Wie in Russland über Stand der Corona-Forschung berichtet wird

Da ich immer wieder gefragt werde, wie denn in Russland über die medizinischen Erkenntnisse von Corona berichtet wird, habe ich mal wieder eine Reportage des russischen Fernsehens übersetzt, deren Inhalt viele überraschen wird.

Am Sonntag brachten die russischen Nachrichten im Fernsehen einen langen Beitrag über die Gefährlichkeit von COVID-19 und den Stand der Impfstoffentwicklung. Überrascht hat mich dabei die Offenheit, mit der im russischen Fernsehen auch darüber berichtet wird, dass selbst eine Impfung kein Allheilmittel ist und eine Erkrankung an COVID-19 zwar unwahrscheinlicher macht, aber nicht völlig ausschließen kann. Das neue Coronavirus ist ein schwieriger Gegner und oft fällt die Schutzreaktion des Immunsystems selbst nach einer Infektion mit dem Virus so schwach aus, dass es zu erneuten Erkrankungen kommen kann. Außerdem sinkt die Abwehrfähigkeit des Organismus nach einem Kontakt mit dem Virus, sodass noch niemand weiß, wie lange eine funktionierende Immunität gegen das Virus vorhält. Das hat auch Folgen für die Wirksamkeit von Impfstoffen.

Diesen kritischen Umgang mit dem Thema würde ich mir auch von westlichen Medien wünschen. Die jedoch haben nichts Besseres zu tun, als einerseits den russischen Impfstoff pauschal zu verdammen (aus Russland darf offenbar partout nichts Gutes kommen) und andererseits westliche Impfstoffe als Allheilmittel herbeizusehnen.

Nun hat die EU einen Vertrag mit dem Unternehmen AstraZeneca über die Lieferung von 400 Millionen Impfdosen eines noch nicht einmal zu Ende getesteten Impfstoffs geschlossen und das Unternehmen dabei von der Haftung für Folgeschäden weitgehend befreit. Da diese Meldung des russischen Fernsehens auch für mich neu war, habe ich dazu recherchiert und einen eigenen Artikel veröffentlicht, den sie hier finden. Aber kurz gesagt: Ja, es stimmt so, wie es im russischen Fernsehen berichtet wurde.

Nun aber zur Übersetzung des russischen Fernsehberichts über den aktuellen Stand der Wissenschaft in Sachen COVID-19.

Beginn der Übersetzung:

Das Immunsystem erkennt das Coronavirus nicht immer und Männer erkranken schwerer, als Frauen

Die Europäische Union hat mit dem anglo-schwedischen Pharmaunternehmen AstraZeneca eine Vereinbarung über die Lieferung von bis zu 400 Millionen Dosen eines Coronavirus-Impfstoff unterzeichnet. Aber es geht nicht einmal darum, dass der Vertrag eine Vorbestellung für einen noch gar nicht fertigen Impfstoff ist. In der Vereinbarung heißt es explizit: Das Pharmaunternehmen ist nicht für Nebenwirkungen verantwortlich. Das ist vor dem Hintergrund der Kritik an dem in Russland registrierten Impfstoff eine erstaunliche Geschichte.

Ganz in ihrem Element haben die Vereinigten Staaten drei russische Forschungsinstitute in die Sanktionsliste aufgenommen, darunter Wissenschaftler des 48. Moskauer Instituts des Verteidigungsministeriums, die den neuen Impfstoff gegen das Coronavirus „Sputnik V“ getestet haben.

Über den aktuellen Wissensstand über das Virus berichtet unsere Kollegin.

Nach zwei Monaten kehrt Inna Onufrienko nach Hause in das Dorf Terbuna zurück. Sie wurden gerade aus dem COVID-Krankenhaus entlassen. Sie lag dort mit einer viralen Lungenentzündung. Das erste Mal im Juni. Das zweite Mal kam im August. Sie wurde erneut mit dem Rettungswagen in die Abteilung für Infektionskrankheiten des städtischen Krankenhauses gebracht.

