Putins Rede an die Nation – Wie das russische Gesundheitssystem verbessert werden soll

Ein wichtiges Thema bei Putins Rede an die Nation war der russische Gesundheitssektor, wo nun wichtige und teure Reformen angekündigt wurden.

Das russische Gesundheitssystem hat einen schlechten Ruf. Teilweise – vor allem „auf dem platten Land“ – durchaus zu Recht, andererseits ist es teilweise weit besser, als sein Ruf.

Viele Leser haben nach den innen- und sozialpolitischen Teilen von Putins Rede gefragt und daher werde ich heute über den zweiten Teil von Putins Rede an die Nation berichten, über den die deutschen Medien hinweg gegangen sind. In Russland ist der Sozialbereich völlig anders aufgebaut, als in Deutschland. Daher reicht es nicht, dass ich über Putins Rede berichte, sondern ich muss auch erklären, was in dem jeweiligen Bereich derzeit in Russland an sozialer Unterstützung gewährt wird, damit die Änderungen verständlich werden.

Das ist eine recht umfangreiche Arbeit und daher kam es mir sehr zu Hilfe, dass das russische Fernsehen am letzten Sonntag in der Sendung „Nachrichten der Woche“ über diese Dinge berichtet und sie zusammengefasst hat.

Im ersten Beitrag dazu ging es um die Förderung von Familien mit Kindern, in die Russland nun acht Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr investieren wird. Im zweiten Teil ging es um das Gesundheitssystem, wo ebenfalls massive Förderungen kommen werden.

Auch in Russland wird oft gefragt, warum ausgerechnet jetzt so eine „soziale Offensive“ gestartet wird. Der Grund ist einfach: Russland hat in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass es durch Sanktionen oder Schwankungen beim Ölpreis verwundbar war. Dagegen hat Russland 2015 ein Programm entwickelt und den Nationalen Stabilitätsfond aufgelegt. Dieser Fond wurde trotz der Sanktionen und anderer Versuche, Russland wirtschaftlich zu schaden, auf sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das bedeutet auf über 100 Milliarden Euro, angespart.

Diese Summe hatte die Regierung als Sicherheitspolster gefordert, um auf etwaige Schwierigkeiten ohne Steuererhöhungen, soziale Einschnitte oder neue Schulden reagieren zu können. Nachdem die sieben Prozent Sicherheitspolster vorhanden sind, sollen die Überschüsse für soziale Projekte ausgegeben werden. Die sieben Prozent wurden nun erreicht und deshalb verkündete Putin in seiner Rede an die Nation, wie er die Überschüsse ab sofort zu verwenden gedenkt.

Hier die Übersetzung des Beitrages des russischen Fernsehens. Zum besseren Verständnis habe ich die Beträge grob in Euro umgerechnet und einige Erklärungen eingefügt.

Beginn der Übersetzung:

Es gibt nur 800 Einwohner im Dorf Kumlekul. Die Stadt Ufa ist fast dreißig Kilometer entfernt. Und bei der geringsten Malaise gehen die Leute zum Feldscher (Anm. d. Übers.: Ein Feldscher ist eine russische Besonderheit. Es handelt sich dabei nicht um einen vollwertigen Arzt. Der Feldscher kann Diagnosen stellen, leichte Erkrankungen behandeln und ansonsten überweist er Kranke an andere Ärzte). Hier wird der Blutdruck gemessen und Patienten an Spezialisten überwiesen. Alle zwei Wochen kommen spezialisierte Ärzte hierher.

„Früher arbeiteten wir in einem alten Holzgebäude aus dem Jahr 1970. Es gab keine Kanalisation, es gab kein fließendes Wasser, wir mussten es mit Eimern holen. Dieses Gebäude wurde im Mai 2019 eröffnet, jetzt haben wir, was wir brauchen“, sagte der Leiter des Sanitäts- und Geburtshilfebüros.

Aber es gibt auch andere Beispiele. Das Sanitäts- und Geburtshilfebüro in der Region Ivanovo muss noch in Ordnung gebracht und ausgestattet werden.

In diesem Jahr soll das Netz der Sanitäts- und Geburtshilfebüros endlich im ganzen Land implementiert sein. Aber es geht nicht um die Anzahl der Büros, die Qualität der medizinischen Hilfe ist entscheidend.

