Zusammenfassung von Lukaschenkos zweistündigem Interview im russischen Fernsehen

Der weißrussische Präsident hat russischen Medien ein zweistündiges Interview gegeben, das komplett im russischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Da ich es nicht komplett übersetzen kann, will ich hier die wichtigsten Aussagen zusammenfassen.

Das Interview war sehr sehenswert und RT-Deutsch hat es simultan übersetzt. Leider – das ist bei Simultanübersetzungen unvermeidlich – geht dabei einiges verloren, vor allem, wenn vier Journalisten Fragen stellen, auch schon mal durcheinander reden oder Lukaschenko mit Zwischenfragen unterbrechen und nur ein Übersetzer versucht, alles und alle gleichzeitig zu übersetzen. Das ist einer der Gründe, warum ich nie als Simultanübersetzer arbeiten möchte, es ist ein undankbarer, aber sehr schwerer Job und selbst der beste Simultandolmetscher ist einer solchen Aufgabe nicht gewachsen.

Trotzdem empfehle ich allen Interessierten das gesamte Interview anzuschauen, auch wenn es aus den genannten Gründen ein wenig anstrengend ist, was aber – es mir wichtig, das zu unterstreichen – nicht an dem Dolmetscher liegt, er hat den Job so gut gemacht, wie es nur ging. In dem Interview hat Lukaschenko vieles gesagt, auch gleich zu Beginn, was sehr interessant und nachdenkenswert ist. Aber ein zweitstündiges Interview kann ich weder komplett übersetzen, noch komplett zusammenfassen. Ich musste Schwerpunkte setzen und konnte nicht alles erwähnen, was erwähnenswert ist

Ich habe mir das Interview gestern im Original angeschaut und fand es ausgesprochen interessant, denn es zeigte sowohl die Stärken, als auch die Schwächen von Lukaschenkos Argumentation gut auf. Wobei ich viele Stärken gesehen habe, denn er hat eingestanden, dass viele nach so vielen Jahren Lukaschenko nicht mehr sehen wollen. Aber er hat auch die – in meinen Augen – richtigen Fragen gestellt, denn die Opposition hat ja – außer „Lukaschenko muss weg!“ – kein Programm und es ist schwierig, ein Land zu regieren, wenn man kein Programm hat. Noch schwieriger ist es aber, in einen „Dialog“ mit jemandem zu treten, dessen einzige Forderung es ist, man solle gefälligst verschwinden.

Da ich leider nicht das gesamte Interview übersetzen kann, will ich die – in meinen Augen – interessantesten Themen und Aussagen zusammenfassen.

Das abgehörte Telefonat zwischen Berlin und Warschau

Ich habe das abgehörte Telefonat übersetzt, Sie finden es hier. Leider gibt es bisher nur eine auf Russisch übersetzte Version, das auf Englisch geführte Telefonat selbst ist leider nicht zu hören. Die Journalisten haben ihn gefragt, warum er das Gespräch nicht im Original veröffentlicht hat und Lukaschenko hat die Verantwortung dafür auf den russischen Geheimdienst geschoben, dem er das Original übergeben habe. Weißrussland habe nur noch eine Kopie und nun sei es an Russland, zu entscheiden, wie damit verfahren werden solle.

Laut Lukaschenko handelt es sich dabei nur um einen Teil des Gesprächs, es gebe noch mehr. Da das veröffentlichte Gespräch sowohl Begrüßung und Verabschiedung beinhaltet, würde das bedeuten, dass Teile aus dem Gespräch herausgeschnitten worden sind. Wir werden sehen, ob noch mehr veröffentlicht wird. Der Kremlsprecher hat dazu mitgeteilt, das Gespräch werde noch analysiert, wahrscheinlich – so meine Vermutung – prüft Russland es auf Echtheit.

Lukaschenko sagte weiter, dass die Gesprächsteilnehmer „Nick“ und „Mike“ keine Polen und Deutschen gewesen seien, sondern Amerikaner, was man an deren eindeutig US-amerikanischen Englisch erkennen könne.

Putin bat Lukaschenko, Selensky zu helfen

Zur Ukraine sagte Lukaschenko unter anderem, dass Putin ihn nach Selenskys Wahl gebeten habe, Selensky zu helfen. Putin soll gesagt haben, Selensky sei noch jung und unerfahren und brauche Unterstützung. Putin habe um eine „väterliche Unterstützung“ gebeten.

Lukaschenko erzählte, wie er Selensky getroffen und mit ihm gesprochen habe:

„Ich habe ihm gesagt, dass Putin nicht das Ziel habe, den Donbass zu übernehmen. Putin hat genug mit Russland zu tun. Wir haben mit Selensky viele Fragen des Lebens besprochen und ich habe ihn überzeugt. Er ist ein verständiger Mensch, der ein gutes Verhältnis zu mir hatte.“

Danach aber habe Selensky nun aus heiterem Himmel entgegengesetzte Erklärungen abgegeben. Lukaschenko sagte, dass sie ihm von den Amerikanern diktiert worden seien.

