Putin im O-Ton über die russische Opposition

In dem Interview, dass Putin der TASS zum 20 jährigen Jubiläum seiner ersten Amtszeit gegeben hat, hat der Journalist Putin sehr intensiv nach der russischen Opposition befragt.

Das Interview war leider sehr schwierig zu übersetzen, weil der Interviewer Putin ständig ins Wort gefallen ist. Wenn man es sich anschaut, ist es besser verständlich, als in schriftlicher Form, schriftlich ist es etwas mühsam zu lesen. Ich habe schon einige Teile des mehrere Stunden langen Interviews übersetzt. Putins Aussagen zu den Wirtschaftssanktionen finden Sie hier, seine Aussagen über Chodorkowski und Oligarchen generell finden Sie hier, seine Einschätzung des Verhältnisses zur Ukraine finden Sie hier, seine Aussagen über Staatskapitalismus finden Sie hier und Putins Antworten auf die Frage, ob er nach 2024 weiterhin Präsident bleiben will, finden Sie hier.

In diesem letzten Teil des Interviews, den ich übersetze, ging es um die russische Opposition. Es gibt in Russland die sogenannte „systemische“ Opposition, die in der Duma vertreten ist und der oft vorgeworfen wird, nur eine Scheinoppisition zu sein, und die nicht-systemische Opposition, wie zum Beispiel Navalny, der in der westlichen Presse so gefeiert wird.

Wie holperig das Interview zu lesen ist, wird bei diesem Teil besonders deutlich. Der Interviewer der TASS ist Putin immer wieder ins Wort gefallen und Putin hatte Schwierigkeiten, einen Gedanken zu Ende zu bringen. Nach einigem Überlegen habe ich mich trotzdem entschieden, auch diesen Teil zu veröffentlichen, weil ich Putins Aussagen, die er am Ende auch mal zu Ende ausführen konnte, in meinen Augen sehr interessant sind. Um nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu werden, ich hätte etwas weggelassen, habe ich auch die umständlich zu lesenden Teile übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Vandenko: Sie haben der Opposition das Kompliment gemacht, dass sie gebraucht wird, auch die nicht-systemische…

Wladimir Putin: Das ist kein Kompliment, es ist meine Überzeugung. Das meine ich ganz ehrlich.

Vandenko: Unsere Opposition ist, objektiv gesehen, nun ja, was wir Opposition nennen, die sind handzahm, fressen Ihnen aus der Hand.

Wladimir Putin: Nun, das stimmt nicht. Wenn…

Vandenko: Die sogenannte systemische Opposition.

Wladimir Putin: Nun, wir haben vier Parteien im Parlament. Und die haben oft eine ganz andere Sicht der Dinge. Ja, das Einige Russland (Anm. d. Übers.: die Regierungspartei) hat die Mehrheit in der Duma. Einige könnten sagen, wissen Sie, es ist ziemlich langweilig.

Vandenko: Die Opposition ist an der Leine.

Wladimir Putin: Nein. Ziemlich langweilig.

Vandenko: Reine Dekoration.

Wladimir Putin: Nein. Ziemlich langweilig.

Vandenko: Es ist ziemlich langweilig.

Wladimir Putin: Ja.

Vandenko: So ist es, Wladimir Wladimirowitsch.

Wladimir Putin: Ja.

Vandenko: Ehrlich?

Wladimir Putin: Ja.

Vandenko: Es ist langweilig.

Wladimir Putin: Ich verstehe. Sie würden vor Freude springen, wenn die sich da prügeln würden, wie in der Ukraine zum Beispiel?

Vandenko: „Das ist kein Ort für Diskussionen“, erinnern wir uns.

Wladimir Putin: Nein. Das genau ist der Ort für Diskussionen. Aber es ist kein Ort für Schlägereien, interne Machtkämpfe und Eigenwerbung.

