Polen und Ungarn drohen mit Veto gegen EU-Haushalt – Worum es bei dem Streit tatsächlich geht

Die EU wirft Polen und Ungarn vor, die Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen und möchte die Länder im neuen EU-Haushalt durch den Entzug von EU-Mitteln bestrafen können. Darauf haben beide Länder mit Veto-Drohungen reagiert. Was in den Medien simpel und nachvollziehbar klingt, ist nicht so einfach, wie es scheint.

Der Rechtsstaat ist eines der höchsten Güter, denn wenn vor dem Gesetz nicht alle gleich sind, sind der Willkür Tür und Tor geöffnet. Darin sind wir uns wahrscheinlich alle einig. Daher ist die Kritik der EU an Polen und Ungarn auch so einleuchtend, denn beide Länder haben Gesetze erlassen, die die Unabhängigkeit der Richter zumindest in Frage stellen, wie wir aus den Medien erfahren. Leider schauen die „Qualitätsmedien“ aber nicht bei allen Ländern so genau hin, wie bei Polen und Ungarn.

Ich habe gerade erst berichtet, dass der ukrainische Präsident Selensky das gesamte Verfassungsgericht des Landes feuern will, weil ihm ein aktuelles Urteil des Verfassungsgerichts zur Anti-Korrputionsgesetzgebung nicht gefällt. Das Urteil will er auch gleich per Gesetz außer Kraft setzen. Das allerdings hat in der EU bei Politik und Medien keinen Aufschrei erzeugt und niemand fordert, der Ukraine wegen des Vorgehens gegen die Verfassungsrichter die EU-Gelder zu kürzen oder zu entziehen. Aber da die Ukraine kein Mitglied der EU ist, sei das nur am Rande erwähnt.

Rechtsstaat in Deutschland

Auch in Deutschland ist der Rechtsstaat eine Legende, denn in Deutschland sind die Staatsanwälte den Weisungen der Politik unterstellt. Die Politik – namentlich die Justizminister – können Staatsanwälten Anweisungen geben, in welchen Fällen sie ermitteln dürfen oder sogar müssen, und in welchen sie Akten im Schrank verschwinden lassen müssen. Darüber habe ich oft berichtet und das ist nicht meine kranke Fantasie, der Europäische Gerichtshof hat das 2019 in einem Urteil offiziell bestätigt. Nur berichtet wurde darüber in Deutschland praktisch nicht.

Die Richter sind in Deutschland zwar nach dem Gesetz unabhängig, aber die Staatsanwälte nicht. Das bedeutet, dass die Politik entscheidet, was vor einem unabhängigen Gericht landet und was nicht, wenn sie Staatsanwälten verbieten kann, Ermittlungen in bestimmten Fällen aufzunehmen. Davon macht die Politik auch fleißig Gebrauch. Und es gibt auch die gegenteiligen Fälle in Deutschland, wenn die Politik die Staatsanwälte anweist, Ermittlungen aufzunehmen und Haftbefehle zu beantragen, wenn dafür kein juristischer Grund vorliegt. Ein Beispiel dafür finden Sie hier.

Und deshalb hat der Europäische Gerichtshof den deutschen Staatsanwälten auch das Recht abgesprochen, europäische Haftbefehle auszustellen. In dem Urteil wurde in Juristendeutsch gesagt, dass man bei deutschen Haftbefehlen nicht sicher sein kann, dass sie tatsächlich auf Straftaten beruhen, oder ob sie politisch motiviert sind. Im Klartext hat der Europäische Gerichtshof also festgestellt, dass die deutsche Gesetzgebung politisch motivierte Verfolgung zulässt.

Ist das rechtsstaatlich?

Was machen Polen und Ungarn dann falsch?

Solche Regelungen gibt es in vielen europäischen Ländern, Brüssel hat daran aber – trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofes – nichts zu kritisieren. Eine löbliche Ausnahme ist übrigens ausgerechnet Italien, wo es sogenannte Ermittlungsrichter gibt, die tatsächlich komplett unabhängig sind, weshalb dort auch ab und zu mal echte politische Skandale vor Gerichten landen und sogar ehemalige Regierungschefs verurteilt werden. In Deutschland ist das undenkbar.

