Von den Medien weitgehend unbeachtet: Massenproteste in Frankreich gehen weiter

Die Situation in Frankreich spielt in den deutschen Medien nur eine untergeordnete Rolle, dabei wird das Nachbarland seit Anfang Dezember von einem Generalstreik lahmgelegt und von Massenprotesten erschüttert.

Da vor dem Hintergrund der Eskalationen im Nahen Osten auch ausländische Medien nur am Rande über die Proteste in Frankreich berichten, habe ich davon abgesehen, eine eigene Zusammenfassung der Ereignisse vom Wochenende zu schreiben. Stattdessen habe ich eine Zusammenfassung der TASS übersetzt, die die wenigen vorhandenen Meldungen gut zusammengefasst hat. Da ich kein Französisch spreche, kann ich leider nicht aus französischen Medien zitieren, die sicherlich wesentlich ausführlicher berichten, als die internationalen Nachrichtenagenturen.

Dabei ist es bemerkenswert, wie wenig die deutschen Medien über die Proteste in Frankreich berichten, seien es die Proteste der Gelbwesten, die seit über einem Jahr andauern, oder seien es die aktuellen Proteste gegen die Rentenreform. Man bekommt unweigerlich den Eindruck, dass die Medien nicht möchten, dass der deutsche Michel erkennt, dass man gegen soziale Zumutungen auch etwas tun kann.

In Frankreich richten sich die Massenproteste gegen eine Reform, die vorsieht, dass die Franzosen zukünftig erst mit 64 in Rente gehen dürfen, während die Deutschen klaglos geschluckt haben, dass sie künftig mit 67 in Rente gehen sollen. Und die französische Regierung hat schon Zugeständnisse gemacht und ist bereit, das Rentenalter stattdessen nur auf 62 Jahre zu erhöhen, was den Demonstranten aber auch nicht reicht. Man stelle sich einmal vor, der deutsche Michel wüsste, dass man gegen den sozialen Kahlschlag der Regierung etwas tun kann…

Und noch eine Anmerkung: Als in Moskau im Sommer 2019 einige tausend Menschen ein paar Wochen demonstriert haben, haben die deutschen „Qualitätsmedien“ dies zu einem Volksaufstand gegen die russische Regierung aufgeblasen. Wenn in Frankreich Hunderttausende oder gar Millionen auf die Straße gehen, ist das den „Qualitätsmedien“ kaum ein Wort wert. Und von einem Volksaufstand gegen den Neoliberalismus oder auch nur gegen die aktuelle französische Regierung schreibt erst niemand etwas. So „objektiv“ berichten die deutschen Medien.

Soweit meine Einleitung, nun zu dem – wie gewohnt – sehr sachlich formulierten Artikel der russischen Nachrichtenagentur TASS über die Ereignisse vom Wochenende.

Beginn der Übersetzung:

Die Anti-Regierungs-Demonstrationen gegen die Rentenreform haben in Frankreich am 38. Tag des Protests deutlich weniger Teilnehmer versammelt, aber gleichzeitig blieb die Anspannung hoch. Nach Angaben des französischen Innenministeriums nahmen landesweit 149.000 Menschen an den Protesten teil, 21.000 davon in Paris.

Die Behörden und Gewerkschaften setzten den Krieg der Zahlen fort. Der Allgemeine Gewerkschaftsbund (WCT) meldete drei Mal so hohe Teilnehmerzahlen. Nach Angaben der Gewerkschaft belief sich die Zahl der Teilnehmer an den Protesten am Samstag auf 500.000. Gleichzeitig räumte der Bund ein, dass dies weniger war, als am Allgemeinen Tag der Mobilisierung gegen die Rentenreform, der am 9. Januar in Frankreich stattfand. Daran nahmen laut WCT 1,7 Millionen Menschen teil.

Unruhen in Paris

In der französischen Hauptstadt begann die Prozession am Place de la Nation und zog zum Place de la Republique, der zu einem traditionellen Treffpunkt für Unzufriedene geworden ist. Die Pariser Kundgebung wurde von einer Reihe von Gewerkschaften zusammen mit der Protestbewegung der „Gelbwesten“ organisiert. Die Demonstranten hielten Plakate hoch, auf denen die Regierung aufgefordert wurde, das geplante Projekt aufzugeben.

Im Vorfeld der Ausschreitungen appellierte die Präfektur der Pariser Polizei an friedliche Demonstranten, sich vom Mob fernzuhalten, der sich hinter den Protesten versteckt und Zusammenstöße mit Polizeibeamten auf den Straßen organisiert. Gleichzeitig erließ der Präfekt der Polizei eine Anordnung, die Demonstrationen der „Gelbwesten“ auf den Champs-Elysees, in den Bereichen der Nationalversammlung (Unterhaus des Parlaments) und des Senats (Oberhaus des Parlaments), in der Nähe der Kathedrale Notre Dame und anderen zentralen Orten verboten hat. Mehr als 5.000 Polizisten und Gendarmen waren im Einsatz.

