Valdai-Konferenz: Putin im O-Ton über die russische Politik gegenüber den ehemaligen Sowjetrepubliken

Bei der Valdai-Konferenz am Donnerstag wurde Putin zu den Zielen der russischen Politik im postsowjetischen Raum befragt, wo es derzeit überall brodelt. Putins Antwort war lang und sehr interessant. Vor allem, weil ihm gerne unterstellt wird, er wolle die Sowjetunion wieder errichten, habe ich sie übersetzt.

Entlang der russischen Grenzen brodelt es. In Ukraine und im Kaukasus ist Krieg, in Weißrussland gibt es Proteste, in Kirgisistan hat es nach den Wahlen ebenfalls massive Unruhen gegeben. Und auch im kleinen Moldawien stehen in diesen Tagen Wahlen an und es gibt Anzeichen, dass auch dort eine Farbrevolution vorbereitet wird.

All das betrifft Russland direkt, denn in Russland leben und arbeiten Millionen Menschen aus diesen ehemaligen Sowjetrepubliken, weshalb Russland zu all diesen Ländern eine besondere Beziehung hat. Daher wurde Putin von einem Politologen nach den Zielen der russischen Außenpolitik in diesen Republiken gefragt und ich habe die Frage und Putins Antwort übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Frage: Ich denke, wir alle werden uns an 2020, auch wenn es noch nicht vorbei ist, mehr als zwei Monate liegen noch vor uns, als ein Jahr dramatischer und unvorhersehbarer Ereignisse erinnern. Es ist kein Zufall, dass man inzwischen den Witz hört, dass, wenn Ende des Jahres hier Außerirdische landen, niemand überrascht sein wird.

Aber bei meiner Frage geht es nicht um Aliens, sondern um die Ereignisse entlang unserer Grenzen. Vielen Dank, Sie haben gerade sehr ausführlich und meiner Meinung nach sehr interessant – für mich als Experte war es sehr interessant – zum Themen des Südkaukasus geantwortet.

Aber insgesamt spielen sich solche dramatischen Ereignisse entlang aller unserer Grenze ab. Nehmen wir die Ereignisse in Kirgisistan. Es gab da immer alle möglichen Unruhen rund um Wahlen, aber in diesem Jahr war es ein besonders hartes Szenario. Wir sehen, dass die Situation in Weißrussland nicht einfach ist. Das Problem des Donbass besteht weiterhin. Ich verstehe, dass Sie es vielleicht leid sind, darüber zu sprechen. Wir kennen Ihre feste und konsequente Position in dieser Frage.

Aber ich habe eine allgemeine Frage: Wie sehen Sie unsere grundlegenden Ziele der Politik im postsowjetischen Raum heute, wenn man bedenkt, dass dies natürlich direkt sowohl unsere Sicherheit als auch unsere humanitären Beziehungen betrifft? Sie haben heute mehr als einmal betont, dass diese Menschen für uns keine Fremden sind, wenn wir über den Kaukasus sprechen, aber das gilt auch für unsere Freunde aus Zentralasien, aus Weißrussland und der Ukraine.

Vielen Dank.