Lukaschenko über Putin

In der Vergangenheit gab es immer wieder Streit zwischen Lukaschenko und Putin. Es ging um viele Themen. Zum Einen natürlich um die Preise für Öl und Gas, die Weißrussland aus Russland bezieht und die ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Weißrussland sind, weil es zum Beispiel das russische Öl in Raffinerien verarbeitet und das Benzin dann nach Europa exportiert.

Ein anderes Thema war der Unionsstaat, den Russland und Weißrussland noch unter Jelzin beschlossen haben. Der Vertrag sieht eine schrittweise Vereinigung der beiden Länder vor. Das wurde nie umgesetzt, die beiden Länder haben eine offene Grenze, eine Zollunion und auch eine sehr enge militärische Zusammenarbeit erreicht, aber es sind immer noch zwei Staaten.

Lukaschenko wies auf die Fragen der Journalisten darauf hin, dass die Vereinigung nicht von ihm, sondern von Russland gestoppt worden sei, weil Russland vor 20 Jahren, beim Wechsel von Jelzin zu Putin, Angst hatte, im Falle einer Vereinigung würde Lukaschenko als Staatschef in den Kreml einziehen. Der Vertrag sei heute nicht mehr zeitgemäß, weil in der Zwischenzeit zwei Generationen herangewachsen seien und man müsse die Schritte zur Vereinigung neu erarbeiten, damit beide Völker sie mitgehen:

„Die Situation war damals eine andere. (…) Und jetzt sind zwei Generationen herangewachsen. Sie sind anders. Und heute ist es unmöglich, die Integration umzusetzen, die im Unionsvertrag festgelegt wurde. Deshalb haben wir mit dem russischen Präsidenten begonnen, die sogenannten Karten zu diskutieren, um die Vertragsbestimmungen an die aktuellen Bedingungen anzupassen und unter den derzeitigen Bedingungen neue Integrationswege zu erarbeiten
Es ist zweieinhalb Jahrzehnte her, dass wir die Frage der Integration, der wirtschaftlichen Integration mit Russland besprochen haben. Und die Menschen haben darauf positiv reagiert. Mehr noch, wir sind mit Jelzin noch weiter gegangen und haben den Vertrag abgeschlossen, der dann bereits mit Putin ratifiziert wurde. Das ist der Vertrag über den Unionsstaat. Darin steht alles geschrieben.
Warum sprechen wir vom „Unionsstaat“? Das waren die Konturen der künftigen Union. Da war ja alles geregelt. Aber der letzte Artikel lautete nach meiner Erinnerung, dass wir die Verfassung unseres Unionsstaates durch ein Referendum in Weißrussland und Russland annehmen sollten. Warum haben wir es nicht getan? (…) Wir können darauf zurückkommen. Es ist sehr einfach für mich, darüber zu sprechen. Sie wissen, warum wir es nicht getan haben. Damals hatten alle – Sie (die Russen) – Angst, dass Lukaschenko kommen würde und sich den Hut des Zaren schnappen würde“

Aber Lukaschenko wies auch darauf hin, dass Putin und er sich zwar bei vielen Themen „kabbeln“ könnten, aber nicht beim Thema Sicherheit. Er betonte – bei allen Zwistigkeiten in tagesaktuellen Fragen – das gute und enge Verhältnis zwischen ihm und Putin, den er einen persönlichen Freund nannte, und auch die enge menschliche, wirtschaftliche und politische Bindung zwischen Russland und Weißrussland.

Lukaschenko über Farbrevolutionen

In den vergangenen Jahren gab es in Nachfolgestaaten der Sowjetunion einige Farbrevolutionen. Lukaschenko wies darauf hin, dass es dafür auch objektive Gründe gegeben hat, so waren das in der Ukraine die miese wirtschaftliche Situation, die Korruption und die Macht der Oligarchen. Im Gegensatz zu diesen Ländern funktioniere die Wirtschaft in Weißrussland aber „einigermaßen“ und es gebe keine Arbeitslosigkeit und keine Oligarchen und die damit verbundenen Folgen massiver sozialer Ungleichgewichte oder ausufernder Korruption. Daher gebe es in Weißrussland keine objektiven Gründe für eine Farbrevolution.