„Ich war über den zweiten positiven Test schockiert. Aber das CT zeigte, dass ich eine Lungenentzündung hatte“, sagt Inna.

Sie musste ein weiteres Mal behandelt werden und bekam Antibiotika und Antivirale Medikamente. Jetzt ist der Test negativ, aber es gibt keine Gewissheit, dass das Coronavirus nicht zurückkehren wird. In ihrer Seele sitzt die Angst: COVID kehrt zurück.

„Jetzt stellt sich die Frage, dass Menschen zweimal oder dreimal erkranken können. Sie entwickeln keine wirksame Immunantwort. Das Immunsystem funktioniert nicht gut genug, daher muss ihm geholfen werden“, erklärte Alexander Gabibov, Direktor des Instituts für Bioorganische Chemie.

Er war gesund und stark, schwamm jeden Morgen und jeden Abend ging er ins Fitnessstudio. Sholban Kara-ool infizierte sich im Mai mit Corona und lag zwei Wochen im Krankenhaus. Im August trifft er wieder auf das Virus: kalter Schweiß und Fieber.

„Es stellte sich heraus, dass man diese Infektion zweimal bekommen kann. Ich bin wieder im Krankenhaus für Infektionskrankheiten“, sagte Sholban Kara-ool. „Aber ich habe schon keine Schmerzen mehr in der Brust. Mein Kopf fühlt sich an, als würde er zerspringen.“ Er wurde von Kyzyl ins Militärkrankenhaus Wisniewski gebracht.

Die Erforschung von Coronaviren begann in der Mitte des letzten Jahrhunderts.

„Ab 1965 gibt es in der Literatur Berichte über das Auftreten von viralen Agenten bei Menschen mit Atemwegserkrankungen, die sich in ihren Eigenschaften von anderen Viren unterschieden. In erster Linie haben Tierärzte daran gearbeitet. Jetzt ist es bei uns angekommen“, sagte Aidar Ishmukhametov, Generaldirektor für Forschung und Entwicklung von immunbiologischen Medikamenten.

Die Evolution hat fast 60 Jahre Anlauf genommen: Coronaviren von Schweinen und Ratten haben einen neuen Wirt gefunden – den Menschen. Die Folgen sind katastrophal: 25 Millionen Infizierte, 850.000 Tote. Der einzige Ausweg ist ein Impfstoff.

„Der Organismus kann nicht immer alle notwendigen Antikörper für alles haben, dem er begegnet. Er muss sich daran erinnern, dass er dem schon begegnet ist, um die Fähigkeit zu haben, beim Zweitkontakt die Reaktion zu generieren“, sagte Aidar Ishmukhametov.

Das Chumakov Center, ein ehemaliges Polio-Institut, produziert 60 Prozent der weltweiten Gelbfieberimpfstoffe, 50 Millionen Dosen pro Jahr. Ein Lebendgelbfieber-Impfstoff wird mit Hilfe von Hühnerembryonen angebaut. Alles passiert im Boxen, in absoluter Sterilität.

Bereits vor 60 Jahren schlug Chumakov vor, lebende Impfstoffe, insbesondere Polio, zur Profilaxe von Virusinfektionen wie der Grippe zu verwenden. Und die Zahl der Erkrankungen ist in der Tat zurückgegangen. Zu diesem Experiment sind wir heute zurückgekehrt.

An der medizinischen Universität Kirov wurde eine groß angelegte Studie gestartet.

„4 Tropfen Lebendimpfstoff stärken das Immunsystem. Der menschliche Körper geht in den Schutzmodus, produziert Proteine, die die Reproduktion eines Virus unterdrücken. Obwohl der Impfstoff keinen 100-prozentigen Schutz gegen das Coronavirus bietet, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Infektion bei geimpften Menschen“, versichert Nadeschda Yagovkina, Leiterin des Zentrums für Klinische Forschung und Assistenzprofessorin an der Staatlichen Medizinischen Universität Kirov.

