Valdai-Forum: Putin im O-Ton über Unterschiede der westlichen und russischen Wirtschaftspolitik

Am Donnerstag ist Putin beim Valdai-Forum aufgetreten und hat sich drei Stunden den Fragen der Experten gestellt. Alles kann ich nicht übersetzen, aber ich werde heute und in den nächsten einige Fragen und Putins Antworten übersetzen. In diesem Artikel geht es um die Unterschiede der Wirtschaftspolitik im Westen und in Russland.

Russlands Wirtschaft ist, trotz Sanktionen und entgegen dem, was die westliche Presse gerne schreibt, erstaunlich stabil und wächst sogar schneller, als die deutsche Wirtschaft. Ich habe schon darüber geschrieben, dass Russland Deutschland in diesem Jahr – trotz oder wegen Corona – als fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt ablösen könnte. Das berichten westliche Medien zwar nicht, dafür aber zum Beispiel die Prognosen des IWF.

Der wirtschaftliche Erfolg Russlands hat Gründe. In der westliche Presse wird Putin vorgeworfen, dass der Anteil des Staates in der russischen Wirtschaft zu hoch sei. Der Vorwurf ist logisch, schließlich möchte der Westen, dass Russland mehr privatisiert, damit westliche Konzerne sich in rentable russische Wirtschaftszweige einkaufen können, vor allem auch in die Förderung von Rohstoffen. Russland geht jedoch einen anderen Weg.

Danach wurde Putin von einem Teilnehmer der Valdai-Konferenz gefragt und ich habe ich die Frage und Putins Antwort komplett übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Frage: Wladimir Wladimirowitsch, wir hören vor dem Hintergrund der globalen wirtschaftlichen Schocks immer häufiger, dass wir über die Frage diskutieren müssen, ob die liberale Marktwirtschaft für die Staaten noch ein verlässliches Instrument für ihr Überleben und für ihre Bürger ist.

Papst Franziskus hat kürzlich gesagt, der Kapitalismus habe sich selbst erschöpft. Russland lebt seit 30 Jahren im Kapitalismus, müssen wir jetzt nach einer Alternative suchen? Gibt es eine Alternative? Vielleicht die Rückkehr zu linken Ideen oder etwas völlig Neues?

Vielen Dank.

Wladimir Putin: Lenin hat einmal über die Muttermale des Kapitalismus und so weiter gesprochen. Wir leben hier in Russland nicht seit 30 Jahren in einer vollertigen Marktwirtschaft, wir bauen sie und ihre Institutionen ganz allmählich auf. Für das moderne Russland begann diese Arbeit bei Null. Natürlich berücksichtigen wir, was in der Welt vor sich geht. Aber nach einer so langen Zeit in der Planwirtschaft, fast einem Jahrhundert, ist es nicht so einfach, zur Arbeit unter Marktbedingungen zu wechseln.

Aber Sie wissen, dass der reine Kapitalismus, den Sie erwähnt haben, irgendwann zu Beginn des letzten Jahrhunderts existiert hat. Aber nach den Ereignissen in den USA und in der Weltwirtschaft in den 20er und 30er Jahren, nach dem Ersten Weltkrieg, nach dem Zweiten Weltkrieg, haben sich die Dinge geändert. Darüber haben wir schon oft gesprochen. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich darüber beim Valdai Club gesprochen habe oder nicht, aber die Experten, die davon viel mehr verstehen als ich und mit denen ich mich regelmäßig treffe, erzählen dazu verständliche und allgemein bekannte Dinge.

Wenn alles gut läuft, wenn die makroökonomischen Indikatoren stabiles Wachstum zeigen, wachsen alle möglichen Fonds, der Konsum wächst und so weiter. In solchen Zeiten wird immer gesagt, dass der Staat nur stört und man alles dem effektiven Funktionieren der reinen Märkte überlassen sollte. Aber sobald es zu Krisen und Problemen kommt, wenden sich alle sofort an den Staat und fordern, die Regulierungsfunktionen des Staates zu stärken. So läuft das immer in der Sinuskurve der Wirtschaft.