Trotzdem mussten die Ordnungshüter immer wieder Tränengas einsetzen, um Radikale aus dem anarchistischen „Schwarzen Block“ zu zerstreuen. Auf der Domenil Avenue versuchte eine Gruppe von mehreren Dutzend Radikalen, sich in einer Kolonne von Demonstranten zu verstecken. Auf dem Weg griff der Mob Bushaltestellen an und zertrümmerte Schaufenster. Außerdem verbrannten sie Mülltonnen und errichteten Barrikaden, was die Bewegung des Protestzuges behinderte.

Der letzte Akkord war die Konfrontation auf dem Place de la Republique, die mehr als eine Stunde dauerte. Anarchisten provozierten die Polizei, indem sie Flaschen und Steine auf sie warfen. Verstärkte Polizeieinheiten blieben bis in den späten Abend in der Gegend im Einsatz. Nach Angaben der Präfektur wurden während der Demonstration 19 Personen festgenommen.

Brief des Premierministers

Die Regierung hat einen ernsthaften Schritt in Richtung der Gewerkschaften getan. Am Samstag richtete der französische Premierminister Edouard Philippe einen Appell an die Gewerkschaften. Darin erklärte sich der Kabinettschef bereit, vorübergehend eine Klausel zur Anhebung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre, ab der die Rente in voller Höhe gezahlt wird, aus dem Entwurf der Reform des Rentensystems auszuschließen. „Um mein Vertrauen in die Sozialpartner zu demonstrieren, bin ich bereit, aus dem Gesetzentwurf die Maßnahme zurückzuziehen, die eine schrittweise Angleichung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre im Jahr 2027 vorsieht“, heißt es in der Philips Brief.

Dieser Punkt verursachte die größte Unzufriedenheit bei den Gewerkschaften, wie die Regierung eingestanden hat. „Wie ich versprochen habe, schlage ich einen transparenten und sinnvollen Kompromiss vor“, sagte der Kabinettschef.

Die „Französische Demokratische Arbeitervereinigung“, die etwa 1.300 Gewerkschaften vertritt, bewertete Philips Aussage positiv. Der Generalsekretär der Organisation, Laurent Berge, erklärte, dass „die Rücknahme dieses Punktes den Wunsch der Regierung zeigt, Zugeständnisse zu machen“. Er wies darauf hin, dass die Vereinigung bereit sei, „die Diskussionen fortzusetzen, um Antworten auf die von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen zur Zukunft des universellen Rentensystems zu finden“.

Präsident Emmanuel Macron unterstützte die Position der Regierung. Er nannte sie „konstruktiv und verantwortungsbewusst“.

Nächster Protesttag am 16. Januar

Auf Initiative der Gewerkschaften hat am 5. Dezember eine Reihe von Streiks gegen die Rentenreform begonnen. Sie werden von Ärzten, Lehrern, Anwälten, Feuerwehrleuten und Vertretern vieler anderer Berufe unterstützt, die sich gegen die Rentenreform aussprechen. Die überwiegende Mehrheit der Demonstranten sind Mitarbeiter der Französischen Eisenbahngesellschaft und der Pariser Verkehrsbehörde, was den Nahverkehr systematisch lahmlegt.

Neben der Anhebung des Rentenalters stößt auch die Idee der Regierung, gesonderte Rentensysteme für Dutzende von Berufen, darunter Eisenbahner, abzuschaffen, auf Ablehnung.

Trotz der Zugeständnisse der Regierung rufen die Gewerkschaften weiter zu neuen Proteste auf. Sie haben bereits angekündigt, am 16. Januar einen neuen Tag der allgemeinen Mobilisierung in Form von Streiks und Demonstrationen abhalten zu wollen.

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Die Diskussionen um das Rentenalter ist in vielen Ländern. Auf der anderen Seite steigen unsere Ansprüche auch stetig an. Die Internetverbindung muss (gefälligst) immer schneller werden, möglichst alles gratis, Kleider Schuhe Lebensmittel, alles zu Spottpreisen und es ist egal, dass auf der Welt anderswo Arbeiter-Innen unsagbar dafür leiden. Wenn wir auf der Post, im öffentliche Verkehr 5 Minuten warten müssen ist das schon Frechheit was die sich erlauben. Alles ist selbstverständlich und normal, das zumüllen und säubern der Straßen, das Benzin das über Kontinente hinweg bereitgestellt wird, Turbo Tiere die zum Fleischlieferanten degradiert sind, die ganzen Sozialleistungen, sauberes Trinkwasser, ein Auto haben, um die Welt jetten.
    Vieleicht ist einfach nicht alles selbstverständlich wie wir das vieleicht gerne hätten. Und die Frage was nehmen wir künftigen Generationen weg, zum Beispiel mit der (umstrittenen) Klimaerwärmung, den chemischen und Atommüllbergen, der Plastikvermüllung… Irgendwie sind alle nur noch im rotieren.

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