Um den COVID-19-Impfstoff zu entwickeln, arbeiteten die Wissenschaftler des Instituts im Krankenhaus Kommunarka, um Proben des lebenden Virus zu bekommen. Nach der Untersuchung von 400 Proben der Krankheit wurden nicht einzelne Teile der viralen Partikel, sondern das Virus als Ganzes genommen. Es wurde entschärft, also deaktiviert. Dieser Ansatz wird die alte Schule genannt.

„Das Virus kann Zellen nach der Deaktivierung nicht infizieren. Aber wenn es in den Körper injiziert wird, verursacht es eine Immunantwort“, erklärt Anastasia Pigyaeva, Leiterin der Abteilung für Innovationstechnologieentwicklung am Chumakova Center.

Das Chumakov Center hat gerade präklinische Tierversuche abgeschlossen. Das Gamalei-Institut geht bei seinem Impfstoff schon zur dritten Phase der klinischen Studien über. Das Gesundheitsministerium hat die Genehmigung erteilt.

„An diesen Studien nehmen 40.000 Freiwillige teil. Ich denke, die Studie wird etwa ein Jahr dauern. Der Grund ist, dass auch der letzte unter den 40.000, der geimpft wurde, sechs Monate lang beobachtet werden muss. 75 Prozent werden den Impfstoff erhalten und 25 Prozent erhalten ein Placebo“, sagte Alexander Ginzburg, Direktor des Forschungsinstituts für Epidemiologie und Mikrobiologie, das Sputnik-V entwickelt hat.

Diese Tests werden in Moskau in medizinischen Zentren der Hauptstadt stattfinden. Auch andere Länder – Weißrussland und Kasachstan – sind bereit, den Impfstoff zu testen. Das sind weitere 10.000 Menschen.

„Die Impfung wird im großen Stil in der zweiten Septemberhälfte beginnen. Für die Strategie zur Bekämpfung dieses Erregers zu empfehlen, dass alle krank und dadurch geschützt werden sollten, gibt es einfach keine wissenschaftlichen Gründe, also müssen wir impfen und nochmal impfen“, meint Alexander Ginzburg.

Ende September erhält Russland einen weiteren Impfstoff gegen COVID-19. Das Vector Science Center bereitet sich auf die Freigabe seines Medikaments vor. Importierte Reagenzien wurden im Entwurf des Impfstoffs verwendet. Aber jetzt mussten sie durch inländische ersetzt werden – die Pandemie hat die Grenzen geschlossen. Der Impfstoff funktioniert, er wurde an Freiwilligen getestet.

„Die Ergebnisse geben uns Hoffnung. Was wir an Labortieren beobachtet haben, war auch das Ergebnis klinischer Studien. Noch vor ein paar Wochen waren wir besorgt“, gestand Alexander Ryzhikov, Leiter der Abteilung Infektionen und Grippe am Staatlichen Wissenschaftszentrum Vector.

In der ersten Phase waren es fünf Personen. Dann neun weitere. Heute sind es hundert. In den Boxen lösen Testteilnehmer Kreuzworträtsel, spielen Brettspiele und unterhalten sich miteinander.

Zu den jungen Leiten – von 18 bis 30 – kamen junggebliebene hinzu, bis zu 60 Jahre alt. Zum Mittagessen gibt es den russischen Salat „Olivier“ und Hühnerbrust im Sommer Gemüse. Ernährungswissenschaftler zählen die Kalorien. Studenten, Ärzte und Forscher des Vector-Instituts selbst nehmen an dem Experiment teil.

Es sieht nur aus, wie ein Sanatorium. Aber hinter den Spielen und Witzen steckt ernsthafte Arbeit. Sie wollen einen lebensrettenden Coronavirus-Impfstoff finden. Der Impfstoff wird helfen, aber nicht jedem. Bei einigen gibt es Gegenanzeigen, sie können nicht geimpft werden. Andere entwickeln keine Antikörper.