Die russischen Journalisten wollten das aber so nicht stehen lassen und wiesen Lukaschenko auf eine vorhandene Unzufriedenheit im Volk hin und bohrten in der Frage nach, wo denn der Grund dafür sei. Lukaschenko gab zu, dass er vielleicht zu lange auf dem Präsidentenstuhl sitzen könnte:

„Nun, Sie schalten das Bügeleisen ein und da ist mein Wahlkampf. Sie schalten es aus und wieder Lukaschenko, schalten den Wasserkocher ein und wieder Lukaschenko, im Fernsehen ist Lukaschenko. Wahrscheinlich hat ein Teil der Menschen das ein wenig satt.“

Aber er wies auch darauf hin, dass das emotionale Gründe seien, jedoch niemand konkrete Veränderungen in der Sache fordere, es gebe keine Programme, über die man diskutieren könne. In dem Zusammenhang lobte er einen der Oppositionellen, der ganz offen die Strategie erklärt hatte. Es gehe eben nur um Emotionen, man müsse nur mit genug Dreck auf Lukaschenko werfen und viele Meme erfinden, um Lukaschenko schlecht zu machen. Er lobte den Mann aus „technischer“ Sicht und bedauerte lachend, nicht selbst auf diese Techniken gesetzt oder so einen Mann im Team zu haben, sondern mit Sachthemen zu arbeiten.

Lukaschenko über die Proteste und die Opposition

Die Proteste werden laut Lukaschenko von „den Amerikanern“ über ein Zentrum bei Warschau gesteuert. Es seien Telegram-Kanäle aus Polen, die zu den Protesten aufrufen und sie koordinieren, indem von dort mitgeteilt wird, wann man sich wo versammeln solle. Auch während der Proteste kommen die „Regieanweisungen“ darüber, wo man was in Minsk tun soll, von den in Warschau sitzenden Telegram-Kanälen.

Auf die Frage, ob er mit der Opposition, die sich im sogenannten Koordinierungsrat zusammengefunden hat, verhandeln wolle, sagte er:

„Präsidenten sprechen nicht mit jedem Dahergelaufenen. Daher weiß ich heute nicht, mit wem ich reden soll. (…) Worüber soll ich mit denen reden?“

Darüber hinaus wies Lukaschenko darauf hin, dass alle Betriebe – trotz der Streikaufrufe und des Drucks der Protestler – weiterhin arbeiten, was zeige, dass die Opposition nicht die Unterstützung im Volk hat, von der sie selbst spricht. Er sei bereit, mit Vertretern der Arbeiter zu reden, aber nicht mit Schreihälsen von der Straße.

Neuwahlen und Verfassungsreform

Lukaschenko wiederholte auch, dass er nichts gegen Neuwahlen habe, im Gegenteil. Aber zuerst müsse es eine Verfassungsreform und ein Referendum darüber geben, danach sei der Weg für Neuwahlen frei, wobei aber er aber keine Daten dafür nannte.

Lukaschenko sagte auch, dass es in Weißrussland keine Parteien gebe, die habe es nicht gebraucht. Das müsse man vielleicht ändern, daran wolle er arbeiten.

Geopolitik

Lukaschenko wies immer wieder darauf hin, dass es sich seiner Ansicht nach um vom Westen gesteuerte Proteste handelt. Er nannte Polen, die Tschechei und die baltischen Staaten als Drahtzieher, ließ aber keinen Zweifel daran, dass das ganze seiner Meinung nach aus den USA komme.

Er sagte, dass die USA – und damit der Westen – von Beginn an gegen ihn waren. Das liege daran, dass er sich direkt nach seiner ersten Wahl zum Präsidenten gegen den US-Plan eines Cordon Sanitaire gestellt habe, der eine Reihe von Ländern umfassen soll, die Russland in einem Gürtel vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer von Europa trennen sollen. Das ist geschehen, die größten „Russlandhasser“ sind heute die baltischen Staaten, die Ukraine und Polen. Lediglich Weißrussland stellt sich den Plänen bis heute entgegen.

Er wies in dem Interview immer wieder darauf hin, dass die USA einen langen Atem haben und dass sie nicht so einfach aufgeben. Selbst wenn dieser Umsturz keinen Erfolg haben würde, kämen dann andere Aktionen. Er warnte auch Russland immer wieder, dass es als nächstes an der Reihe sei und dass dort einiges bevor stehe. Und wenn Weißrussland falle, dann erst recht.

Früher hatte Lukaschenko mal in einem Interview gesagt, dass Putin und er irgendwann Rücken an Rücken die Feinde abwehren müssten. Er ist für sehr direkte Formulierungen bekannt, er sagte, sie würden „Rücken an Rücken schießen.“ Zu dem anwesenden Journalisten, dem er das seinerzeit in einem Interview gesagt hatte, sagte Lukaschenko nun:

„Darüber haben Sie damals gelacht. Aber sehen Sie, welche Wendungen das Leben nimmt?“

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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