So war es übrigens auch während früherer Krisen, einschließlich der letzten, sagen wir, 2008. Ich erinnere mich sehr gut, wie die Hauptaktionäre unserer größten Unternehmen, die nicht nur nach unseren Maßstäben sehr große Unternehmen sind, sondern auch nach europäischen und weltweiten Maßstäben, zu mir kamen und uns ihre Anteile für einen Dollar oder für einen Rubel angeboten haben. Weil sie Angst hatten, vor ihren Angestellten und Arbeitergruppen die Verantwortung zu übernehmen, weil sie durch Margin-Calls und so weiter unter Druck gesetzt wurden. Sagen wir mal so, in solchen Zeiten verhält sich unsere Wirtschaft ganz anders, als andere. Niemand stiehlt sich aus der Verantwortung. Im Gegenteil, sie haben dann ihr privates Geld eingesetzt und waren in dem Moment nicht gierig. Natürlich verhalten sich Menschen unterschiedlich, aber insgesamt, verhält sich die (russische) Wirtschaft sehr sozial orientiert, wofür ich den Leuten sehr dankbar bin und ich möchte, dass sie das hören.

Daher gibt es heute keine reine Planwirtschaft. Nehmen wir China, ist das etwa eine reine Planwirtschaft? Nein. Und es gibt auch keine reine Marktwirtschaft. Die Regulierungsfunktionen des Staates sind auf jeden Fall wichtig. Nehmen wir zum Beispiel so globale Branchen wie die Luftfahrt – dort wird von allen Seiten, von links, von rechts, von oben, von unten, reguliert – diese Regulierungsfunktion sind nicht immer sichtbar, aber ohne sie es ist unmöglich, in diesem Markt zu existieren. Und wir sehen, dass alle Länder, die Flugzeuge bauen, ihren Flugzeugherstellern staatliche Hilfe leisten, alle Länder. Und solche Subventionen gibt es ohne Ende.

In der Automobilindustrie und in anderen Branchen ist übrigens auch viel los. Deshalb müssen wir für uns selbst entscheiden, welche staatliche Präsenz in der Wirtschaft nötig ist, und wo es notwendig ist, die Präsenz des Staates zu verringern. Ich höre oft, dass der Staat in der Wirtschaft zu sehr präsent ist. Aber wenn es Situationen wie heute gibt, mit einer Pandemie, wenn wir gezwungen sind, die Aktivitäten von Unternehmen zu begrenzen, wenn das Verkehrsaufkommen beispielsweise sinkt, und zwar nicht nur der Fracht-, sondern auch der Passagierverkehr, dann kommt die Frage: Was können wir mit der Luftfahrt tun, die Passagiere fliegen nicht oder sie fliegen zu wenig, was können wir tun? Der Staat ist notwendig, es geht nirgendwo ohne die Unterstützung des Staates.

Deshalb wiederhole ich, dass es nichts reines gibt, weder reine Marktwirtschaft, noch reine Planwirtschaft, ich meine, wir müssen für uns selbst über das Niveau der Präsenz des Staates in der Wirtschaft entscheiden. Und wonach müssen wir uns dabei richten? Nach der Zweckmäßigkeit. Es gibt kein Schema F, bisher funktioniert das in Russland ganz gut.

Ich sagte schon, dass das BIP in den entwickelten, so genannten entwickelten, Volkswirtschaften in Europa um 14 und mehr Prozent gefallen ist. Die Arbeitslosigkeit ist in der Eurozone wie stark gestiegen? Soweit ich weiß um über 10 Prozent.

Auch bei uns ist sie gestiegen, aber sie liegt trotzdem nur bei 6,3 Prozent. All dies ist das Ergebnis der staatlichen Regulierung.