„Ich möchte betonen, dass der Zweck ihrer Arbeit nicht darin besteht, Bescheinigungen und Überweisungen zu schreiben und Menschen ins Bezirkskrankenhaus zu überweisen. Die Spezialisten vor Ort müssen in der Lage sein, den Menschen wirkliche Hilfe zu leisten. Sie brauchen modernste Geräte und High-Speed-Internet. Ich bitte die Allrussische Volksfront, die Ausstattung, den Bau und die Reparatur der Büros zu beobachten“, sagte Wladimir Putin. (Anm. d. Übers.: Die Allrussische Volksfront ist eine Nichtregierungsorganisation, die Missstände in russischen Regionen aufdeckt und mit der Putin eng zusammen arbeitet. Es ist kein russisches Phänomen, dass Beamte gerne ihre Misserfolge verstecken und auch schon mal geschönte Zahlen nach oben melden. Daher nutzt Putin die Allrussische Volksfront als Korrektiv, um sich unabhängig über die Zustände in den Regionen informieren zu lassen.)

Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Zustand der lokalen Kliniken. In Sosnovoborsk, das ist im Gebiet Krasnojarski Kray, gibt es für eine Bevölkerung von etwa 40.000 Menschen nur eine medizinische Einrichtung. Sogar auf einen Termin beim Therapeuten muss man drei Tage warten. Bei Spezialisten beträgt die Wartezeit mehrere Wochen. Und für manche spezielle Untersuchungen muss man sogar nach Krasnojarsk fahren. Damit Ärzte sich hier niederlassen, brauchen sie Unterstützung.

„Ich bitte die Oblaste (Anm. d. Übers.: In Deutschland wären das die Bundesländer), Reserven zu finden und sich intensiv mit den Wohnungsproblemen von Ärzten und zu befassen, insbesondere in Dörfern und Kleinstädten. Ich bitte darum, alle Mechanismen zu nutzen, einschließlich des öffentlichen Wohnungsbaus und der Unterstützung für den privaten Wohnungsbau“, sagte der Präsident.

Das Geld ist eingeplant. Ab dem 1. Juli beginnen die Programme zur Modernisierung der medizinischen Erstversorgung. Es ist notwendig, Kliniken, Bezirkskrankenhäuser und Ambulanzstationen zu reparieren und auszustatten. Dafür werden fast acht Milliarden Euro bereitgestellt, mehr als 90 Prozent davon stellt der Bund (Anm. d. Übers.: Russland ist, wie Deutschland, ein Bundesstaat). Aber auch Geld aus den Regionen (Anm. d. Übers.: Also den „Bundesländern“) wird benötigt.

Die Entwicklung des Gesundheitswesens erfordert eine detaillierte Zusammenarbeit zwischen Ministern, Gesetzgebern und Gouverneuren. Es geht darum, neue Qualitätsstandards zu schaffen. Die Hauptsache ist, dass die Menschen die Veränderungen in sehr naher Zukunft spüren.

Der „Hunger nach Personal“ muss schnellstmöglich gestillt werden. Und jährlich wird die Zahl der vom Staat finanzierten Studienplätze an Universitäten erhöht, vor allem in den Regionen.

„Die Quoten für die Anzahl der Plätze werden auf Ersuchen der Regionen der Russischen Föderation gebildet. Sie wiederum sollten eine Beschäftigungsgarantie für zukünftige Absolventen bieten, damit die Spezialisten genau dort arbeiten, wo die Menschen auf ihre Hilfe warten“, erklärte Putin.

70 Prozent der Studienplätze für Mediziner sollen vom Staat finanziert werden und gratis sein, bei Kinderärzten 75 Prozent. Was den Einsatz der jungen Ärzte betrifft, schlägt das Staatsoberhaupt vor, in den Gebieten mit besonders großem Ärztemangel fast 100 Prozent der Plätze vom Staat finanzieren zu lassen.

An der Staatlichen Medizinischen Universität Woronesch, wo mehr als siebentausend Studenten studieren, sind diese präsidialen Initiativen heute eines der meistdiskutierten Themen.

„Es gibt hier einige Privilegien. Wenn ich mein Studium abschließe, habe ich sofort einen Arbeitsplatz, ich muss nicht suchen. Außerdem zahlt mir das Krankenhaus jeden Monat ein zusätzliches Stipendium dafür, dass ich die Fachrichtung studiere, die gebraucht wird. Ein weiterer Vorteil ist, dass ich so bessere Chancen habe, in Zukunft an akademischen Fortbildungen teilzunehmen“, sagte ein Student.

„Die Zahlen, die Putin in der Rede vor der Bundesversammlung genannt hat, sind realistisch und konkret. Ich denke, das wird es uns viel einfacher machen, Bewerber für das Medizinstudium zu rekrutieren. So können wir unsere Absolventen in der Gesundheitsversorgung unterbringen, mit Priorität vor allem auf ländliche Gebiete in unserer Region Woronesch und benachbarten Regionen“, sagte Igor Yesaulenko, Rektor der Medizinischen Universität Woronesch.

