Nächster Akt der Propaganda-Schlacht um Corona: Wie die „Welt“ chinesische Propaganda konstruiert

In den Medien ist seit Wochen zu lesen, dass Vertreter Chinas „heimlich deutsche Beamte kontaktiert“ hätten. So sagte es zum Beispiel eine Überschrift beim Spiegel. Was steckt wirklich dahinter?

Auf den genannten Spiegel-Artikel zu dem Thema einzugehen, lohnt sich nicht. Er berichtet über etwas, das die „Welt“ berichtet hat. Also schauen wir uns das Original an.

Wie immer ist die Chronologie wichtig. Mitte März begann der Auswärtige Dienst der EU, russische und chinesische Propaganda in Sachen Corona zu melden. Obwohl die Meldung und vor allem die angeführten Belege einer Überprüfung nicht nur nicht stand gehalten haben – die EU Fake-News-Jäger haben selbst massiv bei der Erstellung ihres Berichtes gelogen, aber keine russischen Lügen nachgewiesen -, sind die „Qualitätsmedien“ schnell auf diesen Zug aufgesprungen und beziehen sich bei Artikeln über russische pder chinesische Propaganda auf diesen EU-Bericht. So auch im aktuellen Spiegel-Artikel, in dem eine Abgeordnete der Grünen zitiert wird:

„“Der Europäische Auswärtige Dienst zähle China explizit zu den Ländern, die in Sachen Corona für Desinformationskampagnen und Verschwörungstheorien stehen“, sagte die Abgeordnete weiter.“

Eine Fortsetzung fand die Erzählung über – in diesem Fall – chinesische Propaganda am 12. April unter der Überschrift „Corona-Pandemie – China will deutsche Beamte zu Propagandisten machen“ in der „Welt“. In dem Artikel berichtete die Zeitung, dass China laut Verfassungsschutz eine „intensivierte Propagandapolitik“ betreibe.

Im Kern waren die Vorwürfe inhaltslos: Man warf Mitarbeitern der chinesischen Botschaft vor, Beamte deutscher Ministerien zu kontaktieren und dabei die chinesische Sicht der Dinge zu vermitteln. Das ist aber ihr Job. Auch deutsche Diplomaten machen nichts anderes, als in ihrem Gastland bei Gesprächen mit Regierungsbeamten für deutsche Positionen und die deutsche Sicht auf alle möglichen Themen zu werben. Das ist ihr Job, dafür sind Diplomaten da.

Aber die „Qualitätsmedien“ beherrschen die Kunst, auch aus den normalsten Vorgängen eine Horrorstory zu machen. Man muss nur die richtigen Formulierungen wählen. Die „Welt“ schrieb zum Beispiel:

„Es ist nicht das erste Mal, dass chinesische Vertreter auf deutschem Boden Beeinflussungsversuche starten. Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen hatte 2018 von „zahlreichen Kontaktversuchen“ zu Mitarbeitern aus Ministerien und Behörden berichtet. Bekannt ist mittlerweile auch, dass chinesische Dienste 2017 über das Karrierenetzwerk LinkedIn deutsche Abgeordnete, Diplomaten und Mitarbeiter von Behörden angesprochen haben.“

Das alles klingt furchtbar böse: „Es ist nicht das erste Mal“ und natürlich die Information vom Verfassungsschutz kommen. Die „Welt“ hätte ja auch die betroffenen Beamten befragen können, aber das hätte wohl kaum so dramatisch geklungen. Der „Welt“ ging es jedoch augenscheinlich um Dramatik, nicht um Berichterstattung. Und die Chinesen haben tatsächlich sogar LinkedIn benutzt! Unglaublich! Benutzen deutsche Diplomaten bei ihrer Arbeit eigentlich keine sozialen Netzwerke? Ist die Benutzung von sozialen Netzwerken gar verwerflich?

Der ganze Artikel ist in diesem Stil gehalten und auch Lügen durften nicht fehlen:

„Peking versuche, die Rolle Chinas als Ursprungsland des Virus in Zweifel zu ziehen und seinen Einsatz als Hilfeleistender für westliche Länder hervorzuheben, „um die Volksrepublik als verlässlichen Partner und besonnenen Krisenbewältiger darzustellen“. China hatte zum Beispiel Frankreich, Italien und Deutschland mit Schutzausrüstung im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus unterstützt.“

Das offizielle Peking versucht keineswegs, den Ursprung des Virus aus China zu leugnen. Aber die Lüge klingt gut. Und sie erfüllt ihren Zweck, denn sie stellt den Leser so negativ gegenüber China ein, dass der nachgeschobene Satz darüber, dass China europäische Länder unterstützt, auch irgendwie negativ klingt. Aber seit wann ist Unterstützung etwas Schlechtes?

