"Chicken-Game"

Das russische Fernsehen über die brandgefährlichen russisch-amerikanischen Beziehungen

Als "Chicken-Game" bezeichnen die Amerikaner ein "Spiel" auf Leben und Tod, bei dem der verliert, der zuerst nachgibt. Genau so ein "Spiel" spielen die USA gerade mit Russland.

In der Sendung „Nachrichten der Woche“ des russischen Fernsehens wurde das derzeit brandgefährliche Verhältnis zwischen den USA und Russland in einem sehr interessanten Kommentar analysiert, den ich übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

In der amerikanischen Kultur gibt es den Spaß, eine Art Tradition von Duellen, bei denen der Sieger derjenige ist, der mutiger und überzeugter von seinen Fähigkeiten ist. Es ist das Spiel „Feigling“. Daher heißt es auch „Chicken-Game“, wobei „Chicken“ ein abwertender Begriff für einen Feigling ist. Dabei werden beide Teilnehmer mit einer Situation mit zunehmender Gefahr konfrontiert. Man kann sich vor einem herannahenden Zug auf die Gleise legen und wer zuerst aufspringt, der ist das Chicken. Man kann mit Autos mit Vollgas aufeinander zurasen. Wer zuerst ausweicht, ist das Chicken. Oder, wie in dem Kultfilm der 50er Jahre „Rebel without a reason“ von Nicholas Ray mit dem schönen Hollywoodstar James Dean in der Hauptrolle, auf einen Abgrund zurasen. Wer zuerst aus dem Auto springt, ist das Chicken.

Joe Biden spielt seit Beginn seiner Präsidentschaft ein ähnliches Spiel mit dem russischen Präsidenten Putin. Biden hetzt die Ukraine gegen den Donbass, schickt Kriegsschiffe ins Schwarze Meer, erhöht die Zahl der Aufklärungsflüge in der Nähe der russischen Grenze und dann noch die laufenden NATO-Manöver in Europa Defender Europe 2021, die größten seit dem Kalten Krieg… Parallel dazu hat Kiew sich vom Minsker Abkommen verabschiedet, sogar Minsk selbst als Ort Verhandlungen abgelehnt und Zugladungen mit Panzern und Artillerie nach Osten geschickt. Die Streitkräfte der Ukraine sind an die Demarkationslinie im Donbass vorgerückt und der Beschuss im Donbass ist so häufig geworden, dass nicht klar ist, wie sich so ein Frieden vom Krieg unterscheidet.

Der ungeheuerlichste Fall war der Mord an einem vierjährigen Kind im Hof eines Hauses im Dorf Alexandrowskaja. Auch nach seiner Beerdigung kamen weder von Kiew noch von Europa oder den Vereinigten Staaten Worte des Mitgefühls. Stattdessen hat Amerika durch US-Außenminister Blinken und Pentagon-Chef Austin militärische Garantien für die Ukraine im Falle einer russischen Aggression verkündet, frei nach dem Motto, Ihr könnt den Donbass angreifen, Amerika wird Euch helfen. Das Wort „Krieg“ hängt in der Luft. Geändert hat sich, wie man heute sagt, das Narrativ, aber vielen läuft es kalt den Rücken herunter.

Ich möchte nicht sagen, dass sich die Cuba-Krise von 1962 wiederholt, als amerikanische und sowjetische Raketen von Kuba und der Türkei buchstäblich auf Amerika und die UdSSR gerichtet waren. Doch die Stimmung der letzten Wochen ist ähnlich. Eine derart akute Krise mit den Vereinigten Staaten hat es in der jüngeren Geschichte Russlands noch nicht gegeben. Das muss man zugeben. Es ist eine Situation wie in dem Chicken-Game entstanden, als Amerika entschieden hat, Russland frontal anzugehen.

Man muss anerkennen, dass Wladimir Putin seine Gelassenheit behalten hat und sich weiterhin unbeeindruckt um die russische Innenpolitik kümmert: Er hat seine zweite Impfung bekommen, zum Tag der Kosmonauten einen Park an der Stelle von Gagarins Landung in der Region Saratov eröffnet und sich mit der Russischen Geographischen Gesellschaft getroffen, wo er über den Klimawandel und neue russische Eisbrecher gesprochen hat.

