Was wirklich hinter den US-Vorwürfen, Russland habe einen bewaffneten Satelliten gestartet, steckt

Vor einigen Tagen wurde von britischen und amerikanischen Militärs gemeldet, dass Russland angeblich einen Waffentest im Weltraum unternommen hat. Was steckt hinter diesen Meldungen?

Das Thema muss man in einem größeren Zusammenhang sehen, wie man auch in den Medien zwischen den Zeilen lesen kann. Es geht um den NEW-START-Vertrag. Zur Erinnerung: Der NEW-START-Vertrag ist der letzte noch gültige Abrüstungsvertrag zwischen den USA und Russland, Informationen über die Abrüstungsverträge finden Sie hier.

Der START-Vertrag (Strategic Arms Reduction Treaty, Vertrag zur Verringerung der strategischen Nuklearwaffen), der eine Begrenzung atomarer Sprengköpfe der Supermächte festschrieb, trat 1991 in Kraft. Ihm folgten 1993 der START-II-Vertrag und dann 2010 der NEW-START-Vertrag. Diese Verträge, die immer nur mit einer begrenzten Laufzeit abgeschlossen wurden, haben die Zahl der atomaren Sprengköpfe der beiden Atommächte geregelt und dafür gesorgt, dass es heute, im Vergleich zum Kalten Krieg, viel weniger dieser Waffen gibt.

Aber der gültige NEW-START-Vertrag läuft im Februar 2021 aus. Russland hat immer wieder eine Verlängerung des Vertrages gefordert, Putin hat mehrmals öffentlich erklärt, er würde, wenn die USA den Vertrag zur Verlängerung schicken, ihn sofort unterschreiben. Auf der Jahrespressekonferenz im Dezember 2019 sagte Putin zum Beispiel:

„Wir sind bereit, das bestehende NEW-START-Abkommen einfach bis Ende des nächsten Jahres zu verlängern, einfach den gültigen Vertrag zu verlängern. Wenn sie uns morgen den Vertrag per Post schicken, sind wir bereit, ihn zu unterzeichnen und nach Washington zurück zu schicken, dann braucht ihn der Präsident nur noch zu unterschreiben, wenn er dazu bereit ist. Aber bisher gibt es keine Antwort auf alle unsere Vorschläge. Und wenn NEW-START ausläuft, wird es nichts mehr auf der Welt geben, was ein Wettrüsten bremsen würde. Und das halte ich für schlecht.“

USA und China

Das Problem ist, dass die USA wohl grundsätzlich bereit sind, den Vertrag zu verlängern, aber sie stellen eine Forderung, die unerfüllbar ist und mit Russland nichts zu tun hat: Sie wollen, dass China dem Vertrag beitritt. Eine ausführliche Analyse zu dem Thema finden Sie hier.

China lehnt das ab. China argumentiert, dass es viel zu wenig atomare Sprengköpfe hat, um sich einem Vertrag der beiden führenden Atommächte anzuschließen. Laut dem auf Rüstungsfragen spezialisierten schwedischen Institut SIPRI gibt es derzeit insgesamt 13.400 Atomsprengköpfe auf der Welt, davon gehören Russland 6.375 und den USA 5.800. China hat „nur“ 320 Sprengköpfe.

Die Position von China kann man also durchaus nachvollziehen, denn China sagt, dass die USA und Russland erst einmal auf das chinesische Niveau abrüsten sollen, bevor man über eine Begrenzung der chinesischen Atombomben reden kann. Hinzu kommt, dass man dann ja auch zum Beispiel Großbritannien und Frankreich in den Vertrag aufnehmen müsste, die auch jeweils über 200 Atombomben besitzen.

