10 Jahre arabischer Frühling: Das russische Fernsehen zieht eine bittere Bilanz

Vor zehn Jahren stand der sogenannte arabische Frühling auf seinem Höhepunkt und in Ägypten wurde der Präsident gestürzt. Westliche Medien haben danach schnell das Interesse an der Region verloren, über die Folgen der vom Westen gefeierten Revolutionen wird in westlichen Medien nicht berichtet.

Das russische Fernsehen hat den zehnten Jahrestag des Umsturzes in Ägypten zum Anlass für einen Rückblick genommen, wie man ihn im deutschen Fernsehen kaum zu sehen bekommen würde. Der arabische Frühling wird in Deutschland immer noch als etwas Gutes, als eine Demokratiebewegung dargestellt, die den Menschen Freiheit und Wohlstand bringen sollte. Da das nicht funktioniert hat – in den meisten Ländern herrschen nun wieder Diktatoren und die Verarmung hat sich noch verstärkt – haben die westlichen Medien schnell das Interesse an der Region verloren.

Aber wenn ein Land „nur“ noch weiter verarmt ist, können sich die Menschen sich dort sogar glücklich schätzen, denn in anderen Ländern wie Libyen, Syrien oder dem Jemen herrschen seit der „Demokratiebewegung“ des arabischen Frühlings Kriege mit hunderttausenden Toten und Millionen Flüchtlingen.

Dass die Verarmung und die Kriege, die die vom Westen unterstützte und gefeierte „Demokratiebewegung“ gebracht haben, auch einer der Auslöser der Flüchtlingswelle von 2015 war, wird von westlichen Politikern und Medien, die sich 2011 über den arabischen Frühling gefreut haben, nie erwähnt.

Das russische Fernsehen hat am Sonntag in der Sendung „Nachrichten der Woche“ zum zehnjährigen Jubiläum des arabischen Frühlings in einem Beitrag eine bittere Bilanz gezogen, die ich übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

Vor zehn Jahren brach der Arabische Frühling, eine Reihe revolutionärer Proteste, im Nahen Osten und in Nordafrika aus. Die erste war die sogenannte Jasminrevolution.

Im durchaus wohlhabenden Tunesien wurde Präsident Sinn al-Abidine Ben Ali gestürzt. Seitdem hat sich das Leben im Land verschlechtert. Das Land ist zum fast wichtigsten Lieferanten islamischer Terroristen geworden und jetzt gibt es dort Hungerunruhen, Armut, Massenarbeitslosigkeit und Korruption. Verzweifelt gehen die Menschen heute wieder auf die Straße.

Nach Tunesien brannte am 25. Januar 2011 Ägypten. Und dann war da noch Libyen, wo die Revolution Machthaber Muammar al-Gaddafi das Leben gekostet hat. Dann ging es überall weiter: Proteste in Syrien, Jemen, Kuwait, Jordanien, Algerien, Marokko, Saudi-Arabien, Bahrain, Sudan.

Die Proteste wurden von Westen nach Kräften unterstützt. Und das nicht nur mit freundlichen Worten, sondern durch das sogenannte „gelenkte Chaos“. Drei Jahre nach Beginn des Arabischen Frühlings bekam Europa seine Auswirkungen zu spüren, als Millionen Araber und Afrikaner auf den Kontinent strömten.

Ein weiteres Ergebnis des revolutionären Jahrzehnts ist der Aufstieg des radikalen Islam. In Ägypten übernahmen Islamisten der „Muslimbruderschaft“ nach den Protesten die Macht, wenn auch nicht für lange. In Syrien haben sich die Reste der Kopfabschneider von al-Qaida und anderen terroristischen Organisationen unter der schwarzen Flagge des IS vereint.

Ägypten hat den „arabischen Frühling“ wohl noch am besten bewältigt. Das Militär übernahm die Macht und 2014 wurde Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi Präsident Ägyptens, dem es gelang, die Ordnung wiederherzustellen und einen Bürgerkrieg zu verhindern.

Aus Ägypten berichtet unser Korrespondent.

So begannen die Ereignisse, die die ganze Welt nun als schillerndste Illustration des Beginns der Ära der Instabilität in der arabischen Welt wahrnimmt. Dieser Platz in Kairo, der Tahrir, der Befreiungsplatz, wurde nach dem Sturz der Monarchie im letzten Jahrhundert so genannt. Für die Generation der sozialen Netzwerke ist der Name nicht nur mit der Vergangenheit verbunden, er ist für sie die jüngere Geschichte.

Vor zehn Jahren schien es vielen wirklich so, als seien die Ereignisse auf dem Tahrir ein spontaner Aufruhr von Hosni Mubaraks Gegnern. Nach dem Motto, die Bewohner des Landes haben die Geduld mit ihm verloren. Die neuen und modernen Technologien der „Farbrevolutionen“ waren damals ein Novum im Nahen Osten. Heute erinnern sich nur noch wenige daran, aber diese Ereignisse wurden damals als „Twitter-Revolution“ bezeichnet. Jetzt nennt man sie „arabischer Frühling“ und es ist jetzt klar, dass diese Ereignisse keine Besserung gebracht haben.

