Unglaublicher Justizskandal erschüttert Italien, aber kein Wort in den deutschen Medien

Ein potenziell gigantischer Justizskandal ist in Italien ans Licht gekommen und in den deutschsprachigen Qualitätsmedien findet sich darüber nur ein einziger Artikel in der NZZ. Über das, was die Medien den deutschen Lesern verheimlichen wollen, hat das russische Fernsehen berichtet.

Silvio Berlusconi war auch einer der Buh-Männer der „Qualitätsmedien“. Was heute Trump und Putin sind, war in den 1990er Jahren Berlusconi. Er war das Schmuddelkind, der Bösewicht, der Mann, über den man keine positiven Berichte in den Medien finden konnte. Wie berechtigt das war, kann ich nicht beurteilen, mit Berlusconi habe ich mich bisher nicht viel beschäftigt, aber das könnte sich nun ändern.

2013 wurde Berlusconi im „Mediaset-Prozess“ schuldig gesprochen, es war das Ende seiner politischen Karriere, ihm wurde sogar auf Jahre hinaus verboten, für politische Ämter zu kandidieren. Er wurde politisch „ermordet“.

Wie sich nun herausstellt, was das anscheinend kein fairer Prozess, sondern ein „von oben“ angeordneter Schuldspruch. Seine Anhänger haben das von Anfang an vermutet und ein Urteil von 2018, in dem das Verbot für politische Ämter zu kandidieren wieder aufgehoben wurde, gab den Gerüchten weiteres Futter.

Nun aber sind in Italien Mitschnitte von Gesprächen veröffentlicht worden, in denen der Richter, der Berlusconi 2013 verurteilt hat, über die Umstände ausgepackt hat, wie das Urteil zu Stande gekommen ist. Und der Richter teilt in den Gesprächen mit, dass das Urteil nicht auf Grundlage der Gesetze, sondern durch Druck „von oben“ zu Stande gekommen sei. Bei einer Suche im Internet habe ich in deutschsprachigen Medien nur einen Artikel der NZZ gefunden, der darüber berichtet hat. Ansonsten herrscht Schweigen im deutschen Blätterwald.

Anscheinend sollen die deutschen Leser nicht wissen, dass das Urteil gegen Berlusconi nicht nach den Regeln des Rechtsstaates zu Stande gekommen ist. Und dass deutsche Leser unter Umständen Sympathie für einen Mann empfinden könnten, der mit derartigen Methoden aus der Politik entfernt wurde, soll wohl auch verhindert werden.

In Russland hingegen wurde darüber berichtet, daher bin ich darauf aufmerksam geworden. Deshalb übersetze ich hier den Bericht des russischen Fernsehens aus der Sendung „Nachrichten der Woche“ vom Sonntag.

Beginn der Übersetzung:

Berlusconi wurde auf Anweisung von oben erledigt

Ein riesiger Skandal in Italien. Im Mittelpunkt stehen der ehemalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi, 83, und das gesamte Justizsystem der Italienischen Republik. Im Jahr 2013 wurde der Politiker wegen Steuervergehen im Zusammenhang mit seiner Firma Mediaset zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, aber wegen seines fortgeschrittenen Alters wurde die Gefängnisstrafe durch ein Jahr gemeinnützige Arbeit ersetzt. Berlusconi wurde außerdem verboten, ein öffentliches Amt zu bekleiden und es wurde ihm für sieben Jahre verboten, für Parlamente zu kandidieren.

Fünf Jahre später hat eine höhere Instanz in Mailand Berlusconi im Fall Mediaset vollständig rehabilitiert und der ehemalige Ministerpräsident konnte ins Europäische Parlament gewählt werden. Aber jetzt sind neue skandalöse Details des Prozesses bekannt geworden. Wie sich herausstellt, ist Berlusconis Schicksal im Jahr 2013 nicht nach dem Gesetz, sondern auf Anweisung von oben entschieden worden. Dafür gibt es Beweise in Form von Tonbändern mit den Enthüllungen eines kürzlich verstorbenen Richters.

Die Details hat unsere Korrespondentin aus Italien.

Die Unterschriftensammlung auf dem Volksplatz begann am 4. Juli morgens. Die Italiener fordern, Berlusconi zurückzugeben, was ihm illegal genommen wurde, der Titel eines Senators. Und zwar mit einer Entschädigung in Form der Worte „auf Lebenszeit“. Zu ahnen, dass bei dem Urteil im Fall von Mediaset nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, ist das eine, aber die Geständnisse des Richters zu hören, seine Worte „Anweisung“, „Schande“, „bitte um Verzeihung“, ist etwas ganz anderes. Die Aufnahmen sind sieben Jahre alt. Aber besser spät als nie: Die Zeitschrift Riformista hat Teile davon veröffentlicht.