Wladimir Putin: Sie wissen besser als jeder andere, Sie sind ein sehr erfahrener und professioneller Experte, dass unsere Politik im postsowjetischen Raum, innerhalb der GUS, ist der Wichtigste Teil unserer gesamten Außenpolitik ist. Das ist verständlich, denn alle Länder, die Sie aufgelistet haben, und alle anderen Länder, zu denen wir gute Beziehungen haben, wunderbare, multilaterale Beziehungen, und auch diejenigen, mit denen wir heute die Situation haben, dass die Politik in einer Sackgasse zu stecken scheint, all diese Länder sind für uns keine fremden Länder. Das sind keine Fremden, die weit weg hinter einem Ozean liegen, über die wir wenig wissen. Der Grund ist offensichtlich: Wir haben mit ihnen nicht nur viele Jahre in einem einzigen Land gelebt, wir haben jahrhundertelang wir in einem gemeinsamen Land gelebt. Wir haben enge Verbindungen, wir haben eine sehr enge Zusammenarbeit in der Wirtschaft, humanitäre Beziehungen, wir sprechen alle die gleiche Sprache. Auf die eine oder andere Weise und mal mehr und mal weniger sind wir im Wesentlichen alle Menschen des gleichen kulturellen Raumes. Und ich spreche noch nicht einmal über die gemeinsame Geschichte. Wir haben eine gemeinsame Geschichte, den gemeinsamen Sieg über den Nationalsozialismus. Unsere Vorfahren – unsere Väter, unsere Großväter – haben unsere besonderen Beziehungen mit ihrem Blut gefestigt. Und was auch immer heute geschieht, egal wie sich die politische Situation zu diesem Zeitpunkt entwickelt, ich bin sicher, dass diese Gemeinsamkeit der Interessen letztendlich den Weg für die Wiederbelebung unserer Beziehungen zu allen Ländern ebnen wird, egal wie schwierig die Beziehungen derzeit sein mögen.

Gleichzeitig, und das ist auch offensichtlich, dachten die Verantwortlichen, als es um den Zusammenbruch unseres gemeinsamen Staates, der UdSSR, ging, nicht darüber nach, welche geopolitischen Folgen das haben würde, aber sie hätten darüber nachdenken sollen. Aber es war offensichtlich, dass Nachbarn nicht immer nur gemeinsame Interessen haben, sondern dass es auch unterschiedliche Interessen gibt, um die dann ein Tauziehen möglich ist. Ich denke, dass wir Lösungen für alle komplexe Fragen finden können, müssen und sicherlich werden. Man darf das nur nicht alles aufblasen und übertreiben, wir sollten uns nicht nur auf die strittigen Themen konzentrieren, sondern wir sollten im Gegenteil darauf schauen, was uns einigen kann und soll und was uns schon eint. Was ist das? Unsere gemeinsamen Interessen.

Schauen Sie, wer ist nicht daran interessiert, dass wir uns wirtschaftlich integrieren? Nur unsere Konkurrenten. Und alle Länder des postsowjetischen Raums können verstehen, zumindest kluge Menschen können nicht umhin, zu verstehen, dass gemeinsame Bemühungen unter Nutzung der gemeinsamen Infrastruktur, des allgemeinen Verkehrswesens, des Energiesystems, der gemeinsamen Sprache, die uns eint, und so weiter, dass all das ausgesprochene Wettbewerbsvorteile sind. Andere internationale Wirtschaftsbündnisse brauchen Jahrzehnte, um so etwas zu erreichen, aber wir haben all das von unseren Vorfahren bekommen. Wir müssen es nutzen und es wäre profitabel für uns alle. Das ist sicher, es ist einfach profitabel.

Schauen Sie in die Ukraine, die hatte 2004 eine Revolution, 2014 eine weitere Revolution, einen Staatsstreich. Und was ist das Ergebnis? Lesen Sie die Statistiken der ukrainischen Statistikbehörden: Dort gibt es einen Rückgang der Produktion, als ob sie mehrere Pandemien gehabt hätten. Einige Industrien, die der Stolz der gesamten Sowjetunion und die Ukraine selbst waren, sind weg: Luftfahrt, Schiffbau, Raketenwissenschaft – das ist es, was Generationen von Bürgern der Sowjetunion, aller Republiken, geschaffen haben und worauf die Ukraine natürlich stolz sein konnte, das alles gibt es fast nicht mehr. Es findet eine Deindustrialisierung der Ukraine statt. Sie war nicht bloß eine der industrialisierten Republiken der UdSSR, sondern vielleicht sogar die am meisten industrialisierte Republik. Es gab auch die Russische Föderation, natürlich, Moskau, St. Petersburg, Sibirien, der Ural, keine Frage, aber die Ukraine war eine der am stärksten industrialisierten Republiken. Wo ist das alles jetzt und warum ist es verloren gegangen?