Der Protest gegen Mubarak begann als Protest junger, gebildeter Angestellter, als die Mittelschicht Veränderungen forderte. Aber sehr schnell waren Anhänger der Islamisten auf dem Tahrir und sie forderten nicht einfach nur Veränderungen, sondern radikale Veränderungen. Alles lief nach dem Drehbuch ab, das dann zum Klassiker werden sollte: friedlicher Protest, Radikalisierung der Demonstranten, Angriffe auf die Polizei, Besetzungen von Regierungsgebäuden, erste Opfer unter den Demonstranten und unter den Sicherheitsbeamten, Schießereien.

Der Präsident brachte die Armee in die großen Städte, aber das Militär blieb neutral. Hosni Mubarak trat am 11. Februar zurück und übergab die Macht an den Obersten Rat der Streitkräfte. Aber die Islamisten waren bereits auf den Geschmack gekommen. Anhänger der alten radikalen Organisation „Muslimbruderschaft“, die in Russland als terroristisch eingestuft ist, begannen aktiv um die Macht zu kämpfen. Aktivisten aus ganz Ägypten trafen in Kairo ein. Zur gleichen Zeit herrschte in den Städten des Landes weiterhin Anarchie und die Ordnungskräfte waren demoralisiert. Erst am 24. Juni gab es einen neuen Präsident. Die Wahl gewann Mohamed Mursi, ein Vertreter der Muslimbruderschaft. Er versprach natürlich, das Staatsoberhaupt aller Ägypter zu werden, wurde es aber nicht.

Der Abgeordnete Tarek Alholi hat an den Zusammenstößen auf dem Tahrir teilgenommen. 2013 kehrte er auf den Tahrir-Platz zurück, um die Forderung nach Mursis Verhaftung zu unterstützen.

„Die Islamisten haben sich seit Jahrzehnten darauf vorbereitet, die Macht zu übernehmen. Und als es Unruhen gab, als Mubarak zurücktrat, begannen Vertreter der Muslimbruderschaft natürlich zu handeln. Der Protest hatte keinen offensichtlichen Führer, aber die Islamisten waren eine organisierte Kraft. Es ist gut, dass das Militär eine erneute Tragödie für das Land verhindert hat und die Radikalen aus der Regierung geworfen wurden“, sagte Tarek.

Mahmoud Badr, inzwischen auch Abgeordneter, initiierte eine Unterschriftensammlung von Gegnern der Muslimbruderschaft. Auch er glaubt, dass die Islamisten die Unruhen auf dem Tahrir vor zehn Jahren ausgenutzt haben.

„Wenn die Radikalen an der Macht geblieben wären, gäbe es jetzt religiösen Faschismus im Land, wir hätten einen Bürgerkrieg. Menschen unterschiedlichen Glaubens leben in Ägypten und die Muslimbruderschaft war bereit, Krieg mit allen zu beginnen, auch mit den Schiiten. Während ihrer Regierungszeit ist in der Geschichte Ägyptens unglaubliches geschehen“, sagte Mahmoud.

Tatsächlich kam es nach den Ereignissen auf dem Tahrir in Ägypten zu Zusammenstößen zwischen Muslimen und Christen. Radikale Islamisten begannen, Pogrome in koptischen Vierteln zu organisieren und setzten Kirchen in Brand. In nur einer Woche im August 2013 griffen Islamisten in Ägypten 42 Kirchen an, von denen 37 niedergebrannt wurden.

Einer der prominentesten Historiker Ägyptens, Issam Aldesuki, Professor an der Universität von Heluan, sagt, dass das nicht ohne Einmischung von außen stattgefunden hat: „Natürlich war es ein amerikanischer Plan, das, wie Condoleezza Rice es ausdrückte, kreative Chaos. Die Vereinigten Staaten brauchten keine starken arabischen Führer, die Garanten für die Integrität ihrer Länder waren, sie wollten die Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens zersplittern. Und der einfachste Weg, das zu tun, ist die Unterstützung radikaler religiöser Gruppen. Es war keine Revolution, wie man das Wort im 20. Jahrhundert verstanden hat. Als Präsident Sisi auftauchte, wurde er mit Abdel Nasser verglichen. Sisi wurde der Führer, der den großen Brand im Land verhindert hat.“

Doch die neue Regierung, die Mursi verhaftet und die Muslimbruderschaft verboten hat, hat immer noch mit den Nachwirkungen der Ereignisse von vor zehn Jahren zu tun. Im Norden des Sinai geht die Anti-Terror-Operation weiter, wo Armeeeinheiten regelmäßig Gefechte gegen Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates führen. Auf den Autobahnen des Landes greifen Radikale regelmäßig Touristen an. Im Jahr 2011 wuchs Ägyptens BIP um mehr als 5 Prozent. Aber dann gab es eine riesige Rezession. Die Wirtschaft hat sich bisher nicht erholt. Und natürlich gilt Ägypten nicht mehr als eines der sichersten nordafrikanischen Länder.

T-förmige Wände aus Beton. In Bagdad sind solche Zäune üblich. Sie sind typisch für Länder mit einer nicht stabilen militärischen und politischen Situation. Diese Zäune entstanden in Kairo nach Mubaraks Sturz. So haben sich ausländische Diplomaten selbst geschützt. Seitdem sind viele Jahre vergangen, aber niemand hat es eilig, die Betonzäune zu entfernen. Aber wenigstens werden auch keine neuen gebaut.

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Das „kreative Chaos“ oder die „kreative Zerstörung“, ist ein „Konzept“, das die Amerikaner sehr enst nehmen. („Mögen“ wollen die das natürlich nur anderswo, auch nicht gerade vor der eigenen Haustür.)

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