Vandenko: Warum sagen Sie es so radikal, als gäbe es entweder Prügelein oder einen langweiligen Tümpel.

Wladimir Putin: Dann hören Sie sich mal die Reden von Sjuganow (Anm. d. Übers.: Chef der Kommunistischen Partei) an.

Vandenko: Oh!

Wladimir Putin: Nicht „oh“. Was denn? Was ist los? Er hat seine eigene Position, und nicht nur er, auch die anderen Vertreter der Kommunistischen Partei.

Vandenko: Er hat mit Schirinovski zusammengehangen, als Sie noch in Dresden waren.

Wladimir Putin: Das ist egal. Das hat keine Bedeutung.

Vandenko: Also lebt ein professioneller Oppositioneller in einem Haus der Präsidialverwaltung, fährt mit einen BMW mit Blaulicht durch die Gegend und das ist super?

Wladimir Putin: Ja. Hören Sie zu.

Vandenko: Echt jetzt?

Wladimir Putin: Wollen Sie meine Antwort hören? Dann sollten Sie auch zuhören.

Vandenko: Ich bin ganz Ohr.

Wladimir Putin: Aber die nicht-systemische Opposition, was ist das? Das sind legale Parteien. Wir haben über 50 Parteien. Wir haben gerade die Registrierung politischer Parteien liberalisiert, jetzt haben wir über 50. Ob also einer aus der Oppositionspartei ein Auto fährt oder nicht, ist eine andere Frage. Die Frage ist, welche Position nimmt in Bezug auf die Regierung und die Vorschläge ein, die die Regierung oder die Regierungspartei zur jeweiligen Fragen macht. Sie wollten mich anscheinend aus dem Konzept bringen, aber das wird so nichts. Was ich Ihnen sagen möchte… Die Partei Einiges Russland hat die Mehrheit.

Vandenko: Und?

Wladimir Putin: Was und? Es gibt andere Parteien, die oft anderer Meinung sind, insgesamt sind vier andere Parteien im Parlament. Sie stimmen der Ansicht der Regierungspartei nicht zu. Aber wenn Sie sich daran erinnern, wie es in den 90er Jahren war, Sie sind ja alt genug und erinnern sich, nun, das war ein Chaos und kein Parlament. Es gab gab ständig Prügeleien und es war unfähig, auch nur eine Entscheidung zu treffen. Schlimmer noch, wissen Sie, was noch schlimmer ist?

Vandenko: Was?

Wladimir Putin: Schlimmer ist, wenn sie mal Entscheidungen getroffen haben, dann waren die nicht umsetzbar. Sie haben die gesamte Wirtschaft in die Sackgasse geführt. Dazu hat das geführt, weil es keine konstruktiven Diskussionen gegeben hat. Meine Frage lautet also: Möchten Sie sehen, wie dort Tänze aufgeführt werden? Oder sollen da Regierungsentscheidungen getroffen werden? In diesem Zusammenhang erinnere ich mich nur an einen bekannten russischen Staatsmann: „Wollen Sie große Erschütterungen? Ich will ein großes Russland.“ Ich denke, wir alle wollen ein großes Russland. Und keine Show in der politischen Macht.

Vandenko: Sicherlich. Aber die Opposition ist auch nötig, damit die Regierung Druck hat.

Wladimir Putin: Ja, ja, das ist richtig. Und ich habe daher gesagt, dass sowohl die systemische, als auch die nicht-systemische Opposition erforderlich sind. Das sage es Ihnen nicht als amtierender Präsident, sondern als russischer Bürger. Aber wir brauchen kein Chaos. Und wir brauchen keine Show. Wir brauchen ernsthafte, politische Aktivitäten.

Vandenko: Verstehen Sie, wenn ein Oppositioneller nicht zur systemischen Opposition gehört, ist er sofort ein regelrechter Staatsfeind.