Derzeit laufen Verhandlungen zwischen Russland und den USA über den Vertrag. Die treten aber auf der Stelle, denn die USA fordern, dass China sich daran beteiligen soll. Dazu werden auch sehr plumpe Methoden zur Beeinflussung der Bevölkerung genutzt. Das war sogar dem sonst USA-hörigen Spiegel zu dick aufgetragen, der darüber schrieb:

„Die Türen zum Verhandlungssaal im Palais Niederösterreich standen noch offen, da schickte Billingslea über Twitter ein Foto des Verhandlungstisches in die Welt. Man sah darauf groß chinesische Fähnchen vor leeren Stühlen. Im Hintergrund: amerikanische und russische Wimpel.
Dazu hatte Billingslea einen deftigen Kommentar verfasst: „Wiener Verhandlungen starten gleich. China fehlt. Peking versteckt sich immer noch hinter einer #GroßenMauerderGeheimnistuerei zu seiner Hauruck-Atom-Aufrüstung, und zu anderem mehr. Wir machen dennoch mit Russland weiter.“
Das Bild zeigte Washingtons Wünsche: Es hätte gern, dass China mit am Tisch säße. Es zeigte aber in keiner Weise die Wirklichkeit in Wien: Die Gespräche waren von Anfang an als bilaterale Gespräche zwischen Moskau und Washington angelegt, eine Teilnahme Pekings stand nie in Aussicht. Die chinesischen Wimpel befanden sich deshalb während der Gespräche gar nicht auf dem Tisch, wie andere Fotos belegen.“

Waffen im Weltraum

Die USA haben im letzten Jahr eine neue Waffengattung gegründet, das US-Space-Command Die Militarisierung des Weltraums ist bekanntlich umstritten, aber die USA haben damit nun offiziell begonnen und natürlich brauchen sie für die „dumme Öffentlichkeit“ einen Vorwand für diese weitere Eskalation im internationalen Wettrüsten. Die Bundesregierung hat im Vorfeld der Entscheidung übrigens die deutsche Öffentlichkeit dazu belogen, wie ich hier mit Belegen aufzeigt habe. Das hat aber die „Qualitätsmedien“ nicht gestört und sie haben darüber nicht berichtet.

Der Vorwand, den USA brauchen, ist nun gefunden, denn Russland hat einen neuen Satelliten gestartet, der als Vorwand dienen soll. Der Spiegel berichtete vor einigen Tagen:

„London und Washington werfen Russland vor, Waffentests im Weltall vorgenommen zu haben. Demnach soll Russland ein Geschoss von einem Satelliten abgefeuert haben, das die Züge einer Waffe trage, hieß es am Donnerstag in einer Mitteilung des britischen Verteidigungsministeriums.
„Aktionen wie diese bedrohen die friedliche Nutzung des Weltraums und riskieren, Trümmer zu verursachen, die eine Bedrohung für Satelliten und Weltraumsysteme darstellen, auf die die Welt angewiesen ist“, sagte der Direktor der Weltraum-Abteilung im britischen Verteidigungsministerium, Harvey Smyth. Moskau solle weitere Tests unterlassen.“

Das klingt so, als habe Russland im Weltraum bei einem Test einen Satelliten angegriffen und Trümmer verursacht. Das Problem dabei: Es klingt nur so, niemand hat Russland das tatsächlich vorgeworfen. Die Briten und die USA behaupten – ohne Belege vorzulegen – der russische Satellit könne andere Satelliten angreifen. Aber sie formulieren es so, dass es beim nicht allzu aufmerksamen Leser den Eindruck erweckt, sie hätten Trümmer verursacht. Es ist reine Propaganda ohne jeden Beleg.

Die USA bauen ganz offiziell eine Weltraum-Streitmacht auf, die genau das tun soll, was sie Russland nun ohne Belege vorwerfen. Die USA schaffen sich damit eine Rechtfertigung für ihr eigenes Handeln. Russland hat sich – im Gegensatz zu den USA – immer gegen Waffen im Weltraum ausgesprochen.

Wie die beiden Themen zusammenhängen

Die USA nehmen diesen Vorwurf an Russland nun zum Anlass, um bei den Österreich laufenden Gesprächen das Thema Weltraum auf die Tagesordnung zu setzen, wie man in dem zitierten Spiegel-Artikel auch lesen konnte:

„Der US-Chefunterhändler für Abrüstungsfragen, Marshall Billingslea, bezeichnete den Waffentest als „inakzeptabel“. Es handele sich um eine „schwerwiegende Angelegenheit“, die bei den Abrüstungsverhandlungen mit Moskau in Wien kommende Woche angesprochen werden müsse, schrieb er auf Twitter.“

Es geht bei den US-Vorwürfen also nicht um Waffen im Weltraum. Die USA wollen einen weiteren Vorwand haben, um ein mögliches Scheitern der Gespräche in Österreich begründen zu können. Bei den Gesprächen geht es um den NEW-START-Vertrag und um die Anzahl der Atomwaffen und Trägersysteme der beiden Supermächte. Was haben Satelliten, die keine Atomwaffen tragen können, damit zu tun?