Auf die Situation in Polen und Ungarn will ich im Detail nicht eingehen, mir geht es darum, wie verlogen die Argumentation in Brüssel ist, die sich die „Qualitätsmedien“ zu eigen machen. Jede Einschränkung der Unabhängigkeit von Gerichten und Staatsanwälten ist zu kritisieren, das gilt auch für die Maßnahmen in Polen und Ungarn. Man fragt sich jedoch, warum ausgerechnet diese beiden Länder von Politik und Medien so heftig kritisiert werden, dass man ihnen sogar EU-Mittel entziehen will, wenn doch gleichzeitig auch andere Länder – allen voran Deutschland – keine unabhängige Justiz und damit keinen Rechtsstaat haben.

Polen und Ungarn stellen sich bei zwei Kernthemen der liberalen Ideologie gegen den Mainstream in Brüssel: Sie verweigern die Aufnahme von Flüchtlingen und sie stellen sich gegen die kompromisslose LGBT-Dingsbums-Ideologie. Sie tanzen als einzige EU-Staaten bei zwei Herzensanliegen der neoliberalen Eliten aus der Reihe.

Bei Ungarn kommt noch hinzu, dass das Land sich offen gegen aus dem Ausland finanzierte NGOs stellt, die mit Geldern aus dem Ausland die Politik des Landes beeinflussen wollen. Gemeint ist damit in erster Linie Soros, dessen Universität Ungarn aus dem Land geworfen hat und die deshalb nach Wien umgezogen ist. Aber Soros hat sehr viel Einfluss in Brüssel und er nutzt den in seinem Interesse, um die Demokratie in ihre Schranken zu verweisen. Das nennt er allerdings anders, er spricht von einer Zentralisierung der Macht, die nötig sei, um die EU handlungsfähig zu halten.

Die Macht von Soros geht so weit, dass beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte jeder vierte Richter Verbindungen zu den Soros-Stiftungen hat oder hatte und von Soros bezahlt wurde. Entsprechend fallen die Urteile des Gerichtshofes aus, wenn Soros-Stiftungen Partei oder Gegenstand der Verfahren sind und Richter, die Soros nahe stehen, über die Fälle zu entscheiden haben. Ist das unabhängige Justiz?

Wenn man diese Hintergründe kennt, ist dann die Vermutung abwegig, dass es bei der Kritik an Polen und Ungarn in Wirklichkeit nicht um rechtsstaatliche Prinzipien, sondern um politischen Gehorsam gegenüber Themen geht, die Soros und den Bürokraten in Brüssel am Herzen liegen?

Was der Spiegel daraus macht

Im Spiegel ist heute unter der Überschrift „Haushaltserpressung – Die EU muss hart gegen Ungarn und Polen vorgehen“ ein Kommentar erschienen, der vor Entrüstung über die Vetodrohung der beiden Staaten nur so schäumt. Der Kommentator schreibt sich in Rage, was dann in folgendem gipfelt:

„Ein derart rabiates Vorgehen gegen den Rechtsstaatsmechanismus zeigt: Orbán und Kaczynski ist es überaus wichtig, zur eigenen Machtsicherung weiterhin in der Lage zu sein, Medien gleichzuschalten, die Justiz zu korrumpieren und regierungskritische Teile der Zivilgesellschaft kaltzustellen“

Diese drei Vorwürfe wollen wir uns einmal näher anschauen.

Erster Vorwurf: Die beiden Staaten wollen die Medien gleichschalten.

Was ist in der EU daran ungewöhnlich? Im Baltikum geht die Gleichschaltung so weit, dass russische Medien dort verboten werden, weil deren Meinung den dortigen Regierungen nicht ins Konzept passt. Man muss die russischen Medien ja nicht mögen, aber wie lässt sich ein Verbot von Medien mit abweichender Meinung mit der Pressefreiheit in Einklang bringen? Das jedoch hat der Spiegel nie kritisiert, weil da die Medien verboten werden, die eine andere Meinung vertreten, als der Spiegel. Wenn es in Polen und Ungarn aber Medien betrifft, die die gleiche Meinung haben, wie der Spiegel, dann ist das Geschrei groß. Wobei: In Polen und Ungarn droht den Journalisten niemand mit dem Staatsanwalt, wie es im Baltikum geschieht. Der Spiegel outet sich hier eindeutig, als Propaganda-Organ, wenn er nur für die Pressefreiheit deren kämpft, die ihm gefallen, anstatt für die kompromisslose Pressefreiheit für alle.