Putin sprach auch ein heikles Thema an: Die nicht registrierten Medikamente in Russland. Der Gesetzgeber hat bereits Entscheidungen getroffen, die die legale und zentralisierte Einfuhr einiger spezialisierter, lebensrettender Medikamente in unser Land ermöglichen. (Anm. d. Übers.: Das war ein jahrelanges Problem in Russland. Für einige schwere, sogar lebensbedrohliche Krankheiten waren in Russland keine Medikamente zugelassen und vor allem Eltern waren gezwungen, diese Medikamente für ihre kranken Kinder aus dem Ausland zu besorgen. Das jedoch war nicht nur teuer, sondern auch illegal und galt juristisch als Drogenschmuggel. Vor einiger Zeit haben die Medien dann den Fall einer Mutter aufgegriffen, die deswegen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden ist. Daraufhin rückte das Thema in den Fokus der Regierung und es wurden Ausnahmeregelungen geschaffen, die nun den Import solcher Medikamente erlauben. Parallel wird deren Zulassung fokussiert, wobei Russland gleichzeitig beginnen will, solche Medikamente selbst zu produzieren, um die Kosten im Griff zu behalten.)

„Ich fordere die Regierung auf, diese Arbeit so schnell wie möglich abzuschließen, um die Menschen, Eltern, insbesondere kranke Kinder, aus dieser verzweifelten Situation zu holen, in der die notwendigen Medikamente nicht legal beschafft werden können“, sagte der Präsident.

Wir sprechen über Medikamente, die in Russland noch nicht zugelassen sind. Wir haben es vor allem der Öffentlichkeit zu verdanken, dass dieses Problem nun gelöst wurde.

„Was auf diesem Gebiet getan wurde, war improvisiert, weil eine systemische Lösung zu viel Zeit für die Beschaffung von Informationen und Untersuchungen gebraucht hätte und die Mittel wurden aus dem Reservefonds bereit gestellt. Das ist nicht systemisch, es ist wieder Handarbeit. Jetzt müssen wir Änderungen an den Bundesgesetzen vornehmen, um die Registrierung der Medikamente zu beschleunigen. Sie sollten natürlich so registriert werden, das sie anschließend in eigener Produktion hergestellt werden können“, sagte Nyta Federmesser, Gründerin der gemeinnützigen Stiftung für die Hospizhilfe „Vera“.

In jedem Fall gibt es eine Menge Beschwerden aus der Medizin gegen die Beamten und es wurden direkte Anweisungen formuliert.

„Ich weiß, dass es letztes Jahr in einer Reihe von Regionen zu Unterbrechungen bei der Versorgung mit Arzneimitteln kam, weil die Käufe faktisch eingestellt wurden. Einige Beamte haben sich benommen, als handele es sich um den Einkauf von Büromaterialien, nach dem Motto „ist egal, wir machen eben eine neue Ausschreibung“. Aber die Menschen standen ohne extrem wichtige, manchmal lebenswichtige Medikamente da. Ich möchte darauf hinweisen, dass sich so etwas nie wieder wiederholen darf“, sagte Putin.

In diesem Jahr wird Russland ein einheitliches Register für Empfänger bestimmter Medikamente entstehen, das den Betroffenen die Medikamente kostenlos oder mit einem großen Rabatt aus dem Bundes- oder Regionalhaushalt zur Verfügung stellen wird.

Ein weiteres, sehr wichtiges Thema sind die Löhne der Beschäftigten im Gesundheitswesen, die jetzt von Region zu Region sehr unterschiedlich sind. Aber die Arbeitsbelastungen wachsen.

Es gab auch echte Notfälle, wie im Novotscherkasker Infektionskrankenhaus. Ende letzten Jahres wurde die medizinische Einrichtung vorübergehend geschlossen, die Ärzte hatten gekündigt. (Anm. d. Übers.: Die schlechte und vor allem uneinheitliche Bezahlung von Ärzten ist ein großes Problem in Russland und hat in letzter Zeit in einigen Krankenhäusern zu Massenkündigungen geführt, weshalb Putin auch diesem Thema nun Priorität gegeben hat)

„Ab diesem Jahr wird ein neues Entlohnungssystem für Ärzte, das auf transparenten, fairen und verständlichen Regeln beruht, schrittweise eingeführt. Es wird einen Anteil Fixgehalt und eine für das ganze Land einheitlichen Liste für Ausgleichszahlungen und Boni geben“, erklärte der Präsident.

Jetzt sollte die Entlohnung verständlicher und gerechter werden.

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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