Wenn es den USA um eine Begrenzung der Bewaffnung des Weltraums ginge, hätten sie dazu schon lange eine Abrüstungskonferenz einberufen können. Russland, das sich gegen die Bewaffnung des Weltraums ausspricht, hätte daran gerne teilgenommen. Stattdessen haben die USA aber einseitig ihre Weltraumwaffengattung gegründet.

Diese Spielchen der USA mit der weltweiten Sicherheit sind brandgefährlich, aber angeblich kritische „Qualitätsmedien“ wie der Spiegel zitieren lieber die unbelegten Vorwürfe der USA, als sich mit dem wirklichen Thema zu beschäftigen.

Nachtrag: Wie immer lasse ich meine Artikel unverändert, auch wenn sich später herausstellt, dass ich etwas unvollständig berichtet oder einen Fehler gemacht habe. Darauf weise ich dann in einem Nachtrag hin und dies ist so ein Fall. Nach dem Verfassen des Artikels sind mir technische Details bekannt geworden. Die ändern an der Kernaussage dieses Artikels nichts, aber ich muss eines korrigieren: Es gibt doch Belege für den Vorfall im Orbit, die Details finden Sie hier.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

6 Antworten

  1. Apropos Satellitentrümmer: Ich mag mich irren, aber meines Wissens gab es bis jetzt zwei Tests, bei denen tatsächlich eine Waffe einen Satelliten abgeschossen und somit haufenweise Trümmer erzeugt hat. Einmal durch die USA, und einmal durch China.

    1. Das seh ich auch so. Der Zug ist abgefahren.
      Die technischen Möglichkeiten sind da, und so wird es auch gebaut.
      Und man wird es, wie früher, als „Verteidigung“ verkaufen, wohl wissend, daß solche Systeme gegen einen „Erstschlag“ nie hinreichend wirksam sein können, gegen einen kaum auszuschließenden „Gegenschlag“ mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit aber schon, womit man eine eigene „Erstschlagfähigkeit“ überhaupt erst konstituiert.
      Das war schon immer der Plan, auch mit diesem „SDI“.

      1. Wenn ich daran denke, dass ich mal angesichts erfolgreicher Abrüstungsverhandlungen der Meinung war, wir könnten nach zwei oder drei Generationen ohne Militär auskommen, kann ich über so viel Naivität nur den Kopf schütteln. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass das mit dem Pazifismus alles Humbug ist, in die Welt gesetzt und forciert von Denen, die nichts anderes als Krieg zur Problemlösung kennen. Menschen sind von Natur aus kriegerisch und wer nicht bereit zum Krieg ist, bleibt immer auf der Strecke, wenn er Begehrtes sein Eigen nennt. Nur wenn man nichts wertvolles besitzt kann man es sich leisten, wehrlos zu sein. Der nächste große Krieg kommt sicher, die Neocons verden es schon hinkriegen, den chinesischen Drachen zum Feuerspeien zu bewegen.

        1. Si vis pacem, para bellum.
          Leider nix neues, je älter man wird desto mehr schwinden die schönen Illusionen einer besseren Zukunft.
          Na, vllt reissts die Jugend ja mal rum, Gruss an alle!

          1. Wenn diese Jugend das Steuer rumreißt, dann gehts voll gegen die Wand. Da lege ich lieber meine Hoffnung auf die Vision, die Egon W. Kreutzer in seinem neuen Roman „Andere Abhilfe, Literarische Vision zur Gestaltung einer vom Grundgesetz eröffneten Option“ beschreibt. Ist seit gestern bei BoD erhältlich und ich kann es kaum erwarten, dass es endlich bei mir ankommt. Diese Vision hatte ich auch in Verbindung mit den Vorgängen um die KSK und die Zersetzung der BW durch Flinten-Uschi und ihrer Nachfolgerin AKK. Dass offensichtlich nicht nur ich auf diese Idee kam, macht mir Hoffnung, dass es tatsächlich so sein könnte. ?

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