Weißrussland: Der Aufruf zum Generalstreik läuft anscheinend ins Leere

Die von Westen als weißrussische Wahlsiegerin bezeichnete Swetlana Tichanowskaja hat Präsident Lukaschenko kürzlich ein Ultimatum gestellt: Entweder er tritt bis zum 26. Oktober zurück, oder die Opposition werde im ganzen Land Straßen blockieren und ein Generalstreik werde das Land lahmlegen. Heute ist der 26. Oktober und offenbar hat das Volk nicht auf Tichanowskaja gehört.

Vor 12 Tagen habe ich über das Ultimatum von Tichanowskaja berichtet, das heute ausgelaufen ist. Heute ist also der Tag, an dem man abschätzen kann, wie viel Unterstützung die Opposition im Land tatsächlich hat. Alle Meldungen aus Weißrussland (und ich habe heute auch mit zwei Bekannten aus Minsk telefoniert, die das bestätigt haben) zeigen, dass dem Aufruf zum Generalstreik nicht gefolgt wird. Offenbar arbeiten alle Betriebe normal weiter. Das russische Fernsehen hat zwar über Videos berichtet, die die Opposition veröffentlicht hat und die Proteste in einigen Betrieben zeigen, aber es ist nicht erkennbar, ob es sich dabei um aktuelle Videos handelt, oder ob sie von Ende August sind, als es solche Proteste tatsächlich gab.

Auch meine Gesprächspartner in Minsk haben mir mitgeteilt, dass das Leben dort normal läuft. Ich konnte keine Meldung finden, aus der hervorgehen würde, dass auch nur ein Betrieb ernsthaft bestreikt wird. Im Gegenteil melden auch die Behörden, dass alles normal läuft.

Man muss in dieser Situation den Behörden natürlich nicht jedes Wort glauben, aber die anderen Meldungen aus Minsk bestätigen ebenfalls, dass es keinen Generalstreik gibt. Während am Sonntag zehntausende auf demonstriert haben und es hunderte Festnahmen gab, ist es heute recht ruhig in Minsk. Hätte der Aufruf zum Generalstreik tatsächlich Erfolg gehabt, würden heute mehr Leute demonstrieren. Offenbar sind alle bei der Arbeit.

Am Sonntag waren es zehntausende Demonstranten, es gab Zusammenstöße mit der Polizei und es wurden 523 Menschen festgenommen, von denen 352 in Untersuchungshaft geblieben sind, der Rest konnte wieder nach Hause gehen.

Heute, am ersten Tag des angedrohten Generalstreiks, gibt es nur vergleichsweise kleine Demos in Minsk. Die TASS berichtet von einem Protest der Rentner mit einigen hundert Teilnehmern, bei dem die Polizei nicht einmal gesehen wurde. Außerdem berichtet die TASS von 300 Studenten, die bei der Universität demonstrieren. Auch diese Demo verlief zunächst ruhig. Am Montag war es also nicht die arbeitende Bevölkerung, die Tichanowskaja zum Generalstreik aufgerufen hat, die auf den Straßen war, sondern Studenten und Rentner. Das deutet ebenfalls darauf hin, dass der Streikaufruf nicht befolgt wird.

Dass die Opposition zu einem Generalstreik aufruft, dessen erklärtes Ziel es ist, die Wirtschaft des Landes abzuwürgen, klingt nicht danach, als wolle die Opposition das Beste für ihr Land. Solche Maßnahmen würden in erster Linie diejenigen treffen, für die die Opposition angeblich steht: Die einfachen Leute.

Auch meine Gespräche mit Freunden in Minsk zeigen, dass die Opposition keinen wirklichen Plan hat. Die Menschen im Land sind hochgradig emotionalisiert und die Anhänger der Opposition sagen nur: „Lukaschenko muss weg!“ Was sie dann anders machen wollen, was sie konkret bemängeln (außer, dass sie Lukaschenko doof finden), das sagen sie nicht. Das geht so weit, dass manche in den Geschäften darauf achten, keine Produkte mehr zu kaufen, die aus staatlichen weißrussischen Betrieben kommen. Sie haben sich also zu einer Art Embargo gegen das eigene Land hinreißen lassen, ohne darüber nachzudenken, was das auch für sie für wirtschaftliche Folgen haben könnte, wenn solche Maßnahmen zu einem Kollaps der Wirtschaft führen. Darauf angesprochen sind sie ganz überrascht, dass das auch für sie Folgen haben könnte.

Dem Aufruf zum Generalstreik hat auch nicht geholfen, dass Sponsoren aus dem Westen melden, Millionen gesammelt zu haben, um den Menschen das durch einen Streik entgangene Gehalt zu erstatten. Allerdings wird nicht mitgeteilt, wo man sich das Geld unter welchen Bedingungen abholen kann. Bemerkenswert dabei: Es sind wieder einmal Vertreter westlicher NGOs, die mitteilen, dass sie das Geld bereitstellen.

Tichanowskaja hat in einem Videoaufruf zum Generalstreik auch ganz offen gesagt: „Ich weiß, wie viel Angst es macht, alles zu riskieren, was Du hast“ Die Puppenspieler, an deren Fäden Tichanowskaja hängt, haben ganz offensichtlich kein Problem damit, den bescheidenen Wohlstand der Weißrussen zu vernichten, wenn es ihnen nur hilft, an die Macht zu kommen. Dass es trotzdem Leute gibt, die solche Maßnahmen unterstützen, zeigt, wie sehr emotionalisiert die Lage ist und wie wenig diese Menschen rational denken. Aus meinen Gesprächen mit Freunden in Minsk habe ich genau das gehört: Die Anhänger der Opposition sind für Argumente gar nicht mehr zugänglich, dabei müsste ihnen ein kurzer Blick über die Grenze zur Ukraine reichen, um zu sehen, wohin ein solcher Politikwechsel führt.