„Warum haben Sie die Aufzeichnungen nicht vor sieben Jahren veröffentlicht, das ist doch so wichtig.“

„Aus Respekt vor Richter Amedeo Franco. Aus Respekt vor dem Schock, den dieser Mann erlebte, als er erfuhr, wie sein Urteil umgeschrieben wurde. Silvio Berlusconi hat seinen Anwälten nicht erlaubt, diese Aufnahme zu verwenden, solange Amedeo Franco noch am Leben war“, sagte Deborah Bergamini, Direktorin von Riformista und Mitglied des italienischen Parlaments.

Die Aufnahme, die ein Revisionsverfahren in der Strafsache auslösen kann, wurde 2013 gemacht. Das war bei einem Treffen im Palazzo Grazioli, um das Richter Franco nach dem Schuldspruch gebeten hat. Silvio Berlusconi hat das Treffen lange abgelehnt, das war die härteste Zeit in seinem Leben, er wollte alles aufgeben – seine Geschäfte, die Politik – und sich humanitären Missionen in Afrika widmen. Am Ende haben ihn Menschen, die ihm nahe stehen, überredet. Sie haben das Gespräch aufgezeichnet, weil es der unvollendeten Affäre ein Ende setzt.

Die vollständige Fassung der Aufzeichnung befindet sich bereits in Straßburg, vor dem Gerichtshof für Menschenrechte. Darin sind alle Namen enthalten. Einer von ihnen ist der Präsident des Gerichts, Antonio Esposito, der seinen Kollegen Franco drängte, gegen sein Gewissen zu handeln. Espoisto hatte Probleme mit seinem Sohn, sein Sohn hatte Probleme mit Drogen. Familienprobleme sind Schwächen und der sicherste Weg, um diejenigen zu bedrängen, die Recht sprechen.

Silvio Berlusconi wird keine Entschädigung verlangen, das schrieb er in einem offenen Brief an das Magazin Riformista, aber die Wähler sollten die Wahrheit darüber erfahren, wie der letzte gewählte Ministerpräsident des Landes aus der Politik entfernt wurde.

„Wir haben geklagt und es wird mir natürlich nichts zurückbringen, aber es wird helfen, die historische Wahrheit wiederherzustellen. Und es wird Licht auf die Verzerrungen und Anomalien im italienischen Justizsystem und auf Verzerrungen im demokratischen System werfen“, erklärte Berlusconi.

Berlusconi hat nie aufgegeben. Er ist ein brillanter Unternehmer, über ihn sind regelrechte Legenden im Umlauf. Er ist ein schillernder Politiker, in den sich in den 90er Jahren die Hälfte Italiens verliebt hat, als er beschloss, das Land zu verändern. Er ist einer jener Premierminister, die nie mit Petitionen auf den Quairinal-Hügel gelaufen sind. Er ist Rekordhalter bei der Anzahl der Mandate. Der letzte Mohikaner der europäischen Politik, ein Verbündeter und Freund Russlands. Es war Berlusconi, selbst noch ein Neuling in der Politik, der Russland in seiner ersten Amtszeit 1994 an den Tisch der G7 geholt hat. Die Liebe zu Russland ist einer seiner Nachteile und Berlusconi hat viele davon: Erfahrung und Geld und damit Unabhängigkeit. Wie oft wurde versucht, ihn zu beseitigen…

„Ich bin der am meisten verfolgte Politiker der Welt“, sagte Berlusconi 2017 in einem großen Interview mit dem Fernsehsender „Rossija 1“ in seiner Villa in Arcor. Dort schloss er sich unmittelbar nach dem Urteil für mehrere Jahre ein, von dort ging er in das Pflegeheim, wo er ein Jahr lang arbeitete, der Sozialdienst wurde ihm aufgrund seines Alters als Ersatz für die Gefängnisstrafe auferlegt.

70 Prozesse, aber es war das Urteil im Fall Mediaset, das Berlusconi aus der Politik geworfen hat. Es ist ein bewährter Weg in der heutigen Welt, dank der Medien und sozialen Netzwerke. Vorwürfe sind bereits ein Urteil. Man braucht Jahre, um seine Unschuld zu beweisen. Recht wird in Europa ist nicht schnell gesprochen: Du wirst freigesprochen, aber Du bist bereits aus dem Spiel genommen, anstatt das Land zu führen.

Strauss-Kahn wurde von einem Zimmermädchen des Sofitel Hotel in New York Belästigung vorgeworfen, was ihn die französische Präsidentschaft gekostet hat. Als das Strafverfahren eingestellt wurde, war seine Chance auf das Staatsamt längst vertan.

Francois Fillon wurde ebenfalls von einem Skandal aus dem Spiel genommen, er wurde 2017 Frankreichs Mitte-Rechts-Präsidentschaftskandidat, aber der gesamte Wahlkampf war hinfällig vor dem Hintergrund von Vorwürfen, er habe seine Frau fiktiv als Mitarbeiterin des Parlaments beschäftigt.