Der Artikel der „Welt“ hatte seinen Zweck erfüllt, andere „Qualitätsmedien“ nahmen ihn gerne auf und so verbreitete er sich zusammen mit dem gesetzten Narrativ in der Mainstream-Echokammer. Ich fand danach Artikel mit Zitaten aus dem „Welt“-Artikel in allen großen deutschen Medien.

Ihre nächste Fortsetzung fand die Geschichte am 26. April. Die oben schon vom Spiegel zitierte Abgeordnete der Grünen, die Sprecherin für Menschenrechte der Grünen-Fraktion, Margarete Bause, durfte nun die Antwort einer Anfrage an die Bundesregierung kommentieren. Laut „Welt“ hat die Bundesregierung bestätigt, dass chinesische Diplomaten deutsche Ministerialbeamte kontaktiert hätten. Wie in dem oben genannten Zitat gesehen, sprach die Grüne von „Verschwörungstheorien“. Das ist umso interessanter, weil im nächsten Absatz des zweiten „Welt“-Artikels vom 26. April zu dem Thema folgendes zu lesen ist:

„Die Grünen fordern die Einsetzung einer unabhängigen internationalen Kommission, um die Entstehung des Virus und Vertuschungsmaßnahmen Chinas zu untersuchen.“

Normalerweise werden alle, die behaupten, das Coronavirus käme aus einem Biolabor, als „Verschwörungstheoretiker“ bezeichnet. Wie aber soll man die Forderung der Grünen, „die Entstehung des Virus zu untersuchen„, interpretieren? Behaupten die Grünen etwa, das Virus käme aus einem chinesischen Biolabor? Bisher haben sich nur Vertreter der Trump-Administration zu solchen Theorien hinreißen lassen, offensichtlich, um von ihren eigenen Fehlern abzulenken. Im Wahljahr braucht man dringend einen Sündenbock.

Dass die „Bild“ das Spiel mitgespielt und sogar schon Schadenersatzforderungen an China gestellt hat, dürfte niemanden überraschen. Dass nun aber selbst führende Grünen-Politiker so einen Unsinn verbreiten, dürfte… naja, eigentlich auch niemanden überraschen, der sich mit der tatsächlichen Politik der Grünen beschäftigt hat. Wenn die Doppelmoral ein Farbe hätte, wäre sie eindeutig grün.

Wie gesagt: Es geht im Kern um einen Routinevorgang. Diplomaten haben ihren Job gemacht, für den sie bezahlt werden: Sie haben sich mit Vertretern des Gastlandes getroffen und die Sicht ihres Landes vertreten und dafür geworben. Das machen Diplomaten auf der ganzen Welt jeden Tag, auch deutsche Diplomaten sind deshalb auf der ganzen Welt unterwegs.

Aber es ist interessant, wie die „Qualitätsmedien“ mit ein paar Formulierungen aus dem Nichts einen angeblichen Skandal basteln. Dass es sich um einen normalen Vorgang handelt, kann man bei der „Welt“ erst im letzten Absatz zwischen den Zeilen lesen:

„Der chinesische Botschafter in Deutschland ist nach Informationen der WELT AM SONNTAG bisher nicht wegen der Propagandaversuche einbestellt worden.“

Nein, natürlich nicht, weshalb denn auch?

Aber so, wie es die „Welt“ formuliert, klingt es nach einer Ungeheuerlichkeit, dass der chinesische Botschafter noch nicht einberufen wurde.


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

2 Antworten

  1. Ich habe beim Staatssender DLF heute früh davon gehört und mir gedacht, mal sehen, ob bei Thomas etwas darüber zu lesen ist und richtig, es ist wie üblich in solchen Dingen, völliger Blödsinn, was die „Qualitätsmedien“ darüber wieder zusammengeschmiert haben!

  2. Interessant wäre ja mal der Weg dieser Gleichschaltung. Hat die dpa Springers „BILD für Vermieter“ zitiert, oder zitieren die „Qualitätsmedien“ die „WELT“ freiwillig so einmütig?

    Das Nichteinbestellen des chinesischen Botschafters zu skandalisieren, paßt aber ins Bild. Ich warte ja noch auf den Tag, wo das Kanzleramt mal den US-Botschafter „einbestellt“. Gründe dafür liefert der aktuelle, Grenell, genug!
    Aber nicht mal die Aufdeckung des NSA-Abhörskandales genügte ja dafür. Ein souveräner Staat hätte den Botschafter antanzen lassen und ihn mit dem Ultimatum wieder wggeschickt, daß sich der US-Außenminister binnen Wochenfrist persönlich nach Berlin hätte bemühen müssen. Stattdessen schickte Berlin den Innenminister nach Washington…. wohl um sich dort zu entschuldigen….

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