Wladimir Putin: Ganz und gar nicht. Überhaupt nicht. Woher haben Sie das? Wollen Sie das denken? So ist es nicht. Das hat nichts mit der Wahrheit zu tun. Warum ist das so? Wir haben 50 Parteien. Die Leute sollten einfach…

Vandenko: Die Leute können doch ohne Parteien auf die Straße gehen und ihre Meinung äußern…

Wladimir Putin: Das politische Bewusstsein der einfachen russischen Bürger ist im vergangenen Jahr stark gewachsen. Ja, wir freuen uns, wenn die Leute demonstrieren. Aber! Selbst der normale Bürger will nicht nur sehen, wie auf die Regierung geschimpft wird, sondern er will hören und verstehen, was diejenigen, die die Regierung kritisieren, an Alternativen anbieten. Wie wollen sie die Probleme des Landes lösen? Aber wenn da außer Kritik nichts zu hören ist, dann stellt man sich die Frage: Wofür soll ich denn stimmen? Wen soll ich ins Kommunalparlament, in ein Regionalparlament, in die Duma wählen? Der normale Mensch geht zur Arbeit und kommt dann wieder nach Hause, jeden Tag geht das so. Aber trotzdem kann man die Leute heute nicht mehr für eine Wurst kaufen. (Anm. d. Übers.: In den 90er Jahren war es üblich, dass die Menschen ihre Stimmen für Wurst oder eine Flasche Wodka verkauft haben, weil sie keinerlei Hoffnung in die Politik und in Wahlen gehabt haben und darüber hinaus bitter arm waren)

Vandenko: Ich gehe einfach davon aus, dass Sie ein starker Mensch sind.

Wladimir Putin: Nun, ich hoffe es.

Vandenko: Sie haben Kampfsport betrieben.

Wladimir Putin: Das mache ich heute noch.

Vandenko: Immer noch, dann erst recht. Um bei der entsprechenden Wortwahl zu bleiben, dann sollte der Gegner doch gleichwertig sein. Aber Ihr Gegner ist einer von denen, die einen BMW fahren und in einem Haus der Regierung leben. Der kann Ihnen doch gar nicht ernsthaft widersprechen.

Wladimir Putin: Ja, hören Sie. Glauben Sie, dass die Abgeordneten in irgendeinem anderen demokratischen Land, einschließlich der Mitglieder des Kongresses oder des Senats der Vereinigten Staaten, auf einer Ziege reiten?

Vandenko: Es geht nicht nur um die Abgeordneten…

Wladimir Putin: Oder auf einer lahmen Stute, oder was? Die fahren da auch staatliche Dienstwagen.

Vandenko: Es geht nicht um die Autos, das stimmt.

Wladimir Putin: Nein. Das ist der Punkt. Sie haben angedeutet, dass die irgendwie gekauft werden. Die nutzen das, was der Staat ihnen gibt, damit sie ihre Funktionen wahrnehmen können. Sie bekommen das nicht von der aktuellen Regierung. Das stellt ihnen der Staat im Rahmen der geltenden Gesetze zur Verfügung. Egal, ob es ein Oppositioneller oder kein Oppositioneller ist. Wenn er eine bestimmte Position innehat, erhält er nach dem Gesetz das, was der Staat ihm geben muss. Eben damit er seine Arbeit machen kann. Einschließlich der Propaganda für die Organisation, die ihn in seine Position gebracht hat. Zum Beispiel, sagen wir, die ihn ins Parlament gebracht hat. Es ist nicht der Präsident, der ihm das Auto gibt. Das ist wichtig. Der Präsident und die Präsidialverwaltung sind gesetzlich verpflichtet, ihm zu geben, was ihm zusteht. Ob dem Präsidenten der Abgeordnete oder Parteiführer gefällt, oder nicht.

Vandenko: Es geht nicht um Autos oder Abgeordnete…

Wladimir Putin: Doch, das ist der Punkt. Es bedeutet, dass der Staat verpflichtet ist, allen die gleichen Möglichkeiten zu geben, ihre politischen Funktionen auszuüben.