Es ist einfach die Dummheit derer, die das getan haben, einfach nur Dummheit, das ist alles. Ich hoffe, dass diese gemeinsamen Interessen irgendwie den Weg für den gesunden Menschenverstand ebnen werden.

Weißrussland, das Sie jetzt erwähnt haben, ja, da haben wir diese turbulenten Prozesse gesehen. Aber worauf möchte ich hinweisen? Darauf, dass Russland, wie Sie bemerkt haben, sich nicht in das, was dort passiert ist, eingemischt hat. Wir erwarten, dass sich niemand einmischt, dass niemand diesen Konflikt in seinem Interesse verschärft und dem weißrussischen Volk seine Entscheidungen aufzwingt. Ich habe bereits in meinen einleitenden Bemerkungen gesagt: Nichts, was von außen in eine Struktur, in ein Volk, in eine ethnische Gruppe gebracht wird, wird funktionieren, wenn dabei nicht die Besonderheiten, die Kultur, die Geschichte der Menschen berücksichtigt wird. Daher ist es notwendig, den Weißrussen selbst die Möglichkeit zu geben, in Ruhe mit der gesamten Situation umzugehen und geeignete Entscheidungen zu treffen. Diese Beschlüsse können zu einer Änderung der derzeitigen Verfassung oder zur Annahme einer neuen Verfassung führen. Präsident Lukaschenko hat es öffentlich gesagt. Ja, man kann sagen: Jetzt wird er da etwas zu seinem eigenen Vorteil schreiben, und all das hat nichts mit Demokratie zu tun. Aber, wissen Sie, jeder kann betrügen, man kann alles skeptisch betrachten. Ich habe darüber schon gesprochen, ich werde nicht ins Detail gehen. Aber was in Weißrussland passiert ist, unterscheidet sich positiv von dem, was auf den Straßen einiger Großstädte entwickelter Demokratien passiert ist, verstehen Sie? Ja, es gab Härte, und vielleicht sogar ungerechtfertigte, dann sollen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Aber wenn man die Bilder insgesamt vergleicht und anschaut, wurden dort keine Unbewaffneten von hinten angeschossen, das ist es, worüber ich spreche. Deshalb sollen sie dort in aller Ruhe alles klären.

Dasselbe gilt, sagen wir, für Kirgisistan. Mir scheint, dass das, was dort geschieht, ein Trauerspiel für Kirgisistan und das kirgisische Volk ist. Immer wenn dort Wahlen stattfinden, gibt es einen Staatsstreich. Was sagt das aus? Das ist nicht lustig. Wissen Sie, was das aussagt? In vielen dieser Länder werden die ersten Schritte in Richtung ihrer eigenen Staatlichkeit, zur Gestaltung dieser Staatlichkeit, zur Bildung einer Kultur der staatlichen Entwicklung gemacht.

Ich habe meinen Kollegen schon oft gesagt: Alle unsere postsowjetischen Länder sollten mit besonderer Aufmerksamkeit und mit sehr sorgfältiger Unterstützung dieser Sprösslinge der Staatlichkeit behandelt werden, auf jeden Fall ohne Ratschläge und Empfehlungen von außen, und vor allem ohne Einmischung. Weil das die fragilen, gerade aufstrebenden Institutionen der Souveränität und Eigenstaatlichkeit in diesen Ländern zerstört. Es ist notwendig, den Menschen zu ermöglichen, diese Beziehungen in der Gesellschaft sorgfältig aufzubauen, indem man ihnen Vorbilder zeigt, aber nicht, indem man mit seinen Vorschlägen und den Millionen, die man der einen oder anderen Seite gibt, wie ein Elefant in einen Porzellanladen rennt.