Es ist schwierig, nach solchen konstruierten Vorwürfen zurückzukehren, aber es ist möglich. Silvio Berlusconi wurde vor einem Jahr Abgeordneter im Europaparlament und er bekam in Italien die meisten Stimmen.

Die Rechte verlangt eine Überprüfung des Falles, die Schaffung einer parlamentarischen Kommission und vorgezogene Wahlen und sie erinnern daran, dass Berlusconi der letzte nicht technische, nicht ernannte, sondern vom Volk gewählte Ministerpräsident war.

Alles kommt irgendwann ans Licht. Selbst nach sieben Jahren besteht Hoffnung, an die Hintermänner des politischen Attentats heranzukommen. Richter Franco ist nicht mehr am Leben, aber es gibt sein Geständnis und an dem Treffen mit Berlusconi haben dessen Kollegen teilgenommen, die weiterhin in Italien Recht sprechen.

Ende der Übersetzung

Nachtrag: Auf Twitter hat mich ein Leser auf einen Artikel von Tichys Einblick hingewiesen, der den Skandal in Italien sehr gut und mit weiteren Details, die im russischen Bericht nicht so deutlich geworden sind, erklärt. Daher empfehle ich diesen Artikel von Tichy.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

7 Antworten

  1. So funzt unser westliches System. Aber das ist an sich nichts neues. Wieviele wurden auch schon in Deutschland politisch „ermordet“ von den Medien, die mit Sicherheit von der Politik instruiert wurden, z.B. ex Präsident Wulf. Unser oberstes Hetzblatt hat dort viele Leichen im Keller. Und auch in unserer Gesellschaft läuft das so. Soll ein Leitender Angestellter „entfernt“ werden, wird etwas konstruiert, vor Gericht verliert zwar das Unternehmen, aber eine weitere Zusammenarbeit ist nicht mehr möglich. Und schon ist das Ziel des Unternehmens erreicht! Vielleicht kostet es etwas, aber das spielt dabei keine Rolle. Willkommen in der Realität!

    1. Tja, so sind die westlichen Werte. Trotzdem kommt Niemand auf die Idee, dass das so nicht schon immer gehandhabt wurde – wer weiß, was noch so alles falsch war & man die Macht nutzte!?

      Ich frage mich da eher. WER hat so viel Macht? Wer steckt letztendlich dahinter? Und wenn man einen Präsidenten so stürzen kann – was geht dann noch?
      WEnig Verständis habe ich da, dass der Richter seinen Drogenproblematischen Sohn versuchte zu schützen – nicht nur, dass dessen Probleme nicht weggezaubert wurden – man sorgt sich da auch, dass so etwas IMMER ein Erpressungsgrund sein kann – von jeder Seite aus!

      Bei Gen. Flynn hat man auch die „Sohn-Karte“ gezogen – so weit ich weiß, hat der allerdings nichts kriminelles getan, was man schützen „konnte“.
      Traurig auch, dass der Richter nicht von sich aus wenigstens vor seinem Tod bzw. bei Ausscheiden aus dem Amt, reinen Tisch machte….

  2. Habe spaßeshalber iń der Kommentarfunktion beim Tagesspiegel nach einem entsprechenden Statement (deutsch: Stellungnahme) ersucht, Kommentar wurde natürlich völlig demokratisch nicht gesendet…..

  3. Natürlich ist der ganze Artikel so gestaltet um ein positives Bild vom Cavaliere Berlusconi zu schaffen. Bald stellt sich auch heraus warum: er war ein Freund Russlands. Ok, bin ich auch. Sonst wäre ich wohl auch nicht hier. Dass ich buchstäblich in den Stunden als die Mauer in Berlin fiel in St. Leonards im Norden von Sydney mit dem Russen Luis auf мир und дружб, auf Frieden und Freundschaft gesoffen habe ist für mich nicht nur nur eine goldene Erinnerung, sondern auch eine eherne Verpflichtung.

    Das aus dem Weg: der Cavaliere war ein höchst korrupter, grässlicher Neoliberaler. Dass er am Schluss Opfer einer Verschwörung wurde, das ist etwas anderes. Dass seine Nachfolger essentiell nicht besser waren, kommt dazu. Was mir an Berlusconi neben seiner Leichtigkeit imponiert, ist, dass er sich einmal entschlossen hat Ministerpräser zu werden und das dann planvoll durchgezogen hat. Wie später auch Trump. Ein gewisses „can do“, wenn auch ohne tiefere Ideale.

    er wie Trump,

    1. Hm…schade, es geht hier nicht um die Charakterfrage sondern darum, wie es sein kann, dass ein Präsident von „ganz oben“ in einem angeblich demokratischen Rechtsstaat verurteilt werden kann, Richter erpresst werden usw.

      1. Ich dachte immer, ein Präsident ist der Chef im Ring?
        Oder ist er doch nur ne Sockenpuppe?

        Aber auch wenn Berlusconi im letzen Fall unschuldig sein sollte, war er doch in all den anderen Fällen schuldig und konnte trotzdem weiter machen.

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