Vandenko: Es geht um politischen Kampf, nicht um Autos oder Häuser…

Wladimir Putin: Aber das ist der politische Kampf. Der Staat ist verpflichtet, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass eine Person mit jeder beliebigen Meinung, die sie vertritt, effektiv arbeiten kann. Es ist nicht so, dass der Parlamentspräsident sagt: „Sie sind von der Regierungspartei? Prima. Sie fahren einen BMW und alle anderen fahren Lada.“ Nein! Alle müssen unter den gleichen Bedingungen arbeiten.

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

  1. Es ist schon besorgniserregend, daß sich russische Journalisten, und dann noch von der TASS, eine „Unsitte“ zu eigen machen, die hier wesentlich zu deren Ruin beigetragen hat.
    Die russischen „Liberalen“ haben schon immer zu innig den Westen „umarmt“, nur zu gern die Kehrseiten „übersehen“ – z.T. aus verständlichen Gründen.

  2. Ob TASS sich einen Gefallen getan hat mit diesem „Journalisten“ ist zu bezweifeln.
    Kann man mal etwas über diesen Journalisten erfahren? Was hat der bisher gemacht, welche Themen hat er bearbeitet?
    Letztendlich hat ihn Putin auseinander genommen und entlarvt – aber vielleicht war das genau die Absicht.
    Es ist ja wie es fast überall ist, schlecht gebildete aber selbst überschätzende angebliche Qualitätsjournalisten, die sich dann als geistige Tiefflieger outen…..

    1. Hatte den Namen durch die Suche geschickt und da wurde nur dieses Interviews ausgespuckt.
      Liegt es vielleicht an der Schreibweise? Oder hatte er einen „Auftrag“?
      In der Link Vorschau wird aus dem ganzen Interview immer gezeigt das Putin eben Putin ist und er kein „Körper Double“ nutzt.
      „Körper Double“ – das er so fit ist wie die Bilder es zeigen oder ist der Begriff eher als Doppelgänger zu verstehen im Sinne von “ Einladen den Richtigen zu töten?
      Also wo kommt dieser TASS Vogel her? Von Qualitätsjournalistmus ist er Meilen entfernt. In etwa wie Marie Luise Beck von der Wahrheit.

  3. Was in dem Artikel deutlich geworden ist, ist das Putin, im Gegensatz zu vielen Vertretern der „demokratischen Parteien“ und der „Qualitätsmedien“ in der BRD, den Sinn der Demokratie verstanden hat und dass er die Demokratie daher auch tatsächlich zu schätzen weiß:
    Grundlage der Demokratie ist die Einsicht, dass menschliches Handeln, Denken und Wahrnehmen immer fehlerhaft ist. Ziel der Demokratie ist es auf zivilisierte Weise, mit Hilfe einer funktionierenden Opposition, die Denkfehler und Mängel in der Wahrnehmung der Regierenden und auch der politischen Mehrheit zu minimieren, um so – im Interesse der Nation und damit auch der Regierung und der Mehrheit – die Ergebnisse der Politik zu optimieren.
    Es ist schon hart, das Putin, der angebliche Diktator, trotz seiner Machtposition den Sinn der Demokratie offenbar sehr klar erkannt hat und diese fördert und schätzt, während Merkel & Co in ihrer Selbstherrlichkeit solche Gedanken völlig fremd zu sein scheinen, wie der unerträgliche Umgang mit der AfD und der „Kampf gegen Rechts“ immer wieder zeigen.
    Was Putin nicht zu mögen scheint und verhindern möchte, ist eben das unproduktive, idiotisch-kindische Kasperletheater, mit dem westliche „Demokraten“ in Deutschland, ebenso wie auch in den USA heute oft dem Gedanken der Demokratie und dem Interesse ihrer Nation schaden.

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