Zweiter Vorwurf: Die beiden Staaten wollen die „Justiz korrumpieren“

Das finde ich auch schlimm. Aber warum kritisiert der Spiegel nicht, wie korrumpiert die Justiz in Deutschland ist, wenn die Paragrafen 146 und 147 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) die Staatsanwälte den Justizministern unterstellen? Über das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, der das bestätigt und kritisiert hat, habe ich im Spiegel keinen Artikel gefunden. Ist das Journalismus? Oder ist es einseitige Kritik an Polen und Ungarn bei gleichzeitigem Weglassen von allem, was nicht ins gewollte Bild passt? Dafür lautet der Fachbegriff übrigens Propaganda.

Dritter Vorwurf: Die beiden Staaten wollen „regierungskritische Teile der Zivilgesellschaft“ kaltstellen.

Ist das nicht genau das, was die Bundesregierung gerade mit Teilen der regierungskritischen Zivilgesellschaft in Deutschland macht, wenn sie deren Demonstrationen verbietet oder einschränkt, Beamte kalt stellt oder Polizisten dienstrechtliche Konsequenzen androht, die abweichende Meinungen haben? Und ist es nicht der Spiegel, der genau das nach Kräften unterstützt, wenn er selbst laut nach einer Einschränkung der Freiheitsrechte schreit? Auch hier zeigt der Spiegel, dass er nur dann für die Zivilgesellschaft ist, wenn sie seine Meinung vertritt, aber gegen Andersdenkende heißt der Spiegel sogar Gewalt unterschwellig gut.

Worum es tatsächlich geht

Ich habe es schon gesagt, in meinen Augen geht es bei dem Haushaltsstreit der EU nicht um Rechtsstaatlichkeit, sondern um Polens und Ungarns Haltung in anderen Fragen. Das kann man sogar in dem Spiegel-Kommentar an einer Stelle lesen:

„Seit Jahren wird Polen und Ungarn damit gedroht, dass sie für ihre Verweigerungshaltung bei der Aufnahme von Flüchtlingen und ihr autoritäres Gebaren die Rechnung beim nächsten EU-Mehrjahreshaushalt bekommen.“

Das Thema Rechtsstaatlichkeit ist nur der Vorwand, nicht der Grund für den Streit. Wir konnten seit 2015 oft genug lesen, dass EU-Staaten, die die Aufnahme von Flüchtlingen verweigern, mit dem Entzug von EU-Hilfen bestraft werden sollen. Das wird nun versucht umzusetzen, nur wird für das dumme Volk ein anderer Vorwand genommen.

Hinzu kommt, dass die EU kein objektives Verfahren für die vorgesehene Streichung der EU-Gelder vorgelegt hat. Vereinfacht gesagt, soll die EU-Kommission darüber entscheiden können und die betroffenen Länder haben dagegen keine Mittel in der Hand. Da die EU-Kommission ein nicht demokratisch gewähltes, politisches Organ ist, wird sie auch politisch begründete Entscheidungen treffen. Wer kann sich da wundern, dass Polen und Ungarn sich gegen die drohende willkürliche Sperrung „ihrer“ Gelder mit einem Veto zur Wehr setzen?

Ich will das Verhalten von Polen und Ungarn hier nicht schön reden, mir geht es darum, die Verlogenheit aufzuzeigen, mit der Politik und Medien bei dem Thema vorgehen, anstatt ehrlich zu sagen, worum es geht. Worum es tatsächlich geht, kann man ganz am Ende des Spiegel-Kommentars sogar lesen:

„Letztlich kann die EU nur hoffen, dass harte finanzielle Maßnahmen die Bevölkerungen gegen Regierungen mit autokratischen Tendenzen aufbringen – so sehr, dass sie um ihre Macht fürchten müssen.“

Das ist das altbekannte Mittel des Regimechange. Die EU versucht durch Entzug von Geldern Regierungen innerhalb der EU zu entmachten. Man muss sich nicht wundern, dass die betroffenen Regierungen dagegen ein Veto einlegen wollen.

Bleibt eine Frage, die der Spiegel natürlich nicht stellt: Ist es demokratisch, durch Streichung oder Freigabe von Geldern den Wählerwillen in anderen Staaten beeinflussen zu wollen?

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Bei den deutschen Richtern ist das mit der Gewaltenteilung auch so eine Sache, siehe Richterwahlausschüsse.
    Da spielt viel Politik mit rein und Richter, die ein Karriereinteresse haben kommen auch kaum an der Politik vorbei. In sofern sind die zwar nicht Weisungsgebunden, aber wenn sie zu quer gehen, dann stecken sie schnell mal in ihrer Karriere fest.
    Eine saubere Gewaltenteilung sieht für mich jedenfalls anders aus.

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