Wie sehr Anspruch und Wirklichkeit bei den Behauptungen der Opposition auseinander gehen, können Sie hier nachlesen.

Zusatz in eigener Sache: Nachdem das weißrussische Fernsehen vor einigen Tagen einen Ausschnitt aus der letzten Tacheles-Sendung mit Robert Stein und mir übersetzt und in den Nachrichten gezeigt hat, hat es mich heute um ein Interview und meine Einschätzung gebeten. Ob das Skype-Interview gesendet wird, weiß ich natürlich nicht, aber interessant war dabei für mich das Vorgespräch mit dem Redakteur, dem man sichtlich anmerken konnte, dass er ein „ukrainisches Szenario“ und Provokationen, wie die Todesschüsse vom Maidan 2014, fürchtet. Jedenfalls drehten sich die meisten seiner Fragen darum, wie ich die Perspektiven Weißrusslands einschätze, sollte es zu einem Regimechange kommen.

Meine Antwort war dabei recht kurz: „Wer das wissen möchte, sollte mal in die Ukraine reisen, wo sich die Gehälter und das BIP nach dem Maidan halbiert haben.“

Nachtrag: Am Abend wurde bekannt, dass es tatsächlich in einer wichtigen Fabrik eine Protestkundgebung gegeben hat, die Bilder waren aktuell. Allerdings dauerte das nur ca. zehn Minuten, danach sind alle wieder an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt.

Außerdem waren an diesem Tag viele Restaurants und Cafes in Minsk geschlossen. Ob aus Solidarität mit den Demonstranten oder aus Angst vor Unruhen ist nicht bekannt. Ab Dienstag wollen die meisten wieder öffnen.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

7 Antworten

  1. Das Staatsvolk bilden die ostslawischen Weißrussen mit ca. 83 Prozent der Gesamtbevölkerung. Neben ihnen gibt es zu 8,3 Prozent Russen, zu 3,1 Prozent Polen und zu 2,4 Prozent Ukrainer.
    Diese 5,5 % / ca. 500 000 der Bevölkerung reichen mit Touristen aus, Zehntausende auf die Straße zu bringen, aber sicherlich nicht, die 91 % Russen zum Wahnsinn zu treiben. Höchstens in den Polnischen Gebieten wäre da was möglich.

  2. Das ein großer Teil der Menschen, Keinen rationalen Argumenten und Fakten, mehr zugänglich ist und aggressiv aus ihrer eingeimpften Emotionalen Meinungsblase, auf Tatsachen reagieren. Kann man auch in der BRD, bei den Zeugen-Coronas sehen.
    Haben sie schon 50 % der Menschen, in geistige Zombies verwandelt ???
    Diese Spaltung der Menschheit, in Tatsachen resistenten und offenen sprich normalen Menschen. ist doch überall zu beobachten

  3. Mensch, Thomas, du wirst ja noch ein richtig berühmter Journalist, wenn dich jetzt schon das weißrussische Fernsehen anruft! Aber dank deiner Berichte erfährt man, wie man hier von Politik und den transatlantischen, regierungstreuen Medien für dumm verkauft und belogen wird! Deswegen mache ich auch für dich und den anti-spiegel.ru Werbung, wo es nur geht.
    Wir erleben hier zur Zeit eine Indoktrination absurder EU-Beweihräucherung und antirussischer Propaganda, das gab es nicht mal in der DDR! Und, passt jetzt zwar nicht zu diesem Artikel, aber das deutsche Außenministerium hat den jüngsten Abrüstungsvorschlag Wladimir Putins, der auch die Mittelstreckenraketen in Europa betraf unter Berufung auf NATO-Generalsekretär Stoltenberg als „dass Russlands Aussagen nicht glaubwürdig seien.“ Das ist wieder typisch! Sie fabulieren von einer russischen Bedrohung und lehnen jeden Vorschlag Russlands ab!

  4. Thomas, ich will Dir im Grundsatz nicht widersprechen, daß der Regime-Change ausschließlich dem Westen (und ein paar lokalen Profiteuren) nutzt. Wenn man in dem Zusammenhang die 25-Jahre-Statistik des BIP (nominell wie real) auf Trading Economics (https://de.tradingeconomics.com/ukraine/gdp) anschaut, dann ist die Ukraine doch in den letzten Jahren auf einem guten Weg zurück zu alter Stärke. Bei den Löhnen läßt sich in dieser Quelle überhaupt kein Abstieg ausmachen.

    Nun bin ich kein Statistikguru, konnte allerdings keine Hintergrundinfos über den Dienst finden, so daß ich die prinzipell zu stellende Frage „Wer fälscht zu wessen Gunsten? Und wer ist halbwegs ehrlich?“ nicht beantworten kann, denn über die Herkunft der Daten schweigt man sich auf der Webseite aus. Doch es gibt ähnliche Daten z.B. auf ‚Laenderdaten.info‘.

    1. Das BIP – real wird in ukrainischer Währung angegeben. Deren Wert beträgt im Vergleich zum Euro nur noch ein Drittel des Wertes vor 2014.
      Beim BIP in US-Dollar ist aber in der Quelle ein deutlicher Einschnitt. Allerdings nähert es sich dem früheren wieder an. Die Wirtschaftskrise scheint auch dort überwunden zu werden.
      Allerdings ist auch die Verteilung der Einkommen entscheidend. Ein hohes BIP heißt nicht zwangsläufig, dass es allen Leuten gut geht.

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