Biden hat unterdessen von seinen Geheimdiensten Berichte über das erhalten, was der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu offen gesagt hat: „Im Rahmen von Kontrollmaßnahmen und Trainingseinheiten wurde eine unangekündigte Überprüfung der Kampfbereitschaft der Truppen der westlichen und südlichen Militärbezirke durchgeführt. Innerhalb von drei Wochen wurden zwei Armeen und drei Einheiten der Luftstreitkräfte erfolgreich in Manövergebiete an den westlichen Grenzen der Russischen Föderation verlegt. Die Truppen haben die volle Bereitschaft und Fähigkeit gezeigt, ihre Aufgaben zu erfüllen, um die militärische Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Derzeit sind diese Verbände an den Manövern beteiligt.“

Während er die Ukraine zum Krieg drängt und mit Putin ein Chicken-Game beginnt, sollte man denken, dass der vergessliche Biden sich doch irgendwann an die Worte des russischen Präsidenten erinnern müsste, zum Beispiel, als der im Herbst anlässlich des Tages des Waffenschmiede sagte: „Zum ersten Mal in unserer jüngeren Geschichte hat Russland die modernsten Waffen, die allen anderen in Macht, Geschwindigkeit und Genauigkeit, das ist sehr wichtig, überlegen sind. Niemand auf der Welt hat solche Waffen, zumindest noch nicht. In diesem Zusammenhang gratuliere ich am Tag der Waffenschmiede den Entwicklern und Herstellern des Peresvet-Laserkomplexes, der Kinzhal-Hyperschallrakete, des Unterwasser-Roboterkomplexes mit atomarem Abtrieb Poseidon, des Marschflugkörpers mit unbegrenzter Reichweite „Burevestnik“, der Hyperschallrakete Zirkon und anderen Waffen, die bereits in Dienst gestellt sind oder in naher Zukunft in Dienst gestellt werden. Aber in dieser Reihe nimmt das Avangard-System mit seiner manövrierbaren Hyperschallrakete, die mit 27-facher Schallgeschwindigkeit fliegt und dabei Richtung und Höhe ändern kann, einen besonderen Platz ein. Die Avangard ist nicht nur ein neues System, sie ist eine neue Gattung strategischer Waffen.“

Wenn wir den Verlauf von Bidens Gedanken rekonstruieren, dann war das Scheitern des übereilten Tests der amerikanischen Hyperschallrakete für ihn eine kalte Dusche. Die Rakete ist noch nie geflogen. Es gibt sie eigentlich gar nicht. Die ersten Attrappen wurden an Flugzeuge gehängt. Und als sie am 6. April versuchten, eine solche Rakete unter dem Flügel einer B-52 zu starten, konnte das Gerät nicht nur nicht den Motor starten, es konnte noch nicht einmal abgekoppelt werden.

Peinlich. Biden war traurig. Er hat eine Woche getrauert. Und vielleicht hat er sich sogar daran erinnert, wie sein Mentor Präsident Barack Obama sich einst sogar geweigert hat, wegen der Krim gegen Russland zu kämpfen, und wie er am 19. März 2014 auf NBC sagte, dass er der Ukraine nicht rät, aufzumucken: „Wir beabsichtigen nicht, uns in das militärische Szenario in der Ukraine einzumischen. Es gibt einen anderen Weg, und ich denke, selbst die Ukrainer erkennen an, dass eine bewaffnete Konfrontation der USA mit Russland unangemessen wäre und auch der Ukraine selbst nicht nützen würde.“

Am Ende hat Biden sozusagen im übertragenen Sinne „geblinzelt“ und den langen Blick in die Augen nicht ausgehalten. So wie es beim Boxen Tradition ist, wenn sie sich beim Wiegen vor dem Kampf in die Augen schauen, bis einer es nicht mehr aushält und blinzelt. Hier verliert zum Beispiel der alternde Mike Tyson das „In-die Augen-schauen“ und blinzelt. Übrigens hat der alte Ohrenbeißer auch den anschließenden Kampf gegen Roy Jones nicht gewonnen.