Nehmen wir die Inflation. Wir haben die Inflation jahrelang bekämpft. Ist das keine Regulierungsfunktion des Staates? Die Zentralbank und die Regierung sind die wichtigsten Institutionen des Staates. Deshalb haben wir, die Regierung und die Zentralbank, erhebliche Ressourcen in Sozialprogramme und nationale Projekte investiert und die Geldpolitik beeinflusst, und was haben wir erreicht? Vier Prozent Inflation. (Anm. d. Übers.: Russland hatte vorher 20 Jahre lang Inflationsraten von 10, 20 und mehr Prozent. Das Inflationsziel der russischen Zentralbank liegt übrigens bei vier Prozent, also etwas höher, als beispielsweise das Inflationsziel der EZB)

Jetzt haben wir 3,9 Prozent und ich habe mit der Präsidentin der Zentralbank gesprochen, höchstwahrscheinlich werden wir innerhalb der erwarteten Werte bleiben, irgendwo in der Größenordnung von vier Prozent. Das alles sind Regulierungsfunktionen des Staates, ohne ihn geht es nicht. Aber alles zu regeln, entweder durch eine übermäßige staatliche Präsenz in der Wirtschaft oder durch übermäßige Regulierung, ist tödlich. Wissen Sie, all das ist eine Art Kunst, aber bisher sind wir, die Regierung der Russischen Föderation, recht erfolgreich.

Ende der Übersetzung


Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Übrigens erscheint in diesem eine aktualisierte Version des Buches, das inzwischen zwei Jahre auf dem Markt ist.

In meinem neuen Buch „Das Ukraine Kartell – Das Doppelspiel um einen Krieg und die Millionen-Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Biden“ enthülle ich sachlich und neutral, basierend auf Hunderten von Quellen, bisher verschwiegene Fakten und Beweise über die millionenschweren Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Joe Biden in der Ukraine. Angesichts der aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage: Ist eine kleine Gruppe gieriger Geschäftemacher möglicherweise bereit, uns für ihren persönlichen Profit an den Rand eines Dritten Weltkriegs zu bringen?

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

11 Antworten

  1. Der Staat ist von den Soziopathen Erfunden worden, um als winzige Gruppe, über die große Mehrheit HERRSCHEN zu können, mit Hilfe der Staatlichen Institution Justiz, den Menschen seine Ur Rechte zu nehmen und sie mit minderen Rechten, in einem Staat einzukerkern.

    «Irgendwo gibt es noch Völker und Herden, doch nicht bei uns, meine Brüder: da gibt es Staaten. Staat? Was ist das?

    Wohlan! Jetzt tut mir die Ohren auf, denn jetzt sage ich euch mein Wort vom Tode der Völker. Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: »Ich, der Staat, bin das Volk.« Lüge ist’s! Schaffende waren es, die schufen die Völker und hängten einen Glauben und eine Liebe über sie hin: also dienten sie dem Leben.

    Vernichter sind es, die stellen Fallen auf für viele und heißen sie Staat: sie hängen ein Schwert und hundert Begierden über sie hin. Wo es noch Volk gibt, da versteht es den Staat nicht und haßt ihn als bösen Blick und Sünde an Sitten und Rechten. Dieses Zeichen gebe ich euch: jedes Volk spricht seine Zunge des Guten und Bösen: die versteht der Nachbar nicht. Seine Sprache erfand es sich in Sitten und Rechten. Aber der Staat lügt in allen Zungen der Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt – und was er auch hat, gestohlen hat er’s.

    Falsch ist alles an ihm; mit gestohlenen Zähnen beißt er, der Bissige. Falsch sind selbst seine Eingeweide. Sprachverwirrung des Guten und Bösen: dieses Zeichen gebe ich euch als Zeichen des Staates.

    Wahrlich, den Willen zum Tode deutet dieses Zeichen! Wahrlich, es winkt den Predigern des Todes! Viel zu viele werden geboren: für die Überflüssigen ward der Staat erfunden! Staat nenne ich’s, wo alle Gifttrinker sind, Gute und Schlimme: Staat, wo alle sich selber verlieren, Gute und Schlimme: Staat, wo der langsame Selbstmord aller – »das Leben« heißt.»

    Friedrich Nietzsche

      1. Nun die Konzepte von Silvio Gesell , Anastasia, Prof Otterpohl, Ubuntu, sie weisen alle in die gleiche Richtung, in eine Menschen WÜRDIGE Zeit. Wobei mit dem gesetzlichen Anspruch, nach Anastasia, auf den ha, in Russland, die Zukunft schon begonnen hat.