„Gott hat sich nichts Besseres einfallen lassen, um mit etwas Unerfreulichem fertig zu werden, als Antikörper. Wenn dieses System gestört ist, dann kommt es zu Autoimmunerkrankungen, bei denen es beginnt, gegen eigene Zellen vorzugehen. Und das ist sehr schlimm, es kommt zu Entzündungen. Der Weg, solche Menschen zu schützen, sind therapeutische Antikörper“, sagte Alexander Gabibov.

Monoklonale Antikörper sind Proteine, die im Labor entstehen. Sie arbeiten nach einem ähnlichen Prinzip wie Antikörper, die menschliche Immunzellen produzieren. Sie setzen sich auf die Spitzen des Sars-Cov-2-Virus und lassen, wie Wächterzellen, das Virus nicht in die Zelle hinein.

170 Impfstoffprototypen werden weltweit erforscht. Und fast 30 davon in Russland. Aber zur massenhaften Anwendung sind sie noch nicht bereit. Und die kollektive Immunität innerhalb des Landes liegt derzeit nicht höher als 20 Prozent.

„Was wir nicht wirklich erwartet haben, was wir aber als Ergebnis der Studie bekommen haben, ist eine ziemlich hohe Immunität in der Gruppe der Kinder. Und zwar bei Vorschulkindern und Schulkindern“, sagte Areg Totolyan, Direktor des St. Petersburg Institute of Epidemiology and Microbiology.

Die Wissenschaftler können den Grund nicht erklären, aber selbstbewusst erklären sie: Das Coronavirus zu bekommen bedeutet nicht, Immunität zu erwerben. Und eine erneute Infektion ist wahrscheinlich, wenn die Krankheit beim ersten Mal in einer milden Form verlaufen ist.

„Wenn ein Mensch die Coronavirus-Erkrankung mit geringen Symptomen durchlebt hat, dann hat er fast nie genug Antikörper gebildet, die, wenn er wieder mit dem Erreger Kontakt hat, diesen Menschen schützen können“, erklärte Alexander Ginzburg.

Das Immunsystem erkennt das Coronavirus nicht immer. Im Blut von COVID-19-Patienten fanden die Wissenschaftler mehr als 250 Arten von Antikörpern, aber nur 28 bekämpften das Virus effektiv.

„Das Virus trifft die sehr wunden Punkte unseres Organismus. Die Stadien der Anhäufung von Lungenödem und Lungeninfektion werden übersehen. Ein Teil der Krankheit ist asymptomatisch. Und plötzlich gibt es Probleme mit der Atmung, das ist dann schon schwierig zu bekämpfen“, sagte Alexander Gabibov.

„Zunächst einmal sprechen wir über den Hauptrezeptor, durch den das Virus in die Zelle eindringt. Erstens, mit dem Alter steigt die Anzahl dieser Rezeptoren und zweitens haben Raucher eine deutlich höhere Zahl dieser Rezeptoren“, sagte Areg Totolyan.

Chinesische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass der Verlauf der Krankheit vom Geschlecht der Person abhängen kann. Bei Männern verläuft die Krankheit schwieriger, als bei Frauen. Ihre britischen Kollegen haben das bestätigt.

„Weltweit hat sich gezeigt, dass Männer eineinhalb Mal häufiger an COVID-19 sterben, als Frauen. Testosteron ist eine Art Kanal für das Virus, in die Zelle zu gelangen“,“ sagte Elena Malinnikova, Leiterin der Abteilung für Virologie

Geimpfte Menschen infizieren sich seltener mit dem Virus, das ist eine erwiesene Tatsache. Sie überstehen die Krankheit leichter, erholen sich schneller. Aber es ist nicht bekannt, wie lange die Immunabwehr nach der Impfung halten wird.

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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