An irgendeinem Punkt hat auch Joe Biden erkannt, dass US-Militärgarantien für die Ukraine ein Bluff sind. In Wirklichkeit wird Amerika nicht für den Donbass kämpfen. Und wenn doch, wird das eine so peinlich Niederlage, dass sie zu einem Gesichtsverlust selbst für die NATO-Verbündeten und für die Welt wird. Wer wird sich danach noch auf die „militärischen Garantien“ der USA verlassen? Und wie kann man danach noch jemandem drohen oder überhaupt weiterleben?

Biden hat geblinzelt, zum Telefon gegriffen und Putin angerufen. „Hey, Wladimir, ich bin´s Joe, der dich einen „Killer“ genannt hat. Lass uns treffen und reden, weil wir so viele gemeinsame Themen haben.“

Tatsächlich bietet Putin seit langem an, zu reden. Sogar öffentlich und live. Biden hat es damals vorgezogen, sich nach Georgia zurückzuziehen und wurde fast vom Wind weggeweht und stolperte auf der Flugzeugtreppe. Und nun, nachdem er beschlossen hat, irgendwie mit Russland zu verhandeln und Putin ein Treffen anbietet, verhängt Biden gegen Russland ein weiteres Sanktionspaket. Anscheinend, um irgendwie von der Weigerung abzulenken, auf der Seite der Ukraine zu kämpfen.

Die US-Kriegsschiffe „Donald Cook“ und „Roosevelt“ haben jedenfalls gebremst und patrouillieren statt im Schwarzen Meer im Mittelmeer.

Kein Wunder, schließlich war aus Moskau eine direkte Warnung hören: „Wir warnen die Vereinigten Staaten, dass sie sich besser von der Krim, von unserer Schwarzmeerküste fernhalten sollten. Das ist zu ihrem eigenen Besten. Die Risiken dieser oder jener Vorfälle sind sehr hoch.“

Und was nun? Biden hat eine Fernsehansprache über Russland abgelesen: „Als ich mit Präsident Putin sprach, brachte ich meine Überzeugung zum Ausdruck, dass eine direkte und persönliche Kommunikation zwischen uns unerlässlich ist, um zu einer effektiveren Beziehung zu gelangen. Und er stimmte mir in diesem Punkt zu. In diesem Zusammenhang habe ich ihn eingeladen, sich diesen Sommer persönlich irgendwo in Europa zu treffen.“

Entschuldigung, aber ist es angemessen, den Aufbau der Beziehungen mit Sanktionen zu beginnen? Gibt es hier nicht eine gewisse Schizophrenie? Jedenfalls werden diese unterschiedlichen Signale im Kreml zurückhaltend aufgenommen und der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow sagt, dass „niemand es eilig hat.“

„Niemand hat es eilig. Es ist wichtig, dass solche Worte über die Notwendigkeit eines Dialogs mit den wirklichen Taten korrelieren“, sagte Peskow.

Mit anderen Worten, Putin hat es nicht eilig, und die Entscheidung über ein Treffen mit Biden und den Zeitpunkt wird je nach Art der Signale aus den Vereinigten Staaten getroffen.

Putin ist in einer starken Position. Er hat Biden ausgespielt, wie die Bedeutungslosigkeit der US-Militärgarantien für die Ukraine gezeigt haben und hat es gleichzeitig geschafft zu erklären, dass die gemeinsame Agenda unserer Länder sehr wichtig sein kann. Wenn die das weiterhin ignorieren und leichtfertig das Chicken-Game spielen, können die Folgen, sogar durch Zufall, tödlich sein. So geschah es zum Beispiel in dem genannten Hollywood-Film „Rebel without a reason.“ Als er sich dem Abgrund näherte, wollte der Held noch im letzten Moment aus dem Auto springen, aber da hatte sich sein Ärmel am Türgriff verfangen und er stürzte in den Abgrund.