Ich hoffe sehr, dass Kirgisistan, das Mitglied der ODVK und der Eurasischen Wirtschaftsunion ist, dem wir auf dem Weg dorthin sehr geholfen haben, indem wir Millionen von Dollar investiert haben, um die kirgisische Wirtschaft und verschiedene Industrien zu unterstützen, um die Bedingungen für Kirgisistans Anpassung an die Eurasische Wirtschaftsunion zu schaffen, damit klar kommt. Das betrifft sowohl pflanzenschutzrechtliche Dienstleistungen, Zollsysteme, die Entwicklung bestimmter Wirtschaftssektoren, ganzer Unternehmen. Wir haben in jüngster Zeit bereits 500 Millionen Dollar an Projekten umgesetzt. Und ich spreche noch nicht einmal von den Förderungen, die wir jedes Jahr in zweistelliger Millionenhöhe bereitstellen.

Aber natürlich können wir nicht ohne Mitleid und Angst auf das achauen, was dort geschieht. Aber wir mischen uns nicht ein, ich weise darauf hin, dass wir uns nicht mit Anweisungen oder mit der Unterstützung einer politischer Seite einmischen. Ich hoffe sehr, dass sich in Kirgisistan alles normalisiert, dass es wieder auf die Beine kommt, dass Kirgisistan sich entwickelt, und wir werden die besten Beziehungen zu ihm pflegen.

Dasselbe gilt für Moldawien. Wir sehen, was rund um Moldawien geschieht und wir kennen die Bedürfnisse des moldauischen Volkes bei der Entwicklung der Demokratie einerseits und der Entwicklung der Wirtschaft andererseits. Aber wer kauft moldauischen Wein? Wird Frankreich moldauischen Wein kaufen? Wer braucht den auf den europäischen Märkten? Die wissen nicht wohin mit ihrem eigenen Wein. Dort kommt es vor, dass Landwirte beim Transport von Wein von Land zu Land, sogar innerhalb der Europäischen Union, Straßen blockieren und den Wein einfach wegkippen.

Es ist geht nicht nur um Wein, sondern auch andere Wirtschaftssektoren sind so an Russland gebunden, dass sie zumindest bisher nicht ohne Russland existieren können. Nirgendwo, außer auf dem russischen Markt, sind diese Produkte gefragt. Das ist es übrigens, was mit der Ukraine passiert ist. Daher erwarten wir sehr, dass das moldauische Volk bei den nächsten Wahlen die Bemühungen des derzeitigen Präsidenten der Republik um den Aufbau der Beziehungen zu Russland zu schätzen wissen wird.

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Da macht der Liebe Herr Putin, aber die Rechnung ohne die alten und neuen Pharaonen.
    *** Es ist einfach die Dummheit derer, die das getan haben, einfach nur Dummheit, das ist alles. ***
    Lieber Herr Putin, das hat nichts mit Dummheit zu tun, sondern mit dem Krieg, den SIE gegen Russland führen, mit den vorgeschobenen Militärstellungen, direkt auf den Russischen Grenzen.
    Ob ihrem Kanonenfutter, irgendwas gefällt oder es mit irgend
    jemanden Verbunden war, ist IHNEN immer schon völlig egal gewesen, SIE schicken sie in die Blutmühle.
    *** den gemeinsamen Sieg über den Nationalsozialismus ***
    Und heute sind es die Genetischen und Geistigen Nachfahren, der SS Divisionen, die RACHE wollen und Rache nehmen. Dabei werden sie seit Jahrzehnten, von IHREN lieben Freunden und Partnern, dem US Imperium, organisiert, Finanziert, Ausgebildet und Bewaffnet. Nach der bedingungslosen Kapitulation der UdSSR, als das US Imperium, die einzige Macht, auf dem Boden der ehemaligen UdSSR war, haben sie IHRE Strukturen so fest in den Völkern verankert, so das sie bis Heute und in Zukunft wirken. Den Nato Nazis in Kiew, im Baltikum, in Georgien, den Polen in Belaruss muss man nicht befehlen Russen zu töten, Sie wollen und machen es mit Begeisterung und Genugtuung.

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