estnischen Territoriums noch nicht an Estland zurückgegeben hat“.

Das russische Außenministerium wiederum hat wiederholt festgestellt, dass der Friedensvertrag von Tartu seine Gültigkeit verloren hat, nachdem Estland Teil der UdSSR geworden ist. So erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, dass „Russlands Position bekannt ist: der Vertrag von Tartu ist seit langem Geschichte“ und er sei – genauso, wie alle anderen internationalen Abkommen, die Estland, auch mit Sowjetrussland, im Zeitraum 1920-1940, geschlossen hat – nicht mehr gültig. „Für uns ist dieses Thema endgültig abgeschlossen“, resümierte Sacharowa.

Die russische Botschaft in Estland wies darauf hin, dass die baltische Republik offiziell auf alle territorialen Ansprüche gegen Russland verzichtet habe, als sie 2011 den gültigen Grenzvertrag unterzeichnet hat. Die russische Seite habe keine offiziellen Mitteilungen darüber erhalten, dass sich an dieser Position etwas geändert habe, hieß es aus der russischen Botschaft. Zuvor hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow gesagt, der Kreml halte Tallinns territoriale Ansprüche gegen Moskau für inakzeptabel.

In dem Vielvölkerstaat Russland können die Menschen in ihren Ausweisen vermerken lassen, welcher „Nationalität“ (gemeint ist damit die Ethnie) sie sich zugehörig fühlen. Bei der letzten Volkszählung im Jahre 2010 ergab sich für Iwangorod folgendes Bild: Von 9.865 Einwohnern bezeichneten sich 8.356 Menschen als Russen und 740 machten keine Angabe. Lediglich 25 Einwohner nannten Estnisch als ihre ethnische Zugehörigkeit.

Außerdem haben die Mitarbeiter von Sputink-Estland zum 1. Januar kündigen müssen, weil die estnischen Behörden jedem Mitarbeiter Strafverfahren angedroht haben, der nach dem 1. Januar 2020 noch für die russische Nachrichtenagentur arbeitet. Sputnik kündigte jedoch an, die Internetseite weiterhin im vollen Umfang betreiben zu wollen.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

3 Antworten

  1. Der Vertrag von „Tartu“ ist in der deutschen Geschichtsschreibung als Vertrag von Dorpat bekannt. Der geografische Name „Pechora“ verleitet zur Verwechslung mit „Petschora“, besser wäre es, hier von „Petschory“ zu sprechen, das ist die im Deutschen übliche Schreibweise des Städtchens in der Oblast Pskow. Zu meinem Erstaunen fand ich heute, dass in den wikipedia-Artikeln über Iwangorod und Petschory die Rückgabeforderungen Estlands bereits erwähnt werden, die laut wikipedia der estnische Innenminister Mart Helme bereits im Mai 2019 erstmals öffentlich erhoben hat.

  2. Wenn Estland diese Forderungen stellt, müsste es ja aus der NATO rausgeworfen werden, denn ist in den Statuten nicht festgelegt, dass Staaten mit unklaren Gebietsforderungen nicht aufgenommen werden? Aber das wird natürlich nicht passieren, da ignoriert man wieder die eigenen Prinzipien!

  3. https://www.zaoerv.de/10_1940/10_1940_1_4_b_682_2_707_1.pdf

    „The negotiations over the agreements continued till 2005, when Estonian Foreign Minister Urmas Paet and Russian Foreign Minister Sergei Lavrov signed the border agreement between Estonia and Russia in May 2005. The Riigikogu ratified the agreement that summer but added a preamble that states that the new border agreement changes partly the state border line determined with the Tartu Peace Treaty of 1920 but won’t affect the rest of the matters regulated by the treaty.

    Less than a month later Russia announced that it will withdraw its signature from the border agreement claiming that the preamble that Estonia added enables to present territorial claims against Russia. Although Estonia repeatedly confirmed of having no territorial claims against Russia, the process was stalled for years, till last year, Estonian MPs asked the government to restart the negotiations.

    Estonia and Russia re-launched border agreement consultations in October last year. The 2005 preamble was removed and a wording was found for the agreements that suited both sides.