      2. Demokratie. Basisdemokratie.
        Debattenräume erzeugen und unterstützen. Geht doch alles übers Internet. Die Leute sollen ihre eigenen Abstimmungen erzeugen und alle Volljährigen mit Deutschem Pass, die abstimmen wollen, sollen abstimmen dürfen. Mindestwahlbeteiligung nötig, damit nicht 25 Spinner irgendeinen Quatsch beschliessen können. ZB 15%.

        1.) Abstimmungen:
        Es gibt 3 Ebenen, auf denen du abstimmen kannst: Regional, Bundesland, Deutschlandweit.
        Deutschlandweit dürfen alle. Bundesland nur die, die im BL wohnen. Regional nur die, die im Kreis wohnen.

        Du kannst online eine Abstimmung basteln und brauchst n Unterschriften, um sie aktiv zu schalten. ZB: Regional: 1000, BL 10000, Deutschlandweit: 100000. Zahlen müssen sich auf vernünftige Werte einpendeln.
        Nach Aktivschalten 1 Monat bis Abstimmungsschluss. Du entscheidest, ob und an welchen Abstimmungen du teilnimmst. Erreicht die Abstimmung die Mindestwahlbeteiligung, wird das Ergebnis umgesetzt. Sonst passiert gar nichts.

        Du meldest dich online an, ganz genau wie zB beim Finanzamt, um an Abstimmungen teilzunehmen oder eine zu basteln.

        2.) Debattenraum:
        Veranstaltungen machen, an denen die Leute, alle!, nicht nur Promis, reden können, 5 min. Wollen die Zuhörer mehr hören, können sie auf einen Knopf drücken oder klatschen oder sonstwas. Dann gibts nochmal 5 min. Wird ins Netz und im TV gestreamt. Ist mir nur gerade eingefallen, gibt bestimmt noch viel bessere Formate.

        3.) Umsetzung der Abstimmungen:
        Habe ich mir keine Gedanken zu gemacht.

        1. DiddelDu: „Die Leute sollen ihre eigenen Abstimmungen erzeugen und alle Volljährigen mit Deutschem Pass, die abstimmen wollen, sollen abstimmen dürfen.“

          Da eben liegt der Hase im Pfeffer. Das ist, als wenn alle Volljährigen mit Deutschem Pass, die Auto fahren wollen allein deshalb Auto fahren dürfen, weil sie es wollen. Eine absurde Vorstellung.

            1. DiddelDu: „Nun, ich glaube an die Weisheit der Massen und du offensichtlich nicht an Demokratie.“

              Zunächst mal :

              „Glauben ist nicht wissen wollen, was wahr ist.“
              (Nietzsche)

              Dann:

              „Jeder, siehst Du ihn einzeln, ist leidlich klug und verständig,
              sind sie in corpore, gleich wird dir ein Dummkopf draus.“
              (Fr. Schiller)

              Und dann noch:

              „Nichts ist widerwärtiger als die Majorität; denn sie besteht aus wenigen kräftigen Vorgängern, aus Schelmen, die sich akkommodieren, aus Schwachen, die sich assimilieren, und der Masse, die nachtrollt, ohne nur im mindesten zu wissen, was sie will.“
              (Goethe)

              DiddelDu: „Vertraue mal deinen Mitmenschen.“

              Angesichts der herrschenden Zustände habe ich selten eine dämlichere Forderung gehört. ?

          1. Auch das gilt es zu ändern. Durch Transparenz und Kontrolle kann man auch zentralisierte Systeme demokratisch halten. Ich denke auch nicht, dass sich zentralisierte Systeme vermeiden lassen.
            Blockchain wäre ein Ansatz, aber die funktioniert wie Wikipedia. Wer die meisten Server hat, bestimmt den Lauf der Dinge. Das ist ein Problem, das man lösen kann.

            1. Neh kann man leider nicht lösen, denn SIE haben die Atomwaffen und wir, sind Hilf und Wehrlos, ihrer Willkür ausgesetzt. Oder Glaubt ihrgent jemand, das es IHNEN zum Machterhalt, auf ein paar Milliarden Toten mehr Ankommt

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