Gibt es für uns eine Garantie, dass ein technischer Zufall nicht wieder als technischer Grund für eine Reaktion interpretiert wird? Und was dann? Jedenfalls haben die ruhigen Dänen das russische System „Poseidon“ irgendwie sehr gut verstanden.

„Die russischen Streitkräfte sind bereit, einen nuklearen Torpedo zu testen, der radioaktive Tsunamis verursacht, die feindliche Städte überschwemmen und sie jahrzehntelang unbewohnbar machen können. Der Unterwassertorpedo „Poseidon“ 2M39, benannt nach dem Gott des Meeres aus der griechischen Mythologie, mit seiner Reichweite von 10.000 Kilometern, könnte durchaus amerikanische Küsten erreichen“, schreibt die dänische Zeitung Jyllands-Posten.

Radioaktive Tsunamis erregten auch die Gemüter der Norweger: „Es gibt Informationen, dass ein unbemannter Torpedo aus dem Norden Russlands den gesamten Nordatlantik überqueren kann.“

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

12 Antworten

  1. Ich bin jedes mal aufs Neue begeistert vom sprachlichen Niveau der Kommentare des russischen Fernsehens. Die Analyse ist aus politischer Sicht natürlich fantastisch, gleichzeitig ist der Kommentar aber auch gewitzt verfasst und tariert das Verhältnis zwischen sprachlichen Bildern und politischem Inhalt perfekt aus.
    Vielen Dank daher an Herrn Röper, den Kommentar so gut übersetzt zu haben!

    1. Diesem Kommentar schließe ich mich gerne an. Möge Russland immer einen rüstungstechnischen Vorsprung halten (was bei einem Fokus auf reine Verteidigung Russland eher gelingt, als den USA, die Verteidigung und Angriff konzipieren müssen).

      Außerdem ist es ein gewaltiger Unterschied, ob man Tolstoi oder Micky Mouse liest, bzw. Schach spielt oder Pokert, einen klaren Vodka trinkt oder einen fuseligen Burbon schlürft!

      1. Absolut richtig! In diesem Konflikt kommt es auch auf eine technische Überlegenheit gegenüber dem Westen an. Denn Qualität kann mächtiger sein als Quantität. Die Russen haben brilliante Waffen entwickelt, um amerikanische Marschflugkörper, Uboote oder Schiffe auszuschalten. Beim Konflikt um die Krim haben die Russen den Amis einfach das Licht auf ihrem Kriegsschiff ausgenknippst.
        Die Russen sind großartige Schachspieler, und genauso auch geniale Strategen im politischen und militärischen Bereich.

  2. Den militärtechnischen Schwanzvergleich sehe ich eher skeptisch, dazu gehören noch andere Faktoren. Ökonomie meinetwegen oder die Wirksamkeit der Propaganda (Russisch oder Chinesisch sind keine Weltsprachen). Und: Wir sind im Falle eines Falles leider keine Zuschauer.

    1. Also ich werde für die NATO nicht eine Sekunde eine Waffe in die Hand nehmen. Da haue ich lieber aus Deutschland ab, bevor ich als Konnonenfutter für Stoltenberg und von der Leychen ende…

  3. Bewaffneter Friede
    —————
    Ganz unverhofft an einem Hügel
    Sind sich begegnet Fuchs und Igel.
    „Halt“, rief der Fuchs, „du Bösewicht!
    Kennst du des Königs Order nicht?
    Ist nicht der Friede längst verkündigt,
    Und weißt du nicht, daß jeder sündigt,
    Der immer noch gerüstet geht?
    Im Namen seiner Majestät,
    Geh her und übergib dein Fell.“
    Der Igel sprach: „Nur nicht so schnell,
    Laß dir erst deine Zähne brechen,
    Dann wollen wir uns wieder sprechen!“
    Und allsogleich macht er sich rund,
    Schließt seinen dichten Stachelbund
    Und trotzt getrost der ganzen Welt,
    Bewaffnet, doch als Friedensheld.

    Wilhelm Busch

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