    The new border agreement stipulates that Estonia and Russia exchange 128.6 hectares of land and 11.4 square kilometers of Lake Peipsi on equal basis. Estonia gets the notorious „Saatse Boot“ i.e. a boot-shaped slice of Russia-owned land in South East Estonia, containing an Estonian village and a section of a local road and will give to Russia 68.9 hectares in the Marinova forest and 33.9 hectares of land in the Grabilovo marsh.“


    Die Verhandlungen über die Abkommen wurden bis 2005 fortgesetzt, als der estnische Außenminister Urmas Paet und der russische Außenminister Sergej Lawrow im Mai 2005 das Grenzabkommen zwischen Estland und Russland unterzeichneten. Das Riigikogu ratifizierte das Abkommen in diesem Sommer, fügte jedoch eine Präambel hinzu, in der die neue Grenze festgehalten wird Das Abkommen ändert teilweise die mit dem Friedensvertrag von Tartu von 1920 festgelegte Staatsgrenze, hat jedoch keinen Einfluss auf den Rest der durch den Vertrag geregelten Angelegenheiten. Weniger als einen Monat später kündigte Russland an, dass es seine Unterschrift aus dem Grenzabkommen zurückziehen werde und behauptet, die Präambel, die Estland hinzugefügt habe, ermögliche es, territoriale Ansprüche gegen Russland vorzubringen. Obwohl Estland wiederholt bestätigte, keine Gebietsansprüche gegen Russland zu haben, wurde der Prozess jahrelang zum Stillstand gebracht, bis die estnischen Abgeordneten die Regierung aufforderten, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Estland und Russland haben im Oktober letzten Jahres erneut Konsultationen über Grenzabkommen aufgenommen. Die Präambel von 2005 wurde gestrichen und eine Formulierung für die Vereinbarungen gefunden, die beiden Seiten entsprachen. Das neue Grenzabkommen sieht vor, dass Estland und Russland zu gleichen Teilen 128,6 Hektar Land und 11,4 Quadratkilometer Peipus-See austauschen. Estland erhält den berüchtigten „Saatse Boot“, dh ein stiefelförmiges Stück Land in russischem Besitz in Südostestland, das ein estnisches Dorf und einen Abschnitt einer lokalen Straße enthält, und wird Russland 68,9 Hektar im Marinova-Wald und 33,9 Hektar Land geben landen im Sumpf Grabilovo.“

    https://www.baltictimes.com/news/articles/34439/?utm_source=twitterfeed&utm_medium=twitter&utm_campaign=Feed%3A+TheBalticTimes+(News+from+Estonia%2C+Latvia+and+Lithuania.+The+Baltic+Times.)

    „Erst im Oktober letzten Jahres wurden die Verhandlungen für ein Grenzabkommen zwischen Estland und Russland wieder aufgenommen, Estland strich die Präambel und beide Seiten fanden zu einer für sie zufriedenstellenden Formulierung des Abkommens.

    So wurde in dem Vertrag, der gestern von den beiden Außenministern der Länder unterzeichnet wurde, an der Formulierung eigentlich nichts verändert, aber es wurden zwei Sätze hinzugefügt. In dem ersten Satz bestätigen beide Seiten, dass es in dem Abkommen ausschließlich um die Staatsgrenze geht. In dem zweiten bekräftigen sie, dass sie keine territorialen Ansprüche hegen, wie The Baltic Times berichtet.“

    https://www.besser-nord-als-nie.net/politik/estland-und-russland-unterzeichnen-abkommen-zu-grenzverlauf/

    Dieser Bericht stammt aus 2014, also bleibt die Frage ob diese Regelungen nun auch ratifiziert wurden.

    Offensichtlich nicht wenn man der KAS folgt

    https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=8fbab8a2-dd0b-eb13-71c7-5642ebadbdff&groupId=252038

    Ein Dokument von 2018 welches dahingehend bemerkenswert ist das Estland ( welches Territorium) Mitglied der EU und NATO wurde. Laut NATO ist ein rechtlich gesicherter Grenzverlauf zwingend vorgeschrieben wie auch ein anderer Leser feststellte.

    Was man aber sehr gut dokumentiert vorfindet ist ein klar erkennbarer Wille Russlands ausgewogene Verträge abzuschließen.

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